Protokoll der Sitzung vom 28.08.2008

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Kollege Kleff. – Für die SPD spricht die Kollegin Meurer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 1. Dezember 2005, am Weltaidstag – der jährt sich jedes Jahr wieder neu –, gab es eine Plenardebatte zum Thema „Dem Anstieg der HIV-Infektionen entgegentreten – Präventionsarbeit zu HIV und AIDS weiterentwickeln!“. Alle Fraktionen erklärten – wie Sie jetzt auch wieder, Herr Kleff –, die Präventionsarbeit zu stärken. Die Erfahrungen der jüngsten Zeit zeigen, dass dringend neue Formen der Ansprache entwickelt werden müssen. Es sollten Akteure einbezogen und alle Kompetenzen gebündelt werden, um so enger an die Lebensformen der Zielgruppen anzuknüpfen. Das stammt nicht von mir. So war die Einlassung von Herrn Dr. Romberg im Dezember 2005.

In dieser Debatte wurde von den Regierungsfraktionen auch sehr deutlich herausgestellt, dass infizierte und erkrankte Frauen sozial deutlich schlechter gestellt sind als ebensolche Männer. Auch das Problem der bisher vernachlässigten Gruppe der Migrantinnen und Migranten bzw. ihres erschwerten Zugangs zu Hilfsangeboten wurde von allen Fraktionen benannt.

Herr Minister Laumann führte wörtlich aus:

Die Bekämpfung von Aids bleibt eine herausragende gesundheits- und sozialpolitische Herausforderung. Sie ist damit ein Schwerpunkt der Arbeit der nordrhein-westfälischen Landesregierung. … Bei der notwendigen Weiterentwicklung dieser zielgruppenspezifischen Präventionsmaßnahmen bleiben die Aidshilfen ein wichtiger Partner der Landesregierung.

Große Übereinstimmung also in der Beschreibung der Problemlage und große Ankündigungen des

Ministeriums, die die Betroffenen, die Kranken und Infizierten, die politisch Engagierten und die vielen Ehren- und Hauptamtlichen in der Aidshilfe hoffen ließen. Ein gemeinsamer Antrag aller Fraktionen war 2005 nicht möglich, weil die FDP unbedingt an einem Satz in ihrem gemeinsamen Antragstext mit der CDU festhalten wollte, um damit die Verantwortung für Sparmaßnahmen wegzuschieben:

Allen aus der falschen Politik der Vergangenheit resultierenden jetzt unumgänglichen finanziellen Restriktionen zum Trotz spricht der Landtag den vielen professionellen und ehrenamtlichen Helfern gegen HIV und AIDS seine Hochachtung und Anerkennung für ihr Engagement aus.

Die heutige Realität zeigt die ganze Ironie dieses Satzes. Verbal gab es viel Lob, aber bei der dann folgenden Umsetzung von Partnerschaft und Einbeziehung der seit Jahren tätigen Organisationen war dann keine Rede mehr davon.

Seit 2007 werden diese Mittel an die Kommunen gezahlt. Die regionalen Aidshilfen bleiben als direkte Partner in der Aidsprävention außen vor.

Wie in der Landesdrogenpolitik von uns schon heftig kritisiert, gibt das Land wichtige Steuerungsmöglichkeiten auf. Es stiehlt sich damit aus der Verantwortung. Nicht alle Aufgaben des Landes lassen sich durch eine Übertragung auf die kommunale Ebene effizienter lösen. Neue Konzepte aufgrund neuer Herausforderungen sind nur in gemeinsamer Verantwortung zu entwickeln.

Gerade für Menschen, die aufgrund ihrer Erkrankung auf der Schattenseite der Gesellschaft leben, muss das Land gleiche Lebens- bzw. Überlebenschancen bieten. Das können einzelne Kommunen nicht entwickeln und finanzieren. Hierzu bedarf es einer landespolitischen Steuerung.

Wir unterstützen das Anliegen des Antrags, gemeinsam mit den kommunalen und freien Trägern einen Aids-Präventionsplan für NRW zu entwickeln. Die Förderung des Ehrenamtes und der Selbsthilfe ist dabei für uns unverzichtbar. Über die Auswirkungen der Umstellung der Landesförderung ist dem zuständigen Fachausschuss zeitnah zu berichten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, von den Ankündigungen und Solidaritätsbekundungen aus dem Jahr 2005 ist nicht viel geblieben. Wir versprechen Ihnen eine engagierte Diskussion bei der Beratung im Fachausschuss und werden darauf drängen,

dass es in diesem wichtigen Politikfeld nicht bei einer bloßen Ankündigungspolitik bleibt.

Nehmen wir gemeinsam die Herausforderung ernst, nehmen wir die betroffenen Menschen und die engagierten Träger der Hilfsangebote ernst. Eine qualitativ gesicherte Weiterentwicklung der HIV/Aids-Prävention in Nordrhein-Westfalen ist nicht einfach durch eine neue Förderformel, sondern nur durch einen intensiven Entwicklungsprozess mit allen Ebenen und allen Trägern in der Aids-Arbeit zu erreichen. Ein solches erarbeitetes aktuelles Landes-Aids-Programm muss die Grundlage künftiger Förderstrategien sein. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Frau Meurer. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Dr. Romberg.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zunahme der HIVNeudiagnosen bei Männern, die Sex mit Männern haben, ist eine sehr beunruhigende Entwicklung. Die Aidshilfe Nordrhein-Westfalen hat in ihrer Jahrespressekonferenz in der vergangenen Woche darauf hingewiesen, dass es von 2006 zu 2007 zu einem Anstieg um knapp 12 % bei dieser Gruppe kam. Darauf muss man natürlich angemessen reagieren.

Das Robert-Koch-Institut geht davon aus, dass die Zunahme nur zu einem kleinen Teil auf vermehrte Testdurchführungen zurückgeht und man tatsächlich von einer höheren Zahl an Neuinfektionen ausgehen muss.

Insgesamt haben in Nordrhein-Westfalen nach Angaben der Techniker Krankenkasse im Jahr 2007 703 Menschen die Diagnose „HIV-positiv“ erhalten. Dies ist vor allem auf ein sinkendes Risikobewusstsein zurückzuführen.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Dies liegt sicherlich auch daran, dass die Krankheit erfreulicherweise aufgrund großer Fortschritte in der Therapie insgesamt besser zu behandeln ist und die Lebenserwartung somit auch gestiegen ist. Es ist jedoch hochproblematisch, dass inzwischen immer mehr Menschen glauben, man könne an Aids nicht sterben. Das ist trotz aller Behandlungserfolge eben leider nicht der Fall. Allein in Nordrhein-Westfalen gab es im letzten Jahr 130 Todesfälle in diesem Zusammenhang.

Der Landesgeschäftsführer der Aidshilfe will daher etwas gegen das in seinen Augen gefährliche

Halbwissen unternehmen. Es hat sich gezeigt, dass die individuelle Ansprache an Bedeutung zugenommen hat. Dagegen kommen die bisherigen allgemeinen Präventionsbotschaften bei der Zielgruppe offenbar nicht mehr richtig an, obwohl deren Inhalt nach wie vor zutreffend ist. Außerdem müssen neue Vermittlungsformen der Information gewählt werden. Gerade für schwule Männer wird das Internet immer wichtiger zur Kontaktaufnahme. Es ist also folgerichtig, dass Prävention auch in stärkerem Maße als bisher online gehen muss.

Der Anstieg der HIV-Infektionen bei Schwulen und bisexuellen Männern ist keine ganz neue Entwicklung. Deshalb waren wir bereits während der letzten Haushaltsberatung der Auffassung, dass die Finanzmittel für die Behandlung von Aids einschließlich der Mittel für Prävention und Beratung trotz der schwierigen Haushaltslage auf keinen Fall gekürzt werden dürfen. Diese politische Ansage gilt natürlich auch für das Jahr 2009.

Eine weitere wichtige Gruppe für die AidsPrävention sind die Frauen. Bei ihnen ist die Zahl der Neudiagnosen stark zurückgegangen, und zwar auf 16,1. Dennoch gibt es keinen Grund zur Entwarnung. Diese Entwicklung ist nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts dadurch erklärbar, dass sich die Meldungen von Frauen aus Hochrisikoländern reduziert haben.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich im Namen der FDP-Fraktion auch noch einmal den vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern danken, die sich bei der HIV-Prävention, aber auch bei der Beratung und Betreuung von infizierten und erkrankten Menschen engagieren.

(Beifall von der FDP)

Sie sind unverzichtbare Botschafter für mehr Toleranz und gegen Ausgrenzung der Betroffenen.

Frau Meurer hatte die Debatte angesprochen, die wir vor knapp drei Jahren im Plenum geführt haben. Schon damals haben wir auf die wachsende Bedeutung von Syphilis und anderen Geschlechtserkrankungen hingewiesen. Gerade hier gibt es im Zusammenhang mit HIV-Infektionen immer neuere Erkenntnisse. Die Aidshilfe erklärt sich die Zunahme bei den Diagnosen weniger durch das Abnehmen des Schutzverhaltens, sondern eher durch die Zunahme anderer Geschlechtskrankheiten, die die Körperabwehr schwächen und somit das Infektionsrisiko durch den HIV-Virus erhöhen.

Das Robert-Koch-Institut formuliert es etwas zurückhaltender und spricht von einem möglichen

Einfluss der Syphilis auf die HIV-Epidemie. Tatsache ist: Die Übertragungswege sind bei Syphilis erheblich vielfältiger und daher spezifischer als bei HIV. Saver sex greift daher nur bedingt. Deshalb ist es zu begrüßen, dass dieses Problem auch im Rahmen der zielgruppenspezifischen Aids-Prävention des Landes – wie bei dem Schwulen-Präventionsprojekt „Herzenslust“ – thematisiert wird.

Im Zuge der Kommunalisierung der Mittel für den Aids- und Suchtbereich steht der Abschluss einer Rahmenvereinbarung zwischen Wohlfahrtspflege, den kommunalen Spitzenverbänden und der Landesregierung bevor. Auf diese Weise wird es gelingen, die fachliche Arbeit noch weiter bedarfsgerecht zu optimieren und die Koordination von Aufgaben zu erleichtern. In dieser Hinsicht sind wir ganz anderer Meinung als die Opposition, die dort eine deutliche Verschlechterung der Arbeit sieht.

Wir sind uns bewusst, dass wir die HIV- und AidsPrävention weiterentwickeln müssen. Dazu hätte es keiner Aufforderung der Grünen bedurft. Ich hoffe, es gelingt uns gemeinsam mit den Akteuren im Land, die Bürgerinnen und Bürger noch stärker als bisher für das Problem zu sensibilisieren. – Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Romberg. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Laumann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich feststellen, dass in den letzten 25 Jahren in Nordrhein-Westfalen in Sachen Aufklärung und Prävention rund um Aids Gutes und Großartiges geleistet worden ist, und zwar in einer guten Zusammenarbeit von sowohl staatlichen Stellen als auch vielen nichtstaatlichen Stellen.

Es ist wahr, dass wir in dieser Frage in der jetzigen Zeit wieder vor veränderten Herausforderungen stehen. Diesen Herausforderungen müssen wir uns mit den bewährten Partnern im Land natürlich stellen.

Nach meiner Meinung war die Kommunalisierung der Landesförderung ein richtiger Schritt. Sie wissen auch, dass diese Kommunalisierung von einer Arbeitsgruppe von Land, Kommunen und freier Wohlfahrtspflege begleitet wird und die Aidsprävention in unserem Land eher gestärkt hat.

Die Landesregierung wird ein ergänzendes Landeskonzept zur Aidsprävention erarbeiten lassen – unter Einbeziehung aller Beteiligten, die in Nordrhein-Westfalen dafür zuständig sind. Frau Kollegin Steffens, im Zusammenhang mit diesem Präventionskonzept können wir ja auch den von Ihnen geforderten Bericht erstellen. Er muss ja Bestandteil dieses Konzeptes sein. Daher ist es sinnvoll, diese Berichterstattung dann auch in diese Konzeption einzuarbeiten.

Ich bin allerdings nicht der Meinung – darüber können wir im Ausschuss aber gerne noch einmal reden –, dass man einen solchen Bericht jedes Jahr neu auflegen muss. Die Frage ist, ob man dann wirklich jedes Mal wieder neue Erkenntnisse hat, die einen solchen Bericht rechtfertigen. Darüber kann man aber, wie gesagt, noch einmal vernünftig miteinander sprechen.

Ich denke, dass wir hier gut aufgestellt sind. In unserem Land gibt es viel Engagement.

Was das liebe Geld angeht, haben wir die Mittel in diesem Bereich bis jetzt auch nicht gekürzt. In den zukünftigen Haushaltsplänen wird das ebenfalls so sein. Aus den Mitteln für Aidsprävention müsste kein Beitrag zur Konsolidierung des Landeshaushaltes geleistet werden. Das liegt auch daran, dass wir das Geld für die notwendigen Kampagnen und die auf diesem Feld erforderliche Arbeit schlicht und ergreifend brauchen. Außerdem haben wir den Kommunen im Rahmen der Kommunalisierung feste finanzielle Zusagen gemacht, die auch eingehalten werden müssen. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Laumann. – Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/7064 an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales – federführend –, den Ausschuss für Frauenpolitik, den Ausschuss für Generationen, Familie und Integration sowie den Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Einstimmig so beschlossen.

Wir kommen zu:

15 Durch Ausweitung der LKW-Überholverbote und Tempo 130 auf NRW-Autobahnen die Verkehrssicherheit und die Staugefahren senken!

Antrag