Ich kann hier erklären, dass die Landesregierung bereit ist, die Integrationspolitik in NordrheinWestfalen zukünftig ohne parteipolitische Auseinandersetzungen, die dann prägend wären, zu gestalten. Wir wissen alle, dass es unterschiedliche Auffassungen gibt. Aber Integrationspolitik ist zu wichtig, als sie im parteipolitischen Hickhack untergehen zu lassen.
Ich habe nicht die Absicht, dieses Thema angesichts der obskuren Thesen des Herrn Sarrazin zu behandeln. Man muss nicht über jedes Stöckchen springen, das einem hingehalten wird.
Integrationspolitik ist gerade in Nordrhein-Westfalen nichts Neues. Ich glaube auch nicht, dass, wie ein großes Nachrichtenmagazin schrieb, staatliche
Politik generell versagt hat. Ich glaube vielmehr, dass wir zu spät begonnen haben, uns über Integrationspolitik Gedanken zu machen und diese Gedanken zu realisieren.
Viele Jahre lang haben wir versäumt, darüber zu diskutieren, ob Deutschland nun wirklich ein Einwanderungsland ist oder nicht. Ich habe den Eindruck, dass viele Zeitgenossen, die heute über Defizite in der Integrationspolitik sprechen, immer noch identisch sind mit denjenigen, die nicht wissen, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist.
Natürlich haben wir große Herausforderungen in der Integrationspolitik zu bewältigen. Deshalb hat die Landesregierung das Thema „Integration“ institutionell und auch politisch aufgewertet. Integration ist gleichberechtigt in das Arbeits- und Sozialministerium und damit in ein klassisches Ministerium eingebettet worden.
Erstmals gibt es eine Staatssekretärin für Integration – jemanden, der am eigenen Leibe erfahren hat, was Integration bedeutet und was nicht.
Herr Palmen, das sind natürlich wieder Kosten. Wir kennen die Diskussion. Wir sollten sie hier nicht führen.
Die Entscheidung, Arbeit, Soziales und Integration zusammenzuführen, war notwendig. Denn ohne den Zugang zu qualifizierter Ausbildung und guter Arbeit, ohne sicheres Einkommen und soziale Sicherheit kann Integration eben nicht gelingen.
Wir brauchen Migration und Integration, meine Damen und Herren. Die kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung von Immigranten ist groß. Deshalb sind Menschen mit Migrationshintergrund keine Belastung, sondern auch kulturell und ökonomisch eine wichtige Bereicherung. Ich möchte nur einige Beispiele nennen:
Von 747.000 Selbstständigen in Nordrhein-Westfalen haben mittlerweile 17,3 %, also jeder Sechste, eine Zuwanderungsgeschichte. Sie leisten einen überaus wichtigen Beitrag zur Stärkung der heimischen Wirtschaft. Sie tragen dazu bei, dass Wohlstand gemehrt wird, und schaffen über eine Million Arbeitslose bzw. Arbeitsplätze
Bildungsabschlüsse und eine unzureichende Integration auf dem Arbeitsmarkt kosten den Staat bundesweit jährlich 16 Milliarden €.
Weil das so ist, wollen wir vorbeugen. Auch das gehört zu unserer finanzwirtschaftlichen Strategie. Wir wollen Kosten für unterlassene Integration verhindern.
Meine Damen und Herren, Integration ist eine Querschnittsaufgabe. Lassen Sie uns deshalb nicht Arbeit gegen Bildung ausspielen. Wir wissen doch alle, dass Bildung, dass das Erlernen der deutschen Sprache zentrale Voraussetzung jeder Integrationspolitik sind. Deshalb sage ich noch einmal: keine Spielereien. Der Bildungspolitik kommt natürlich eine äußerst wichtige Rolle zu.
Natürlich wollen wir schon im Kindergarten den Erwerb und das Beherrschen der deutschen Sprache sicherstellen. Herr Laschet, an dieser Stelle gibt es überhaupt keinen Dissens. Diesen Dissens sollten wir auch nicht in der Öffentlichkeit erzeugen wollen.
Arbeit ist genauso wichtig. Ich sehe hier keine Wertigkeit. Schauen Sie sich die Zahlen an: Fast 21 % der Menschen mit Migrationshintergrund und der Ausländer in Nordrhein-Westfalen sind arbeitslos. Die Quote bei den Deutschen betrug im Juli dieses Jahres 7,6 %. Deshalb werden wir uns natürlich bemühen, die Integration der Migranten auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und die Vermittlung in Arbeit zu stärken.
Wir wollen eine aktive und systematische Integrationspolitik. Deshalb streben wir eben ein Integrationsgesetz an. Es geht nicht um Projekte, es geht um Strukturen, die stimmen müssen. Wir wollen deshalb natürlich die Partizipation und die gesellschaftliche Beteiligung über das schon angesprochene kommunale Wahlrecht sicherstellen.
Unsere Integrationspolitik beginnt von unten und ist nicht identisch mit allgemeiner Medienarbeit. Wir gehen zu den betroffenen Menschen, um die Probleme zu ergründen und Abhilfe zu schaffen. Dies wird auch im Mittelpunkt der nächsten fünf Jahre stehen. – Danke schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in diesem Landtag seit 2001 einen großen Konsens, und deshalb war die Integrationsoffensive etwas, was über den letzten Regierungswechsel gehalten hat.
Dennoch müssen wir uns – und dazu war Ihr Beitrag gerade, Herr Minister Schneider, wenig hilfreich – vor Augen halten: Wenn ein Mann, ein Mitglied der SPD, ein jahrelanger Staatssekretär und Senator, der es in den Vorstand der Deutschen Bundesbank gebracht hat, ein Buch schreibt, das 400.000 Menschen kaufen, und wenn die Mehrheit der Menschen in Umfragen sagt „Der Mann hat recht“, dann müssen wir uns doch dieser Debatte stellen. Dann können Sie doch nicht sagen: „Ich springe nicht über jedes Stöckchen“, ihn ausschließen und das Thema totschweigen.
Unser Kernproblem besteht doch darin, dass zwar 90 % – ich auch – ihn kritisieren, dass die gesamte politische Klasse ihn kritisiert, aber die Menschen ein völlig anderes Gefühl haben. Dann wird eine Talkshow organisiert. Fünf Leute treten gegen Sarrazin an, und alle machen ihn nieder. Anschließend erfolgt eine Umfrage unter den Zuschauern, und 90 % sagen: Der hat recht. – Dieser Debatte müssen wir uns doch stellen, und deshalb ist es zu schwach, zu sagen: Ich springe nicht über jedes Stöckchen.
(Beifall von der CDU – Rüdiger Sagel [LIN- KE]: Das ist völlig undifferenziert, was Sie hier sagen!)
Dann hat uns Herr Atalan hier darüber belehrt, dass das Rechtspopulismus ist. Ich weiß nicht, lieber Herr Atalan, ob Sie die Emnid-Umfrage kennen. Es wurde ermittelt, bei welcher Partei Herr Sarrazin die größte Zustimmung erfährt. Einen Großteil der Zustimmung findet er bei der Partei der Linken.
am ehesten Herrn Sarrazin wählen würden. Er ist nämlich genauso populistisch wie Die Linke. Sie machen doch immer mit dummen Sprüchen Politik.
Herr Sagel, Ihre Empörung hier ist völlig unangemessen. Denn Ihre Partei hat jahrelang mit diesem Herrn Sarrazin in Berlin regiert. Herr Sarrazin ist
kein Konservativer. Herr Sarrazin ist einer, der mit Kommunisten koaliert hat, und auch das müssen wir in dieser Zeit einmal sagen.
(Beifall von der CDU und von der FDP – Dr. Carolin Butterwegge [LINKE]: Bauen Sie die Mauer doch wieder auf! – Bärbel Beuer- mann [LINKE]: Herr Laschet, ich habe noch ein Stückchen Mauer! Das können Sie ha- ben!)
In der Regierungszeit mit Ihnen war er Finanzsenator. Er hätte doch die Bildungschancen in Berlin erhöhen können. Bis heute ist Nordrhein-Westfalen das einzige deutsche Bundesland, das verpflichtende Sprachtests für Vierjährige eingeführt hat. Warum macht denn Ihre Koalition in Berlin, die Herrn Sarrazin als Senator hatte, nicht endlich Ernst mit Integrationsfortschritten für Kinder?
(Bärbel Beuermann [LINKE]: Ja, von Ihnen auch! – Rüdiger Sagel [LINKE]: Wir brauchen Förderung und keine Sprachtests!)