Wir haben ja lange auf die Ergänzungsvorlage 2016, die wir heute ebenfalls beraten, warten müssen. Wir haben lange auf diese Ergänzungsvorlage gewartet, weil der hochverehrte Herr Finanzminister gesagt hat, er wolle erst einmal die Ergebnisse der November-Steuerschätzung abwarten, bevor er die Ergänzungsvorlage dem Landtag vorlegt. Im November haben die Steuerschätzer ihre Prognose nach unten korrigiert, und Norbert Walter-Borjans hat seine Prognose nach oben korrigiert. Das ist rotgrüne Haushaltslogik par excellence, wie Sie sie vorgeführt haben.
Die wahre Bilanz für das nächste Jahr liest sich also anders: 1,8 Milliarden € ausgewiesene Nettokreditaufnahme plus 400 Millionen € vom Bau- und Liegenschaftsbetrieb plus 600 Millionen €, die Sie bereits in diesem Jahr geleistet haben, obwohl sie im nächsten Jahr fällig gewesen wären. Ohne Bilanztricks, Herr Finanzminister, würden Sie in diesem Jahr nur 1,3 Milliarden € neue Schulden aufnehmen, im kommenden Jahr aber mit 2,8 Milliarden € das Doppelte.
Lackschäden übertünchen, Tacho runterdrehen, ab in den Verkauf! Mit diesen Tricks, die Sie in den vergangenen Jahren systematisiert haben, folgt die Finanzpolitik Nordrhein-Westfalens denselben Methoden wie der Gebrauchtwagenhandel auf dem Kiesplatz.
Sie setzen das fort – es ist eben in der Debatte bereits angesprochen worden –: 2018 und 2019 wollen Sie an den Mitteln drehen, die für die Beamtenpensionen zurückgestellt werden, und zwar in einer Größenordnung von 700 Millionen € im Jahr 2018. Ohne dass eine einzige Maßnahme der Konsolidie
rung beschlossen oder gar umgesetzt ist, reduzieren Sie durch diesen Dreh das Ausgabenniveau um 700 Millionen €.
Ich sage Ihnen, Herr Finanzminister, das vorwegnehmend, was Sie immer antworten: Wenn der Freistaat Bayern das macht – er tut das auch –, dann tut er das vor einem fundamental anderen Hintergrund; denn das Land Bayern nimmt nicht nur keine neuen Schulden auf, sondern tilgt Schulden. Wenn Bayern die Rückführung für die Beamten aussetzt, hat das eine ganz andere Qualität als Ihre Trickserei.
Im Jahr 2019 verfolgen Sie – Herr Kollege Römer hat es gerade noch mal unterstrichen – das Ziel eines ausgeglichenen Landeshaushalts. Herr Römer, Sie haben eben gesagt: Niemand mit Sachverstand zweifelt am Haushaltsausgleich 2019.
Der finanzpolitische Sprecher der SPD – ich bin mir nicht sicher, ob er in den Kreis der Leute mit Sachverstand, die Sie gemeint haben, einbezogen ist –
„Möglicherweise wird die schwarze Null in Nordrhein-Westfalen erst 2020 erreicht werden. Dies ist kein Grund zu feiern, ist aber leider nicht zu vermeiden.“
Die mittelfristige Finanzplanung mit Haushaltstricks und einer geschönten Null in 2019 ist noch nicht einmal hier beschlossen, da sind Sie schon dabei, Ihre eigenen Versprechen wieder einzukassieren. Oder, um im Bild zu bleiben, Herr Kollege Römer: Der aufgemotzte Gebrauchtwagen ist noch nicht vom Hof, da hat er schon einen Totalschaden.
Seit Jahr und Tag ist Ihre einzige Strategie, die Einnahmen schönzurechnen und darauf zu spekulieren, dass es Ihnen über die dynamisch steigenden Staatseinnahmen irgendwie gelingt, die Enden zusammenzubekommen. Am Ende läuft es immer darauf hinaus, dass die Bürgerinnen und Bürger für Ihre Luftbuchungen zahlen müssen.
Wir haben das bei der Grunderwerbsteuer erlebt. Vor der Kommunalwahl haben Sie Stein und Bein geschworen, da nichts zu machen. Kaum war die Wahl vorbei: Grunderwerbsteuer erhöht.
Kollege Römer, weil Sie hier über die Mittelschicht gesprochen und Krokodilstränen über die Vorschläge von Union und FDP vergossen haben, will ich
Grunderwerbsteuer gleich komplett zu umgehen. Zahlen müssen die Familien, die sich mit Fleiß und Sparsamkeit überhaupt erst etwas aufbauen wollen
Das haben wir im Übrigen auch beim Länderfinanzausgleich erlebt. Die Ministerpräsidentin fand ja, die Einigung habe einen guten Tag für den Föderalismus markiert. Dieser Einschätzung der Ministerpräsidentin hat sich nicht ein einziger Experte angeschlossen. Sie lesen heute noch im „Handelsblatt“ einen Generalverriss der Einigung der 16 Länder. Das System bleibt intransparent. Es gibt keine vernünftigen Anreize dafür, die eigene Wirtschaftskraft zu pflegen.
Herr Finanzminister – das muss man sich einmal vorstellen, das ist die besondere Delikatesse –, Sie haben den Umsatzsteuervorwegausgleich abgeschafft, indem Sie die Umsatzsteuer gleich ganz zur Verteilmasse erklärt haben.
In bemerkenswerter Klarheit hat die Ministerpräsidentin in einem „WAZ“-Interview erklärt, wer am Ende die Zeche zahlen darf:
Über die Verlängerung des Solidaritätszuschlags über 2020 hinaus sind es wieder einmal die Bürgerinnen und Bürger, die zur Kasse gebeten werden.
Wir erleben Ihre Strategie, den Haushalt nur über Einnahmeverbesserungen unter Kontrolle zu halten. Die Erbschaftssteuer generiert nach den aktuellen Plänen 4,2 Milliarden € an zusätzlichen Einnahmen. Das ist Geld, das den mittelständischen Betrieben nicht in der Substanz zur Verfügung steht, um in Zukunft zu investieren.
Jeder mittelständische Betrieb wird vom 3D-Drucker als neuer Wettbewerbsposition in diesem bzw. im nächsten Jahrzehnt betroffen sein. Da muss investiert werden. Das unterstützen Sie ja. Hier nehmen Sie den mittelständischen Betrieben aber die Möglichkeit, aus eigener Substanz Arbeitsplätze sicher zu halten.
Vielleicht gewinnt der Fiskus am Ende ein paar Millionen Euro. Aber unser Land verliert viel mehr, wenn wir Millionen Arbeitsplätze im Mittelstand schwächen und vielleicht auf Dauer sogar verlieren werden.
Der nächste Coup, den Sie, Herr Finanzminister, vorbereiten, soll die Abschaffung der Abgeltungssteuer sein, die ja einst von Rot-Grün eingeführt worden ist. Herr Walter-Borjans, Sie lassen sich in Zeitungen gerne mit dem Argument zitieren, dass Steuersätze von 25 % auf Kapital und 42 % auf Arbeit ungerecht seien. – Sie bestätigen das hier, indem Sie nicken.
Jetzt wissen wir aber – und Sie doch auch –, dass der weit überwiegende Teil des Aufkommens der Abgeltungssteuer durch die Besteuerung von Dividenden erfolgt, also von ausgeschütteten Unternehmensgewinnen, aus denen der Fiskus zuvor die Körperschaftsteuer, die Gewerbesteuer und den Solidaritätszuschlag herausgeschnitten hat. Damit ist die Besteuerung ausgeschütteter Gewinne deutlich höher als die Besteuerung von Arbeit.
Das, was Sie bei der Abgeltungssteuer machen, ist ein einziger politischer Täuschungsversuch, Herr Finanzminister. Das wissen Sie auch besser.
Mehr noch: Für alle Bürgerinnen und Bürger, die über 14.000 € verdienen – für unsere Zuhörer auf der Tribüne: im Jahr, nicht im Monat –, beträgt der Grenzsteuersatz für jeden zusätzlich verdienten Euro 25 %. 14.000 € Jahreseinkommen: Grenzsteuersatz 25 %.
Wenn Sie die Abgeltungsteuer abschaffen, Herr Finanzminister, dann belasten Sie die Leute, die kaum Zinsen auf ihr Erspartes bekommen, bereits dann, wenn sie ein Jahreseinkommen von mehr als 14.000 € haben. Im Jahr 2013 waren es noch die Landesbeamten mit 35.000 € Jahresbrutto, die Sie zu Besserverdienern erklärt haben, denen man keine Besoldungsanpassung gönnt. Im Jahr 2015 sind wir weiter: Da ist man schon mit 14.000 € Jahreseinkommen so reich, dass Sie umverteilen wollen. Das zeigt: Sie haben sich von der Lebenswirklichkeit der arbeitenden Mitte in unserem Land vollständig abgekoppelt.
Westfalen braucht einen politischen Wechsel. Es muss gelingen, Zukunftsaufgaben anzugehen, ohne die Schuldenlast für die kommende Generation zu erhöhen und ohne die Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger weiter zu steigern. Das wäre eine verantwortungsbewusste Finanzpolitik. Es führt deshalb kein Weg daran vorbei, einerseits die Aufgaben und Standards des Staates kritisch zu hinterfragen und andererseits alle wirtschaftlichen Bremsen zu lösen.
Ein Kernbereich ist dabei der Abbau von Bürokratie; denn sie belastet Staat, Betriebe und Bürger gleich
Dazu gab es vor drei Wochen folgenden Vorgang: Die Landesregierung spielt die Antwort auf eine Große Anfrage meiner Fraktion an die Medien, bevor sie dem Parlament zugestellt wird, und versieht diesen Vorgang mit einem fiktiven Preisschild von 350.000 €; eine eigene Arbeitsgruppe habe eingerichtet werden müssen. Erstmalig in der Geschichte – Herr Römer, Sie haben ja eben gesagt, wie oft von der Landesregierung Zeitgeschichte geschrieben werde – haben Sie damit angegeben, wie lange Sie an einem Vorgang gearbeitet haben.
Das ist für sich genommen eine gute Idee. Herr Lersch-Mense, dann erfahren wir hoffentlich bald auch, wie teuer es war, dass ein Referent des Wissenschaftsministeriums ein ganzes Jahr mit dem befristeten Arbeitsverhältnis einer Handballfreundin der Ministerpräsidentin an der Universität DuisburgEssen beschäftigt war.