Aber die SPD ist ja nicht besser. Entsetzt habe ich gestern Herrn Römer mit stolzgeschwellter Brust sagen hören: Kein Bundesland hat mehr Menschen abgeschoben. – Darauf sind Sie auch noch stolz! Herzlichen Glückwunsch!
Meine Damen und Herren, insgesamt stellt sich die Frage nach dem Warum. Warum simulieren Sie mit den Anträgen auf der Umsetzungsebene Integrationswillen? Ich sage es Ihnen. Es ist Ihr Alibi. Es ist Ihr Alibi, um nicht am großen Rad drehen zu müssen, um keine wichtigen Punkte für gelingende Integrationspolitik angehen zu müssen und um nicht über die Änderung des Aufenthaltsgesetzes nachdenken zu müssen.
Für eine Partei, die auf Bundesebene in der Regierung sitzt – ja, auch die Bundeskanzlerin gehört zu Ihrer Partei, auch wenn man das in den letzten Wochen kaum glauben wollte –, ist die Umsetzungsebene falsch. Wenn man Integration ernst nimmt,
muss man doch viel höher ansetzen und darf nicht vom Fokus ablenken. Wenn Frau Merkel immer wieder sagt, wir schaffen das, dann müssen wir doch alle zusammen an der rechtlichen und tatsächlichen Gleichstellung von Zuwanderern arbeiten. Nur Geld in die Hand zu nehmen, wie es Minister Walter-Borjans gestern äußerte, reicht nicht. Eigentlich sollten wir nicht von einem „Wir schaffen das“, sondern von einem „Wir wollen das“ reden.
Meine Damen und Herren, der Zugang zum Berufs- und Ausbildungsmarkt, zu sozialen, berufsfördernden und Familienleistungen sowie zu vielen anderen Teilhabemöglichkeiten ist noch immer vom Aufenthaltsstatus und zusätzlich von der Aufenthaltsdauer abhängig. Von Unterstützungsleistungen profitieren also nur bestimmte Zuwanderer. Anders ausgedrückt: die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen. – Diese perfide Statusaufteilung der Flüchtlinge verhindert Integration und klingt nicht wie ein „Wir wollen das“, sondern nach einem „Wir wollen das nicht“.
Machen Sie bitte einmal einen Realitätscheck. Fragen Sie die zig Helfer vor Ort, wie das ist, wenn in einer Unterkunft der eine Mensch einen Sprachkurs bekommt und sein Bettnachbar nicht. Das ist ungerecht und ruft Hilflosigkeit und manchmal auch Wut hervor. Das wirkt sich negativ auf alle aus: auf die Geflüchteten, auf die Helfer und letztlich auch auf die Aufnahmegesellschaft.
Ein weiteres Beispiel ist der Familiennachzug. Nur diejenigen mit dem „richtigen“ Aufenthaltsstatus dürfen irgendwann ihre Familien nachholen, alle anderen zuerst einmal nicht. Dann integrieren Sie einmal die Menschen, die Frauen und Kinder in Not und Elend zurückgelassen haben. Viel Erfolg!
Integration wird immer noch nicht richtig verstanden und gelebt. Das sieht man auch an der aktuellen Planung der Bezirksregierung Arnsberg. Hier wird nicht nur bei der Erstunterbringung, sondern auch bei den Dauerunterkünften auf Einheiten mit durchschnittlich mehr als 1.000 Menschen gesetzt. Dauerhaft in einer Massenunterkunft mit mehr als 1.000 Menschen zu leben, ist nicht der Weg, den wir uns für eine gelungene Integration wünschen. So nehmen Sie auch die Aufnahmegesellschaft mit Sicherheit nicht mit. Deutsch zu lernen ist bei dem Geräuschpegel in den riesigen Unterkünften auch nicht wirklich möglich. Aber sicher waren Sie alle schon einmal persönlich vor Ort und können das einschätzen. Ich kann es auf jeden Fall.
Meine Damen und Herren, wahre Integration hat bereits der ehemalige Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen Heinz Kühn in seinem KühnMemorandum im Jahr 1979 definiert: Wir benötigen die volle rechtliche und tatsächliche Gleichstellung dieser Menschen in Deutschland. – Das galt damals, und das gilt heute umso mehr. Wir haben noch viel zu tun. – Vielen Dank.
Danke, Frau Kollegin Brand. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Schmeltzer das Wort.
: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Bei der Debatte fragt man sich zwischendurch, ob überhaupt noch anhand der Anträge beraten wird. Auf den einen oder anderen Punkt – insbesondere auf die unverschämten – gehe ich noch einmal im Detail ein.
Fest steht für uns, viele der zu uns flüchtenden Menschen werden definitiv längerfristig in Deutschland bleiben. Die Schutzquote für Asylsuchende von ca. 40 % beweist, wir müssen jetzt so schnell wie möglich die Integration dieser Menschen sicherstellen. Je länger mit der Integration zugewartet wird, umso schwieriger ist es letztendlich später; denn die Integration wird nicht von heute auf morgen gelingen.
Klar ist doch, die Menschen brauchen Sprache und sie brauchen Qualifikation. Dabei muss es Ziel unserer Anstrengungen sein, möglichst aufeinander abgestimmte und flexibel ausgestaltete Förderketten für die Menschen zu bilden. Sie brauchen nicht nur Qualifikation nach Sprache. Wenn erste Grundsprachkenntnisse vorliegen, benötigen sie auch Qualifikation und Sprache. Betriebliche Erfahrung und Sprache sind erforderlich. Hierfür ist ein Zusammenwirken aller Akteure erforderlich; denn die Herausforderungen setzen ein Engagement von allen voraus. Das haben wir hier in NordrheinWestfalen.
Erst am Montag haben mein Kollege Garrelt Duin und ich eine Konferenz mit Vertretern der Wirtschaft, der Gewerkschaften, der Bundesagentur für Arbeit, der kommunalen Spitzenverbände und der Hochschulen zur Integration von Flüchtlingen in Arbeit und Ausbildung durchgeführt. Herr Kollege Wüst, wenn Sie – berechtigt, entschuldigt – nicht anwesend sein konnten, sollte man sich nicht über den …
Wenn Sie berechtigterweise nicht anwesend sein konnten, sollten Sie sich aber auch nicht über einen Verlauf äußern, der definitiv so nicht stattgefunden
Herr Kollege Stamp, ich will die Art und Weise nicht wiederholen, um nicht selbst gerügt zu werden, aber wenn Sie hier mittels einer gerügten Aussage über eine Veranstaltung als Pflichttermin sprechen, wenn Sie darüber sprechen, dass sich Teilnehmer inklusive der Koalitionsfraktionen negativ geäußert haben, dann nennen Sie hier Ross und Reiter und lassen das nicht so unwahr im Raum stehen. Das ist eine Unverschämtheit! Die Konferenz hatte ein Papier vorliegen, über dass sich im Vorfeld alle Beteiligten aus Wirtschaft, Gewerkschaft, Industrie und Regionaldirektionen verständigt haben. Sie haben hier die Unwahrheit gesagt. Das muss an dieser Stelle deutlich herausgestellt werden!
Wir haben in dieser Konferenz festgestellt, dass in NRW von der Landesregierung, der Arbeitsverwaltung und den Sozialpartnern bereits sehr viel umgesetzt wird, und haben das in einer gemeinsamen Erklärung auch genauso festgehalten. Hier wurden mehrere Länder herangezogen, die das alle unterschrieben hätten.
Es gibt nur ein Bundesland, das eine Erklärung unterschrieben hat, und das ist in der Tat das Bundesland Bayern. Dort waren Regionaldirektion, Gewerkschaften und andere überhaupt nicht beteiligt.
Wenn man sich dieses Papier anschaut, stellt man fest, dass es aus Phrasen zusammengesetzt ist und weit hinter dem zurückbleibt, was in NordrheinWestfalen bereits getan wird. Das, Herr Kollege Wüst, könnten wir auch sofort unterschreiben. Es ist aber nicht unser Ansinnen, Phrasen zu unterschreiben. Vielmehr wollen wir einen weiterführenden Weg aufzeigen.
Wir haben klar und deutlich vereinbart, dass diese Konferenz vom Montag der Beginn eines Prozesses war. Wir haben auch klar vereinbart, dass dieser Prozess Anfang des Jahres weitergeführt wird. Ebenso haben wir klar vereinbart, dass es hier um den Austausch, um praxisorientierte Handlungsempfehlungen, um Best-Practice-Beispiele gehen wird und dass alles, was auf der Arbeitsebene weiterdiskutiert wird, direkt praktisch umgesetzt wird. Das beginnt bei Sprachkursen, geht über frühzeitige Kompetenzfeststellungen bis hin zu notwendigen Qualifizierungen. Die Bedarfe der Arbeitgeber sind da. Wir werden die Menschen jetzt gut darauf vorbereiten. Aber es wird bewusst keine Sonderprogramme für Flüchtlinge geben.
Die sogenannten Regelinstrumente ermöglichen bereits viel von dem, was die CDU-Fraktion mit ihren Anträgen fordert.
Aber eines wollen wir auch nicht, nämlich die einheimischen Menschen, die schon lange arbeitslos sind, nicht beteiligen. Auch inländische Arbeitssuchende müssen weiter aktiviert, qualifiziert und dauerhaft in Beschäftigung und Ausbildung integriert werden. Das gilt insbesondere für Langzeitarbeitslose, Geringqualifizierte, Berufsrückkehrende und andere Gruppen, die bisher von der guten Arbeitsmarktpolitik nicht genügend profitieren konnten. Wir lassen in Nordrhein-Westfalen nicht zu, dass auf dem Arbeitsmarkt Personengruppen zulasten anderer bevorzugt werden. Das war übrigens auch Konsens auf unserer Arbeitsmarktkonferenz am Montag.
Ein Wort zum Mindestlohn, der immer wieder herangezogen wird: Ein Aufweichen des Mindestlohns wird es mit uns nicht geben. Der Mindestlohn gilt unabhängig vom Pass für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Flüchtlinge dürfen nicht als Lohndrücker gegen einheimische Arbeitskräfte instrumentalisiert werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Natürlich ist für die Integration von Flüchtlingen eine gute Zusammenarbeit der zuständigen Organisationen und Behörden erforderlich. Dazu gehören Arbeitsagenturen, Jobcenter, Ausländerbehörden, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die Kommunen und die Bleiberechtsnetzwerke. Hinzu kommt noch das vielfältige und absolut großartige ehrenamtliche Engagement.
Hier hat sich die Landesregierung als erstes und als einziges Bundesland in enger Zusammenarbeit mit der Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen der
Bundesagentur für Arbeit und mit den kommunalen Spitzenverbänden durch die flächendeckende Einführung der Integration Points gerade dieser Herausforderung gestellt. Im Übrigen – ich habe das auch gestern wieder in der sogenannten Haushaltsrede von Herrn Laschet gehört – habe ich diese Vereinbarung unterschrieben und auf den Weg gebracht. Das nur einmal by the way.
Im Integration Point finden die Geflüchteten für alle Arbeitsmarktfragen gut geschulte erste Ansprechpartner. Dort wird die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Stellen organisiert.
Integration findet nämlich vor Ort statt. Deshalb werden wir 2016 die Integrationskraft der Kommunen weiter stärken. Heute haben 49 unserer 54 Kreise und kreisfreien Städte ein Kommunales Integrationszentrum. 2016 werden weitere Kommunen hinzukommen. Kein Land hat eine so gut ausgebaute Infrastruktur für Integration wie Nordrhein
„KOMM-AN NRW“ – gestern ist der Haushalt beschlossen worden – wird in den Kommunen umgesetzt. Natürlich wird bei „KOMM-AN NRW“ ein Schwerpunkt darauf liegen – was wir alle wollen; da bin ich mir sicher –, dass auch die Wertevermittlung, insbesondere die Artikel 1 bis 20 des Grundgesetzes, an die Flüchtlinge schnellstmöglich koordiniert umgesetzt wird.
Abschließend will ich feststellen: Es passiert in Nordrhein-Westfalen schon sehr viel. Auch die von uns organisierte Konferenz mit Wirtschaft und Gewerkschaften hat gezeigt, dass Nordrhein-Westfalen gut aufgestellt ist. Wir haben gemeinsam in diesem Papier gute Ergebnisse zusammengestellt. Wir werden schnellstmöglich daran arbeiten und uns alle auf die Umsetzung konzentrieren. Dabei tauschen wir uns kontinuierlich und mit allen Akteuren praxisorientiert aus.
Herr Kollege Wüst, ein letzter Satz noch an Sie: Die Vorrangprüfung ist von Ihnen angesprochen worden. Hier halte ich es mit dem letzten Satz des Fraktionsvorsitzenden der SPD, Norbert Römer, den Sie sich noch einmal heranziehen sollten: Nordrhein-Westfalen hat weder als einziges Land gegen einen Antrag in Sachen Vorrangprüfung auf der Arbeits- und Sozialministerkonferenz dagegen gestimmt, sondern es war Bayern, das sich an diesen Beschluss nicht gehalten hat. Zitieren Sie bitte die Beschlüsse ordentlich! Dann kommen wir in der Sache auch weiter. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Minister Schmeltzer, zu Ihren Einstiegsbemerkungen kann man nur sagen: Nicht jeder, der aus dem Rahmen fällt, war vorher unbedingt im Bilde.
Das zeigt Ihre Aufregung an der Stelle. Natürlich hat es diesen Gipfel oder, wie Sie sagen, diese Konferenz gegeben. Aber dass diese nicht bei jedem angekommen ist, ist auch dadurch erklärbar, dass kaum darüber berichtet wurde und dass die Ergebnisse entsprechend dürftig sind.