Protokoll der Sitzung vom 27.01.2016

Die vierte Forderung schließlich erledigt sich von selbst, denn sie ist bereits heute erfüllt. Wir haben schon heute eine „Förderung der Videoüberwachung im ÖPNV“ durch das Land NRW. Auch die Verkehrsunternehmen sind großflächig aktiv geworden. Sie haben in Kameras und Videoanlagen für Bahnen und Busse, Bahnsteige und Aufzüge investiert. Wir konnten vor Ort selbst feststellen, dass trotzdem die Privatsphäre und der Datenschutz gewährleistet sind. Dies funktioniert. Ich sage nur zur Erinnerung: Maßnahmen der Sicherheit sind nach dem ÖPNV-Gesetz NRW explizit förderungsfähig.

Die Erhöhung der Sicherheit im Bereich der öffentlichen Verkehrsmittel, auch der subjektiven, ist und bleibt eine permanente Aufgabe. Der beantragte Förderungskatalog ist dabei aber genauso wenig hilfreich wie der Entschließungsantrag der FDPFraktion. Wir fordern, dass wir das tatsächlich im Konsens behandeln, …

Die Redezeit.

… und zwar alle gemeinsam, mit gegenseitigem Respekt, im Verkehrsbereich und überall in diesem Lande. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Beu. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Rasche.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit den Ereignissen der Silvesternacht in Köln ist das Vertrauen der Bürger in die Sicherheit, in den Rechtsstaat und in die Lan

desregierung erschüttert. Deshalb kommt ja auch zum jetzigen Zeitpunkt dieser Sicherheitsantrag der CDU-Fraktion.

Die Sicherheitslage in Bussen und Bahnen, an Haltestellen und in Bahnhöfen ist seit vielen Jahren ein Thema in diesem Hohen Haus, unter anderem auch in einem Antrag der FDP-Fraktion aus dem Jahr 2011. Dazu hat es damals eine umfangreiche Anhörung gegeben, und in dieser Anhörung haben alle Fachleute – Polizei, Sicherheitskräfte, Nahverkehrsverbünde – geschildert, wie notwendig es ist, sich in diesem Bereich höhere Ziele zu setzen und diese auch zu erreichen. Das ist bisher nicht geschehen. Wir haben eine gemeinsame Aufgabe, die aber eigentlich mit Köln und Silvester nichts zu tun hat.

(Carsten Löcker [SPD]: Den Zusammenhang haben Sie doch hergestellt!)

Den Antrag der CDU prägen drei Stichworte: Videoüberwachung, mehr Sicherheitspersonal und Finanzierung.

Zum ersten Stichwort: Videoüberwachung. Wenn irgendwo etwas passiert, und zwar auch so etwas Schlimmes wie in Köln, dann kommt immer dieser typische CDU-Reflex zum Vorschein, möglichst viel oder sogar alles zu überwachen. Die FDP ist im Gegensatz dazu für eine rationale Abwägung zwischen Freiheitsrechten auf der einen Seite und Sicherheitserfordernissen auf der anderen Seite.

(Jochen Ott [SPD]: Aha!)

Einer solchen Debatte verschließen wir uns niemals. Aktionismus hilft in diesem Bereich allerdings nicht.

(Beifall von der FDP und der SPD)

Zweites Stichwort: Sicherheitspersonal. Für uns steht fest: Die Nahverkehrsbranche kann diese Forderung der CDU keinesfalls allein erfüllen. Nach Auffassung der FDP brauchen wir in diesem Bereich zusätzlich absolute Profis, also die Polizei. Das ist möglich, wenn der Innenminister den Abschlussbericht der Expertenkommission mit der Forderung nach mehr Polizei auf der Straße umsetzt. Das ist der richtige Weg, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Das dritte Stichwort: Finanzierung. Wir haben doch schon heute die Situation, dass viele Züge völlig überfüllt sind – der Minister spricht oft von „Ölsardinen“ – und nicht mehr verlässlich fahren. Ähnlich ist es auf vielen Strecken auch in den Bussen. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass zu wenig Geld vorhanden ist – also zu wenig Regionalisierungsmittel des Bundes. Das hat im Übrigen auch die CDU in zahlreichen Ausschüssen auch aktuell kritisiert. Jetzt will sie die Mittel für Bahn- und Busverkehr reduzieren, um eigentlich rechtsstaatliche Aufgaben zu finanzieren.

Meine Damen und Herren, im Antrag der CDU steht, die Entwicklung der Regionalisierungsmittel würde demnächst den Spielraum eröffnen, um einerseits – das muss man ja voraussetzen – den Verkehr verlässlich zu finanzieren und auf der anderen Seite noch Personal für Sicherheit zu bezahlen. Meine Damen und Herren, das ist ein Widerspruch zu Ihrer bisherigen Haltung.

Wenn ich jetzt für den Kollegen Beu korrekt auf die Mündliche Anfrage von Herrn Rehbaum antworten darf: Natürlich reichen die Mittel nicht einmal, um den Verkehr vernünftig zu organisieren. Dann reichen sie schon gar nicht für zusätzliches Sicherheitspersonal, meine Damen und Herren.

Aus diesem Grund – weil es so nicht finanzierbar ist – werden wir uns enthalten. Wir haben Ihnen einen Entschließungsantrag der FDP vorgelegt, der auf der Diskussion im Jahr 2011 basiert. Er kommt dem Ziel wesentlich näher als der Antrag der Kollegen der CDU. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Rasche. – Für die Piraten spricht jetzt Herr Kollege Fricke.

Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger zu Hause oder unterwegs! Gerade eben haben wir schon einen Antrag zum Thema „Videoüberwachung“ behandelt. Er wurde natürlich abgelehnt. Aber wofür wäre dieses Hohe Haus noch gut, wenn es nicht immer wieder ausführlich über die gleichen Dinge diskutieren müsste?

Daher hier noch einmal ein paar Fakten, die von meinem Kollegen Herrmann nicht erwähnt wurden: Bereits vor ziemlich genau zehn Jahren begann in unserer Bundeshauptstadt genau so ein Projekt, wie es die Kollegen der CDU heute fordern. Darüber wurde im selben Jahr eine Studie erstellt, die derart verheerend ausfiel, dass sie versteckt wurde und die Veröffentlichung gerichtlich eingeklagt werden musste.

Ganz kurz gefasst lautet das Ergebnis dieser Studie wie folgt: Videoüberwachung bringt keinerlei zusätzliche Sicherheit, eher das Gegenteil. Denn die Bürger verzichten a) darauf, selber aktiv zu werden, weil sie sich auf die Kameras verlassen, und b) erstatten Angestellte mit einer deutlichen zeitlichen Verzögerung Anzeige, weil auch sie sich auf die Kameras verlassen. Die Kameras sind – wie bereits ausgeführt – zur Vermeidung oder gar Verhinderung von Straftaten sinn- und nutzlos, weil die Bilder so gut wie nirgendwo in Echtzeit beobachtet, sondern überwiegend nur aufgezeichnet werden.

Allerdings haben wir ausgerechnet in Köln ein sehr seltenes Beispiel für den Nutzen der Videoüberwa

chung. Eine Fahndung aus dem Februar 2015, die im April 2015 von der Kölner Polizei mit Bildern aus der Videoüberwachung in die Fahndung gegeben wurde, war erfolgreich. Nach Auskunft der zuständigen Stelle der Polizei Köln konnte ein Tatverdächtiger aufgrund der Lichtbilder erkannt werden. Dieser wurde bei der Polizei Köln als Intensivtäter geführt. Ein weiterer Täter wurde ebenfalls ermittelt. Beide Täter sind rechtskräftig zu Jugendstrafen auf Bewährung verurteilt worden. – Wir freuen uns natürlich, dass die Ausnahme von der Regel auch einmal funktioniert hat.

Dazu möchte ich jedoch ein Zitat eines bundesweit bekannten Experten und Kollegen aus dem schleswig-holsteinischen Landtag vortragen, der sich auch schon vor längerer Zeit mit diesem Thema befassen musste. Patrick Breyer – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin – sagte am 2. August 2014:

„Nach Angaben der Landesweiten Verkehrsservicegesellschaft (LVS) wurden 2012 in den Nahverkehrszügen in Schleswig-Holstein insgesamt knapp 53 Millionen Fahrgäste befördert. Die Bundespolizei zählte im gleichen Jahr 64 Gewaltdelikte in Schleswig-Holsteins Zügen. Also liegt das Risiko, hierzulande im Zug Opfer einer Gewalttat zu werden, bei 1:800.000. Das entspricht etwa der Wahrscheinlichkeit, vom Blitz getroffen zu werden.“

Fairerweise muss ich zugestehen, dass die Wahrscheinlichkeit in NRW wohl höher wäre. Sie läge bei etwa 1:750.000.

Das aber ist noch lange nicht alles. Die verfügbaren deutschen Statistiken – unter anderem aus Bayern – zeigen die Ineffizienz der Videoüberwachung. Eine Studie des britischen Innenministeriums, die 13 verschiedene öffentliche Videoüberwachungssysteme in Großbritannien abdeckte, ergab, dass nur in einem einzigen Fall die Videoüberwachung zu einem signifikanten Rückgang der Kriminalität im überwachten Bereich führte. In London stieg die Kriminalitätskurve sogar trotz oder wegen der Überwachung stetig, weil einige Gruppen von Tätern Wert auf Selbstdarstellung legen.

Wiederum in Schleswig-Holstein waren Wirtschaftsunternehmen – die traditionelle Klientel der CDU –, die im ÖPNV aktiv sind, wesentlich intelligenter als die sie vertretende Partei. Sie haben aufgrund der rechtlichen Probleme sowie der Sinnlosigkeit darauf verzichtet, in neu eingeführten Verbindungen überhaupt Überwachungstechnik einzusetzen.

Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung klar formuliert, dass der Schutz vor lückenloser Überwachung zur deutschen Verfassungsidentität gehöre, die selbst im europäischen Einigungsprozess nicht aufgegeben werden dürfe.

All das ist aber klar erkennbar völlig spurlos nicht nur an den werten konservativen Kollegen vorbei

gegangen, sondern auch an den Herren der FDP, die sich mit dem Entschließungsantrag auf das populistische Trittbett geschwungen haben. Trotzdem: In dem FDP-Antrag liegt der Schwerpunkt auf mehr Sicherheitspersonal. Das entspricht auch unserer Forderung. Deswegen werden wir uns bei diesem Antrag der Stimme enthalten. Den CDU-Antrag lehnen wir ab. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Fricke. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Groschek.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Sicherheit ist soziales Grundrecht, und deshalb ist natürlich öffentliche Sicherheit auch im öffentlichen Personennahverkehr bestmöglich zu garantieren

(Beifall von Jochen Ott [SPD])

An einem Punkt, Herr Rehbaum, haben Sie recht. Wir müssen durchsetzen: null Toleranz bei Gewalttätigkeiten und Respektlosigkeiten den Staats- und Stadtbürgern in Uniform gegenüber. Das ist ein Teil vom Gewaltphänomen, das uns alle trifft. Denn die Uniform wird gegen uns angegriffen und nicht wegen des Individuums, das in dieser Uniform steckt.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Es reicht heute bis hin zu den Rettungsassistenten, und man ist sprachlos ob dieser Übergriffe.

Zweite Anmerkung. Ich will jetzt kein SchwarzerPeter-Spiel eröffnen, doch mich macht nachdenklich, wenn im Sicherheitsbericht des VRR 2014 unter anderem diese Passage steht:

Eine komplette Lageabbildung war nicht gewährleistet, weil die Bundespolizei ob ihres zu knappen Personals nicht dazu in der Lage war, alle Vorfälle zu melden.

Deshalb zieht der VRR jetzt die Konsequenz und vereinfacht das Meldeverfahren, weil die Personalsituation nicht besser geworden ist, sondern durch das Binden an den Außengrenzen in Süddeutschland noch weniger Personal bei der Bundespolizei verfügbar ist.

Dritte Anmerkung. Was die Videobeobachtung angeht, ist es, glaube ich, vor allen Dingen ein psychologisches Plus für die Fahrgäste, die sich beobachtet fühlen und wissen, dass damit auch ein potenzieller Straftäter beobachtet wird. Dieses subjektive Sicherheitsgefühl drückt sich auch in Schulnoten aus. Wenn wir zur Kenntnis nehmen dürfen, dass die Kunden des öffentlichen Personennahverkehrs tagsüber ihr Wohlbefinden und ihr Sicherheitsbefin

den mit den Schulnoten eins und zwei und abends und nachts immerhin noch mit Schulnoten zwischen zwei und drei zensieren, dann ist das so schlecht nicht, gemessen an dem, was die Berichterstattung über Zustände in Nachtstunden manchmal abliefert.

Ich glaube, wir waren gut beraten, dass in den Schienenfahrzeugen diese Videoüberwachung perfektioniert wurde und damit auch der öffentliche Personennahverkehr mit seinen Fahrzeugen nicht per se ein Angstraum ist. Das ist ein erheblicher Gewinn und führt dazu, dass sich Menschen in den Fahrzeugen relativ wohlfühlen.

Worüber sprechen wir, wenn wir über Zunahme oder neue Phänomene von Gewalt und Straftaten sprechen? Dazu sagt der letzte verfügbare Bericht:

Es nehmen Taschendiebstähle zu. Die Zunahme von Taschendiebstählen im öffentlichen Personennahverkehr korrespondiert mit der Zunahme von Taschendiebstählen an den bekannten Orten außerhalb des ÖPNV.