Protokoll der Sitzung vom 27.01.2016

Diese Erkenntnisse haben alle Landesparlamente und Landesregierungen in Nordrhein-Westfalen seit Jahrzehnten geleitet und zu entsprechenden Regelungen geführt. Es muss eine ausreichende gesetzliche Grundlage geschaffen werden, die Gewässer in Nordrhein-Westfalen darüber hinaus wieder lebendig zu machen, die in der Vergangenheit – teil

weise jedenfalls – industriepolitisch überformt und zum Teil auch deformiert worden sind.

Es geht also darum, unsere Lebensadern – und das sind die Gewässer, weil sie verschiedene Biotope miteinander verbinden und dadurch Austauschmöglichkeiten gewährleisten – als wichtigen Lebensraum für Flora und Fauna wieder dauerhaft zur Verfügung zu stellen. Um es weniger prosaisch auszudrücken: Es gibt eine europarechtliche Anforderung, die genau das formuliert, und zwar die Wasserrahmenrichtlinie, an die sich auch das Land NordrheinWestfalen halten muss. Zentral ist dabei, die Gewässer wieder in einen guten ökologischen Zustand zu führen.

Mittlerweile haben wir schon 15 Jahre in diesem Rahmen gelebt. Aber offenkundig verläuft die Umsetzung der Bewirtschaftung zur Erreichung dieser Vorgaben ausgesprochen schleppend. Das hat viele Ursachen. Einigen jedenfalls wollen wir mit neuen gesetzlichen Grundlagen entgegenwirken, um hier eine Verbesserung zu erreichen.

Auch die Sicherung des Standards der kommunalen Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung bedeuten ein wichtiges Themenfeld mit immer neuen Herausforderungen. Hier ist als wichtige Regelung die Ermächtigung zum Erlass einer Landesverordnung zum Standardsetzen im Hinblick auf Wasserschutzgebiete zu nennen. Da haben wir immer mit landesweit unterschiedlichen Standards gearbeitet. Ich denke aber, dass es besser ist, diese zu vereinheitlichen, weil die Anforderungen an die Gewässer überall gleich zu formulieren sind.

Ihre Redezeit, Herr Minister.

Meine sehr verehrte Damen und Herren! Umfangreiche Arbeiten, auch im Rahmen der Verbändeanhörung, liegen hinter uns. Jetzt ist das Parlament an der Reihe zu beraten. Ich hoffe auf eine gute Beratung. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Remmel. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Meesters.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In unserem Koalitionsvertrag steht sozusagen als Überschrift zum Landeswassergesetz: NRW lebenswert erhalten – natürliche Ressourcen schützen.

Der Schutz des Wassers – unseres Grundwassers, unseres Trinkwassers – hat in der öffentlichen Dis

kussion eine hohe Priorität. Viele Menschen sorgen sich um die Qualität ihres Trinkwassers. Es wächst der Druck auf uns, auf die Politik, für sauberes, für gesundes Wasser zu sorgen. Die Menschen in NRW fordern uns auf, endlich zu handeln – und das mit Recht.

(Beifall von Jochen Ott [SPD])

Mit einer Novelle des Landeswassergesetzes wollen wir deshalb die landesrechtlichen Handlungsspielräume, die uns der Bund dort lässt, zur Verbesserung der Wasserqualität nutzen.

Wir diskutieren bald noch ein weiteres Gesetz an: das Naturschutzgesetz. Es gibt in der bisherigen Diskussion einen Unterschied, den ich zum Naturschutzgesetz sehe. In den Gesprächen mit den Verbänden erkenne ich nur wenige Knackpunkte. Es gibt eine grundsätzliche Akzeptanz, dass der Landesgesetzgeber seine Spielräume nutzt. Die meisten der Anpassungen und Regelungen, die der Minister gerade summarisch aufgeführt hat, sind relativ unstrittig. Ich werde bei der Einbringung jetzt auch gar nicht weiter darauf eingehen, werde aber im Laufe des Verfahrens die wertvollen Hinweise, die wir noch bekommen werden, aufgreifen und das eine oder andere einbringen.

Auf zwei umstrittene Regelungen will ich jedoch etwas ausführlicher zu sprechen kommen, weil sie wichtig sind, wenn wir über gutes Trinkwasser reden, und weil sie zeigen, dass wir das Ganze vernünftig und praktikabel geregelt haben.

Der eine Punkt betrifft die Gewässerrandstreifen in § 31, wo wir als Land grundsätzlich abweichende Regelungsmöglichkeiten haben. Zweck ist die Erhaltung und Verbesserung der ökologischen Funktionen oberirdischer Gewässer, vor allem der Verminderung von Stoffeinträgen aus der Landwirtschaft.

Der Bericht „Nitrat im Grundwasser“, den wir alle kennen, zeigt, dass in den landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten in Nordrhein-Westfalen die Nitratkonzentrationen seit über 20 Jahren gleichbleibend hoch oder sogar steigend ist. Wir können sagen: Für 40 % der Gewässer gilt: Kein guter Zustand, kein gutes ökologisches Potenzial, kein guter chemischer Zustand. Das ist eben auch die Grundlage, warum wir es für erforderlich halten, hier entsprechende Regelungen zu treffen.

Maßgeblich sind dabei Daten und Fakten, jedoch keine Ideologie. Deswegen gibt es ab 1. Januar 2022 die Gewässerrandstreifen mit erhöhten Anforderungen auf fünf Metern bei den Fließgewässern, die die Umweltqualitätsnormen verfehlen. Da müssen wir etwas tun, und das betrifft ca. 0,8 % der landwirtschaftlichen Fläche in NRW.

Noch einmal: Wichtig ist, dass die Regelungen nur da greifen, wo die Bewirtschaftungsziele verfehlt werden. Diese Übergangsfrist bis zum Jahr 2022

gibt eben die Möglichkeit, das „NRW-Programm Ländlicher Raum 2014 – 2020“ zu nutzen. Die Förderung von Agrarumweltmaßnahmen gibt auch den Landwirten eine reelle Chance auf positiv wirkende Umstellung der Bewirtschaftung.

Als zweiten Punkt möchte ich die Wasserschutzgebiete ansprechen, und hier insbesondere den § 35. Hier sollen – der Minister sagte es bereits – allgemeine landesweite Schutzgebietsstandards definiert werden. Dazu gehört auch das Verbot der oberirdischen Gewinnung von Bodenschätzen – Kies, Ton, Quarz, Sand und Kalk –

(Beifall von Dagmar Hanses [GRÜNE])

als vorsorgender Schutz der Wasserversorgung, und zwar als einheitliche Grundregelung für NRW. Es ist auch gut so, das einheitlich zu regeln.

Trotzdem wird die Rohstoffgewinnung in NordrheinWestfalen weiterhin möglich sein; denn in Zukunft wird die Praktikabilität des Verbotes durch Ausnahme- und Übergangsregelungen gewährleistet sein: Fachlich begründete Ausnahmeregelungen werden wie bisher durch die zuständige Wasserbehörde im Rahmen einer Wasserschutzgebietsverordnung gewährleistet.

Befreiungen sind im Einzelfall also nach einer Prüfung und mit guter Begründung möglich, wenn dies sachlich gerechtfertigt ist. Die Sicherung des rechtlichen Besitzstandes wird im § 125 gewährleistet, sodass die derzeitigen Regelungen in den Wasserschutzgebietsverordnungen fortwirken, und zwar in den BSAB-Gebieten bei bereits genehmigten und in Genehmigung befindlichen Abgrabungen.

Noch einmal: Ich habe diese beiden Regelungen erwähnt, weil sie wichtig sind, und auch, weil sie aufzeigen, dass wir in diesem Gesetz nichts kaputtregeln, sondern praktikable Lösungen finden, um ein Problem, das wir im Bereich „Trinkwasser“ haben, vorsorglich und verantwortlich anzugehen.

Über alle weiteren Dinge werden wir im Fachausschuss beraten. Ich freue mich nun auf das weitere Verfahren und die Beratungen dort und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Meesters. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Deppe.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wasser ist die Grundlage des Lebens auf unserem blauen Planeten. Es ist Lebensmittel und Lebensraum, und es ist in unserem Bundesland landschaftsprägend. Nicht zuletzt ist Wasser auch ein entscheidender Wirtschaftsfaktor. Der Rhein direkt vor diesem Hohen Hause ist eine der wichtigsten Wasserstraßen in Europa.

H2O ist auch ein wichtiger Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg unseres Bundeslandes. Der vorliegende Entwurf für ein Landeswassergesetz versucht, zumindest einigen dieser unterschiedlichen Funktionen gerecht zu werden, greift aber gleichzeitig erheblich in verschiedene Bereiche ein. Der Gesetzentwurf ist ein weiterer Baustein für mehr Staat, mehr Dirigismus und für nordrhein-westfälische Sonderwege, und vor allem ist er wiederum die Grundlage für den Erlass neuer Verordnungen.

(Beifall von der CDU)

Bei der Lektüre der 541 Seiten fragt man sich, warum die Mehrheitsfraktionen eigentlich nicht direkt alle Zuständigkeiten an den Umweltminister abgeben. Die Fülle der Verordnungen, die ohne Zustimmung des Parlaments erlassen werden können, ist wirklich erstaunlich.

Wie wenig Sie auf die Bewertung anderer Wert legen, zeigt der erneute Umgang mit der Clearingstelle Mittelstand. Der Wirtschaftsminister ist leider nicht da. Herr Duin, meinen Sie nicht – ich hoffe, es wird ihm ausgerichtet –, es sei an der Zeit, sich dagegen zu wehren, dass Ihnen der Umweltminister ständig die Butter vom Brot nimmt?

(Beifall von der CDU)

Dieses Gesetz ist eindeutig mittelstandsrelevant, und deshalb gehört es auch in die Clearingstelle.

(Beifall von der CDU)

Einen weiteren Verdacht sollten Sie schnellstens ausräumen: Im Landesentwicklungsplan wurden mühsam ein paar der schlimmsten Auswüchse relativiert. Jetzt dürfen diese Dinge nicht über den Umweg von Fachgesetzen wieder hineinkommen. Das ist dann nicht in Ordnung.

Erneut können Sie dem Versuch nicht widerstehen, den Staatsanteil an Grund und Boden weiter zu vergrößern. Auf erhebliche Kritik stößt die erneute Ausweitung des Vorkaufrechts für die öffentliche Hand. Man hat den Eindruck, Sie schaffen neue Gebietskategorien, um die Gebiete anschließend günstig in das Eigentum des Landes überführen zu können. Im Einzelfall mag der Kauf von Grundstücken für öffentliche Zwecke sinnvoll sein – aber bei jedem See, jedem Ufergrundstück und jedem Überschwemmungsgebiet die Hand auf das private Eigentum zu legen, das geht entschieden zu weit!

(Beifall von der CDU)

Noch leben wir in einem Bundesland, in dem das private Eigentum Vorrang vor Staatsbesitz hat.

Entgegen dem Bundesrecht verdoppeln Sie die Breite der Randstreifen an den Gewässern. 23.800 km Fließgewässer und 25 Seen wären von dieser Regelung betroffen. Nach Ihren Angaben wären das weitere 24.000 ha landwirtschaftlicher Fläche. Umgerechnet auf Ihr Ziel von 5 ha Flächeninanspruchnahme pro Tag dürften 13 Jahre lang keine weite

ren Flächen in Anspruch genommen werden – so viel einmal zur Größenordnung der von Ihnen beabsichtigten Maßnahme.

Im Vergleich zu anderen Bundesländern schädigen Sie die betroffenen nordrhein-westfälischen Landwirte sogar doppelt: Sie nehmen ihnen nicht nur die Fläche weg, sondern auch noch die Fördermöglichkeit aus der zweiten Säule. Herr Remmel, Ihre Beteuerungen aus der Biodiversitätsstrategie sind schon nach Jahresfrist nicht einmal mehr das Papier wert, auf dem sie geschrieben sind.

(Beifall von der CDU)

Diesen tiefgreifenden Eingriff in das Eigentum lehnen wir entschieden ab.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, die Kommunen beklagen die erneute Zunahme von Bürokratie. Sie warnen vor einer wahren Konzeptflut, vor neuen Plänen und – wörtlich – vor einer rot-grünen Datensammelleidenschaft.

Laut Ihrem Gesetzentwurf gehört zum Wasserkreislauf beispielsweise auch das Geschehen außerhalb von Gewässern. Nehmen Sie die Kommunen nach dem Katzenzählen jetzt auch noch für das Zählen von Regenwolken in Anspruch?

(Norbert Meesters [SPD]: Da fällt mir kein Zwischenruf mehr ein!)