Protokoll der Sitzung vom 27.01.2016

Daraus resultiert nun ein klarer und, wie ich glaube, gemeinsamer politischer Auftrag. Wir wollen und werden die Vorfälle in Köln und anderen Städten aufklären. Wir werden das ohne Vorbehalt tun, ohne

einem Vorwurf oder einer Frage aus dem Weg zu gehen. Deshalb ist es gut, dass wir diesen Untersuchungsausschuss gemeinsam einsetzen.

Wir wollen das Vertrauen in den Rechtsstaat wiederherstellen. Wir wollen die innere Sicherheit stärken, die Opfer der Übergriffe unterstützen

(Michele Marsching [PIRATEN]: So nicht!)

und für konsequente Strafverfolgung sorgen.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: So aber nicht!)

Wir werden aber auch Herausforderungen im Zusammenhang mit der Einwanderung von Flüchtlingen thematisieren – ruhig und besonnen, ohne das Geschäft der Rechtspopulisten zu betreiben und Ressentiments zu schüren.

Denn wir wollen – und das muss die Perspektive dieser Debatte sein – Probleme lösen. Wir wollen kein Gegeneinander der Kulturen. Wir wollen kein „Wir gegen die“. Denn Gewalt und Hetze gegen Geflüchtete gibt es nicht erst in den letzten vier Wochen und nicht erst seit den Ereignissen der Silvesternacht. Allein im letzten Jahr mussten wir eine Verachtfachung dieser Straftaten erleben.

Meine Damen und Herren, den Frauen, die in der Silvesternacht Opfer von Gewalt geworden sind, sagen wir ganz klar: Wir werden Polizei und Justiz in ihrem Einsatz unterstützen, die Täter aus der Silvesternacht zu überführen und zu bestrafen. Wir werden aber auch weiter reichende Schlussfolgerungen ziehen.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Wodurch?)

Wir werden den alltäglichen Sexismus thematisieren – egal, ob er von deutschen oder nichtdeutschen Männern ausgeht.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Wodurch denn?)

Wir werden diesen Alltagssexismus aktiv bekämpfen, ohne dadurch die konkreten Taten von Köln zu relativieren.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Dietmar Schulz [PIRATEN]: Durch den Un- tersuchungsausschuss oder wodurch?)

Denn was in Köln sichtbar geworden ist, geschieht vieltausendfach,

(Dietmar Schulz [PIRATEN] schüttelt den Kopf.)

auch wenn Sie den Kopf schütteln, Herr Schulz. Das geschieht vieltausendfach oft im Verborgenen und ohne dass Täter zur Rechenschaft gezogen werden.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt: Die Aufklärung der Vorkommnisse der Silvesternacht

sind wir nicht allein den betroffenen Frauen schuldig. Wir sind sie auch den Hunderttausenden Menschen schuldig, die friedlich und in bester Absicht zu uns gekommen sind – auf der Flucht vor Gewalt, vielfach auch vor sexualisierter Gewalt. Diese Menschen dürfen jetzt nicht einem Generalverdacht ausgesetzt werden, wie es die Rechtspopulisten und die Neonazis jetzt tun. Das dürfen wir nicht zulassen, denn sonst machen wir die Menschen, die bei uns Schutz suchen, zum zweiten Mal zu Opfern. Das darf nicht geschehen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD – Beifall von Michele Marsching [PIRATEN])

Wir werden uns in diesem Untersuchungsausschuss auch mit sehr konkreten Fragestellungen auseinandersetzen müssen. Einige haben die Vorredner schon angesprochen. Wir werden lückenlos aufklären, warum weder durch das PP Köln noch durch die Bundespolizei zusätzliche Kräfte der Landespolizei angefordert wurden, obwohl sie aufseiten der Landespolizei doch in großer Zahl zur Verfügung standen.

Wir werden neben den organisatorischen Fehlern der Kölner Polizei auch die Fehler der Bundespolizei thematisieren, denn wir lassen uns nicht von einem Bundesinnenminister belehren, dessen Politik zu Personalmangel bei der Bundespolizei geführt hat. Es ist gut, dass wir diesen Themenkomplex gemeinsam aufnehmen konnten.

(Zuruf von Michele Marsching [PIRATEN])

Wir werden klären, warum neben den Sicherheitsbehörden des Landes auch die des Bundes, insbesondere das Bundeskriminalamt, vor der Silvesternacht keine vollständige Einschätzung des neuen Kriminalitätsphänomens hatten. Wir erwarten an dieser Stelle auch von der Opposition, dass endlich nicht nur Behauptungen, sondern Belege zur Frage der von Ihnen so bezeichneten No-go-Areas vorgelegt werden.

(Beifall von den GRÜNEN – Dietmar Schulz [PIRATEN]: Die Opposition soll jetzt im Un- tersuchungsausschuss Belege vorlegen?)

Wir werden natürlich auch untersuchen, wie es zu der verfehlten Kommunikation nach dem Einsatz kommen konnte; denn diese verfehlte Kommunikation hat viel zum Vertrauensverlust beigetragen.

Meine Damen und Herren, dieser Untersuchungsausschuss bietet aber auch Chancen, nach vorne gerichtet über Konsequenzen zu diskutieren.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Oh, jetzt!)

Zunächst geht es um Konsequenzen für die Organisationskultur der Polizei. Wir wurden in den letzten Wochen stets seitens der CDU mit wilden Behauptungen konfrontiert, wonach man innerhalb der Polizei angeblich aus „vorauseilendem Gehorsam“ et

was nicht sagen oder nicht tun oder nicht denken dürfte. Sie sind bis heute jeden Beleg, aber auch jeden Vorschlag schuldig geblieben.

Wir Grünen wollen eine Polizei, die den Bürgerinnen und Bürgern offen gegenübertritt, die Vertrauen ausstrahlt und neue Kriminalitätsphänomene nach innen und außen offen anspricht und sie professionell und rechtsstaatlich angeht. Dazu gehört neben dieser Organisationskultur auch eine Fehlerkultur.

(Beifall von den GRÜNEN – Michele Mar- sching [PIRATEN]: Die haben wir doch an- geblich schon!)

Für uns Grünen ist außerdem klar: Wir benötigen eine neue Debatte über eine bessere Prävention sexualisierter Gewalt. Sexuelle Gewalt gibt es in allen Schichten und in allen Altersgruppen. Wir werden unseren Kampf verstärken, dieser Gewalt wirksam vorzubeugen. Dazu gehört, wirksame Schutzkonzepte für alle Einrichtungen zu entwickeln. Dazu gehört aber auch, das Thema zu endtabuisieren und Mädchen und Frauen zu ermutigen, Taten anzuzeigen.

Wir werden uns auch anschauen, ob das Strafrecht den Behörden überhaupt genügend Möglichkeiten an die Hand gibt, um Handlungen gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu verfolgen und zu bestrafen.

Meine Damen und Herren, der Untersuchungsausschuss, den wir heute gemeinsam beschließen, fällt in eine aufgeheizte Diskussion, die teilweise unsachlich, blindwütig und völlig enthemmt geführt wird. Ich kann nur an alle appellieren: Helfen Sie durch die Aufklärung mit, dass wir in der Debatte zu Maß und Mitte zurückfinden! Wir wollen gemachte Fehler der Polizeiführung aufklären, den Rechtsstaat stärken und Vertrauen in die Polizei zurückgewinnen.

Ich hoffe, dass zumindest die vier antragstellenden Fraktionen bereit sind, diese Arbeit zu leisten. Auf diese Arbeit freue ich mich. Ich will mit der Hoffnung schließen, dass wir die sachliche Tonlage dieses Tages gemeinsam beibehalten. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Bolte. – Nun spricht für die Piratenfraktion der Fraktionsvorsitzende, Herr Marsching.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren an den Bildschirmen und hier auf der Besuchertribüne! Ich fange mit einer Wiederholung an. Ich habe es schon in den entsprechenden Verlautbarungen der Presse gesagt und werde es hier wiederholen: Wir brauchen diesen Untersuchungsausschuss nicht. Wir brauchen keinen erneuten Missbrauch der Opfer. Wir brauchen keinen erneuten Missbrauch des Leids

der Opfer zu Wahlkampfzwecken. Der Kollege Körfges hat das gerade angesprochen und ich spreche es ganz klar aus.

Bei all dem Honig, den Sie hier auskippen, wonach alles besser gemacht werden soll, habe ich gerade noch einmal nachgeschaut. Ich stehe hier mit dem Pad am Pult und habe gerade extra die Suche angeworfen:

Das Wort „Opfer“ kommt genau einmal in den Detailfragen vor, und zwar bei der Vermittlung von Opfern an die schon bestehenden Frauenberatungsstellen. Ansonsten werden Opfer dort nicht erwähnt. Das Wort „Hilfe“, das gerade auch erwähnt wurde, kommt keinmal vor. Überhaupt nicht, null, kein Vorkommen! Das Wort „Schutz“ kommt einmal vor, und zwar unten im Footer. Dort steht, dass man eine Schutzgebühr bezahlen muss, wenn man sich den Antrag kopieren möchte.

Und da sagen Sie, Sie wollen Vertrauen in den Rechtsstaat wieder herstellen. Ich finde das ehrlich gesagt lächerlich.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich wiederhole noch etwas, und das ist kein Geheimnis. Wir Piraten sagen: Jäger muss weg. Der Innenminister muss Platz für etwas Neues machen, und zwar für Lösungen. Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss verzögert nur die notwendigen politischen Konsequenzen, die wir in diesem Land jetzt brauchen. Denn es ist völlig egal, wo es noch Fehler gegeben hat. Politisch hat der Herr Noch-Minister die Verantwortung.

Ich spiele jetzt die Gebetsmühle: Es gibt keine Präventionskonzepte. Es gibt keine ausreichende Ausbildung der Polizei zum Thema sexualisierte Gewalt. Es gibt keine Deeskalationsstrategie für Vorkommnisse wie in Köln. Es gibt kein funktionierendes Krisenmanagement in einem trudelnden, in einem instabilen Land, in einer instabilen Situation.

Der Innenminister hat keine Strategie. Er hat es gerade selbst gesagt. Ich nehme es generalisierend. Wir haben es schon häufiger gesagt: Der Innenminister fährt auf Sicht. Dabei bräuchten wir eine Strategie, und zwar genau jetzt und nicht erst mit einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss.

(Beifall von den PIRATEN)

Das Land ist destabilisiert. Der Zustand sollte durch einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss nicht aufrechterhalten werden, sondern wir sollten jetzt einen Schnitt machen. Statt eines Untersuchungsausschusses benötigen wir einen Innenminister mit Rückgrat. Ich nennen Ihnen ein schönes Zitat, Herr Jäger, das Sie gerne nutzen dürfen. Frau Düker hat gerade auch mein Zitat benutzt, wonach Sie Teil des Problems und nicht der Lösung sind.

Ich schlage Ihnen vor, Sie sagen: „Ich, der Innenminister, mache meinen Stuhl frei, und zwar nicht, weil