Protokoll der Sitzung vom 27.01.2016

Welche Lehren wurden aus HoGeSa oder der Loveparade gezogen – oder eben auch nicht? Wie steht es wirklich um die Situation rechtsfreier Räume in Nordrhein-Westfalen? Auch diese Fragen muss der PUA beantworten und vor allen Dingen auch, wo hier Ursachen zu suchen sind.

In der Debatte eben haben wir schon vielfältige Warnungen angesprochen, beispielsweise im Zusammenhang mit der Problemgruppe „alleinreisende Männer aus Nordafrika“. Es wird zu beantworten sein, wie ernst diese Warnungen im Vorfeld genommen worden sind, welche wahrnehmbare Reaktion des Staates – auch in Nordrhein-Westfalen – erfolgt ist und wo auch hier Ursachen der Silvester

nacht zu suchen sind. Auch diese Punkte sind also zweifelsfrei zu klären.

Das gilt auch für die Frage nach der Einsatzführung. Wenn offenbar fast flächendeckend im Land in einer solch besonderen Lage wie der Silvesternacht, in der zusätzlich eine erhöhte Terrorgefahr bestand, der gehobene Dienst – also Dienstgruppenleiter einer Inspektion – die Kastanien aus dem Feuer holen muss, während Führungskräfte des höheren Dienstes auf Silvesterfeiern die Sektkorken knallen lassen, wirft das ebenfalls Fragen auf.

(Beifall von der FDP)

Deshalb muss sich der PUA, Herr Körfges, auch den Fragen nach einem Qualitätsmanagement, nach einem Controlling widmen, um hier ebenfalls Defizite aufzudecken. Ähnliches gilt für die Kommunikation in den Tagen nach der Silvesternacht. Wir haben bisher viel gehört; aber diese Darstellung wird sicherlich noch nachzuarbeiten sein.

Meine Damen und Herren – Herr Biesenbach hat es eben angesprochen –, wir brauchen Lösungen, um das Sicherheitsgefühl wieder zu stärken. Das Vertrauen der Menschen in die Sicherheit in NordrheinWestfalen wurde massiv beschädigt. Das Vertrauen in den Rechtsstaat wurde infrage gestellt. Dieses Vertrauen müssen wir schnellstmöglich wieder herstellen. Das muss der PUA leisten. Jetzt ist lückenlose Aufarbeitung angesagt. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Für die SPD-Fraktion spricht Kollege Körfges.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die schrecklichen Ereignisse, die sich in der Silvesternacht in Köln ereignet haben – nicht nur in Köln, aber die öffentliche Wahrnehmung konzentriert sich intensiv auf Köln –, müssen in der Tat aufgeklärt werden. Wir müssen nach Konsequenzen fragen und gemeinsam nach besten Kräften versuchen, die Wiederholung solcher Geschehnisse unmöglich werden zu lassen.

Unsere Fraktion hat sich dazu entschieden, dem Antrag zur Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses hinsichtlich der Untersuchung dieser Vorfälle in der Silvesternacht beizutreten. Ich sage sehr deutlich: Ich muss mich bei all denen bedanken, die durch konstruktive Verhandlungen dafür gesorgt haben, dass wir zu einer gemeinsamen Formulierung für den Untersuchungsgegenstand und den Antrag gekommen sind.

Mir und uns ist es sehr wichtig, in dieser Frage nicht nur sensibel, sondern in der Sprache genau zu sein. Lieber Kollege Lürbke, nicht das Vertrauen in die Integrität des Rechtsstaates ist beschädigt – dann

hätten wir uns noch ganz andere Fragen zu stellen –, sondern wir müssen uns mit dem Vertrauen in die Handlungsfähigkeit eines integren Rechtsstaates beschäftigen. Das wollen wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten.

(Beifall von der SPD)

Der vorliegende Beschlussentwurf versetzt den Landtag in die Lage, eine lückenlose, transparente und vorurteilsfreie Aufarbeitung rund um die Geschehnisse in der Silvesternacht zu beginnen, und zwar eine Aufarbeitung ohne Mutmaßungen, Unterstellungen und Fehlinterpretationen, eine Aufarbeitung – da bin ich dankbar, dass wir offensichtlich sehr nahe beieinander sind –, die auch den Opfern gerecht wird.

Der Untersuchungsausschuss soll sich ein Gesamtbild verschaffen über die Geschehnisse in der Silvesternacht vor dem Kölner Hauptbahnhof und im Kölner Hauptbahnhof – das betone ich mit großer Genauigkeit. Er soll klären, ob es Fehler und Versäumnisse von Landesbehörden, aber auch von Bundesbehörden oder möglicherweise bei der Zusammenarbeit mit kommunalen Behörden gegeben hat. Wir werden untersuchen müssen, ob es bei der Landespolizei, bei der Bundespolizei und ihrer Führung aufgabengerecht, sachgerecht, angemessen und lagegerecht zugegangen ist.

Der Untersuchungsausschuss muss auch die Opfer in den Blick nehmen, indem der Umgang mit den Opfern sexualisierter Gewalt, insbesondere – das liegt uns sehr am Herzen – bei der Anzeigenaufnahme und der Informationsweitergabe bezüglich spezifischer Hilfeangebote hinterfragt wird.

Es werden folgende Fragen gestellt werden müssen: Wer hat wann etwas gewusst? Wurde im Lichte der jeweiligen Erkenntnisse angemessen gehandelt? Wer hätte wann etwas wissen müssen und in seine Entscheidungen einfließen lassen können? Kurz gesagt: Wie verliefen Planung, Vorbereitung und Kommunikation vor dem 31. Dezember 2015? Was geschah tatsächlich vom Ablauf her in der Silvesternacht?

Wir haben in diesem Zusammenhang auf Landesebene bei den Beratungen des Innenausschusses sehr detaillierte Angaben seitens des Hauses bekommen. Wir werden im Untersuchungsausschuss sicherlich die Möglichkeit haben, das alles im Einzelfall konkret nachzufragen. Wir wollen wissen: Wie verliefen Planung, Nachbereitung und Kommunikation nach den ersten Erkenntnissen um die Vorfälle?

Meine Damen und Herren, es wird natürlich auch die Frage nach Verantwortung gestellt werden müssen.

(Beifall von Christian Möbius [CDU])

Ich bedanke mich ausdrücklich, Herr Kollege, für den Beifall. Ich will das aber gleich auch noch vertiefen. Denn ein Untersuchungsausschuss ist nicht der Ort für parteitaktisches Kalkül und markiert nicht den Zeitpunkt des Beginns eines Vorwahlkampfes. Die weit verbreitete und – ich sage das auch für mich ganz offen – häufig auch zutreffende Meinung, Untersuchungsausschüsse seien lediglich Kampfinstrument der Opposition, darf und wird nicht Handlungsmaxime der gemeinsamen Arbeit werden. Es geht darum, zu erkennen, zu beurteilen und aus der Beurteilung Handlungsoptionen zu erarbeiten und umzusetzen. Das ist Aufgabe unseres Ausschusses im Landtag.

Wir haben es auch zu tun gehabt mit schnellen wechselseitigen politischen Schuldzuweisungen. Ich finde, auch da muss man vorsichtig sein, wie man Dinge formuliert. Ich will jetzt hier, um den sachlichen Ton der Debatte beizubehalten, im Einzelnen nicht auf Äußerungen eingehen oder auf Kolleginnen und Kollegen, die da bestimmte Dinge gesagt haben. Es handelt sich um furchtbare Ereignisse. Da ist die Gefahr naheliegend, dass man in der Formulierung mal etwas überzieht.

Nur, wenn man zum Beispiel auf der einen Seite kriegerische Bilder bemüht und dann, Kollege Lürbke, auf der anderen Seite das Bild von feiernden Politikerinnen und Politikern, …

(Minister Ralf Jäger: Beamte des höheren Dienstes!)

Oder Beamte des höheren Dienstes. Das war jemand anders mit den feiernden Politikerinnen und Politikern.

(Zurufe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, solche Bilder sollten wir nicht verwenden, sondern in aller Sachlichkeit einer Aufklärung der schrecklichen Ereignisse den Vorrang geben.

Wir haben durchaus kritisch die Polizeiarbeit der Landespolizei in Köln zu hinterfragen. Da bin ich bei Ihnen. Allerdings darf das nicht pauschal und nicht einseitig geschehen. Denn wer sich ein vollständiges Bild über das Geschehen machen will, der muss alle Akteure und alle Vorgänge beurteilen.

Nach dem, was wir diskutiert haben, ist mir Folgendes aufgefallen: Niemand will pauschal die Beamtinnen und Beamten – egal, ob von der Bundespolizei oder der Landespolizei – kritisieren, die an jenem Abend vor Ort ihre Arbeit gemacht haben; im Gegenteil – das war Dienst unter extrem erschwerten Bedingungen. Trotzdem muss man sich sicherlich mit der Rolle der Polizei beschäftigen dürfen. Da bin ich sehr dankbar dafür, dass wir als Landespolitiker eine Übersicht darüber haben, was wir hinterfragen können.

Mich befremdet ein wenig die sehr einseitig auf der Bundesebene geführte Debatte. Ich will darauf jetzt

nicht näher eingehen, aber wenn Herr de Maizière in der ARD schon Fragen zur Organisation und Aufstellung der nordrhein-westfälischen Polizei stellt, hielte ich es für angemessen, wenn er im gleichen Umfang auch Fragen gegen sich gelten lassen würde. Ich bin sehr froh darüber, dass wir im Untersuchungsausschuss die Möglichkeit bekommen werden, nachzufragen und uns mit einigen Dingen genauer zu beschäftigen.

Ich nenne ein Beispiel, das mir sehr intensiv auf der Seele liegt. Ja, ich habe die Berichte eines Beamten der Bundespolizei in den Medien gelesen. Wir haben nicht die Gelegenheit gehabt, uns damit näher zu beschäftigen, weil diese Berichte sehr deutlich nicht autorisiert waren, also nicht Gegenstand der offiziellen Kommunikation des Bundesministers des Inneren gewesen sind. Ich denke, der Untersuchungsausschuss gibt uns an dieser Stelle die Möglichkeit, noch einmal über Verursachung, Handlungsbeiträge, Vorbereitung und auch Konsequenzen nachzudenken. Das gilt natürlich auch für kommunale Akteure.

Da will ich nur ein kurzes Beispiel anführen, das uns in der Diskussion im Vorfeld auch schon bewegt hat, nämlich die Transparenz hinsichtlich der Herkunft von Tätern. Da muss man sich dann auch mit der Frage beschäftigen, wer zu welchem Zeitpunkt in der Nachbearbeitung und der Nachberatung welche Informationen hatte und welche Ursachen es hatte, dass es darüber sehr unterschiedliche – auch öffentliche – Äußerungen gegeben hat.

Ich will nicht in eine bestimmte Richtung weisen. Nur, eines ist ganz klar: Wenn es widersprüchliche Angaben über diese Frage gibt, sind wir in einem Untersuchungsausschuss angehalten, uns auch dieser Frage anzunehmen und zu versuchen, sie nach bestem Wissen und Gewissen zu klären, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dazu gehören selbstverständlich auch strukturelle Fragen.

Kollege Biesenbach hat eine ganze Reihe von Fragen, die in der Öffentlichkeit, aber auch in den parlamentarischen Gremien angesprochen worden sind, in seinem Statement aufgegriffen.

Über den Anspruch hinaus, den wir persönlich haben, gilt es, auch den Anspruch der Gesellschaft, offen über die strukturellen Voraussetzungen bei unserer Polizei, aber auch bei den Sicherheitsbehörden insgesamt zu diskutieren, zu wahren.

Ich will mit einer sehr persönlichen Bemerkung schließen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Ich freue mich – das gilt auch in Richtung der Kolleginnen und Kollegen, die in der Ausschussarbeit tätig sein werden – natürlich auf eine intensive und gute Zusammenarbeit. Aber meine Freude bezieht sich auf diesen Fakt.

Ich bin sehr traurig darüber, und das bekümmert und beschämt mich immer noch, dass es überhaupt den Anlass gegeben hat, uns noch vertiefter in

Form eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses mit diesen Ereignissen zu beschäftigen.

Manch einer mag – auch die Haltung wird ja hier vertreten – sagen, es sei überflüssig, einen solchen Untersuchungsausschuss tagen zu lassen; da könne man auf politische Motive zurückschließen.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Quelle sur- prise!)

Ich kann Ihnen nur sagen: Wir haben uns der anderen Meinung angeschlossen. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen und werden als künftige Mitglieder des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses auch unter den angesprochenen zeitlichen und terminlichen Begrenzungen dieser Arbeit Vorrang einräumen, denn das Thema ist zu wichtig, als dass man es zur linken Hand machen kann.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Für Links- händer ganz gut!)

Ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe, dass wir der hohen Verantwortung und der Aufgabe, die uns gestellt wird, tatsächlich gerecht werden können. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Körfges. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Kollege Bolte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das vergangene Jahr hat das Bild Deutschlands in der Welt verändert. Die Welt hat ein Land mit einem freundlichen Gesicht gesehen, ein Land, das über einer Million Menschen Schutz geboten hat vor Verfolgung, Gewalt und Not und in dem sich Tausende für Flüchtlinge engagierten, um ihnen bei der Ankunft und dem Start in ein neues Leben zur Seite zu stehen.

Zum Jahreswechsel haben wir aber auch schlimme Übergriffe gesehen, brutale Angriffe auf Frauen vor und im Kölner Hauptbahnhof und auch in anderen Städten – Vorfälle, die sich niemals wiederholen dürfen.

Wir Grüne fühlen mit den betroffenen Frauen aus der Silvesternacht. Wir sind betroffen darüber, dass es in einem Rechtsstaat in jener Nacht nicht möglich war, Menschen zu schützen. Wir sind betroffen über die Fehler, die gemacht wurden, und auch über ein Agieren, das den Vertretern des Rechtsstaats sogar den Vorwurf der Vertuschung eingebracht hat.

Daraus resultiert nun ein klarer und, wie ich glaube, gemeinsamer politischer Auftrag. Wir wollen und werden die Vorfälle in Köln und anderen Städten aufklären. Wir werden das ohne Vorbehalt tun, ohne