Protokoll der Sitzung vom 28.01.2016

Nazis muss man klar benennen. Nazis stellen wir uns entgegen. Immer und überall – Hashtag „#keinfußbreit!“

(Beifall von den PIRATEN, der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Marsching. – Für die Landesregierung spricht jetzt die Ministerpräsidentin.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Um was geht es heute in dieser

Aktuellen Stunde? Ich habe im Deutschlandfunk das „Interview der Woche“ gegeben, 25 Minuten – gute Minuten, wie ich fand –, in denen man vieles erklären kann. Das ist bei komplexen Fragestellungen, wie Sie es gerade richtigerweise angesprochen haben, Herr Marsching, viel Zeit und viel gute Zeit, die man gut nutzen kann.

In diesen 25 Minuten gab es eine Stelle, an der mich der Moderator, Herr Küpper, gefragt hat – ich zitiere –:

„Ist es richtig von Frau Dreyer, nicht mit der AfD in einem TV-Duell reden zu wollen?“

Ich habe geantwortet – auch das zitiere ich –:

„Das ist ihre persönliche Entscheidung, die möchte ich auch nicht kommentieren. Ich habe für mich auch entschieden: Ich gehe nicht in Fernsehsendungen mit Vertretern der AfD. Das muss aber jeder für sich selbst entscheiden in seiner Situation.“

Die Überlegung, wie sich die Frage der Auseinandersetzung mit der AfD in der heißen Wahlkampfphase 2017 stellt, steht heute, rund anderthalb Jahre vor der nächsten Landtagswahl, gar nicht an.

Ich sage Ihnen eines – das versichere ich Ihnen –: Die Landesregierung arbeitet Tag für Tag hart, damit sich die Frage der Beteiligung der AfD an Fernsehduellen gar nicht erst stellt.

(Lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

So verstehen wir es, für die Werte dieses Landes und für die Demokratie zu kämpfen. So verstehen wir verantwortungsvolle Politik.

Aber es ist ja vorhin schon zum Ausdruck gebracht worden, warum man aus einem solchen Satz eine Aktuelle Stunde macht.

Das durchschauen doch auch die Bürgerinnen und Bürger. Diejenigen, die uns zuschauen, ob im Netz oder auf der Tribüne, durchschauen doch, dass dahinter politisches Kalkül steht.

(Zuruf von der CDU)

Sie nicht; gut. – Das eine Kalkül heißt: Wir lenken von der schwierigen Situation ab, die in Berlin zwischen CDU und CSU zu beobachten ist.

(Zuruf von der CDU: Und SPD!)

Wir lenken davon ab, dass wir in dieser Situation keine einfachen Antworten haben. – Sie als Antragsteller wollen davon ablenken.

Politisches Kalkül ist auch, mich als Ministerpräsidentin persönlich zu diskreditieren.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Das halte ich aus. Keine Bange! Sie brauchen mich nicht zu bedauern. Das verbindet sich mit meiner Rolle.

Mir geht es darum, dass die Bürgerinnen und Bürger das sehr wohl durchschauen und dass sie sehr wohl differenzieren, wer sich wann welchen Debatten stellen sollte.

Ich bin sehr dafür, dass wir in dieser Debatte zu mehr Sachlichkeit zurückkehren.

(Zuruf von der CDU: Machen wir! – Lutz Li- enenkämper [CDU]: Das hat Herr Römer mit seinem Beitrag gezeigt! Das war der Beitrag von Herrn Römer zur Sache! – Weitere Zuru- fe von der CDU – Gegenrufe von der SPD)

Wir sollten uns als Politik gerade hier im Landtag nicht zu klein machen. Talkshows haben sicherlich ihre Berechtigung. Sie können dazu beitragen, politische Inhalte und Positionen zu vermitteln, wenn es möglich ist, dort sachliche Diskussionen zu führen. Aber ich bin auch der Meinung, dass diese Runden häufig an ihre Grenzen stoßen, nämlich dann, wenn der Eindruck entsteht, als sei der Austausch von Kurzstatements und Halbsätzen, die es aufgrund der zeitlichen Formate naturgemäß sind, in Ledersesseln Politik. Das ist es nicht. Politik heißt, zu handeln und das Richtige zu tun.

(Lebhafter Beifall von der SPD – Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

An diese Grenzen stoßen Talkshows in meinen Augen besonders in der Auseinandersetzung mit der AfD. Seit bekannt ist, dass wir diese Debatte hier führen, habe ich mir auf langen Zugreisen und auch abends relativ viele Talkshows mit AfD-Beteiligung noch einmal in der Mediathek angeschaut. Ich kann Ihnen sagen: Das ist nicht die Form von Auseinandersetzung, die wir alle uns wünschen; denn oft ist gar nicht die Zeit und auch nicht der Raum, um Daten und Fakten dagegenzuhalten. Der Faktencheck findet, wenn überhaupt, nach der Sendung statt und geht an vielen Zuschauerinnen und Zuschauern vorbei.

Rechtspopulisten – ich bin zwar der Auffassung, dass viele von ihnen nicht nur Populisten sind, sondern Extremisten, bleibe aber einmal bei dem Begriff „Rechtspopulisten“ – wie die AfD gebrauchen einfache Sätze. Sie verwenden Reizworte wie „Lügenpresse“ und „Schweigekartell“, und sie nutzen die Bühne, die ihnen geboten wird.

Meine Damen und Herren, ich möchte nicht Bestandteil eines Bühnenbildes sein, wenn sich ein rechtsextremer und fremdenfeindlicher Deutschnationaler der AfD mit Deutschlandfahne in einem Sonntagabend-Talk inszeniert. Ich will mich nicht in einer Sendung empören, wenn der NRW-Landesvorsitzende der AfD einen Schießbefehl auf Flüchtlinge fordert.

Aber das hat er bisher ja auch nicht getan. Diese Forderung hat er lediglich in schriftlichen Interviews erhoben. Warum? Der demagogische Trick der AfDProtagonisten ist doch ganz klar erkennbar. In den Talkshows mimen sie die biederen Saubermänner, und in sozialen Netzwerken und auf Marktplätzen sind sie rechte Hetzer der allerübelsten Sorte.

(Lebhafter Beifall von der SPD – Beifall von den GRÜNEN und Dr. Joachim Paul [PIRATEN])

Es gelingt wahrlich nicht immer, das zu entlarven. Herr Laschet, ich habe mir die Runde angeschaut, in der Sie mit Herrn Friedrich und Frau von Storch von der AfD saßen.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Oh, Frau von Storch!)

Mich hat wirklich erschüttert, dass die Moderatorin immer wieder Fragen an Sie mit den Worten „Herr Friedrich und Frau von Storch sagen doch, dass …“ eingeleitet hat.

Hier wird deutlich: Es ist ihnen gelungen, dieser Wolf im Schafspelz zu sein. Sie werden eingereiht, obwohl sie in Wahrheit ganz andere Positionen vertreten. Das ist etwas, was mich besorgt.

(Zuruf von der CDU: Welche Sendung haben Sie denn gesehen? – Weitere Zurufe von der CDU)

Ich habe die Sendung selbst gesehen. Schauen Sie sich noch einmal an, wie die Fragen eingeleitet wurden. Die Formulierung habe ich ja gerade zitiert.

Herr Kollege Laschet, Sie haben vorhin gesagt: Die Sender entscheiden, wen sie einladen; wenn ich denn eingeladen bin, dann stelle ich mich der Debatte. – Ungefähr so war Ihr Wording.

Ich kann Ihnen sagen: Ich bekomme viele Einladungen in Sendungen. Zunächst einmal entscheide ich, ob ich zu dem Thema etwas zu sagen habe. Das machen nicht alle so.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Dann entscheide ich auch danach, wer dort sitzt und welche Bühne ich wem bereite.

(Armin Laschet [CDU]: Das macht doch je- der!)

Jeder mag diese Entscheidung für sich selbst treffen. Ich habe meine Entscheidung so getroffen. Damit bin ich auch nicht alleine. Ich nenne hier nur Winfried Kretschmann, Malu Dreyer und Volker Kauder, der bereits angesprochen worden ist. Er hat gesagt: „Mit denen möchte ich nicht in Talkshows sitzen.“

Wo wir gerade bei der CDU sind: Wie hat doch der Kollege Friedrich Merz so treffend gesagt? „Talkshows schön und gut – aber die Politik muss wieder

zurück ins Parlament. Das ist die Bühne der Nation.“

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dass wir allerdings im Plenarsaal unseres Bundeslandes heute über Talkshows reden müssen, finde ich schon ein bisschen bizarr. Wir alle und die große Mehrheit in unserem Land wissen, dass in der AfD Ausländerfeinde, Gegner des friedlichen Miteinanders von Einheimischen und Zugewanderten und Rechtsextreme zu Hause sind, die in Deutschland nie wieder Verantwortung übernehmen dürfen.

Wenn man einen zitieren kann, dann ist das HansOlaf Henkel, finde ich. Schließlich kennt er den Laden von innen. Er hat in der „FAZ Online“ vom 8. November 2015 gesagt, die AfD sei mittlerweile zu einer „NPD light“ geworden. Ich zitiere: „Es macht mir Kummer, dass ich mitgeholfen habe, ein richtiges Monster zu erschaffen.“ Das sagt derjenige, der die Beteiligten sehr gut auch von innen her kennt.

Ich habe Zutrauen zu der Urteilsfähigkeit der Bürgerinnen und Bürger.

Wir sollten es uns auch nicht zu einfach machen und meinen, es sei damit getan, uns in Talkshows mit den vermeintlich einfachen Botschaften auseinanderzusetzen. Wir müssen das als tägliche Aufgabe der Politik annehmen, um unsere Politik gerade in der Flüchtlingsfrage intensiv darzustellen. Es geht darum, das Richtige zu tun, selbstkritisch zu sein, Fehler zu benennen und eben nicht den Deckel draufzulegen, sondern offen die Probleme anzusprechen, die unser Land hat.