Protokoll der Sitzung vom 02.03.2016

Herr Präsident! Zwei Punkte möchte ich ansprechen, und zwar erstens die Verkehrspolitik und die Finanzpolitik der Piraten. Allen ist bekannt: Die Privaten wollen ÖPNV für lau. –

Und hier reklamieren Sie auf einmal, dass in einem bestimmten Teilbereich zu viel Geld ausgegeben wird. In anderen Bereichen wollen Sie Milliarden aus dem Fenster werfen. Hören Sie mir auf mit Ihrer seriösen Finanzpolitik!

(Beifall von Karlheinz Busen [FDP])

Zweiter Punkt: ÖPP. Ich freue mich über jede Diskussion und mögliche Modelle, wie man Infrastruktur bauen und verwirklichen kann. Ich lasse mir auch gerne Hinweise geben, wie das noch besser geht. Aber in diesem Fall, lieber Kollege Bayer, vertraue ich lieber Kurt Bodewig als Ihnen. Und Kurt Bodewig hat als ausgewiesener Fachmann gesagt, dass ÖPP im Bereich Verkehrssanierung und Verkehrsbau für ihn ein wichtiger Baustein ist, um die Ziele zu erreichen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Rasche. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Kollege Fricke.

Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Kolleginnen und Kollegen! Bürger und Freunde zu Hause und unterwegs! Heute geht es um den Ausbau des ÖPP, auf Neudeutsch auch gerne Public-private-Partnership genannt, abgekürzt PPP. PPP? Da war doch was? Ja, genau: PPP – Pleiten, Pech und Pannen. Das passt wie die Faust, Pardon, wie der Reifen ins Schlagloch. Und ich meine diese Schlaglöcher auf der A1 und nicht nur die in Niedersachsen. Wir haben ja genügend eigene auf unserem Teilstück, dem PPP-sanierten Teilstück der A1 in der Nähe der Landesgrenze zu Niedersachsen.

Das ist aber irgendwie komisch. Da wird für viel Geld – deutlich mehr, als es die öffentliche Hand in Eigenregie kosten würde – in PPP ein Teilstück einer überlasteten Autobahn ausgebaut und saniert. Und kaum ist dieser Ausbau beendet, darf sich das Land nicht nur mit dem Bauunternehmen, sondern auch mit den PPP-Gesellschaften darüber streiten, wie all diese Schlaglöcher, Risse und was auch immer in diesem Teilstück saniert werden und wer die Kosten hierfür übernimmt. Die Einzelheiten dieser PPPGeschichte sollten Ihnen ja geläufig sein.

Wo früher der auftragnehmende Generalunternehmer in Haftung und Pflicht stand und für das Land der einzige Ansprechpartner und notfalls Gegner vor Gericht war, steht jetzt noch eine Instanz dazwischen. Das ist – ironisch formuliert – ökonomisch sicherlich außerordentlich sinnvoll, keine Frage.

„Fein, aber wir profitieren doch von der PPP“, meint zumindest die CDU. – Äh, Moment mal, wo denn bitte genau?

Ach, übrigens noch etwas Brisantes: NordrheinWestfalen ist das Bundesland mit den ausgedehntesten Mafia-Strukturen und den daraus resultierenden Problemen. Und der Bausektor ist traditionell – nicht nur im Herkunftsland der Ehrenwerten Gesellschaft – ein klassischer Spielplatz dieser zu uns importierten kriminellen Strukturen. Mit den immer stärker verschachtelten Gebilden zur Finanzierung und zum Betrieb ist er ein optimales Versteck für Aktivitäten wie Geldwäsche, Korruption und geplanten Pfusch am Bau. Wer hier eine Brücke zurück auf die A1 schlägt, ist ein böser Wicht! Berlusconis Freunde lassen Sie grüßen, werte CDUler!

Wenn also Kollege Voussem behauptet, in unserem Bundesland fehle es an der Umsetzung der PPP,

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

dann freue ich mich, dass ich dazu beigetragen habe, ihm ein wenig zusätzliche Sachkenntnis vermittelt zu haben.

Herr Kollege Rasche, ich stimme Ihnen zu: Wir brauchen mehr Transparenz. Aber Transparenz muss doch auch dann gegeben sein, wenn ein Projekt nicht mittels PPP finanziert werden kann. Insofern muss es für Transparenz auch Lösungen ohne PPP geben. Da kann PPP nicht der alle seligmachende ultimative Transparenzgedanke sein. Es muss auch anders gehen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Groschek.

(Jochen Ott [SPD]: So, jetzt zur Klarheit und Wahrheit!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Unbestreitbar ist der Unterhaltungswert unserer verkehrspolitischen Diskussionen im Laufe der Jahre gewachsen. Auch das ist eine Wertschätzung an und für sich – von der Drögheit hin zu einer lebendigen Diskussion. Das zeigt, dass das Interesse an diesem Thema gewachsen ist. Das finde ich gut.

Jetzt kommen wir zu den Ländern. Die Länder haben ein klares Navi, der Bund hat leider bislang nur einen Störfall – das hat Herr Staatssekretär Barthle offenbart, indem er sagte, das Zweieinhalb-Seiten-Schreiben von Herrn Staatssekretär Ferlemann sei nicht die abgestimmte Position der Bundesregierung – die gibt es nämlich nicht –, sondern ein Vorschlag des Bundesverkehrsministers.

Deshalb haben wir auf der einen Seite „16 gleich eins“; das heißt, alle Länder. Und Nordrhein-Westfalen ist die Brücke zwischen Winnie Hermann, BadenWürttemberg, und Joachim Herrmann, Bayern – wichtig: Brückenbauer!

(Beifall von Jochen Ott [SPD])

Auf der anderen Seite haben wir „drei ungleich eins“. Warum? Weil drei Bundesministerien – deren Apparate – etwas ganz Unterschiedliches wollen.

Dobrindt will sein Geld loswerden und weiß, dass der Planungsvorlauf verhindern wird, dass es unter den jetzigen Bedingungen zeitgerecht unters Volk bzw. auf die Straße kommt.

Schäuble will die gesamte Infrastrukturfinanzierung – vielmehr seinen Apparat – aus dem Bundeshaushalt heraushalten und will das im Wesentlichen maut- und kapitalmarktfinanziert hinbekommen.

Der Apparat des Bundeswirtschaftsministeriums will das Ganze mit Hilfe der Fratzscher-Kommission im Grunde in Richtung Privatisierung öffnen. All das hat aber nichts mit rationalen Überlegungen zum Lösen der Investitionsbremse zu tun.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Wir müssen nicht die Verfassung ändern, um die Investitionsbremse zu lösen, sondern die Finanzierung. Wir brauchen endlich eine überjährige, projektbezogene Finanzierung. Deshalb laden wir den Bund ein, eine Finanzierunggesellschaft zu gründen. Herzlich willkommen, wenn er denn gründen will.

Wir müssen nicht die Verfassung ändern, um die Investitionsbremse zu lösen, sondern das Management der Auftragsverwaltung. Das ist der kürzere Zügel. Natürlich, auch die Landesparlamente müssen davor bewahrt werden, im Überschwang der Gefühle zu große Kürzungen bei den jeweiligen Landesbetrieben umzusetzen. Dann werden sie nämlich nicht ihrer Verpflichtung als Bundesauftragsverwaltung gerecht.

(Beifall von Jochen Ott [SPD])

Sie jedenfalls sind ihr beim Personalabbau nicht gerecht geworden. Lieber Herr Voussem, Sie haben im doppelt verglasten Glashaus gesessen.

Wer die Investitionsbremse lösen will, muss nicht die Verfassung ändern, sondern das Planungsrecht für Ersatzneubauten. Der Bund war in der Vergangenheit eh nicht besser als die Länder. Die Bundeswasserstraßenverwaltung und der Zustand unseres Schienennetzes in Deutschland sind Beleg dafür. Und aktuell ist der Zustand allenfalls gleich gut.

Das beste Beispiel, der beste Beweis dafür ist DEGES. Wir haben zwei Brücken, baugleich: A1 – Rheinquerung, A40 – Rheinquerung; die eine Landesbetrieb, die andere DEGES. Beide Bauvorhaben

leiden unter einer viel zu langen Planungsphase im Vorlauf des Bauens. Bevor ich den ersten Euro abrufen darf, vergehen bis zu sieben Jahre – nicht etwa, weil die Ingenieure sieben Jahre bräuchten, um die Brücke zu konstruieren, sondern weil der Planungsmarathon inzwischen so irre lang geworden ist – unter anderem durch EU-Recht-Vorgaben –, dass sechs Jahre vergehen, bevor überhaupt der erste Euro rollt, um damit eine Brücke zu bauen.

Im Bereich des Ersatzbaus ist das zu lang, unzumutbar lang. Hier muss Planungsrecht drastisch verkürzt und vereinfacht werden. Dazu lade ich den Bundesverkehrsminister herzlich ein.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

ÖPP – das ist keine ideologische Nummer. Lesen Sie das bitte in unserem Koalitionsvertrag nach. Selbst Dobrindt sagt heute nicht mehr, das sei ein Finanzierungsinstrument, sondern Dobrindt sagt: Das ist eine Beschaffungsvariante, die möglicherweise dabei hilft, zusätzlich Geld schnell los zu werden.

(Jochen Ott [SPD]: So ist das!)

Da zahle ich als Bundesverkehrsminister dann gern einen Aufpreis; Hauptsache, ich werde das Geld quitt und muss mich nicht vor dem Bundesfinanzminister rechtfertigen. Noch mal: Beschaffungsvariante, nicht Finanzierungsvariante.

Was wollen wir machen? Wir wollen diese Beschaffungsvariante da prüfen, wo unser eigentliches Betriebsvermögen, das Wissen, die Erfahrung, das Know-how unseres Landesbetriebs, Eingang finden kann. Wir wollen unseren Betriebsdienst nicht ausgrenzen, sondern wir wollen bei ÖPP-Projekten gewährleistet wissen, dass er dabei ist und – wenn schon, denn schon – der nordrhein-westfälische Mittelstand nicht in die Röhre schaut.

Wir brauchen keine riesigen Baulöwen, die uns hier die Butter vom Brot fressen, sondern wir wollen die heimische Wirtschaft stärken, wenn wir zu diesem Instrument greifen.

Das sollte eigentlich eine Einladung sein, die auch Sie überzeugt, Herr Kollege Voussem. Aber leider vertun Sie sich bei der Zeitgeist-Reiterei. Für Sie bleibt das immer ein Rodeo, bei dem der Gaul Sie abwirft. Sie reiten lieber totgelatschte Gäule, und das hat sich noch nie bewährt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Jo- chen Ott [SPD]: Bravo!)

Vielen Dank, Herr Minister. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind somit am Schluss der Aussprache und kommen zur Abstimmung.

Wir stimmen erstens ab über den Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/8643. Der Ausschuss für

Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr empfiehlt in Drucksache 16/11094, den Antrag Drucksache 16/8643 abzulehnen. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 16/8643 selbst und nicht über die Beschlussempfehlung. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag Drucksache 16/8643 gegen die Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der Piraten sowie des fraktionslosen Abgebordneten

Schwerd bei Enthaltung der FDP-Fraktion und bei Zustimmung der CDU-Fraktion abgelehnt.

Wir kommen zweitens zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/11294. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag mit Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der CDU-Fraktion, der Piraten und des fraktionslosen Abgebordneten Schwerd bei Enthaltung der FDP-Fraktion angenommen.

Ich rufe auf:

8 Kulturelles Erbe schützen, Freiheit von Kunst

und Kultur bewahren und stärken – Gesetzentwurf zum Kulturgutschutz muss gründlich überarbeitet werden