Und noch eines: Ihr Antrag ist handwerklich schlichtweg nicht zu Ende gedacht. Da will ich Ihnen nur ein Beispiel nennen: Sie kritisieren, dass jeder dritte Selbstständige in Nordrhein-Westfalen auf Basis von Werkverträgen tätig ist. Liebe Kollegen, ganz viele selbstständige Handwerksmeister arbeiten auf Basis von Werkverträgen. „Was lernt uns das“, wie wir das bei uns am Niederrhein sagen würden? Werkverträge sind per se kein Teufelszeug und schon gar nicht der Untergang der sozialen Marktwirtschaft, sondern oftmals eine Voraussetzung dafür, dass Selbstständige in unserem Land Aufträge er- und behalten, Arbeitsplätze schaffen und somit auch Wohlstand für viele, für sich selber und viele Mitarbeiter, sichern.
Wir dürfen und sollten hier auch überhaupt nicht den Eindruck vermitteln, dass selbständige Tätigkeit in Deutschland etwas Unmoralisches sei, das es zu verhindern gelte.
Ich möchte noch etwas zu dem Prosateil sagen, der sich nur teilweise irgendwie mit Ihrem Beschlussteil zusammenbringen lässt. Während Überschrift und Begründung neben Zeitarbeit auch Werkverträge in den Fokus rücken, findet im Beschlussteil, dem Abschnitt III Ihres Antrags, dazu überhaupt nichts statt. Das findet sich gar nicht mehr wieder. Der Antrag ist auch handwerklich nicht ganz in Ordnung. Deswegen wollen wir ihn an dieser Stelle nicht mittragen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bischoff, befördert worden zum Propheten? Es wird wirklich so kommen, wie Sie sagten. Aber mit der CDU waren Sie ja wenigstens halbwegs zufrieden.
Ein Eilantrag der Fraktionen von SPD und Grünen zu dem Gesetzesvorhaben von Andrea Nahles – die Motivation ist aus meiner Sicht klar: Die SPD will den internen Streit in der GroKo in Berlin auch hier im Landtag ausbreiten und sich hier vor den drei anstehenden Landtagswahlen als Kämpfer gegen vermeintlichen Missbrauch oder eine Missbrauchschimäre profilieren.
Ich kann ja Ihre Verärgerung nachvollziehen, nachdem der Referentenentwurf aus dem Bundesarbeitsministerium erheblich überarbeitet worden ist und danach trotzdem die Kritik nicht aufhörte. Sie berufen sich aber nur auf den Wortlaut des Koalitionsvertrages, wie es der Kollege gerade schon sagte, und bedenken nicht, was in der Sache sinnvoller wäre. Mit anderen Worten: Sie achten nicht auf das, was in der Praxis sinnvoll ist und was in der Praxis vorkommt.
Ein flexibler Arbeitsmarkt mit Instrumenten wie Zeitarbeit und Werkverträgen ist ein wesentliches Element einer arbeitsteiligen Wirtschaft. So können Kostenvorteile durch Spezialisierung genutzt werden, und es kann auf veränderte Nachfrage und technologischen Wandel schnell reagiert werden. So wird zugleich die internationale Wettbewerbsfähigkeit gestärkt. Als Beispiel führe ich die Automobilzuliefererindustrie an, die bei dem, was Sie vorhaben, wenn das kommt, ins Ausland verlagern wird. Das kann ich Ihnen so schon prophezeien.
Gerade die digitale Wirtschaft stellt bisherige Geschäftsmodelle infrage und wird die Arbeitswelt grundlegend verändern. Die digitale Welt setzt viel stärker auf Projektaufträge, die möglichst flexibel zu organisieren sind. Darüber hinaus ist gerade die Zeitarbeit ein wichtiges Instrument zum Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt. Dies ist eine Chance zur Arbeitsmarktintegration, insbesondere für geringer qualifizierte Bewerber.
Meine Damen und Herren, wir stehen vor großen Herausforderungen bei der Integration der Flüchtlinge. Wir werden morgen noch darüber diskutieren, was speziell für die Flüchtlinge vorkommt. Hunderttausende Menschen mit einer Bleibeperspektive und
oft fehlenden formalen Qualifikationen benötigen Arbeitsplätze zur gesellschaftlichen Teilhabe. Gerade für sie ist ein flexibler Arbeitsmarkt unverzichtbar.
Sie aber setzen statt auf eine Entrümpelung und Entbürokratisierung des Arbeitsmarktes zugunsten der Steigerung von Beschäftigungschancen für Langzeitarbeitslose und Flüchtlinge auf erhebliche weitere Regulierung.
Mit den Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 wurde die Flexibilität des deutschen Arbeitsmarktes deutlich erhöht. Ohne diese Reformen hätten wir heute vermutlich in Deutschland keine Rekordzahlen bei der Beschäftigung, sondern wie andere europäische Länder unter einer wesentlich höheren Arbeitslosigkeit gerade bei den jungen Menschen zu ächzen.
Die aktuelle Politik ist aber von einer Gegenbewegung gekennzeichnet. Nach der Einführung des Bürokratiemonsters Mindestlohn – ich rede nicht vom Mindestlohn, ich spreche von der Bürokratie dahinter – sollen jetzt Zeitarbeits- und Werkverträge eingeschränkt werden. Es steht nicht mehr ein erleichterter Zugang zum Arbeitsmarkt im Vordergrund. Vielmehr soll vorrangig ein vermeintlicher Missbrauch von Arbeitsmarktinstrumenten bekämpft werden. Dabei bestehen bereits weitgehende Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten, unter anderem durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit und die Sozialversicherungsträger. Nutzen Sie diese doch!
Herr Kollege Bischoff, können Sie sich erinnern? Im Ausschuss haben wir schon darüber diskutiert. Da habe ich gesagt, was es mittlerweile noch alles an Kontrollmöglichkeiten für die Firmen gibt. Sie werden ausgenutzt, und sie sollen auch ausgenutzt werden – wo Missbrauch ist, soll man ihn abschaffen –, aber nicht in dem Maße.
Die aktuellen Vorschläge von Frau Nahles scheinen aber von einem grundsätzlichen Misstrauen gegenüber flexiblen Arbeitsmarktinstrumenten geprägt zu sein – und, ja, ich muss es so nennen, von einem zwanghaften Misstrauen gegenüber Arbeitgebern und Selbstständigen.
Zu den konkreten Vorstellungen von Ihnen: Sie wollen eine Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten einführen Diese Vorgabe geht über den Grundsatz der EU-Zeitarbeitsrichtlinie hinaus, zwar eine unbefristete, dauerhafte Überlassung auszuschließen, dabei aber keine eng gefasste Höchstdauer vorzusehen.
Zudem widerspricht diese Vorgabe vielen praktischen Abläufen in Betrieben. So fallen beim Einsatz als Vertretung in Elternzeit teilweise 24 Monate als Vertretungszeit an. Damit würde eine kürzere Höchstdauer eine bessere Vereinbarkeit von Familie
und Beruf konterkarieren. Bei Höchstüberlassungsdauer und Equal Pay verknüpfen Sie die Regulierung mit tarifvertraglichen Ausnahmemöglichkeiten und weiteren Einschränkungen und Bedingungen für diese Ausnahmen. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen wird damit der Einsatz von Zeitarbeit erschwert.
Thema Tarifvertrag: Der DGB hat einen tollen Tarifvertrag mit der Zeitarbeitsbranche abgeschlossen. Das scheint Sie aber nicht zu interessieren oder Sie kennen ihn nicht. Herr Bischoff, vielleicht gehen Sie einmal an den DGB heran, damit etwas in dem Sinne verbessert wird.
Ein anderer Punkt betrifft die Abgrenzung zwischen Selbstständigkeit und abhängiger Beschäftigung im neuen § 611a BGB. Da musste Andrea Nahles ja schon zurückrudern. Die geplanten gesetzlichen Kriterien hätten viele bewährte Vertragsgestaltungen vom IT-Support bis zum Wachdienst infrage gestellt. Die neueste Fassung Ihrer Frau Nahles verzichtet zwar auf diese Kriterien und orientiert sich an der Rechtsprechung, lässt dabei aber weitere Probleme ungelöst. So prüft die Rentenversicherung zunehmend restriktiv, ob Solo-Selbstständige nicht als Scheinselbstständige und damit als abhängig Beschäftigte einzusortieren sind.
Wir würden uns wünschen, diese Fragen auch im Ausschuss intensiv zu erörtern. Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Antragsteller, Sie setzen mit Ihrem Antrag aber nur auf eine kurzfristige Show. Daher werden wir den Antrag ablehnen und die Thematik an anderer geeigneter Stelle wieder aufgreifen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauer und Zuschauerinnen hier im Saal und selbstverständlich auch im Livestream! Die Themen Leiharbeit und Werkverträge beschäftigen uns alle schon ein bisschen länger.
Ich finde es schade, dass hier die Gräben, wie sie sich gerade in der Bundespolitik darstellen, gepflegt werden, ohne sich gegenseitig zuzuhören. Das richtet sich insbesondere an Herrn Dr. Bergmann. Weder die Kollegin Maaßen noch der Kollege Bischoff haben an irgendeiner Stelle die Werkzeuge an sich, die Instrumente, infrage gestellt, sondern lediglich ihren Missbrauch.
Ich finde es nicht richtig, zu sagen, die Kollegen hätten grundsätzlich gegen das Instrumentarium gewettert. Das haben sie nicht getan.
Herr Kollege Bischoff erwähnte eben schon, dass ein Kollege aus dem Wirtschaftsausschuss und nicht ein Kollege oder eine Kollegin aus dem Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales das Thema bearbeitet. Daran wird deutlich, aus welcher Perspektive Sie das Ganze sehen möchten.
Ja, leider sind die Kolleginnen und Kollegen tatsächlich alle nicht da. Das finde ich auch sehr schade. Aber dafür gibt es ja Aufzeichnungen.
Allerdings wäre es richtig gegangen – da muss ich dem Kollegen Alda recht geben –, das Thema an den Ausschuss zu überweisen, damit es nicht verpufft. Wir sollten einen Antrag einbringen, der uns das Thema im Ausschuss deutlich näherbringt – vielleicht auch durch eine Anhörung. Denn viele Punkte sind einfach ärgerlich. Die Zahlen, die die Kollegin Maaßen genannt hat, will ich jetzt gar nicht wiederholen.
60 % der Menschen, die in Leiharbeit entsandt werden, sind keine neun Monate da. Warum sollen wir darüber diskutieren, ob Equal Pay ab neun, ab zwölf, ab 15, ab 18 oder ab wie vielen Monaten auch immer gelten soll, wenn es die meisten Menschen gar nicht betrifft? Equal Pay – gleicher Lohn für gleiche Arbeit – muss es vom ersten Tag an geben.
Der kurze Einsatzzeitraum zeigt, dass die Leute, die entsandt werden, die Arbeit direkt aufnehmen können. Dass es keine lange Einarbeitungszeit geben muss, liegt entweder an der Arbeit an sich oder an der Qualifikation der Leiharbeitenden. Wenn die Arbeit fast von Anfang an vernünftig geleistet wird, muss auch von Anfang an vernünftig bezahlt werden.
Einem Bonus obendrauf stehe ich sehr positiv gegenüber. Denn von den Menschen wird Flexibilität gefordert, und diejenigen, die Leiharbeit leisten, sind viel stärker etwa von Arbeitslosigkeit, von prekärer Beschäftigung betroffen. Daher ist es schon sinnvoll, dass sie für diese Flexibilität einen Bonus erhalten.
Kommen wir zum Thema „Werkverträge“. Anscheinend nimmt der Missbrauch bei Werkverträgen zu. Das wird keiner leugnen. Man muss nicht auf die Zahlen der IG Metall oder der „Süddeutschen Zeitung“ verweisen. Jeder, der in dem Thema drin ist, weiß, dass die tarifliche Bindung bei Werkvertragsarbeit nicht im Steigen, sondern im Sinken begriffen ist.
Das ist weder richtig noch gut und beschädigt das eigentlich gute Instrument des Werkvertrags. Wenn wir dieses gute Instrument erhalten wollen, müssen wir den Missbrauch bekämpfen.
Kollege Bischoff, dann erwarte ich aber eine Regelung, die greifen kann. Die jetzt vorgelegte Regelung ist zahnlos. Beim ersten Entwurf auf Bundesebene dachte ich schon: Das ist nicht so besonders toll; da muss noch etwas draufgelegt werden. Nachdem der Bund den ersten Entwurf zurückgezogen hatte, dachte ich beim zweiten Entwurf: Guck mal, alle Zähne weg. – Das kann es nicht sein. Wir müssen eine viel deutlichere Regelung haben.
Kollege Alda, Sie haben gerade die Einteilung in Scheinselbstständigkeit und Werkvertragsarbeit angesprochen. Man muss ganz genau benennen und Vorgaben machen, wann jemand scheinselbstständig ist und wann ein ordentlicher Werkvertrag vorliegt. Im Gesetzestext müssen genaue Bedingungen stehen. Aber lassen Sie uns das, wie Sie eben schon sagten, im Ausschuss besprechen.
Ich bitte, dass SPD und Grüne Mut zeigen und unserem Entschließungsantrag zustimmen. Ich befürchte, bei CDU und FDP werde ich eher auf taube Ohren stoßen. Ich verspreche Ihnen aber schon jetzt: Wenn Sie das Thema nicht in den Ausschuss bringen, werde ich es tun. – Vielen Dank.