Protokoll der Sitzung vom 02.03.2016

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Dann lese ich mir den Antrag durch und frage mich: Was kommt denn zu dem Kernbereich der Wirtschaftspolitik von der nordrhein-westfälischen CDU? Darin steht: Die CDU beklagt die willkürlich beschlossene Verkleinerung von Garzweiler II um ein Drittel der Fördermenge. – Das ist alles, was Sie zur Energiepolitik strukturell zu sagen haben. Das ist so was von ärmlich.

Der Vorsitzende der IG BCE, Michael Vassiliadis, einer der führenden deutschen Gewerkschafter, hat letzte Woche Freitag in Haltern am See die energiepolitischen Grundpositionen der IG BCE dargestellt und dazu gesagt: Die Braunkohle wird noch 15 Jahre Geld verdienen, und dann wird sie in Schwierigkeiten kommen. – Ich bin nicht sicher, ob der Mann nicht zu optimistisch ist. Das fehlt völlig in der Betrachtung der

CDU zu dem Sachverhalt. Sie positionieren sich nicht. Sie klagen darüber, dass wir Garzweiler verkleinert haben. Die Menschen, die wir vor der Umsiedlung geschützt haben, wären 2030 und später umgesiedelt worden, also in 15 bis 20 Jahren. Das heißt, das Opfer wäre völlig unnötig gewesen, selbst nach Analyse der IG BCE.

Dazu kommt nichts von Ihnen, auch nicht an jeglicher inhaltlicher, programmatischer Diskussion. Sie wollen gern in einem Jahr die Regierung übernehmen, und Sie gehen so vor: Zu allen relevanten Themen sagen wir nichts mehr. Wir brechen die Litanei unserer Standardforderungen herunter, beschimpfen die Regierung und hoffen, dass es niemand merkt, dass wir damit eigentlich überhaupt keine Alternative sein können. – Das ist Ihr Weg. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wenn man sich den Antrag weiter durchschaut, stellt man fest, dass das nicht der einzige Bereich ist. Der Energiebereich ist nur konkret und für NordrheinWestfalen entscheidend. Alles, was nach vorne gemacht werden muss, fehlt bei Ihnen und jegliche eigene Positionierung.

Das ist auch nicht anders beim Breitbandausbau. Der Antrag – ich gehe einmal davon aus, dass Sie der Wirtschaftsminister gleich nicht loben wird für das, was darin steht; wir werden es ja hören – ist Schmalspur und nicht Breitband. Sie sollten zur Kenntnis nehmen, welche Anstrengung die Landesregierung unternimmt. Wir garantieren nämlich, dass das, was aus dem Bundesförderprogramm fließt, vom Land komplett kofinanziert wird, sodass die Kommunen, die in der Haushaltssicherung sind und ihren Eigenanteil nicht aufbringen können, dadurch keinen Nachteil haben. Auch das garantiert das Land. Das ist also ein erheblicher Schritt.

Jetzt müsste man zusammen fragen: Wo bleibt denn der Bund? Kommt er mit seinen Richtlinien? Kommt er mit seinen Programmen? – Er kommt nicht. Auch dazu hören wir von Ihnen nichts, sondern es wird nur heruntergeleiert, Nordrhein-Westfalen schlechtgemacht und dann ein Stück weit die Regierung beschimpft.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Ich kann nichts da- für, dass die Ergebnisse so sind, wie sie sind nach sechs Jahren Rot-Grün! Hammer!)

Das wird auf lange Sicht nicht tragen. Es muss immer noch Substanz in der Sache geben. Und die vermisse ich bei Ihnen ganz tief. – Herzlichen Dank.

Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Für die Fraktion der Piraten spricht jetzt Herr Dr. Paul.

Vielen lieben Dank. – Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! Das wird für mich jetzt eine Übung im Slalomfahren zwischen schwarz-gelben und rot-grünen Hindernisstangen, die alle irgendwie nach hinten zeigen.

Was über den Armutsbericht ja schon bekannt ist: Jeder Fünfte zwischen Duisburg und Dortmund hatte weniger als 60 % des mittleren Einkommens zur Verfügung, und das Ruhrgebiet wird leider als Problemregion Nummer eins bezeichnet. Bei aller Kritik, die man an der Berechnungsmethode haben kann, zeigt das doch, wie stark die Chancenverteilung im Land in den letzten 20 Jahren auseinandergedriftet ist. Das gesellschaftliche Klima ist sehr viel rauer geworden, und die Gewissheit, dass es den eigenen Kindern einmal besser gehen wird, ist vielen Menschen abhandengekommen.

Deshalb sagen auch wir Piraten: Ja, es ist Zeit für eine wirtschaftspolitische Kurskorrektur, aber aus deutlich anderen Gründen, als es der vorliegende oppositionspolitische „Eintopf-Antrag“ suggeriert. Dieses Düsseldorfer Allerlei ist echt keine Delikatesse.

(Beifall von den PIRATEN)

Weder das Tariftreue- und Vergabegesetz noch der Umwelt- und Klimaschutz hat zu den Missständen in unserem Land geführt, sondern eine viel zu zaghafte Regierungspolitik, bei der sich Rot-Grün immer wieder fragt, ob die eigenen Vorhaben auch genügend neoliberal durchdekliniert worden sind. Dabei weiß Rot-Grün doch längst, dass Austeritätspolitik auf der ganzen Breite gescheitert ist.

Demgegenüber steht jetzt eine CDU/FDP-Antragsprosa, die mit einem Auge auf das Silicon Valley schaut und mit dem anderen einer „Unsere Gesetze von früher waren aber besser“-Rhetorik folgt. Da ist Schielen vorprogrammiert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, insgesamt ist die deutsche Politik derzeit zu sehr auf die Verteidigung etablierter deutscher Stärken ausgerichtet. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Digitalisierung werden nicht ausreichend berücksichtigt. – Das ist nicht von mir, dieser Satz stammt aus einem Gutachten der Expertenkommission für Forschung und Innovation, die der deutschen Politik jüngst digitale Mittelmäßigkeit attestiert hat. Das gilt leider auch für Nordrhein-Westfalen.

Nach fünf Jahren Hannelore Kraft im Amt frage ich euch: Haben wir uns denn einen Spitzenplatz in der elektronischen Verwaltung erarbeitet, sodass Bürger und Unternehmen effizient und bürokratiearm mit den Ämtern kommunizieren können? – Die Antwort ist Nein. Wir haben noch nicht einmal den Stand erreicht, auf dem Estland vor zehn Jahren war.

(Beifall von den PIRATEN)

Deswegen fordern auch wir eine Kurskorrektur, und zwar eine technologische, eine digitale.

(Beifall von den PIRATEN)

Sind wir national oder international führend bei der Ansiedlung von innovativen Start-ups? Was sind überhaupt diese Start-ups? Politiker fast jedweder Couleur feiern die ja als Leuchtfeuer der neuen Zeit für Fortschritt und Wachstum. Demgegenüber aber wendet sich die Logik der Investoren und des Kapitals ausschließlich immer dem augenblicklich Vielversprechendsten, dem kurzfristigen Interesse der Shareholder zu, gepaart mit einem fast religiösen Glauben an einen Solutionismus, der versucht, vielfältigste gesellschaftliche Probleme auf algorithmische Lösungen zu reduzieren: Der Markt – hier der Markt der Algorithmen – wird schon das Beste für uns hervorbringen. Was wollen wir denn eigentlich? Etwa noch einen Global Player à la Apple, Amazon, Microsoft, Google, Facebook, der mit uns und unseren Daten im Internet Monopoly spielt? Nein, danke – mir ist schon schlecht.

Wir brauchen eine Strategie, die offensiv die Stärken unserer Wirtschaft fit macht für das Informationszeitalter. Und die Stärke in NRW ist der Mittelstand. Der braucht als Allererstes eine Breitbandleitung für ein stabiles Netzwerk aus den Menschen in unserem Land und den mittelständischen Unternehmen, das auch reißfest ist: Glasfaser! – Mein Hausarzt hat mir geraten, das so leise herauszuschreien, weil ich sonst eine Darmverschlingung bekomme.

Aber dazu muss die Landesregierung erst einmal heraus aus ihrer wirtschaftspolitischen Defensive. Bestes Beispiel für die defensive Sichtweise von SPD und Grünen ist der Antrag zum Einzelhandel. Da wird die böse Digitalisierung statt als Chance als Bedrohung wahrgenommen, und nur mithilfe der Landesregierung können angeblich Abwehrmechanismen entwickelt werden. Das ist typisch.

Wir wissen: Die Veränderungen durch die Digitalisierung sind so umfassend, dass wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Rezepte aus der Vergangenheit nicht mehr wirken werden. In Zeiten von Automatisierung, Algorithmen und Robotik wird die menschliche Arbeitskraft teilweise überflüssig. Es wird sich eine neue Arbeitsteilung zwischen Mensch und Maschine einstellen müssen. Die Finanzierung der Sozialsysteme darf dann nicht mehr wie bisher nur an den Faktor menschliche Arbeit gekoppelt sein.

Selbst Timotheus Höttges von der Telekom denkt laut über ein bedingungsloses Grundeinkommen nach. Aber aufgepasst: Was will er? Womöglich doch nur seine Lohnkosten senken?

Das Gegenteil einer defensiven Politik, die alte Strukturen gegen den Wandel verteidigt, wären massive Investitionen zum Aufbau eines Netzwerks aus mit

telständischen Unternehmen, Industrie sowie Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land. Und dafür braucht es – ich sage es noch einmal – Glasfaser!

(Beifall von den PIRATEN)

Der Antrag enthält einige spannende Punkte. Ich freue mich auf die Debatte in den Ausschüssen. Schauen wir einfach mal! – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Für die Landesregierung hat Herr Minister Duin das Wort.

Frau Präsidentin

(Vizepräsident Dr. Gerhard Papke übernimmt den Vorsitz.)

und Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Zuruf: Sind die verheiratet?)

Sicher nicht.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Sie können es ja einmal eruieren!)

Zu dem Antrag der CDU und der FDP – wir wollen dabei nicht vergessen, dass Sie Mitantragsteller sind, sehr geehrter Herr Brockes – kann man eigentlich sehr schnell zusammenfassend Folgendes sagen.

(Dietmar Brockes [FDP]: Sie haben wenigs- tens den Antrag gelesen!)

Ja, natürlich. Aber ich wollte Sie eben nicht ungeschoren davonkommen lassen und nur der CDU die Schuld geben. Das ist der eigentliche Hintergrund. Denn dieser Antrag ist richtig von gestern. Um in der Sprache der Klientel, die Herr Dr. Paul früher einmal bedient hat, zu sprechen: Das ist total 80er, was da hervorgebracht worden ist.

Was man in dem Antrag liest, offenbart ein Grundverständnis von Wirtschaft, wie es maximal in den 80ern, aber eigentlich noch davor, in der Mitte des letzten Jahrhunderts, vielleicht einmal aktuell gewesen ist. Das ist sehr ausgetreten. Das ist Trauer um längst untergegangene Strukturen. Wir wissen, dass die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen längst auf einem ganz anderen Weg ist. Er ist sehr viel moderner als das Bild, was die CDU und FDP hier in dem langen Antrag zu malen versucht haben.

Es ist schon darauf hingewiesen worden: Das Ausland bestätigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind, dass insbesondere die Unternehmen auf dem richtigen Weg sind. Dass wir als Europas Zukunftsregion Nummer eins ausgezeichnet worden sind,

kann ja nicht von ungefähr kommen. Dass wir die Nummer eins bei den Direktinvestitionen sind, also nicht in irgendeiner Bewertung für die Zukunft, sondern in einer Analyse des Jahres 2015, kann auch kein Zufall sein.

Die „Rheinische Post“ titelt heute auf der Grundlage des Konjunkturberichts der IHK Düsseldorf – das ist nur eine von 16 Industrie- und Handelskammern, und es ist wirklich nur ein Beispiel für ganz viele der Konjunkturberichte, die in den letzten Wochen vorgelegt worden sind –: „Konjunktur im Rheinland brummt“. Dann kommen ein Bindestrich und das Wort „noch“, weil man natürlich auch Fragestellungen für die Zukunft hat. Aber das Bild, das hier gezeichnet worden ist, dass wir jetzt irgendwie am Ende einer Tabelle stehen würden, dass es jetzt irgendwie schlecht wäre, lässt sich durch gar nichts belegen.

Und noch etwas drückt dieser Antrag sehr deutlich aus – nämlich, nicht verstanden zu haben, dass Wertschöpfung sich verändert. Herr Dr. Paul, wenn ich die Oppositionsfraktionen miteinander vergleiche, so reicht Ihre Lösung, jetzt immer nur auf Glasfaser zu setzen, nicht aus; denn man muss schon ein Verständnis dafür haben, dass Wertschöpfung sich verändert, dass nicht mehr Tonnage, dass nicht mehr die Masse an Material das Entscheidende ist.

Um einmal ein konkretes Beispiel zu nehmen, das man aus der Automobilwirtschaft kennt: Es ist nicht mehr die Frage von Stahlblech, Sitzpolstern und Motor alleine entscheidend, sondern es geht um die Frage, wer eigentlich welches Assistenzsystem entwickelt hat.

Dann kommen wir auch zu den Fragen, die Sie sehr kritisch beleuchtet hat. Aber es geht eben um andere Formen von Design und um die Beantwortung sehr hochtechnologischer Prozesse. Es geht nicht mehr darum, Massenprodukte möglichst billig auf den Markt zu bringen, sondern darum, möglichst intelligente Produkte hier zu entwickeln und dann auf den Markt zu bringen. Das ist die Veränderung, mit der wir uns auseinandersetzen müssen.

Wenn Sie sich dann die Fakten angucken, erkennen Sie leicht, woran sich auch der Erfolg nordrhein-westfälischer Wirtschaft festmachen lässt. Es ist nämlich Telekommunikation. Es ist Software. Es ist Gesundheitswirtschaft. Es sind Bildungsqualifizierungsangebote. Es sind hochtechnologische Logistiken. Es sind auch Unternehmensberatung, Marketing, Forschung und Entwicklung. All das bringt Wirtschaft heute voran.