Protokoll der Sitzung vom 03.03.2016

Guten Morgen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie alle ganz herzlich zu unserer heutigen Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Es ist unsere 107. Sitzung in dieser Wahlperiode. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich elf Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Wir treten heute einmal ohne Vorbemerkungen in die Beratung der Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Zusammenhalt stärken: Flüchtlinge auf

nehmen und integrieren – eine gesamtstaatliche Aufgabe in gemeinsamer Verantwortung

Unterrichtung durch die Landesregierung

In Verbindung mit:

Früh und umfassend: Was Nordrhein-Westfalen jetzt für die Integration von Schutzsuchenden tun muss

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/11225

Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/11299 – Neudruck

In Verbindung mit:

Gelingende Integration von Flüchtlingen. Ein Integrationsplan für NRW.

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/11229

Änderungsantrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/11318

In Verbindung mit:

70 Jahre Landeszentrale für politische Bildung: Wir brauchen jetzt mehr politische Bildung für alle

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/11218

Der Chef der Staatskanzlei hat mir mit Schreiben vom 22. Februar dieses Jahres mitgeteilt, dass die Landesregierung beabsichtigt, den Landtag in der heutigen Plenarsitzung zu dem genannten Thema zu unterrichten.

(Unruhe)

Die Unterrichtung erfolgt jetzt durch den Minister für Arbeit, Integration und Soziales, Herrn Rainer Schmeltzer. – Der Herr Minister hat das Wort, und ich hoffe, auch Ihre Aufmerksamkeit, denn der Geräuschpegel ist heute Morgen ein bisschen hoch.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Zuwanderung von Asylsuchenden, ihre Unterbringung und Versorgung sowie die Integration derjenigen, die eine Bleibeperspektive haben, sind Herausforderungen historischen Ausmaßes.

Über 1 Million Menschen suchten im vergangenen Jahr bundesweit um Asyl nach. Rund 330.000 Menschen sind zunächst nach Nordrhein-Westfalen gekommen, ein Teil davon wurde an andere Länder weitergeleitet. Über 230.000 Menschen sind in Nordrhein-Westfalen geblieben. Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind ausschließlich die Asylsuchenden. Hinzu kommen weitere, auch quantitativ bedeutsame Zuwanderungen.

Das heißt: Mehr Migration als 2015/2016 war in unserer an Migration reichen Landesgeschichte bisher nie. Wir haben das bewältigt, weil wir in guter nordrhein-westfälischer Tradition zusammengestanden haben – Land, Kommunen und Zivilgesellschaft, alle gemeinsam – dank einer enormen Kraftanstrengung von Land und Kommunen, dank des herausragenden Einsatzes unserer Hauptamtlichen auf allen Ebenen und dank des leidenschaftlichen Engagements von Tausenden von Ehrenamtlern, denen man bei jeder Gelegenheit danken muss. Das werde ich hiermit auch wieder tun: Dank an die vielen Tausenden von Ehrenamtlern für diese herausragende Leistung!

(Beifall von der SPD, der CDU, den GRÜNEN, und den PIRATEN)

Dank dieses gesamten Einsatzes haben wir den Flüchtlingen als ersten Schritt das gegeben, was sie am meisten brauchen: Schutz und Sicherheit, ein Dach über den Kopf und medizinische Versorgung.

Von Beginn an war uns klar, dass als zweiter Schritt die Integration derjenigen folgen muss, die bei uns bleiben werden. Die Landesregierung hat daher für

das Jahr 2016 insgesamt rund 4 Milliarden € für Unterbringung und Integration veranschlagt, davon mehr als die Hälfte für unsere Kommunen.

Kein Bundesland tut mehr, und wir tun das in allen Ressorts. Hier nur einige wichtige Beispiele:

Das Ressort der Kollegin Kampmann stellt 20 Millionen € für Brückenprojekte bereit, um Eltern und Kindern aus Flüchtlingsfamilien an institutionalisierte Betreuungsangebote heranzuführen. Gleichzeitig wird die Regelstruktur der Kindertageseinrichtungen mittels der Durchleitung von 431 Millionen € aus dem Betreuungsgeld des Bundes gestärkt.

Durch das im Dezember 2015 interfraktionell verabschiedete 5. Ausführungsgesetz zum SGB VIII ist die Unterbringung, die Betreuung und Versorgung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen verbessert worden.

Das Ressort der Kollegin Löhrmann hat in diesem und im vorigen Jahr mehr als 5.700 zusätzliche Stellen an Schulen geschaffen. Diese kommen allen Schülerinnen und Schülern zugute. Im Bereich der offenen Ganztagsschulen wurden rund 17.500 zusätzliche Plätze geschaffen. Besonders erfreulich ist, liebe Kolleginnen und Kollegen: Von den im Jahre 2015 eingesetzten Stellen sind schon über 90 % besetzt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Außerdem verstärken wir – wie zu Recht von vielen gefordert wird – die multiprofessionellen Teams, obwohl dies keine Landesaufgabe ist. Wir alle wissen: Mit guter Bildung gelingt die Integration.

Das Ressort der Kollegin Schulze entwickelt mit den öffentlich-rechtlichen Hochschulen im Land ein Integrationsmodell für studienfähige und studieninteressierte Flüchtlinge. Ziel ist es, Strukturen für Beratungs-, Sprach- und Fachkurse an den Hochschulen aufzubauen, um Defizite in der Studierfähigkeit zu beheben und ein erfolgreiches Studium zu ermöglichen.

Das MIWF will darüber hinaus mit den im Nachtragshaushalt vorgesehenen zusätzlichen Mitteln in Höhe von über 6 Millionen € die Voraussetzungen dafür schaffen, dass künftige Lehrerinnen und Lehrer noch besser und umfassender im Bereich Deutsch als Zweitsprache qualifiziert werden.

Das Ressort des Kollegen Groschek hat zum Beispiel Maßnahmen initiiert, die die Schaffung von mehr erschwinglichem Wohnraum für alle durch die deutliche Optimierung der Förderkonditionen zum Ziel haben, und Maßnahmen, die Stadtquartiere unterstützen, die verstärkt Einwanderer dauerhaft aufnehmen. Ich nenne an dieser Stelle konkret das Sonderprogramm „Hilfen im Städtebau für Kommunen zur Integration von Flüchtlingen“, das allein mit 72 Millionen € unterlegt ist.

Das Ressort der Kollegin Steffens hat mit dem Innenministerium eine verpflichtende Regelung über die medizinische Erstuntersuchung und -versorgung von Flüchtlingen und Asylbewerbern erarbeitet sowie den Impfschutz deutlich verbessert, weil auch gesundheitliches Wohlbefinden eine Voraussetzung für gelingende Integration ist. NRW hat deshalb – auch hier wieder als erstes Flächenland – die elektronische Gesundheitskarte eingeführt. Jeder dritte Flüchtling in Nordrhein-Westfalen erhält diese Gesundheitskarte.

Für die vielen vom Krieg verletzten und vom lebensgefährlichen Fluchtweg traumatisierten Flüchtlinge haben wir den Zugang zur psychosozialen und therapeutischen Versorgung deutlich verbessert.

Das Ressort des Kollegen Duin ist in ständigem Dialog mit der NRW-Wirtschaft, um die Potenziale, die in der Flüchtlingswanderung liegen, zur Behebung von Fachkräftemangel und zur Stärkung der wirtschaftlichen Dynamik zu nutzen. Die gemeinsam vom Wirtschaftsminister und mir im Dezember 2015 durchgeführte Konferenz „Integration von Flüchtlingen durch Arbeit und Ausbildung“ war ein erster, war ein wichtiger Schritt auf diesem Wege. Weitere Gespräche, die bereits unmittelbar nach dem 14. Dezember begonnen haben, finden seitdem laufend statt, und Teilergebnisse werden zeitnah umgesetzt.

Ebenso haben wir die Ausbildung von Flüchtlingen zu einem wichtigen Thema im Rahmen des Ausbildungskonsenses gemacht, sowohl auf der Arbeitsebene als auch im Spitzengespräch. Das nächste Spitzengespräch findet bereits morgen statt.

Das Ressort des Kollegen Jäger hat die Flüchtlingsberatung im Lande quantitativ und qualitativ weiter ausgebaut und dabei auch Sorge dafür getragen, dass diese Angebote besser anschlussfähig an die Leistungen der allgemeinen Migrationsfachdienste sind.

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind nur einige Beispiele zum Iststand, die natürlich laufend weitergeführt werden. Wo immer nötig, werden wir angemessen reagieren und gegebenenfalls natürlich auch nachbessern.

Meine Damen und Herren, die stark steigenden Migrationszahlen erfordern auch eine Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der behördlichen und institutionellen Strukturen in den Kommunen.

Mein Haus fördert deshalb im Rahmen des Projekts „Einwanderung gestalten“ gezielt Kommunen, die ihre Strukturen im Sinne eines kommunalen Einwanderungsmanagements weiterentwickeln wollen. In enger Zusammenarbeit mit den Kreisen, den Städten und den Gemeinden haben wir unsere Infrastruktur weiter gestärkt. Vor Kurzem habe ich gemeinsam mit der Kollegin Löhrmann das 50. kommunale Integrationszentrum, und zwar im Kreis Coesfeld, eröffnet.

Unsere nordrhein-westfälische Integrationsinfra

struktur ist damit bundesweit einmalig, und sie erfährt über die Landesgrenzen hinaus Anerkennung. Nicht nur das: Wir werden von Länderkollegen gefragt, wie wir das gemacht haben, damit sie es in ihren Ländern übernehmen können.

Meine Damen und Herren, unsere kommunalen Integrationszentren und die landesweite Koordinierungsstelle sind der sichtbare Beleg dafür, dass Land und Kommunen in Nordrhein-Westfalen an einem Strang ziehen und Hand in Hand für mehr Integration und mehr Teilhabe arbeiten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das zeigt auch unser Programm „KommAn-NRW“. Hierfür wurden 13,4 Millionen € veranschlagt, davon 7 Millionen € allein zur Unterstützung des Ehrenamtes vor Ort. Unsere Informationsbroschüre „Ankommen in Nordrhein-Westfalen“ ist ein weiterer konkreter Beitrag zur Integration. Wir legen sie nicht nur in Deutsch, sondern auch in Englisch, Französisch, Arabisch, Dari, Farsi, Urdu und Tigrinisch auf und erreichen damit den Großteil der Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt leider auch diejenigen, die gegen Recht und Gesetz verstoßen und das Angebot unseres Landes, hier friedlich und in Freiheit leben zu können, ausschlagen. Für unsere Teilhabe- und Integrationspolitik heißt das: Wir werden die Wertevermittlung als zentrale Aufgabe verankern. Gemeinsam mit der Landeszentrale für politische Bildung erstellen wir aktuell als eine Grundlage für diese Aufgabe eine Broschüre zur Wertevermittlung, die als deutliches Hilfsmittel vor Ort benötigt wird.