Protokoll der Sitzung vom 16.03.2016

Flagge zeigen gegen religiösen Fundamentalismus – Eintreten für unsere freiheitlich-demokratischen Werte

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/11432

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner erhält für die CDU-Fraktion Herr Dr. Berger das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Räume der Stille sind Orte zur Einkehr, zum Gebet, zum stillen Verweilen. Sie stehen für alle offen.

(Beifall von der CDU)

Wie nun bekannt geworden ist, wurden diese Räumlichkeiten an verschiedenen Hochschulen missbraucht. Entgegen den Nutzungsordnungen wurden Gebetsteppiche und Korane gelagert.

Es wurden Flugblätter mit Belehrungen ausgelegt, die auch Hinweise enthielten, wie sich Frauen zu kleiden und zu benehmen hätten. Es wurden Raumteiler zur Geschlechtertrennung aufgestellt, und Nichtangehörige der Universität nutzten den Raum für unbekannte Gruppenveranstaltungen.

Meine Damen und Herren, ich finde es lobenswert, wenn Hochschulen ihren Studierenden Räume der Stille anbieten. Immerhin verfügt der Landtag Nordrhein-Westfalen ebenfalls über einen solchen Raum. Diese Räume müssen von allen, die das wollen, genutzt werden können.

Ich kann auch verstehen, wenn Hochschulen diese Räume nach den diversen Vorkommnissen wieder schließen. Was ich nicht verstehe, ist, dass die Landesregierung die Hochschulen in diesem Augenblick alleine lässt.

(Beifall von der CDU)

In einem Moment,

(Zuruf von der SPD: Unfug!)

in dem der Staat klare Kante gegenüber religiösen Fundamentalisten, gegen Geschlechterdiskriminierungen und wie in diesem Fall bei der Diskriminierung durch muslimische Studenten zeigen müsste, zieht sich der Staat zurück. Das ist das falsche Signal für eine offene Gesellschaft.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Während diese Landesregierung sonst alles regeln will, was an den Hochschulen vorgeht – die Anwesenheit von Studierenden, die Inhalte der Lehrveranstaltungen, die Beschäftigungsverhältnisse, über die

wir eben gesprochen haben, die Zusammensetzung der Gremien –, lässt sie die Hochschulen im Stich, wenn es darum geht, Flagge bei der Wahrung von gesellschaftlichen Grundrechten zu zeigen.

(Zuruf von der SPD: Zweiter grober Unfug!)

Es handelt sich um elementare Rechte unserer offenen Gesellschaft, und ihre Missachtung kann nicht mit dem lapidaren Verweis auf Hochschulautonomie ignoriert werden.

(Beifall von der CDU)

Räume der Stille müssen offen bleiben. Dabei müssen wir und die Landesregierung die Hochschulen personell und finanziell unterstützen.

(Zuruf von der SPD: Sicherheitsdienste!)

Meine Damen und Herren, fragen Sie sich selbst: Was würden wir im Landtag wohl tun, wenn ein Einzelner – oder eine Fraktion – unseren Raum der Stille im Landtag okkupieren und dort sein Bild von Religion, Rasse oder Geschlechtertrennung ausleben würde? Würden wir ihn gewähren lassen? Würden wir diesen Raum einfach schließen? Denken Sie darüber nach! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Recht herzlichen Dank, Herr Kollege Dr. Berger. – Für die SPDFraktion erteile ich Frau Kollegin Hammelrath das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Ja, Räume der Stille bieten Inseln im hektischen und unruhigen Alltag – Inseln für die Suche nach innerer Ruhe und Besinnung. Solche Räume sind wichtig, und ich begrüße sehr, dass sie nicht nur hier im Landtag, sondern auch in vielen Universitäten entstanden sind. Aktuell entsteht ein solcher Raum zum Beispiel in der größten Universität des Landes, in meiner Heimatstadt Köln. Doch da endet auch schon die Übereinstimmung mit Ihrem Antrag.

Denn bereits der Titel Ihres Antrags zeigt die Problematik seines Inhalts und der damit verbundenen Forderungen auf. Denn die CDU-Fraktion will nicht nur die Wiedereröffnung von Räumen der Stille in unseren Hochschulen ermöglichen – eigentlich müsste man sagen: erzwingen –, sondern sie holt zu einem Rundumschlag aus. Denn es geht nicht allein um Räume, in denen Menschen jeder Religion die Ruhe zum Gebet finden können, sondern vielmehr darum, den Hochschulen vorzuschreiben, wie sie ihren gesellschaftlichen Verpflichtungen nachzukommen haben.

Jetzt muss ich ausgerechnet Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, an Art. 5 Abs. 3 des deutschen Grundgesetzes erinnern, der die Freiheit von Lehre und Forschung gewährleistet? Das wundert mich insbesondere, wenn ich an Ihre Rede, Herr Dr Berger, zum Hochschulzukunftsgesetz im November 2014 denke.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Damals haben Sie fälschlicherweise behauptet, die Regierungsfraktionen betrachteten die Hochschulen nicht nur als Ort von Lehre und Forschung, sondern als Stätten zur Realisierung ihrer gesellschaftspolitischen Vorstellungen. Das haben Sie gerade in Ihrer Rede noch mal bestätigt.

Völlig unangebracht war damals wie heute von Entmündigung die Rede, die wir vornehmen würden. Wer nimmt denn heute eine so übergriffige Entmündigung vor? Ihre Forderung, die Bedeutung von zentralen Normen und Verfassungsgrundsätzen verstärkt an unseren Hochschulen zu vermitteln, stellt einen wirklich tiefen Eingriff in die Hochschulfreiheit dar.

Außerdem suggeriert diese Forderung, dies würde bisher nicht ausreichend geschehen. Sie ignorieren völlig die Arbeit der Hochschulen an den vielen Instituten für Politik- und Gesellschaftswissenschaften und den Lehrstühlen für Friedens- und Konfliktforschung. Ich nenne beispielhaft die Lehrstühle in Duisburg-Essen, Bonn oder Witten-Herdecke.

Hinzu kommt, dass sich dieser Antrag nicht etwa auf eine solide Recherche stützt. Sie vermitteln ein einseitiges Bild und ignorieren Veröffentlichungen, wie zum Beispiel bei „SPIEGEL ONLINE“, die die Situation differenziert abbilden. Stattdessen beziehen Sie sich auf vereinzelte Medienberichte, in denen der Islam einmal mehr zum Problem abgestempelt wird.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Genau das tun Sie auch. Besonders deutlich wird das in der Forderung, die Wiedereröffnung der Räume durch die Zusammenarbeit mit Sicherheitsbehörden zu gewährleisten. Stellen wir uns das doch einmal bildlich vor! Sicherheitskräfte führen als Türsteher Einlasskontrollen durch oder kontrollieren regelmäßig die Räume. Was soll das?

(Zuruf von Dr. Stefan Berger [CDU])

Was bedeutet denn Ihre Forderung, die multireligiöse Nutzung dieser Räume zu gewährleisten? Wollen Sie Gebetsanteile festlegen,

(Zuruf von Dr. Stefan Berger [CDU])

quantifiziert nach den jeweiligen Anteilen der Religionen in der Bevölkerung? Wer soll das wie sicherstellen und überprüfen?

So weit ist es nur unsinnig. Schlimmer aber ist: In Ihrem Antrag ist nichts zu lesen vom friedlichen Miteinander der Kulturen, nichts von einem Ausgleich unterschiedlicher Interessen,

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

wie er an vielen Universitäten ständig stattfindet, wie etwa in Hannover und Paderborn, nichts vom interreligiösen Dialog, keinerlei positive Vision, sondern im Gegenteil: Sie entfalten ein Bedrohungsszenario.

(Zuruf von Dr. Stefan Berger [CDU])

Es besteht kein Zweifel, dass religiöser Fundamentalismus bekämpft werden muss. Dafür gibt es die Beobachtung durch den Verfassungsschutz und das Eingreifen des Staatsschutzes.

Mindestens ebenso wichtig aber ist die Vorbeugung. Da wird in Nordrhein-Westfalen viel getan: mit dem Aussteigerprogramm Islamismus ebenso wie mit dem Präventionsprogramm Wegweiser unseres Innenministeriums mit Beratungs- und Betreuungsangeboten bereits jetzt in sieben Kommunen.

Übrigens leisten unsere Hochschulen auch im Bereich Salafismus ihren Beitrag. An der HeinrichHeine-Universität in Düsseldorf werden dazu Seminare angeboten.

Denn das brauchen wir: aufmerksame Lehrerinnen und Lehrer, Professorinnen und Professoren, die als Teil einer starken Zivilgesellschaft ihren Beitrag für unsere demokratische Gesellschaftsordnung leisten.

Was wir jedoch nicht brauchen, sind eine unzulässige Einmischung in die inneren Hochschulangelegenheiten und eine gefährliche Vermischung von Islam und Islamismus.

Zu Ihrer Frage, was wir denn tun würden, wenn hier unser Raum der Stille missbraucht worden wäre: Wir würden uns an die Landtagsverwaltung wenden;

(Zuruf von Dr. Stefan Berger [CDU])

denn die können das. Wir bräuchten nicht etwa einen parlamentarischen Eingriff. Vielmehr ist das das normale Geschäft, und das wird von den Hochschulen gut betrieben. Schauen Sie, wie die Hochschulen das geregelt haben; die schaffen das nämlich alleine.

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Ja eben nicht!)