Protokoll der Sitzung vom 20.04.2016

Eines ist selbsterklärend: Der Kampf gegen Steuerhinterziehung gehört aus guten Gründen zum selbstverständlichen Geschäft jedes Finanzministers. Auch wenn dieser Finanzminister da kommunikativ ganz besonders aktiv ist und wenn er sich da auch

über die Grenzen des Landes durchaus den einen oder anderen Lorbeer errungen hat,

(Beifall von Reiner Priggen [GRÜNE])

ist Norbert Walter-Borjans nicht der erste Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen, der hier aktiv ist. Die erste Steuer-CD in Deutschland – das haben Sie heute wieder weggelassen; es wäre ganz gut, wenn wir da in Zukunft auch aus dem Parlament heraus gemeinsam auftreten wollten, dass Sie das ab und zu auch noch einmal sagen würden – hat die schwarz-gelbe Landesregierung gekauft.

(Beifall von der CDU)

Das hatte genau damit zu tun, dass es einen Konsens darüber geben muss, dass in einem Rechtsstaat die Spielregeln auch durchgesetzt werden. Damals war die Situation sehr klar. Damals war die Situation, dass der öffentliche Druck nicht groß genug dafür war, einen Konsens darüber herzustellen, dass Steueroasen der Vergangenheit angehören müssten.

Ich glaube, dass es in Deutschland inzwischen diesen öffentlichen Konsens gibt. Es ist gut, dass er parteiübergreifend besteht. Es ist sicherlich auch gut, dass der Bundesfinanzminister dafür auch Rückendeckung gegenüber dem Ausland bekommt, also gegenüber allen anderen, die da vielleicht noch zum Jagen getragen werden müssen.

Herr Minister, leider muss ich aber wieder einmal Ihren sehr unvollständigen und an manchen Stellen vielleicht auch nicht ganz zutreffenden Bericht hier korrigieren; denn die Unterrichtung hatte den Titel „Konsequenzen aus den sogenannten Panama Papers – Beitrag zu mehr Steuergerechtigkeit“. Da hätten Sie allerdings vielleicht auch einmal die landespolitische Dimension deutlich machen können.

(Beifall von der CDU)

Ein landespolitisches Thema ist das zunächst einmal nicht. Sie entziehen sich – deshalb brauchen wir diese Korrektur in der politischen Debatte heute Morgen auch – nämlich permanent der Aufgabe, Ihre primären landespolitischen Pflichten wahrzunehmen.

(Beifall von der CDU)

Wenn es Ihnen nicht um eine Stellvertreterdebatte geht, weil es im Bundesrat nicht genug Pressevertreter und nicht genug Menschen auf der Tribüne gibt, die Ihnen zuhören, dann hätten Sie möglicherweise heute besser eine Debatte über die Auswirkungen des Nullwachstums auf Ihren Steuereinnahmeansatz 2016 geführt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wenn es der Landesregierung darum ginge, die Probleme dieses Landes anzupacken, dann hätte sie eine Unterrichtung über die Frage ansetzen müssen, welche Konsequenzen sie denn in ihrer Wirtschafts-, in

ihrer Struktur-, in ihrer Finanz- und in ihrer Sozialpolitik bei dem Nullwachstum des Jahres 2015 mit Blick auf die Perspektiven des Strukturwandels in diesem Land zieht.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Das tun Sie nicht. Das wollen Sie auch nicht; denn dann müssten Sie über Ihre Versäumnisse der letzten sechs Jahre reden, weil Sie Ihre Zeit darauf verwendet haben, anderes zu tun oder nichts zu tun.

(Karin Schmitt-Promny [GRÜNE]: Ach nein!)

Bei den Panama Papers, wo die Welt entgegen seiner eigenen Behauptung unseren Minister nicht im Kern des Geschehens braucht, rollt aber die Maschinerie auf Hochtouren: Aktivitäten über Aktivitäten, Pressekonferenz, Interview, Stellungnahmen, Regierungsunterrichtung. Man könnte glauben, innerhalb des Landtags Nordrhein-Westfalen gäbe es kein größeres Problem, in Nordrhein-Westfalen gäbe es für die Bürgerinnen und Bürger kein größeres Problem, ja, für die ganze Welt gäbe es eigentlich kein größeres Problem, als dass der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen im Landtag Nordrhein-Westfalen eine solche Unterrichtung vornimmt. Herr Minister, es ist hier das falsche Thema.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Schauen wir uns doch einmal an, warum Sie das tun. In den letzten Wochen und Monaten hat sich ja nun sehr deutlich offenbart, dass das Thema „Panama Papers“ wahrscheinlich das letzte Thema ist, zu dem Sie sich mit Ihrem Koalitionspartner nicht öffentlich streiten.

(Beifall von der CDU – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Kalauer des Tages! – Beifall von den GRÜNEN)

Da ich nun Augen- und Ohrenzeuge des letzten Konfliktes in der Finanzpolitik war, will ich Ihnen das auch schildern, Herr Kollege Mostofizadeh. Da hatten wir morgens in der Zeitung gelesen, es gebe in Sachen WestSpiel eine Initiative des Wirtschaftsministers, über eine grundlegende Neuausrichtung oder Privatisierung per Gutachten nachzudenken. Es war nicht nur so, dass die Grünen sofort gesagt haben, das komme mit ihnen nicht infrage; als Nächstes hat der Finanzminister erklärt: Nein, mit mir auch nicht.

Das ist natürlich ein Treppenwitz der Geschichte. Sie sind stellvertretender Verwaltungsratsvorsitzender der NRW.BANK, Herr Finanzminister. Der Wirtschaftsminister ist der Verwaltungsratsvorsitzende. Vom Wirtschaftsministerium wird ein Gutachten in Auftrag gegeben, und Sie streiten sich auf offener Bühne darüber – entweder weil Sie es nicht gewusst haben oder weil Sie es nicht wollen und sich nicht einig sind. Herr Minister, Sie haben also offensichtlich Riesenstreit in Ihrem eigenen Laden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Dann machen Sie es kommunikativ, wie Sie es aus Ihrer Zeit als Regierungssprecher von Johannes Rau ja noch kennen, nach dem Motto: Wenn ich nach innen Streit habe, mache ich nach außen Palaver. – Das hat Bismarck schon gesagt, und das ist offensichtlich übertragen auf das 21. Jahrhundert weiterhin Ihre Strategie.

Sie haben nämlich für die wesentlichen Fragen des Landes – Stichwort: Wirtschafts-, Struktur-, Finanz- und Sozialpolitik – offensichtlich keine Lösungen mehr. Sie sind nach sechs Jahren mit Ihrem Latein am Ende. Das merken die Menschen, und Sie wollen es möglichst kaschieren.

(Beifall von der CDU und der FDP – Hans-Willi Körfges [SPD]: Zur Sache!)

Um das dann wunderschön zu kaschieren, wird eine Unterrichtung des Landtags für heute angesetzt, damit man das Plenum schon einmal bis zur Mittagspause mit einem Thema beschäftigt, das nur am Rande mit Landespolitik zu tun hat.

(Michael Hübner [SPD]: Kommen Sie doch einmal zur Sache!)

Herr Minister, wenn Sie jetzt an diesem Pult Ausführungen dazu gemacht hätten, welche konkreten Auswirkungen auf die Arbeit der Finanzverwaltung von Nordrhein-Westfalen – von der Frage des konkreten Mehrertrags, den Sie generieren können, über die Organisationsfragen Ihrer Steuerfahndung bis zu den praktischen Konsequenzen der Abwicklung der gesamten Auswertung der Steuer-CDs in den letzten Jahren – das gehabt hat, dann hätte ich verstanden, dass wir hier einen Tagesordnungspunkt machen.

Das hätte nur für eine Unterrichtung nicht gereicht.

Wir wissen, dass wir nicht nur den Zehn-Punkte-Plan des Bundesfinanzministers alle gemeinsam unterstützen, ob Sie ihn nun für vollständig ausreichend halten oder nicht. Aber es gibt hier einen Grundkonsens in diesem Hause, auch mit Ihnen. Das wissen Sie. Deshalb müssen Sie eigentlich für diesen Grundkonsens auch nicht in einer Unterrichtung werben.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Redezeit ver- braucht, aber nicht genutzt!)

Tatsache ist, dass die Staaten und Gebiete weltweit, in denen Gesetze gelten, die nach unseren Maßstäben nicht ausreichend sind und die Steuervermeidung und Steuerhinterziehung ausgesprochen attraktiv machen, immer noch sehr viele sind. Es ist schon lange klar, dass es auch eine kriminelle und systematische Nutzung dieser Steuerlücken gibt.

Deshalb sind auch die Enthüllungen, die wir immer wieder finden, die die Medien erarbeiten, wo Leute

über Ermittlungen der Steuerbehörden ins Visier geraten, sicherlich ein Beitrag dazu, das zu tun, was Sie hier eben dargestellt haben, nämlich zu sagen: Wir kämpfen als Staat darum und wir müssen auch als Gesellschaft dafür sorgen, dass der Ehrliche nicht der Dumme ist. – Darüber sind wir uns so einig, dass Sie eine Unterrichtung der Landesregierung hierzu nicht hätten machen müssen.

(Zurufe von der SPD)

Deutschland ist seit Jahren eine der treibenden Kräfte bei der Rückgängigmachung, bei der Einschränkung von Gewinnverlagerungen ins Ausland. Sie haben dieses Thema der Gewinnverlagerung von Lux-Leaks bis hin zu Double Irish und Ähnlichem richtigerweise angesprochen.

Aber die Wahrheit ist auch:

(Zuruf von Heike Gebhard [SPD])

Weder Sie noch wir hier im Landtag von NordrheinWestfalen retten das Weltklima, und weder Sie noch wir in Nordrhein-Westfalen hier in diesem Landtag werden die Steuerflucht auf der gesamten Welt abschließend diskutieren können. Insofern: Sie bauen hier einen Pappkameraden auf, um nicht über andere Themen reden zu müssen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie wissen ganz genau, dass es bei der internationalen Steuerproblematik darum geht, dass wir mit anderen Staaten zu Abkommen kommen, damit sie sich anders verhalten. Das ist ein mühsames Geschäft. Das betreiben wir auch nicht aus NordrheinWestfalen. Da können wir Rückendeckung geben, auch alle gemeinsam.

(Zuruf von Norwich Rüße [GRÜNE])

Aber wenn Sie das hier etwas ehrlicher und etwas vollständiger dargestellt hätten, dann hätten Sie sagen müssen, dass Deutschland auch mit dem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in den letzten Jahren auf internationaler Ebene etwas geschafft hat, was viele nicht für möglich gehalten hätten, nämlich auf der Ebene von OECD, G20 und Europäischer Union weltweit wirklich zu einem umfassenden Verständnis dafür zu kommen, dass das, was da bisher passiert ist, so nicht weitergehen kann. Das ist ein Prozess, der eine Dynamik gehabt hat, der sicherlich ganz wesentlich damit zusammengehangen hat, dass die USA so massiv etwa gegen die Steuerschlupflöcher in Europa vorgegangen sind. Es ist natürlich die Frage, warum sie es in Delaware nicht auch so machen, sondern sich da hinter ihrer eigenen Verfassung verstecken.

Herr Minister, wenn Sie denn sagen, Delaware und die USA sind auch ein Thema, dann ist aber auch die konkrete Frage, warum Sie dem Landtag hier bei der von Ihnen immer eingeforderten Transparenz nicht

erklären, warum ausgerechnet die Abwicklungsanstalt des Landes Nordrhein-Westfalen im Jahr 2014 ihre Zahl der Briefkästen in Delaware von drei auf 20 erhöht hat. Das haben Sie noch nicht erklärt.

(Beifall von der CDU)

Das wäre vielleicht mal ganz spannend, wenn Sie gleich in der Aussprache dazu mal Stellung nehmen. Transparenz fordern Sie ja ein.

Panama muss aus unserer Sicht sehr klar endlich das verabredete Abkommen unterzeichnen. Das kann nicht angehen. Da hilft es auch nichts, wenn Sie sagen, wir wollen es jetzt machen. Sie müssen es einfach tun.