Ja, Josef Hovenjürgen, darüber brauchst du dich gar nicht aufzuregen. Genau der Punkt ist es, den ich bei euch vermisse.
Der Wirtschaftsminister hat gesagt, es seien die Probleme des Bergbaus, der Energieversorger, der Stahl- und der Chemieindustrie. Diese Branchen seien besonders von einer Reihe von negativen Entwicklungen betroffen. Der Vertreter von Minister Duin hat es im Wirtschaftsausschuss doch auch klar benannt. Die Zahlen dazu sind doch – ihr wart schließlich dabei – auf den Tisch gelegt worden. Der Anteil an der Grundstoffindustrie beträgt auf Landesebene 30 %, auf Bundesebene 18 %. Das heißt, wir sind im Bereich der Grundstoffindustrie von der internationalen Entwicklung und von Krisen besonders betroffen.
Wer sich vor diesem Hintergrund hier darüber lustig macht, dass der Strukturwandel in diesem Land schon so lange dauert, der hat weder das Land noch die Wirkungsweise des Strukturwandels kapiert.
Das ist keine schonungslose Analyse, die gemacht wird. Während der ersten Phase des Strukturwandels gab es 600.000 Steinkohlebergleute und über 800.000 Mantelbeschäftigte, und in zwei Jahren werden wir das Ende des Steinkohlebergbaus in Nordrhein-Westfalen erleben. Anderthalb Millionen Menschen sind aus der Beschäftigung gegangen. Es ist
nicht zu sozialen Brüchen gekommen, aber zu Strukturproblemen. Jetzt erleben wir einen permanenten Prozess. Ich verstehe gar nicht, wie man sich darüber lustig machen kann, wenn der Kollege Paul anspricht, dass die Digitalisierung eine Revolutionierung des gesamten industriellen Produktionsprozesses ist.
Ich muss gar nicht alles teilen, was Herr Prof. Roland Döhrn vom RWI sagt. Aber er hat in einem kleinen Zeitungsinterview im „Kölner Stadt-Anzeiger“ mehr Analyse geliefert als die gesamte CDU-Fraktion, die in die Regierung will, in ihren Beiträgen hier und auch im Wirtschaftsausschuss.
Wenn die Energiewende ein Problem ist, dann kann man sich doch nicht hinstellen und das einfach nur thematisieren und ausblenden, dass seit der Konferenz von Rio 1992 alle Bundesregierungen die Energiewende als Ziel ihrer Politik in Deutschland definiert haben. Angefangen hat dies bei Bundeskanzler Kohl, dann kam Schröder unter Rot-Grün und Merkel. Sie haben sich Klimaschutzziele wie die Reduktion von CO2 um 40 % bis 2020 und fortfolgend 80 bis 95 % bis 2050 und den Ausbau der erneuerbaren Energien auf die Fahnen geschrieben. Das ist das Ziel der Politik.
Dann ist ein Land wie Nordrhein-Westfalen, in dem zwei Drittel der Emissionen aus der Stromproduktion von Steinkohle und Braunkohle stammen, besonders von diesen Zielsetzungen betroffen.
Ich möchte an der Stelle auch ganz konkret werden. Wenn wir dann aus der Analyse heraus eine Leitentscheidung treffen, die die bekannten internen Probleme zwischen Sozialdemokraten und Grünen berücksichtigt hat, und ihr beide euch hierhin stellt und sagt: „Diese Leitentscheidung, die nur ein Teil der notwendigen Reduktion wirklich in Anspruch nimmt, ist falsch. Wir akzeptieren, dass die Menschen nicht mehr vertrieben werden, aber wir würden diese Leitentscheidung rückgängig machen“, dann ist das ein Ignorieren des Problems und des Strukturwandels.
Ihr benennt in keiner Form die Maßnahmen, die aufgrund des Strukturwandel, der Energiewende und der Digitalisierung notwendig wären und kommen
müssten. Als Herr Kollege Paul den Tesla angesprochen hat, wurde gelacht. Aber wir müssten uns dem riesigen Bereich der Stromerzeugung und der Mobilität widmen. Denn wir wären aufgrund unserer Struktur das Land, das für die Elektromobilität in der Bunderepublik Deutschland Maßstäbe setzen sollte und müsste.
Das sind alles Aufgaben, die wir angepackt haben. Bei euch kommt das aber alles nicht vor. Ihr tut so, als ob ihr die SPD in der Gewerkschaftstreue, in der Treue zur Kohle noch überholen könntet, und ignoriert völlig, dass bei allen Schwierigkeiten, die es bei den Kollegen gibt, der Prozess nur in diese Richtung gehen kann. Da drückt ihr euch. Dazu gibt es keine Analyse, und daraus folgen auch keine Konsequenzen.
Wer in der Situation – und ich spreche jetzt nur einen Teil an – allen Ernstes behauptet, das Tariftreue- und Vergabegesetz sei ursächlich für diese Schwierigkeiten in Nordrhein-Westfalen, der leistet damit doch den absoluten Offenbarungseid. Das ist doch völliger Quatsch.
Das heißt, wenn wir es seriös machen wollen – das richtet sich an die Kollegen der CDU und der FDP –, dann muss man sich darüber unterhalten, welche Maßnahmen notwendig wären, um im Rahmen der Energiewende, des Strukturwandels und der Digitalisierung tatsächlich nach vorne zu kommen. Dazu vermisse ich aber einen Beitrag von euch. Wir haben in zwei Koalitionsverträgen viel mehr Positives hineingeschrieben und setzen es im Einklang mit der Regierung Meter für Meter um.
Insofern kann ich nicht verstehen, wie ihr euch hier so hinstellen könnt. Ihr habt fünf Jahre Verantwortung im Land gehabt. In der Zeit habt ihr genau die Kohlekraftwerke gebaut, die nun kein Geld bringen. Du bist mit Christa Thoben im Kabinett gewesen. Ich könnte jedes einzelne Kraftwerk aufzählen, das jetzt den Kommunen Schwierigkeiten macht. Die habt ihr alle angestoßen, weil ihr nicht wahrhaben wolltet, dass die Ziele von Merkel, wenn sie konsequent umgesetzt werden, zu Problemen führen.
Insofern darf mir keiner übel nehmen, dass ich kein Vertrauen in eine Opposition habe, die nicht in der Lage ist, eine solche Analyse zu machen, sondern uns irgendetwas von Raumfahrt, Mondfahrt und der NASA erzählt. Da arbeiten wir lieber hart an dem Thema weiter und werden es auch hinbekommen. Ich denke, dass wir in den Zukunftsfeldern wesentlich besser aufgestellt sind und mehr bieten können als das, was ihr hier geboten habt. – Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da – wir haben es gerade noch einmal auf den Punkt gebracht gehört – Herr Laschet auf dem Mond ist, wenden wir uns dem Oppositionsführer zu.
Sie waren schon – zum Teil waren wir es parallel – einmal Abgeordneter in der Opposition, Sie waren schon einmal Abgeordneter, als Ihre Fraktion an der Regierung beteiligt war. Das kann beides Freude machen; das hängt davon ab, ob man die eigene Rolle annimmt. Sie waren allerdings noch nie Träger von Verantwortung in einem Kabinett.
Nun stellen wir uns einmal vor, es wäre so; das mag für meine Leute nicht angenehm sein, aber wir stellen uns vor, es wäre so. Sie würden sehr schnell feststellen, dass das Talent für schwungvolle Parteitags- oder Plenarreden im Ministerbüro nicht weiterhilft.
Was würden Sie dort tun, Herr Lindner? – Guter Rat ist da nicht teuer. Sie würden mit dem RWI oder anderen verfügbaren Experten sprechen. Sie würden die Analysen lesen, Sie würden diskutieren, Sie würden wahrscheinlich abwägen.
Und Sie würden zu den eigentlichen Ursachen durchdringen – auch den Ursachen eines solchen Wachstums, dessen Zahlen wir jüngst zur Kenntnis genommen haben.
Sie würden zum Beispiel beim Stellenabbau ankommen. Sie würden sich vor Augen führen – denn der Stellenabbau schlägt beim BIP besonders stark zu Buche –, dass in Nordrhein-Westfalen – ich nenne nur einige – diejenigen, die hohe dreistellige Zahlen, zum Teil vierstellige Zahlen an Stellenabbau schon durchgeführt haben oder unmittelbar angekündigt waren Firmen wie Vallourec, E.ON, RWE, Gigaset, Johnson Controls, Karstadt, Opel, Dura, Fujitsu, Hoesch, BP sind. Außerdem nenne ich den Wegfall auf Auguste Victoria.
Ich nehme Opel als Beispiel. Opel hat 200.000 Autos gebaut, die nicht mehr vom Band laufen. 2.700 Leute arbeiten dort nicht mehr. Im Schnitt erwirtschaftet ein Erwerbstätiger ein Bruttoinlandsprodukt von knapp 70.000 € im Jahr. Wenn das wegfällt, dann macht das deutlich – denn das kann bei den anderen Unternehmen in gleicher Weise zusammengerechnet werden –, wie stark in Nordrhein-Westfalen insbesondere der Mittelstand ist, wie stark in NordrheinWestfalen insbesondere die Familienbetriebe sind, um all diese Effekte zu kompensieren, meine Damen und Herren.
Ihnen würde gesagt, dass eben nicht alle Bundesländer gleich sind. Ihnen würde gesagt, dass der Anteil der Grundstoffindustrie – und das sind vier von fünf Branchen, die von besonderer Härte gebeutelt werden – in Nordrhein-Westfalen sehr viel höher als im Rest der Bundesrepublik ist; in Nordrhein-Westfalen sind es 30 %, im Bund ohne NRW nur rund 18 %.