Protokoll der Sitzung vom 21.04.2016

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will gern die Gelegenheit nutzen, um kurz auf ein paar Dinge aus der bisherigen Debatte noch einmal konkret einzugehen. Ich habe die Rede gestern natürlich auch gehört, sehr geehrter Herr Wüst. Ich hatte Sie auch in den Jahren vorher schon gehört. Es war nicht sonderlich überraschend, was Herr MaierHunke gesagt hat. Wir sind auch mit unternehmer nrw genau über diese Fragen in einem sehr guten und immer wiederkehrenden Austausch.

Wenn es um das Wort „Willkommenskultur“ geht, dann dürfen Sie zum ersten einen ganz anderen Faktor überhaupt nicht ausblenden. Es ist nicht nur so, dass das schon zitierte Tochtermagazin der „Financial Times“ zum Vergleich von rund 450 europäischen Regionen sagt, die Region Nordrhein-Westfalen ist die Zukunftsregion Nummer eins. Sie ist nicht Platz sieben, nicht Platz 16 und nicht Platz 200-irgendwas, sondern Platz eins. Aber das ist zugegebenermaßen eher eine Prognose.

Wir haben doch auch schon die realen Zahlen der Direktinvestitionen aus dem Ausland, ob aus China oder von wo auf der Welt auch immer. Dort von den 16 Bundesländern innerhalb der Bundesrepublik Deutschland auf Platz eins zu sein, ist doch kein Zufall. Das hat etwas damit zu tun, dass wir eine Außenwirtschaftspolitik von großer Kontinuität und Intensität betreiben, um diese Kontakte zu pflegen und Werbung für den Standort Nordrhein-Westfalen zu machen – mit größtem Erfolg.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das ist Willkommenskultur.

(Dietmar Brockes [FDP]: Wer wollte denn die Gesellschaft abschaffen? – Gegenrufe von der SPD)

Niemand, Herr Brockes. Das wissen Sie doch besser, als Sie jetzt tun.

Zweitens. In der Debatte ist gesagt worden: Jetzt wollt ihr die Verantwortung auf die BRIC-Staaten schieben. – Für diejenigen, die nicht täglich mit diesen Dingen zu tun haben: BRIC ist eine Abkürzung und steht für Brasilien, Russland, Indien und China. Manche schreiben es noch mit S und nehmen Südafrika hinzu.

Bleiben wir den ersten vieren. Wenn die Analyse richtig ist, von der ich vorhin gesprochen habe und von der viele reden, haben wir einen deutlich überproportionalen Anteil in der Grundstoffindustrie, aber auch bei den Maschinenbauern. Diese haben auch einen überproportionalen Anteil am Export. Reden Sie doch einmal mit denen und fragen, wie es aussieht. Jeder Zeitungsleser kann wissen, dass in Brasilien gerade nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich alles drunter und drüber geht und es deswegen eben kein Markt mehr ist, in dem es sich aktuell lohnen würde, neu zu investieren, und in dem auch die schon existierenden Investments unter großem Druck stehen.

Zum Thema Russland ist ebenfalls so ziemlich allen bekannt, was dort passiert ist.

China hat das niedrigste Wachstum der letzten Jahrzehnte und geht mit seinen Produkten auf andere Märkte – wir haben gestern eigentlich sehr einvernehmlich über das Thema Stahl gesprochen –, setzt also sogar unsere Märkte noch unter Druck. Insofern ist es natürlich richtig, dieses Thema als eine der Ursachen zu benennen.

Ich will ganz deutlich sagen: Was ich schwer erträglich finde, ist eine gewisse Doppelzüngigkeit.

(Zurufe von der SPD: So ist es!)

Bei mir im Ministerium sitzt ein Unternehmer und sagt: Hören Sie mal, Herr Duin, wir haben ein echtes Problem mit meinem Unternehmen. Wir haben einen schweren Einbruch. Das liegt daran, dass der russische Markt nicht mehr zur Verfügung steht. Mit meinem Produkt hatte ich genau auf das Pferd gesetzt. Jetzt habe ich da richtig Malaise. – Drei Tage später sagt der gleiche Unternehmer in einem Interview: Schuld sind die Landesregierung, das Landeswassergesetz und die Bundesratsinitiative zum Unternehmensstrafrecht, all dieser Käse.

(Zuruf von der SPD: Landesjagdgesetz!)

Das ist eine Doppelzüngigkeit, die aus meiner Sicht schwer erträglich ist und die es trotzdem nicht schaffen wird, dass wir in unserem Einsatz für die tatsächlichen Probleme dieser Unternehmen in irgendeiner Weise nachlassen werden, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das wird auch diese Doppelzüngigkeit nicht schaffen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Der dritte Punkt ist das von Herrn Wüst angesprochene Thema, ob wir nicht genügend Anschubfinanzierung beispielsweise im Bereich der digitalen Wirtschaft leisten.

Wir haben in unserer digitalen Strategie sehr deutlich gemacht, dass es um die drei K geht: Es geht um Köpfe, es geht um Kapital und es geht um Kooperation.

Wir haben in der vergangenen Woche eine Allianz „Wirtschaft und Arbeit 4.0“ geschmiedet. Dort waren Gewerkschafter vom DGB, der IG Metall und anderen sowie Arbeitgeberverbände – unternehmer nrw – vertreten. Herr Dr. Höfer als Vertreter der Industrie- und Handelskammern war vertreten. Wir haben danach eine gemeinsame Pressekonferenz gegeben. Herr Dr. Höfer hat gesagt, das seien alles Initiativen des Landes, die aufeinander aufbauten, und das fände er sehr gut. Die Gewerkschaften haben mitgemacht.

Es geht genau darum, in diesem wichtigen Feld für die wirtschaftliche Entwicklung Nordrhein-Westfalens für Vernetzung zu sorgen. Alle reden über dieses Thema, aber es reden zu wenige miteinander über die schon gemachten Erkenntnisse. Deswegen sind solche Dinge wichtig, wie wir sie mit unserer Anschubfinanzierung auf den Weg gebracht haben, etwa SmartFactoryOWL. Dabei geht es um Forschung, um Transfer und um Qualifikation. Das sind genau die drei entscheidenden Punkte.

Das brauchen wir nicht nur einmal irgendwo zentral. Angesichts der – wie man so schön sagt – polyzentrischen Struktur in Nordrhein-Westfalen und aufgrund der Stärke der Regionen brauchen wir das genau so, wie es ist. Wir werden Düsseldorf zu einem Marktplatz für Gründer und Investoren, beispielsweise Business Angels, ausbauen, die sich dort treffen können. Dort kann das Matching stattfinden, das Pitching stattfinden, um diesen Bereich weiter auszubauen.

Wir haben damit erste Erfolge. Das ist eine echte Trendwende. Wir werden morgen auf der Zeche Zollverein sein und die Schacht One GmbH taufen – ich weiß nicht, ob jemand von Ihnen mit dabei sein wird –; dann ist das ein Ableger von Haniel. Haniel hat keine große öffentliche Wirksamkeit, weil sie keine Endprodukte haben, auf denen „Haniel“ steht. Aber es ist eines der größten, wichtigsten und traditionsreichsten Familienunternehmen, was wir in Nordrhein-Westfalen haben.

Die haben nach langer Überlegung gesagt: Mit unserem Ableger für das Thema Digitales, mit unserer Digitaleinheit – sie haben natürlich auch erkannt, dass das Wissen, dass die Bits und Bytes der Rohstoff der

Zukunft sind – gehen wir nicht nach Berlin, sondern wir bleiben in Nordrhein-Westfalen, wir gehen nach Essen.

Das sind die Zeichen, die wir für diese Trendwende brauchen. Ich bin ihnen sehr dankbar, dass sie diese Entscheidung nach langen Gesprächen so getroffen haben, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Lassen Sie mich abschließend nur noch ein Zitat bringen, Herr Präsident. Es passt so gut hinein. Herr Prof. Burton Lee von der Stanford Uni hat in der „WAZ“ ein sehr großes Interview gegeben. Er gehört zu den Experten, die man ernst nehmen sollte. Er sagte – ich zitiere –:

„Ich bin beeindruckt über die Forschung zur ITSicherheit an der Ruhr-Uni Bochum. Das ist ein Juwel für die ganze Region. Ich bin sehr optimistisch, dass das Ruhrgebiet große Potenziale hat. Der Strukturwandel ist nicht über Nacht möglich. Wenn Landesregierung, Städte, Hochschulen, Konzerne und der Mittelstand zusammenarbeiten und ihren Fokus auf einen Kulturwandel legen, wird der Strukturwandel gelingen.“

Meine Damen und Herren, dieses Zitat des Professors ist absolut in unserem Sinne. Genau daran arbeiten wir: an der Kooperation aller Beteiligten zum Wohle des Wirtschaftsstandorts, zum Wohle der Wirtschaft, aber am Ende zum Wohle der in Nordrhein-Westfalen lebenden Menschen. Denn darum geht es im Kern. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Zur Geschäftsordnung: Wir haben im Rahmen der Aktuellen Stunde die dritte Runde eröffnet, in der die Fraktionen von SPD und CDU noch Redezeit haben. Da der Herr Minister gerade seine Redezeit um 1:04 Minuten überzogen hat, haben darüber hinaus auch die anderen Fraktionen noch eine Redezeit von einer Minute.

Für die CDU-Fraktion hat sich Herr Kollege Wüst gemeldet.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich würde gerne Ihr Argument etwas näher beleuchten, dass wir alle entweder vom Mond zu hoch gucken oder irgendwie nicht ausreichend hoch genug. Das kommt ja mal so oder mal so. Im Ausland wisse man jedenfalls viel besser Bescheid über dieses Land als jedenfalls Teile dieses Hauses, so Ihr Vorwurf an uns. Das sähe man daran, dass Nordrhein-Westfalen die höchsten ausländischen Direktinvestitionen aller Bundesländer habe.

Das wiederum ist nicht ganz überraschend, weil Nordrhein-Westfalen das größte deutsche Bundesland ist. In absoluten Zahlen haben wir von vielem das meiste und das Höchste. Aber die Aussage, wir hätten die meisten ausländischen Direktinvestitionen, wird Sie nicht daran vorbeibringen, sich auch mit kritischen Punkten dieser Betrachtung auseinanderzusetzen.

Wenn man eine relative Betrachtung macht – pro Kopf oder pro Erwerbstätiger –, landet NordrheinWestfalen wieder auf Platz drei. Ich bin ja schon froh, dass es Platz drei ist und nicht wieder Platz 16. Wenn aber jetzt die FDI, die ausländischen Direktinvestitionen, in dieser Debatte Ihr Schwert sind, das alle anderen Argumente wegschlagen soll, dann ist es, glaube ich, ziemlich stumpf.

Ernst & Young hat im Übrigen 2015 schon darauf hingewiesen, dass Nordrhein-Westfalen ein Imageproblem im Ausland hat. Man kennt Nordrhein-Westfalen nicht ausreichend gut. Wenn potenzielle Investoren, Investoren, die noch nicht in Deutschland investiert sind, gefragt werden, was sie in Deutschland kennen, beschreiben sie Bayern – das kennt man – als besonders attraktiv. Jeder dritte sagt „Bayern“ und jeder zwanzigste sagt „Nordrhein-Westfalen“. Sie sollten also das Thema „ausländische Direktinvestitionen“ komplett aus Ihrem Repertoire streichen. Ich hoffe, Ihnen fällt noch etwas Besseres ein; denn das ist ziemlich schwach.

(Beifall von der CDU – Zuruf)

Ich setze mich ja gerade mit Ihrem Argument auseinander.

Um die Dimension mal zu beschreiben – dazu liegt uns die letzte Zahl aus dem Jahr 2014 vor –, beträgt die Beschäftigungswirkung ausländischer Direktinvestitionen 2,5 % der Gesamtbeschäftigung. – Nur, um all das sauber einzuordnen und vom Kopf auf die Füße zu stellen.

Zu weiteren Themen Ihrer Gegenargumentation: Im Wirtschaftsausschuss haben Sie dazu Ihren Abteilungsleiter vortragen lassen. Insofern ist all das nicht neu. Niemand würde bestreiten, dass die Energiepolitik hier Probleme macht. Niemand würde bestreiten, dass die Schwierigkeiten in den BRICS-Staaten gerade in einer Region, in der der Anlagen- und Maschinenbau stark ist, Probleme verursachen.

Das wollen auch wir nicht bestreiten. Wir weisen Ihnen auch nicht die alleinige Schuld dafür zu. Aber – natürlich kommt hier ein Aber –: Wenn ich all das weiß – Sie sagen so großzügig: Ja, all das ist nicht überraschend, sondern sehr erwartbar –, muss ich an den Stellen, an denen ich selber agieren kann, umso kraftvoller zupacken.

Auch diesen Wunsch hat Ihnen Herr Maier-Hunke hinterlassen: in den letzten 13 Monaten Ihres Wirkens hier noch einmal die Ärmel hochzukrempeln.

Was ist dann da passiert? Als Sie, Herr Minister, vor rund vier Jahren als Wirtschaftsminister angetreten sind, haben Sie gesagt: Wir wollen als NordrheinWestfalen ein eigenes Papier als Beitrag zu einer gelingenden Energiewende machen. Dann haben Sie sich wahrscheinlich auf den Weg gemacht und fleißig gearbeitet. Davon gehe ich jedenfalls fest aus. Gekommen ist nichts, und jeder, der die Lage hier kennt, weiß warum nicht: In dieser Regierung sind Sie sich in dieser Frage nicht einig.

An dieser Stelle hätten Sie selber in Berlin Einfluss nehmen können und haben es nicht getan. Dann haben Sie eine Bundesumweltministerin geschickt, die jeden Tag etwas völlig anderes sagt als Sie. Die Sozialdemokratie ist doch sonst immer relativ geschlossen – im Gegensatz zu anderen Parteien, die ein bisschen freier unterwegs sind.

Aber was ist Ihr Beitrag an der Stelle, wo Sie einen Beitrag leisten können? Wo nimmt die Sozialdemokratie in Nordrhein-Westfalen Einfluss? Ich habe in Büchern gelesen – ich war ja nie dabei –, dass man auf Bundesparteitagen der SPD vor der Sozialdemokratie in Nordrhein-Westfalen schon mal Angst hatte. Offensichtlich ist das heute nicht mehr so. An der Stelle war Ihr Beitrag auch null.

Jetzt will ich zu dem kommen, was Sie immer als lästigen Kleinkram abtun.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Sie haben danach gerufen, wir mögen bitte etwa über das Nichtraucherschutzgesetz reden. Das tue ich jetzt nicht. Aber stellen Sie sich bei all den Dingen, die landespolitisch in Ihre Schublade „Kleinkram“ passen, die Kontrollfrage: Hat es geholfen, hat es einen Wachstumsschub ausgelöst, hat es psychologisch einen Aufbruch ausgelöst, dass man über den europäischen Klimaschutz, über die deutsche Klimapolitik noch ein eigenes Klimaschutzgesetz gepackt hat?