Protokoll der Sitzung vom 11.05.2016

Das gilt gerade für die Zielgruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Sie wächst – gerade auch deswegen, weil sich die Extremisten im Internet auf diese Personen spezialisieren, sie gezielt ansprechen und für ihre fatale Ideologie werben.

Wir haben nicht nur, Herr Lürbke, das Internet als einen Baustein, sondern wir haben, Herr Schatz, eine ganze Reihe von Maßnahmen, mit denen wir versuchen, dieser Entwicklung entgegenzutreten.

Zum einen versuchen wir, die Wissenskompetenz des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes

zu den Multiplikatoren zu transportieren, die mit diesen Jugendlichen arbeiten – beispielsweise Lehrerinnen und Lehrern, beispielsweise Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern. Diese Veranstaltungen werden von diesen Multiplikatoren intensiv nachgefragt. Der Verfassungsschutz hat die Kompetenz, die Lehrerinnen und Lehrer haben den Informationsbedarf. Da versuchen wir, gut zusammenzuarbeiten.

Wir haben das gerade angesprochene Projekt „Wegweiser“, das, wie ich glaube, beispielgebend ist für andere Bundesländer, die inzwischen anfangen, ähnliche Projekte aufzulegen. Hier versuchen wir, da, wo uns bekannt wird, dass ein Jugendlicher in diese Szene abzugleiten droht, sehr individuell mit Netzwerken vor Ort gegenzuarbeiten.

(Dirk Schatz [PIRATEN]: Ja, aber zu wenig!)

Herr Schatz, ein Beratungsgespräch mit dem „Wegweiser“-Mitarbeiter ist dabei nur ein Teil.

(Dirk Schatz [PIRATEN]: Ja, ein Baustein! Ich weiß!)

Herr Schatz, ich erkläre es Ihnen doch gerade.

(Dirk Schatz [PIRATEN]: Ich kenne das!)

Es geht darum, das soziale Umfeld dieses betroffenen Jugendlichen aufzuklären – also die Familien, insbesondere die Mütter, die häufig Hinweisgeber sind, die Lehrerinnen und Lehrer –, um diesen Jugendlichen da abzuholen, wo wir ihn abholen müssen, nämlich bei der Frage: Was ist der Grund, dass junge Menschen, die oft hier geboren sind und mitten unter uns aufgewachsen sind, plötzlich für derartige Ideologien empfänglich sind? Da setzen wir an.

Wir haben das Aussteigerprogramm im Bereich des Salafismus.

Herr Lürbke, jetzt würde ich gerne noch auf die Frage „Internet und Blogger“ zu sprechen kommen. Wenn Sie bei YouTube die beiden Stichworte „Islam“ und „Demokratie“ eingeben, sind auf Platz eins und zwei Reden von Sven Lau und Pierre Vogel. Der Staat muss da etwas entgegensetzen. Er muss die entsprechenden Informationen und das Wissen über die Gefährlichkeit dieser extremistischen Strömungen ins Internet transportieren.

Jetzt sage ich Ihnen ganz offen: Im Internet leben gerade solche Kanäle wie YouTube davon, dass wir nicht ellenlange Texte transportieren, sondern dass es interessant und jugendgerecht ist. Wir haben die Kompetenz des Verfassungsschutzes, brauchen aber die Internetszene, die dies in interessanter, attraktiver Art und Weise ins Internet transportiert.

Deshalb ist die von uns angeregte Zusammenarbeit mit Bloggern richtig und notwendig. Hier sage ich Ihnen ganz offen: Das haben wir in Nordrhein-Westfalen begonnen. Ich werbe bei meinen Kollegen in

den anderen Ländern und beim Bundesinnenminister dafür. Es darf nicht nur eine Aktion des Landes Nordrhein-Westfalen sein, sondern muss eine konzertierte Aktion aller Länder und des Bundes werden.

(Marc Lürbke [FDP]: Wie viele haben Sie schon überzeugt?)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Herrmann von der Piratenfraktion?

Ja, gerne.

Bitte schön, Herr Herrmann.

Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen, Herr Minister. – Wir reden hier in der Argumentation zu diesem Gesetzentwurf ja von dem Anschlag auf den Essener SikhTempel. Dazu habe ich die Frage, ob Sie mit mir darin übereinstimmen, dass die Aufnahme des eben als Kontaktperson zu IS-Gruppen – Lohberger Brigade usw. – genannten 16-Jährigen aus Wesel in ein Präventionsprogramm spätestens mit Bekanntwerden der Ausreisesperre ein sinnvoller Vorgang gewesen wäre.

„Wegweiser“ setzt da an, wo wir glauben, dass Jugendliche noch beeinflussbar sind, bevor sie in diesen Extremismus abgleiten. „Wegweiser“ kann nicht die Szene bearbeiten, die bereits verfestigt ist. Vielmehr geht es darum, dass insbesondere Jugendliche gegenüber einer solchen Ideologie stabilisiert werden. Deshalb ist der Betroffene in dem Fall, den Sie beschreiben, vermutlich kein Proband für das Konzept „Wegweiser“.

Ich würde jetzt gerne noch auf den Gesetzentwurf der CDU zu sprechen kommen, der grundsätzlich gut ist, aber bedauerlicherweise erhebliche Lücken im Detail hat.

Es geht darum – Frau Schäffer hat es schon angesprochen –, dass es nach diesem Entwurf auch möglich wäre, Daten von unter 14-Jährigen zu speichern, was wir natürlich strikt ablehnen. Wir orientieren uns an der Strafbarkeit nach dem Strafgesetzbuch, die erst mit Vollendung des 14. Lebensjahres beginnt.

Darüber hinaus müssen weitere Punkte in die Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes aufgenommen werden, beispielsweise die Anpassung an das Verfassungsschutzgesetz des Bundes, das letztes Jahr beschlossen worden ist. Wir müssen nach dem

Urteil des Bundesverfassungsgerichts Anpassungen in Bezug auf die Informationsübermittlung zwischen Verfassungsschutz und Polizei vornehmen. Wir werden nach den bundesgesetzlichen Vorgaben zu Speicherpflichten Änderungen im Bereich des Systems NADIS vornehmen müssen. Natürlich müssen wir auch nach dem sogenannten Ramelow-Urteil, das die Regelung der Datenspeicherung über Abgeordnete vorsieht, Anpassungen vornehmen.

Sie sehen, meine Damen und Herren, es gibt da noch einiges zu ergänzen. Wir werden dem Parlament zügig unseren Gesetzentwurf als Landesregierung vorlegen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Bitte bleiben Sie noch einen Moment vorne; denn Herr Kollege Dr. Stamp hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet und erhält jetzt für 90 Sekunden das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, damit hier kein Missverständnis aufkommt: Das Zusammenspiel von Repression und Prävention ist auch das, was wir seit geraumer Zeit einfordern. Vor dem Hintergrund, dass wir hier schon so lange über dieses Phänomen sprechen, möchte ich für unsere Fraktion noch einmal deutlich sagen, dass uns in beiden Bereichen viel zu wenig passiert.

Sie haben recht; „Wegweiser“ ist vom Ansatz her ein sinnvolles Programm. Es ist nur schlichtweg viel zu dünn und viel zu gering personell unterfüttert.

Von daher finde ich es – das muss ich ganz ehrlich sagen; Kollege Sieveke hat es vorhin auch schon gesagt – anmaßend, wie Sie sich gegenüber den Kollegen in Belgien geäußert haben, was die belgische Sicherheitslage angeht, wenn man sich anguckt, welche Situation wir hier bei den jugendlichen Tätern haben.

Unsere Forderung, um das noch einmal klipp und klar zu sagen, ist, dass insgesamt qualitativ und quantitativ ganz was anderes passiert. Der Salafismus ist die am stärksten wachsende Jugendbewegung, weil es auch die radikalste Form ist, sich in dieser Gesellschaft ab- und auszugrenzen. Wenn wir auf eine solche brutal wachsende Bewegung nur so zahm reagieren, wie das hier in Nordrhein-Westfalen der Fall ist, dann ist das eindeutig zu wenig. – Danke schön.

(Beifall von der FDP)

Herr Abgeordneter Stamp, wir haben das ja schon im

Innenausschuss miteinander ausgefochten. Sie wissen ja eigentlich, was ich jetzt sagen will; ich wusste auch schon, was Sie sagen wollten.

Ich weise darauf hin: Mit dem Projekt „Wegweiser“ haben wir in Deutschland völliges Neuland betreten. Es gab keine Blaupause. Im Gegenteil: Wir haben Delegationen aus anderen Bundesländern, aus den Niederlanden, aus Belgien, aus anderen Staaten, insbesondere auch aus Amerika, die sich dieses Projekt anschauen. Wir haben Erfahrungen gewinnen müssen. Wir lernen sozusagen jeden Tag, dieses Projekt zu modifizieren, und wir bauen es immer weiter aus – in jede Stadt mit größeren Zahlen von Jugendlichen im Bereich des Salafismus.

Ich glaube, das, was wir in Nordrhein-Westfalen auf diesem Gebiet geleistet haben und weiterhin leisten, ist Vorbild für andere Länder und im Bund.

(Beifall von der SPD)

So weit Kurzintervention und die Entgegnung des Ministers. Vielen Dank. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Das wäre auch gar nicht mehr möglich, weil alle Redner ihre Redezeit überzogen haben.

Ich rufe die Abstimmung auf. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/11892 an den Innenausschuss – federführend – sowie an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend. Wer ist für diese Überweisungsempfehlung? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist jeweils nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

3 Zukunftsinvestitionen in Infrastruktur, For

schung und Entwicklung statt Kaufprämien für Elektroautos

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/11900

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die antragstellende FDP-Fraktion Herrn Kollegen Rasche das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ist es sinnvoll, dass der Bund, also der Staat, mit einer staatlichen Kaufprämie in Höhe von 600 Millionen € Elektroautos pusht? Oder ist es viel klüger, dass der Staat in Zukunftsinvestitionen, in Infrastruktur und in Forschung und Entwicklung diese Gelder investiert?

Es gab einmal das Ziel der Bundesregierung, der Kanzlerin: bis 2020 eine Million Elektroautos. Dieses Ziel wird klar verfehlt. Es liegt zum Beispiel an dem Mangel von Ladestationen, an der zu geringen Reichweite der Pkws und natürlich auch an den hohen Anschaffungspreisen dieser Fahrzeuge. Daran ändert allerdings diese Kaufprämie pro Auto auch nichts.

Statt also dieser Kaufprämie den Weg zu reden, wäre der folgende Weg viel vernünftiger: Für 600 Millionen € könnten wir locker 200.000 Ladestationen schaffen. 15.000 Tankstellen wären damit in Deutschland optimal ausgestattet. Eigentlich – und ich glaube, die meisten Fraktionen in diesem Hohen Hause stimmen uns dabei zu – ist diese Kaufprämie auf Bundesebene ein ordnungspolitischer Sündenfall: marktverzehrend und eben nicht technologieunabhängig.

Dabei entspricht der Koalitionsvertrag auf Bundesebene sogar der These der FDP hier in NordrheinWestfalen. Ich zitiere aus dem Koalitionsvertrag von CDU und SPD:

„Wir halten an dem Ziel fest, Deutschland zum Leitmarkt und Leitanbieter für E-Mobilität zu machen. Dabei verfolgen wir einen technologieoffenen Ansatz inklusive der Wasserstoff-, Hybrid-, Batterie- und Brennstoffzellentechnologie.“