Protokoll der Sitzung vom 12.05.2016

Vielen Dank, verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! Wir Piraten sind 2012 mit dem Anspruch in dieses Parlament gekommen, dass wir vernünftige Anträge und Initiativen – und zwar ganz unabhängig davon, von wem diese beantragt werden – unterstützen. Das ist bei dem hier vorliegenden Antrag der Fall. Wir werden diesen Antrag unterstützen.

Das Spannungsfeld zwischen Hochschulabschluss, dualer Ausbildung und Meisterprüfung ist eines, was verstärkt von zukünftigen Anforderungen betroffen sein wird. SPD und Grüne beschreiben in dem Antrag exakt, was wir seit Jahren schon anprangern:

erstens mangelnde Integration von Menschen mit schlechten Startchancen, zweitens Hürden im Bildungssystem, die einen sozialen Aufstieg verhindern, drittens die voranschreitende Ökonomisierung des Bildungssektors und viertens fehlende Maßnahmen zum Übergang von der Schule zum Beruf und vom Studium in den Beruf.

Natürlich ist nicht alles Gold, was glänzt; aber es bleibt festzuhalten, dass die regierungstragenden Fraktionen in dieser Frage einen guten Job machen. Applaus!

(Beifall von den PIRATEN)

Das muss bei aller Oppositionsrhetorik auch einmal gesagt werden dürfen.

Der Antrag nimmt aktuelle Problemlagen auf und gibt zumindest Handlungsempfehlungen, die wir im Großen und Ganzen befürworten. Ich möchte an dieser Stelle einmal zwei Punkte herausgreifen, die für uns besonders wichtig sind.

Zum einen geht es um die Eröffnung von Chancen und Perspektiven. Hier sehen wir gerade in Nordrhein-Westfalen dringenden Nachholbedarf. Die beschriebenen Elemente – wie engmaschige Beratung und Begleitung sowie das gezielte Talentscouting – sind die geeigneten Maßnahmen, um wirkliche Chancengerechtigkeit herzustellen.

Der Allgemeinplatz der Abhängigkeit der Bildungschancen vom Geldbeutel der Eltern bekommt dadurch ein Gesicht. Und engagierte Menschen kümmern sich um die Heranwachsenden. Das ist deutlich auszubauen und fortzuführen. Das größte Kapital unseres Landes sind letztlich die Menschen, die hier – mit ihren Stärken und auch Schwächen sowie ihren unterschiedlichen Entwicklungsgeschwindigkeiten – leben.

Zum anderen ist uns der Aspekt der individuellen Talenterkennung sehr wichtig. Hier sehen wir gerade im Bereich der Schulen einen Anker. Und gerade mit den Elementen der digitalen Bildung bzw. mit digitalen Lern- und Lehrmaterialien sind ganz neue Möglichkeiten geschaffen worden, um die Kompetenzentwicklung stärker voranzutreiben. Hier sehen wir große Potenziale, die auch die formulierten Ansprüche an die Studier- und Ausbildungsfähigkeit der jungen Menschen sinnvoll und vor allen Dingen effizient befriedigen können.

Zu guter Letzt noch ein Appell an die Unternehmerinnen und Unternehmer in diesem Land: Geben Sie nicht so viel auf Schulnoten. Damit will ich Schule nicht entwerten, aber häufig stellt sich erst im Lebensweg heraus, dass manch einer, der in der Schule nicht so gut war, nachher ein hervorragender Meister wurde oder den Master an der Hochschule schaffte.

Die Normierung ist letztlich nur ein Instrument, das eine Vergleichbarkeit herstellen soll, wo im Prinzip nichts zu vergleichen ist. Lern- und Entwicklungsgeschwindigkeiten haben eine große Bandbreite. Menschen haben Potenziale, die geweckt werden wollen und können.

Wir sollten uns viel mehr Gedanken über die abgehängten Jugendlichen machen, die in der sozioökonomischen Armutsfalle sitzen und deren Förderung im Elternhaus leider nicht vonstattengeht. Das bedeutet für uns nicht, den alleinigen Fokus darauf zu legen, aber wir sollten darauf achtgeben, uns nicht selbst die nächsten Sozialfälle heranzuziehen. Das ist volkswirtschaftlich – auch die FDP wird das freuen – und humanitär nicht verantwortbar. Auch das trägt zum Erstarken der Angst für Deutschland bei.

Ich empfehle meiner Fraktion, diesen Antrag zu unterstützen. Er überzeugt mehr, als dass er Fehler hat. Vielen Dank an die regierungstragenden Fraktionen für diesen schönen Antrag.

Zum CDU-Antrag bleibt mir nur zu sagen: Ein alter Antrag, der eine neue Ordnungsnummer bekommt, wird dadurch nicht besser.

Und an die FDP gewandt sage ich: Es scheint, Frau Freimuth, in Ihrem Antrag ein gewisser Ökonomismus durch. Ich sage einmal ganz explizit für die Piraten: Bildung ist für uns der Oberbegriff, und dann kommt Ökonomie. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN, der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Schulze.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag thematisiert genau das Richtige. Es geht nicht darum, Meister und Master gegeneinander auszuspielen, sondern wir brauchen beides. Wir brauchen vor allen Dingen die Durchlässigkeit im System.

Liebe Frau Abgeordnete Vogt, der entscheidende Unterschied bei diesem Antrag ist, dass er es eben aus allen Perspektiven beleuchtet. Es geht um die Zusammenarbeit zwischen Schul-, Arbeits-, Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium. Und das ist genau der Unterschied. Bei uns funktioniert das. Wir machen das. Wir haben da keine Konkurrenz untereinander, sondern wir bringen die Initiativen gemeinsam voran.

Uns ist wichtig, dass eben kein Ausbildungsweg eine Einbahnstraße ist, dass man wechseln kann, dass man lebenslang weiter lernen kann und dass sich diese traditionelle Unterscheidung zwischen dem beruflichen und dem akademischen System langsam auflöst und einer Durchlässigkeit weicht. Das ist doch genau das, was wir brauchen.

Nordrhein-Westfalen ist übrigens führend bei den Übergangsmöglichkeiten zwischen den beiden Bereichen. In Nordrhein-Westfalen haben wir den Hochschulzugang für Meister, für fachtreue Bewerber und sonstige beruflich Qualifizierte geöffnet. Wir sind da sehr, sehr erfolgreich.

Seit dem Wintersemester 2010/2011 hat sich die Zahl der Studierenden mit beruflichem Hintergrund in Nordrhein-Westfalen verdoppelt. Nordrhein-Westfalen ist damit bundesweit auf dem Spitzenplatz mit weitem Abstand vor den anderen.

Und diese Studierenden sind auch nicht weniger erfolgreich als andere. Sie sind sogar ein bisschen besser als die ohne berufliche Qualifikationen.

Natürlich gibt es Hürden. Und deswegen helfen wir dabei, diese Hürden abzusenken. Wir haben mit dem Hochschulzukunftsgesetz die richtigen Voraussetzungen geschaffen, zum Beispiel Studium in Teilzeit, individuelle Regelstudienzeiten, strukturierte Studieneingangsphasen. Das sind genau die Dinge, die beruflich Qualifizierten helfen.

Ich meine, dass es wichtig ist, Durchlässigkeit insgesamt zu denken, umfassender zu denken, auch als Durchlässigkeit zwischen Studium und beruflicher Bildung. Auch das darf keine Einbahnstraße sein.

Studienabbrecher bringen ein enormes Potenzial mit für Unternehmen. Deswegen brauchen wir auch dort Beratungsangebote, wie es sie zum Beispiel in der Region Aachen mit SWITCH gibt, oder „Meister statt Master“ in Soest. Das ist genau die richtige Richtung an Beratungsstrukturen, die wir da brauchen.

Das Beste ist natürlich, wenn es uns gelingt, dass man gar nicht erst wechseln muss, nämlich durch die richtige individuelle Beratung. Genau das machen wir in Nordrhein-Westfalen, und zwar alle gemeinsam. Wir haben KAoA, wir haben die Kampagne des MAIS „In drei Jahren Weltklasse“, wir haben den StudiFinder, der übrigens so erfolgreich ist, dass er jetzt von der Bundesagentur für Arbeit übernommen wird und bundesweit zu dem Angebot für die Studienorientierung wird.

Junge Menschen, die auf dem Weg in den Beruf sind, haben eine Menge Informationen vor sich. Da reicht es nicht einfach nur, im Internet zu suchen, welcher der richtige Weg ist. Man braucht individuelle Beratung, wir müssen genau den richten Weg für jeden und für jede finden. Das ist das, was wir in Nordrhein-Westfalen auf den Weg bringen und wofür wir hier stehen.

Ein ganz besonderes Angebot ist natürlich das Talentscouting, das wir im Ruhrgebiet begonnen haben und das wir jetzt über das Ruhrgebiet hinaus ausweiten wollen. Genau das steht dafür, dass man eben individuell berät, dass man Master und Meister mög

lich macht und dass jeder und jede, die das Zeug dafür hat, auch den Weg gehen kann, den sie oder er individuell braucht.

Liebe Frau Freimuth, auch im MINT-Bereich sind wir übrigens führend. Sie müssen ja nicht den Statistiken der Landesregierung glauben, aber vielleicht glauben Sie dem Institut der deutschen Wirtschaft. Das hat nämlich getitelt: MINT: NRW sorgt für den Nachwuchs. – Sie haben eine Statistik erstellt, aus der hervorgeht, wie viele Absolventen es an den Hochschulen pro Tausend erwerbstätige MINT

Akademiker gibt. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 63, Bayern ist bei 57 und Nordrhein-Westfalen bei 74. Der MINT-Nachwuchs kommt aus NRW. Wir sind mit unseren Konzepten da vorne.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die Körber-Stiftung hat uns gerade wieder dafür ausgezeichnet, wie flächendeckend und hervorragend wir mit unseren Schülerlaboren dort vorgehen.

Meine Damen und Herren, ich bin den regierungstragenden Fraktionen für diesen umfassenden Antrag sehr dankbar. Er stärkt die Arbeit der Landesregierung in diesem wichtigen Bereich. Er setzt wichtige Punkte in der Debatte. Wir müssen für Durchlässigkeit sorgen und aufhören, berufliche und akademische Bildung gegeneinander auszuspielen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind am Schluss der Aussprache und kommen zur Abstimmung.

Wir stimmen erstens ab über den Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Das ist die Drucksache 16/11890. Die antragstellenden Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 16/11890. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag Drucksache 16/11890 mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Piratenfraktion gegen die Stimmen der CDU- und der FDP-Fraktion angenommen.

Wir kommen zweitens zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/11984. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag Drucksache 16/11984 mit den Stim

men von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Piratenfraktion bei Zustimmung der Fraktionen von CDU und FDP abgelehnt.

Wir kommen drittens zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/11986. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag Drucksache 16/11986 mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Piratenfraktion bei Zustimmung der Fraktionen von FDP und CDU abgelehnt.

Ich rufe auf:

7 Nordrhein-Westfalen spricht sich für den Ver

bleib des Vereinigten Königreichs in der EU aus

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der FDP Drucksache 16/11898 – Neudruck

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die CDUFraktion dem Kollegen Kerkhoff das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 23. Juni dieses Jahres entscheidet Großbritannien in einer Volksabstimmung über seinen Verbleib in der Europäischen Union. Die Umfragen deuten auf ein knappes Ergebnis hin. In dieser Lage sagen wir als Nordrhein-Westfalen und als überzeugte Europäer: Wir wünschen uns, dass Großbritannien Teil der EU bleibt.

Darum geht es in unserem gemeinsamen Antrag. Natürlich ist uns klar – bei aller Bedeutung dieses Parlaments und dieses Antrags –: Er wird wohl keinen entscheidenden Einfluss auf das Abstimmungsergebnis haben. Dennoch halte ich es für richtig, diesen Antrag hier zu beraten, weil Nordrhein-Westfalen und Großbritannien eng verbunden sind – historisch, politisch, kulturell und wirtschaftlich.

(Unruhe)

Herr Kollege, bitte gestatten Sie mir, Sie für einen kurzen Moment zu unterbrechen. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie wichtige Gespräche führen müssen, führen Sie diese bitte außerhalb des Plenums, weil das sonst den Ablauf der Plenarsitzung sehr stört.