Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich heiße Sie alle ganz herzlich willkommen zu unserer heutigen, 114. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.
Für die heutige Sitzung haben sich acht Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden wir, wie bei uns üblich, in das Protokoll aufnehmen.
Auch heute dürfen wir zum Geburtstag gratulieren. Ihren Geburtstag feiern hier im Plenarsaal und mit uns gemeinsam Frau Kollegin Rita Klöpper von der Fraktion der CDU und Herr Dirk Wedel von der Fraktion der FDP.
Liebe Kollegin, lieber Kollege, Ihnen beiden ganz herzliche Glückwünsche und alles Gute im Namen des Hohen Hauses! Möge der Plenartag für Sie ein angenehmer Tag werden und als Ihr heutiger Geburtstag gut in Erinnerung bleiben.
Vor Eintritt in die Tagesordnung, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich auf drei Dinge hinweisen:
Erstens. Die Fraktion der Piraten hat mit Schreiben vom 7. Juni 2016 mitgeteilt, dass sie ihren Gesetzentwurf „Gesetz zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen“ Drucksache
Da der Hauptausschuss bereits mit Drucksache 16/12137 einen Bericht abgegeben hat, ist die Rücknahme des Gesetzentwurfs nach § 84 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung nur zulässig, wenn kein Mitglied des Landtags widerspricht.
Deshalb frage ich Sie – trotz der Absprache –, ob jemand der Rücknahme des Gesetzentwurfs widersprechen möchte. Ich stelle mit Blick in die Runde fest: Das ist nicht der Fall. Somit ist die Rücknahme wirksam.
Damit haben sich die zweite und die dritte Lesung des Gesetzentwurfs, für morgen als TOP 12 angesetzt, erledigt. Die nachfolgenden Tagesordnungspunkte am morgigen Tag rücken entsprechend auf.
Zweitens. Sie haben in der Fassung des Neudrucks der Tagesordnung für die drei Plenartage sicherlich gesehen, dass sich alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen inzwischen einvernehmlich auf Folgendes verständigt haben:
derung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen und wahlrechtlicher Vorschriften Drucksache 16/9795 – ein Gesetzentwurf der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – durchgeführt.
Ebenfalls neu ist die Verständigung, dass am Freitag unter Tagesordnungspunkt 1 die dritte Lesung zum Gesetz zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen und wahlrechtlicher Vorschriften durchgeführt wird. Dafür ist eine Redezeit nach Block I vorgesehen.
Drittens. Als Letztes möchte ich Sie bereits vor Eintritt in die Tagesordnung darüber informieren, dass heute bei Tagesordnungspunkt 5 „Erstes allgemeines Gesetz zur Stärkung der Sozialen Inklusion in Nordrhein-Westfalen“ die Debatte durch einen Gebärdendolmetscher begleitet wird, der selbstverständlich im Stream zu sehen ist und deshalb von Ihnen aus gesehen links neben dem Redepult stehen wird. Das werden wir nachher noch mal ankündigen. Aber ich finde es richtig, dass Sie dies schon vor Eintritt in die Tagesordnung wissen.
Der Chef der Staatskanzlei hat mit Schreiben vom 31. Mai dieses Jahres mitgeteilt, dass die Landesregierung beabsichtigt, zu dem Thema „Integriertes Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus und Rassismus“ zu unterrichten. Die Unterrichtung erfolgt durch Frau Ministerin Kampmann, der ich das Wort erteile.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In ihrem Koalitionsvertrag 2012 haben die regierungstragenden Parteien beschlossen, die Entwicklung eines Handlungskonzeptes gegen Rechtsextremismus aufzunehmen. Das geschah damals unter dem Eindruck der Aufdeckung der Morde der rechtsextremen Terrorzelle NSU.
Recht bis heute. Wir schulden den Opfern eine vollständige Aufklärung dieser furchtbaren Morde. Wir schulden ihnen aber auch eine klare Haltung gegenüber dem Rechtsextremismus, und wir schulden ihnen vor allem, alles in unserer Macht stehende dafür zu tun, dass so etwas nie wieder geschieht, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Auf allen Ebenen werden Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, die sich öffentlich klar dagegen bekennen, gerade massiv bedroht und unter Druck gesetzt. Das, was wir in sozialen Netzwerken teilweise gerade erleben, hat jedes Maß verloren, ja, der gesellschaftliche Grundkonsens über die Basis an Respekt, die wir uns gegenseitig schuldig sind, erscheint an vielen Stellen aufgekündigt und geht in Hass, in Parolen und in gegenseitigen Beleidigungen verloren.
Bundespolitiker wie Heiko Maas erzählen von Morddrohungen mit genauem Ort, genauem Datum und genauer Uhrzeit. Ich bin mir sicher, dass auch hier viele über Parteigrenzen hinweg Erfahrungen mit denen gemacht haben, die sich für eine solche Verrohung nicht zu schade sind.
Jeden, der sich auf eine von diesen Gruppierungen unerwünschte Art und Weise äußert, der vermeintlich fremd aussieht, der vermeintlich anders ist, der sich sozial engagiert, jeden von diesen Menschen kann Hass und Gewalt von Rechtsextremisten treffen, kurzum jeden, der nicht ihrem verabscheuungswürdigen Weltbild entspricht: Flüchtlinge, Menschen mit Migrationshintergrund, mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen oder Menschen, die sich für andere engagieren.
Ich möchte, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir diesen Hass, der sich auch gegen uns richtet, die wir uns dafür engagieren, dass Zusammenleben nach den Werten unserer Verfassung stattfindet, nicht zulassen und nicht nachlassen in unserem Bestreben für Solidarität und für Menschenrechte in unserer Gesellschaft.
Ich möchte vor allem, dass dieser Hass gar nicht erst entsteht. Deshalb bin ich sehr froh, dass ich Ihnen heute unser integriertes Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus und Rassismus vorstellen darf.
Denn ich bin fest davon überzeugt, dass dieses Handlungskonzept ein wichtiger Baustein in unserem Kampf gegen Rechtsextremismus ist, weil es uns darum gehen muss, die Kräfte in der Zivilgesellschaft in diesem Kampf zu bündeln und gemeinsam zu koordinieren, und weil es uns darum gehen muss, dass rechtsextremistische Einstellungen gar nicht erst entstehen, dass Täter gar nicht erst zu Tätern
werden, dass wir demokratische Werte und Zivilcourage mit allen Möglichkeiten, die wir haben, fördern und dass wir gesellschaftliche Vielfalt, die in Nordrhein-Westfalen längst Normalität geworden ist, genauso selbstverständlich behandeln, wie es eigentlich sein sollte.
Dafür müssen wir früh ansetzen, und dafür müssen wir vorbeugend ansetzen. Und wir müssen die gesamte Bevölkerung in den Blick nehmen, weil wir aus vielen Studien wissen, dass rechtes Gedankengut inzwischen bis weit in die Mitte der Gesellschaft hinein verankert ist, und weil wir erleben, wie die Stimmen derer, die lauter werden, unsere Gesellschaft zunehmend spalten wollen. Das sind die Stimmen derjenigen, die mit autoritären, rassistischen und völkischen Parolen und Programmen das gesellschaftliche Klima vergiften und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zerstören wollen.
Das dürfen wir nicht zulassen, und dagegen müssen wir gemeinsam Haltung zeigen, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Das vorgelegte Handlungskonzept – es ist Ihnen allen am 18. Mai übermittelt worden – umfasst insgesamt 166 Maßnahmen zur Prävention. Dabei handelt es sich um 80 neue Maßnahmen und 86, die schon bestehen und die wir weiter fortführen wollen. Diese Maßnahmen wurden von allen Ministerien der Landesregierung unter breiter zivilgesellschaftlicher Beteiligung erarbeitet.
Das wesentliche Ziel dabei war es, die bestehenden Maßnahmen – die, welche wir schon haben – besser aufeinander abzustimmen und eine nachhaltige Strategie für die Präventionsarbeit in Nordrhein-Westfalen zu erarbeiten. Wir verstehen die Schwerpunkte des Handlungskonzeptes dabei als gemeinsame politische Leitlinien von Staat und Zivilgesellschaft bei der Prävention von Rechtsextremismus und Rassismus. Und wir setzen dafür natürlich auch zusätzliche Mittel ein, und zwar vor allem bei den vier im Folgenden genannten Punkten:
Das ist zum einen das präventive Handeln vor Ort; denn das Engagement gegen Rechtsextremismus und Rassismus muss vor allem in den Kommunen stattfinden. Es ist dort ein Kernelement der Präventionsarbeit, denn hier findet die tägliche Auseinandersetzung statt. Hier müssen Menschen ganz konkret mit rechtsextremistischen und rassistischen Vorkommnissen umgehen können.
Wenn bei einer Demonstration vor Ort menschenfreundliche Sprüche geäußert werden, wenn im Stadtrat die NPD versucht, demokratiefeindliche Anträge durchzubringen, wenn bei einer Informationsveranstaltung zur Flüchtlingsunterbringung gegen Geflüchtete gehetzt wird oder, wie zum Beispiel
in Bielefeld vorgekommen, wenn plötzlich ein stadtbekannter Nazi in der Vorlesung neben dir sitzt: In solchen Fällen ist Handlungssicherheit und Orientierung notwendig.
Diese Orientierung ist notwendig, um zu wissen, bei wem man sich über Handlungsstrategien informieren kann, wie man gemeinsam Bündnisse gegen Rechtsextremismus und Rassismus bilden kann. Das ist so wertvoll und wichtig. Es ist oft gar nicht so selbstverständlich, wie wir glauben.
Deshalb möchten wir dieses Engagement noch stärker unterstützen. Dafür stellen wir mit dem diesjährigen Haushalt zusätzlich 2,3 Millionen € zur Verfügung. Darin enthalten ist die Aufstockung der jährlichen Förderung der Maßnahmen der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus, die wir von 200.000 € auf insgesamt 450.000 € erhöhen. Darin enthalten ist außerdem die Erhöhung der jährlichen Mittel der Opferberatung von 500.000 € auf 570.000 €.
Überwiegend soll mit diesen Mitteln aber die Entwicklung und Umsetzung kommunaler Handlungskonzepte gegen Rechtsextremismus und Rassismus gefördert werden, damit die Kommunen dort noch besser aufgestellt sind – nämlich dort, wo andere gerade versuchen, Hass und Gewalt zu säen.
Dafür haben wir bereits erste Gespräche mit Vertretern der kommunalen Spitzenverbände geführt. Wir entwickeln im Moment gemeinsam ein Konzept, wie wir diese Unterstützung am besten umsetzen können, sodass in den Kommunen ein größtmöglicher Nutzen entsteht. Ich gehe davon aus, dass wir die Kommunen noch im Juni über den weiteren Verlauf informieren können.
Ich komme zum zweiten Punkt, dem Ausbau der Beratungs- und Unterstützungsangebote. Denn Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, und Menschen, die davon betroffen sind, brauchen im Alltag kompetente Hilfe und qualifizierte Unterstützung.
Seit 2013 unterstützt das Land deshalb die fünf Mobilen Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus mit jährlich 200.000 €.
Die Mobile Beratung bietet dabei Hilfe zur Selbsthilfe für Kommunen, für lokale Bündnisse, für Verbände, für Vereine und auch für Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker. Sie vermittelt Wissen über rechtsextreme Vorkommnisse und sie unterstützt beim Engagement gegen Rechtsextremismus.