Protokoll der Sitzung vom 08.06.2016

Dieser Jugendmedienschutzstaatsvertrag hat jetzt schon eine kleine Geschichte hinter sich. Als Zombie lag er zwischen 2010 und 2015 in seiner Gruft; aber in dieser Gruft war es nicht so ganz ruhig. Es gab immerhin sage und schreibe drei Onlinekonsultationen, es gab Vorgänge und Anpassungen sowie Versuche der Ausbesserung. Doch waren das mehr Schönheitsreparaturen als eine Kernsanierung.

Eine Kernsanierung wäre jedoch nötig gewesen, um einen zeitgemäßen, lebendigen und mitwachsenden Jugendschutz für den digitalen Lebensraum zu erschaffen.

(Beifall von den PIRATEN)

Allerdings ist mit diesem Zombie innerhalb des Neunzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrages

kein Innovationspreis zu gewinnen, nicht einmal eine Ehrenurkunde. Deutschland hinkt digital hinterher und macht den Eindruck, dass man hier zwar relevanten zeitgemäßen Lösungen hinterherläuft, jedoch nicht die Kraft aufbringen kann, sie auch wirklich zu erreichen. Dieser Jugendmedienschutzstaatsvertrag ignoriert schlicht die Entwicklung des dynamischen Internets der letzten sechs Jahre.

Okay, wenigstens ist das peinliche Konzept von den Sendezeiten für das Internet so ein bisschen in den Hintergrund gerückt, dafür ist aber der technische Jugendschutz hervorgehoben worden. Die Alterskennzeichnung von Internetinhalten, meine Damen und Herren, ist ungefähr so zeitgemäß wie eine Dampflok auf der ICE-3-Strecke zwischen Köln und Frankfurt.

Alterskennzeichnungen schützen auch niemanden vor „Hate Speeches“, liebe Frau Kollegin Lisa Steinmann. Das ist eine völlig andere Baustelle. Die Idee einer solchen Alterskennzeichnung ist zwar so als Schnellschusshandlung nachvollziehbar, es hapert jedoch an der Realisierbarkeit und damit auch an ei

ner Akzeptanz. Bisher werden die Jugendschutzprogramme kaum verwendet. Sie sind schlechte Nischenprodukte, genauso übrigens wie die Implementierungen dieser technischen Altersklassifizierungen.

Wir haben mal einen Test gewagt und mussten dabei feststellen, dass selbst die NRW-Landesregierung und der Landtag keine solchen Kennzeichen verwenden und somit erst „ab 18 Jahre“ eingestuft würden. Wir werden diesen Staatsvertrag jedenfalls in Gänze ablehnen und empfehlen Ihnen allen, es genauso zu tun.

Dieser Staatsvertrag ist absolut deplatziert, wenn nicht sogar gefährlich für das Internet, so wie wir es heute kennen. Er ist ein stolpernder stinkender Zombie im digitalen Versagen der deutschen Netzpolitik.

Noch einmal: Der JMStV 2016 ist immer noch fast der gleiche wie der von 2010, vielleicht mit ein bisschen weniger Internetsendezeiten, dafür mit ein bisschen mehr albernen Alterskennzeichnungen. Die Softwarelösungen, die wir uns hier alle in einen Staatsvertrag schreiben, sind einfach funktional kaputt. Und böse Zungen behaupten, sie seien ein Förderprogramm für die Hersteller von Jugendschutz- und Filtersoftware.

Meine Damen und Herren, bitte lassen Sie uns aufhören, an nationalen Lösungen herumzudoktern. Es wird nicht funktionieren, es wird mehr zerstören, als dass es Nutzen bringt. Deswegen werden wir diesen Staatsvertrag mit aller Entschiedenheit ablehnen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Lamla. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Groschek in Vertretung für Herrn Minister Lersch-Mense.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Landesregierung freut sich, dass die Zustimmung so breit ausfallen wird, wie es angekündigt wurde. Sie bedauert, dass die Breite die Einstimmigkeit gleichwohl nicht abzubilden vermag.

Sechs Themen bestimmen diesen Neunzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag.

Erstens ist da der Hinweis auf das Jugendprogramm Internet, das ARD und ZDF gemeinsam entwickeln sollen, das zudem kostenmäßig gedeckelt ist und damit den Gebührenzahler nicht weiter belasten wird. Quasi im Gegenzug werden zwei Programmangebote eingestellt: der ZDF-Kulturkanal und Einsplus. Was uns freut ist die Tatsache, dass unter der Regie des WDR Einsfestival erhalten bleibt.

Zweitens ist da die Umsetzung von Evaluierungsergebnissen bezüglich des Rundfunkbeitragssystems. Das Ganze wird durch Feinjustierung gerechter. Kommunen werden gerechter behandelt, und die Wirtschaft wird bezüglich der teilzeitintensiven Beschäftigungsverhältnisse ebenfalls gerechter behandelt.

Drittens geht es darum, den Jugendmedienschutz in einem eigenen Änderungsaspekt des Staatsvertrages stimmiger auszugestalten, auf das geänderte Nutzungsverhalten abzuheben und unabhängig vom Verbreitungsweg zu vollziehen.

Viertens sollen die Produzentenbedingungen verbessert werden.

Fünftens geht es um die Vereinheitlichung der Übermittlung von Rechnungshofberichten. Es ist schon erstaunlich, welche inhaltliche Bandbreite in einem solchen Staatsvertragsänderungspaket abgebildet werden kann und offensichtlich abgebildet werden musste.

Sechstens geht es auch um umsatzsteuerliche Optimierung bei der Zusammenarbeit von Rundfunkanstalten.

Letztendlich darf ich Sie noch einmal herzlich um Zustimmung bitten. Dadurch wird ein zeitgemäßeres Angebot von öffentlich-rechtlichem Rundfunk ermöglicht und eine gerechtere Ausgestaltung des Beitragssystems gewährleistet. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Groschek. – Damit sind wir am Ende der Aussprache zu Tagesordnungspunkt 12.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Hauptausschuss empfiehlt in Drucksache 16/12132, dem Antrag Drucksache 16/10719, also dem Neunzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag, zuzustimmen und dem Antrag der Landesregierung auf Zustimmung zu diesem Staatsvertrag gemäß Art. 66 Satz 2 der Landesverfassung zu entsprechen. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Antrag und nicht über die Beschlussempfehlung. Wer dem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Piraten und FDP. Wer enthält sich? – Niemand?

(Zuruf: Die CDU hat zugestimmt!)

Entschuldigung, dann habe ich das übersehen.

(Weitere Zurufe)

Damit es überhaupt kein Problem gibt, machen wir das Ganze noch mal, damit die Abstimmung für das Protokoll einwandfrei erfolgt ist.

Wer also dem Antrag und nicht der Beschlussempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU.

(Zurufe von den PIRATEN: Ah!)

Wer stimmt dagegen? – Die Piraten und die FDPFraktion. Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist dem Antrag Drucksache 16/10719 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis stattgegeben und die Zustimmung zu dem Staatsvertrag erteilt.

Damit schließe ich Tagesordnungspunkt 12.

Wir kommen zu:

13 Mitteilung nach § 15 des Abgeordnetengeset

zes NRW

Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags Drucksache 16/12138

Ich habe die Daten zur Ermittlung eines Anpassungsbedarfs der Abgeordnetenbezüge Ihnen allen mit Drucksache 16/12138 zugesandt und damit auch veröffentlicht. Damit sind die Daten dem Landtag offiziell zugeleitet worden.

Eine Aussprache zum heutigen Tagesordnungspunkt ist nicht vorgesehen. – Das bleibt auch so. Damit stelle ich fest: Der Landtag hat sich mit der Unterrichtung befasst, indem er sie zur Kenntnis genommen hat.

Ich rufe auf:

14 Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes

über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/12068

erste Lesung

Dieser Gesetzentwurf wird eingebracht und heute nicht debattiert. Zur Einbringung des Gesetzentwurfs hat für die Landesregierung Frau Ministerin Steffens das Wort.

Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte das Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten, das PsychKG, einbringen – ein Gesetz, das wir dringend gemeinsam reformieren müssen.

Wir haben dem Landtag 2015 zu den Problemen in der Umsetzungspraxis den Evaluierungsbericht zum PsychKG vorgelegt – in der derzeit geltenden Fassung von 1999, die mit den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention, mit der Rechtslage bei den Patienten- und Patientinnenrechten und mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Unterbringung nicht mehr konform ist.

Gerade im Bereich der psychiatrischen Versorgung ist es notwendig, die Bedarfe und Bedürfnisse der Patienten und Patientinnen, der Menschen ins Zentrum einer solchen Gesetzgebung zu stellen. Und es muss klar sein, dass der Grundsatz: „Die Würde und persönliche Integrität der Betroffenen sind zu schützen, und ihre Freiheit und Unabhängigkeit sind zu achten“, als Leitsatz darüber stehen muss.

Für uns ist bei der Novellierung Folgendes klar: Patienten- und Patientinnenrechte müssen gestärkt werden. Behandlungsvereinbarungen und Patientenverfügungen haben einen wichtigen Stellenwert in der Versorgung. Es bestehen umfassende Informations- und Aufklärungspflichten. Und vor allen Dingen können Zwangsbehandlungen – unter ganz strengen Voraussetzungen – nur der allerletzte Schritt sein, wenn alle anderen Maßnahmen und Mittel nicht greifen und unabhängige Kontrollen durch das Betreuungsgericht gesichert sind.

Das gilt auch bei Fixierungen. Denn es ist wichtig, die Wiedererlangung des Selbstbestimmungsrechts des Einzelnen immer in den Vordergrund zu stellen und dies konzeptionell in allen Bereichen umzusetzen.