Protokoll der Sitzung vom 06.07.2016

Das allein war es, was ich als verfassungswidrig eingestuft habe. Um sich über diese Fragestellung zu informieren, empfehle ich Ihnen, das nicht mit Hilfe von CDU-Anträgen zu tun, sondern das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zum Niedersächsischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu Rate zu ziehen. Das ist ein Urteil aus dem Jahr 2009, in dem die Grenzen des Landesgesetzgebers bei der Strafverfolgungsvorsorge klar festgelegt werden. Darauf bezog sich die Einlassung damals.

Wir legen heute einen Gesetzentwurf vor, der einen Modellversuch für Bodycams ermöglicht. Dieser Gesetzentwurf ist das Ergebnis genau der Abwägung, die wir in den letzten zwei Jahren, seit denen die Diskussion bereits läuft, immer angekündigt haben. Auf der einen Seite geht es um die Frage: Wie groß ist der Effekt für die Eigensicherung der eingesetzten Beamtinnen und Beamten? Auf der anderen Seite ist die Frage zu klären: Wie groß ist der Eingriff in die Grundrechte, und passt das vom Verhältnis her?

Das Ergebnis legen wir Ihnen heute vor. Es handelt sich um einen ausgewogenen Gesetzentwurf, der mit der Hau-drauf-Rhetorik der CDU nichts zu tun hat – im Gegenteil: Mit diesem Gesetzentwurf zeigen wir, dass es möglich ist, die Belange des Datenschutzes, der Bürgerrechte und der Einsatztransparenz mit den Anforderungen an polizeiliche Eigensicherung in Einklang zu bringen.

Dabei setzen wir auch die richtigen Schwerpunkte. Der Einsatz der Bodycam ist klar auf konkrete Gefahrensituationen beschränkt. Wir wollen die Beamtinnen und Beamten schützen; denn sie haben den größten Respekt verdient. Wir wollen aber keinen ausufernden Einsatz dieses einen Instruments, das ja nur ein kleiner Baustein in einem Sicherheitskonzept sein kann.

Der Minister hat es angesprochen: Wichtiger sind die Punkte „Ausbildung“ und „Deeskalation“ – das sind die Themen, bei denen es tatsächlich darum geht, mehr Sicherheit für Beamtinnen und Beamte zu schaffen. Eben ist das Stichwort „Silvesternacht“ gefallen. In jener Nacht gab es sicher viele Probleme, aber Bodycams haben da nun wirklich nicht gefehlt.

Wir schreiben gesetzlich fest, dass die Aufzeichnungen verschlüsselt erhoben und verarbeitet werden müssen und dass sie gegen Manipulationen zu schützen sind. Dem polizeilichen Gegenüber muss die Maßnahme angekündigt und transparent gemacht werden.

So führen Bodycams auch zu mehr Transparenz; denn die Betroffenen können Einsicht in die Daten nehmen. Jeder Betroffene, der sich ungerecht behandelt fühlt, kann zunächst auf diese Aufzeichnungen zurückgreifen. Dies erklärt auch den verhältnismäßig lang erscheinenden Speicherzeitraum von zwei Wochen: Die Betroffenen brauchen Zeit, um sich über ihr Agieren in der zum Teil konfliktbeladenen Situation klar zu werden.

Vor diesem Hintergrund kann man da sicher von ausgewogenen Modalitäten reden, die wir hier eingezogen haben. Insofern setzt sich der Gesetzentwurf sehr wohltuend vom Sicherheitspopulismus der CDU ab. Sowohl mit Blick auf die Kennzeichnungspflicht als auch mit Blick auf den Einsatz von Bodycams erhöht er die Transparenz polizeilichen Handelns, und er schützt so die Beamtinnen und Beamten – sie ha

ben unseren Respekt verdient – vor Gewalt. Vor diesem Hintergrund und in diesem Sinne freue ich mich sehr auf gedeihliche Beratungen im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Bolte. – Damit sind wir am Ende der Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/12361 an den Innenausschuss. Wer stimmt dem so zu? – Gibt es dazu Gegenstimmen oder gar Enthaltungen? – Beides nicht der Fall. Damit ist einstimmig so überwiesen.

Ich rufe auf:

8 Gesetz zur Änderung des Beamtengesetzes

für das Land NRW (Landesbeamtengesetz – LBG NRW)

Gesetzentwurf der Fraktion der CDU Drucksache 16/9578

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses Drucksache 16/12367

zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die SPDFraktion Herrn Kollegen Stotko das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hinter dem etwas sperrigen Titel – das sage ich für diejenigen, die sich dafür interessieren – verbirgt sich die Frage, inwieweit Schmerzensgeldansprüche, die Kolleginnen und Kollegen bei der Polizei zustehen, für den Fall, dass sie gegenüber dem jeweiligen Täter nicht durchgesetzt werden können, dann seitens des Dienstherrn erfüllt werden.

Ich will es einmal so formulieren: Wir wissen nicht, ob es eine solche Regelung außer im Bund oder in Bayern auch in Wales oder in Portugal gibt. Mit Rücksicht auf diese beiden europäischen Nachbarn will ich meinen Redebeitrag kurz halten.

Mit der hier vorgeschlagenen Regelung werden nicht alle erfasst, zum Beispiel nicht die Tarifbeschäftigten im Jobcenter, in dem sie Seite an Seite mit Beamten arbeiten. Wir haben auch noch immer nicht die Frage geklärt, auf welche Art und Weise Titel erlangt werden, um einen Schmerzensgeldanspruch durchzusetzen. Zudem haben wir im Rahmen der Anhörung erfahren, dass es unter anderem in Bayern durchaus

Schwierigkeiten bei der praktischen Durchführung gibt.

Insofern: Im Grundsatz finden wir die Idee richtig; in der Praxis ist der vorliegende Gesetzentwurf jedoch nicht durchsetzbar. Daher werden wir ihn hier endgültig ablehnen. – Besten Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Stotko. – Für die CDU-Fraktion spricht nun Herr Kollege Lohn.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst ein Wort zum Kollegen Stotko im Zusammenhang mit seiner Bemerkung über die Angestellten: Das wird in Tarifverträgen geregelt; das sollten Sie als Gewerkschafter und Personalvertreter eigentlich wissen. Das regelt nicht das Parlament.

(Zuruf von Thomas Stotko [SPD])

Leider Gottes ist es so, dass die Gewalt und damit auch die Angriffe auf Polizeibeamte sowie auf andere Beamte mit Vollstreckungsaufgaben in den letzten Jahren dramatisch zugenommen haben. Gleichzeitig scheitert die Durchsetzung von Schmerzensgeldansprüchen gegenüber den Tätern sehr oft an der fehlenden Liquidität. Schlicht ausgedrückt heißt das: In Sachen Schmerzensgeld ist bei den Kriminellen nichts zu holen.

Mit dem Gesetzentwurf der CDU-Fraktion soll eine Möglichkeit geschaffen werden, dass der Dienstherr ab einer Bagatellgrenze von 250 € Schmerzensgeldzahlungen quasi in Vorleistung an die verletzten Beamten vornehmen kann. Wenn Beamtinnen und Beamte im wahrsten Sinne des Wortes für uns und unser Land den Kopf hinhalten, dann ist das Schmerzensgeld das Mindeste an Entschädigung und Genugtuung, was sie verlangen dürfen.

Gewalt gegen öffentliche Bedienstete ist zu einem Massenphänomen geworden. Dieses Phänomen darf nicht gesellschaftsfähig werden.

Erschreckend sind die Zahlen über die Angriffe auf Polizisten und Polizistinnen. Im Jahr 2015 wurden in Nordrhein-Westfalen fast 14.000 Polizisten beleidigt, bedroht oder körperlich angegriffen. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Anzahl der Attacken nochmals um 3 % angestiegen. In 497 Fällen sind Polizeibeamte schwer verletzt worden. In weiteren 527 Fällen trugen sie leichtere Verletzungen davon. Sieben Angriffe wurden sogar als versuchter Mord oder als Totschlag eingestuft.

Aus diesem Grund schlägt die Gewerkschaft der Polizei zu Recht Alarm. Sie berichtet, dass in Nordrhein

Westfalen inzwischen alle 67 Minuten ein Polizist attackiert wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn es die Landesregierung schon nicht schafft, diejenigen vor Gewalt zu schützen, die uns beschützen sollen, dann sollte sie zumindest den vielen Hundert Polizistinnen und Polizisten, die Opfer von Gewalt geworden sind, Respekt, Dank und auch Unterstützung entgegenbringen.

(Beifall von der CDU)

Respekt und Unterstützung sind jedoch nicht nur ein Gebot der Fürsorgepflicht, sondern das ist auch eine Frage des Anstandes als Arbeitgeber.

Leider passiert in Nordrhein-Westfalen viel zu oft das Gegenteil.

Einige Beispiele: Innenminister Jäger posaunt nach den Hogesa-Krawallen Ende 2014 in Köln mit fast 50 verletzten Polizistinnen und Polizisten im WDR heraus, das polizeiliche Einsatzkonzept sei voll aufgegangen, und spricht – völlig daneben! – von einem „Erfolg“.

Innenminister Jäger – das haben wir eben gehört – knickt zusammen mit der SPD vor den Grünen ein und verordnet eine Kennzeichnungspflicht für die Bereitschaftspolizisten. Dadurch wird unsere Polizei völlig ungerechtfertigt unter einen Generalverdacht gestellt.

Innenminister Jäger versucht immer wieder, mit wahrheitswidriger Schönrednerei und dem arroganten Abwälzen von Verantwortung sich selbst aus der Affäre zu ziehen.

Herr Jäger, andere Minister machen das ganz anders und viel besser.

(Monika Düker [GRÜNE]: Ihr Minister Ingo Wolf!)

In Bayern, Hessen und Schleswig-Holstein zum Beispiel werden Kriminelle, die unsere Polizei angreifen, nicht nur konsequent verfolgt, sondern die Landesregierungen kümmern sich mit Vorleistungen auf das Schmerzensgeld darum, dass Beamte nicht völlig leer ausgehen. In Nordrhein-Westfalen dagegen werden die Polizisten bei der Durchsetzung ihrer Schmerzensgeldansprüche von der Landesregierung weitestgehend allein gelassen.

Zwar ist die Aktion „Kein Kind zurücklassen!“ deutlich als gescheitert zu bezeichnen; dennoch sollte die Ministerpräsidentin eine neue Aktion ins Leben rufen und den Minister auffordern, unsere Polizei nicht im Stich zu lassen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, im Namen der CDU-Fraktion darf ich hier allen Beamtinnen und Beamten – und nicht nur den Gewaltopfern unter

ihnen – unseren Dank für ihren unermüdlichen und gefährlichen Dienst aussprechen. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit und hätte von der Regierung kommen müssen. Doch dort herrscht leider Fehlanzeige.

(Beifall von der CDU)

Die CDU redet aber nicht nur, sondern wir handeln auch. Die Bundesregierung hat aktuell einen fast identischen Gesetzentwurf vorgelegt wie wir hier als CDU in NRW. Dieser Gesetzentwurf wird im Bundestag anscheinend – man höre und staune – auch von der SPD unterstützt werden. Die einzige Forderung, die die SPD aufstellt: Man möge die Bagatellgrenze von 500 € auf 250 € senken.

Liebe Kollegen der SPD, insbesondere diese Forderung nach der Senkung auf 250 € brauchen Sie nicht mehr zu erheben. Sie ist in unserem Gesetzentwurf schon enthalten.