Protokoll der Sitzung vom 07.07.2016

Vielen Dank, Herr Kollege Schulz. – Jetzt hat Frau Kollegin Scharrenbach Gelegenheit, zu antworten.

Lieber Kollege Schulz! Meine Damen und Herren der Piratenfraktion! Natürlich hat dieser Landtag auch schon versucht, als Landtag Dinge zu verändern. Aber ein Landtag kann nun einmal ein Bundesgesetz sowie die Bundeszuständigkeiten und Landeszuständigkeiten nicht ändern. Deshalb ist es ein Landtag und nicht der Deutsche Bundestag. – Erstens.

Zweitens. Sie schlagen diesen Antrag zur direkten Abstimmung vor. Sie hätten ihn ja auch überweisen können. Dann hätte man sich intensiv mit der Frage auseinandersetzen können – auch zusammen mit den Sparkassenverbänden –, warum denn die Sparkassen noch einmal 2 Prozentpunkte über dem Durchschnitt der Privatinstitute liegen. Das hätte man tun können. Aber das wollen Sie offenkundig nicht; denn Sie schlagen diesen Antrag zur direkten Abstimmung vor.

Drittens. Herr Kollege Schulz, Sie wissen sehr genau, warum die Sparkassen diverse Entwicklungen haben, die es bei Privatinstituten nicht gibt. Das hat Gründe, die in unserem Bankensystem nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern auch in der Bundesrepublik Deutschland liegen.

Viertens. Wir haben, auch wenn es die Piratenfraktion enttäuscht, weder in Nordrhein-Westfalen noch in der Bundesrepublik Deutschland eine Planwirtschaft, sondern wir haben eine soziale Marktwirtschaft. Das ist so und wird auch so bleiben.

In diesem Sinne lehnen wir Ihren Antrag ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Scharrenbach. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Markert.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! An Tagen wie diesen soll man sich kurzfassen, hat der Kollege Ott jetzt gerade noch einmal zugerufen. Aber erlauben Sie mir trotzdem, noch einmal in hoffentlich sachlicher Form zu dem wichtigen Anliegen der Piraten Stellung zu nehmen; denn – das will ich vorwegschicken – aus verbraucherpolitischer Sicht ist natürlich ein Beenden jedweder Abzocke von Bürgerinnen und Bürgern, die darauf angewiesen sind, sich Geld zu leihen, ein ehrenwertes Anliegen, das im Grundsatz und abstrakt von uns natürlich geteilt wird.

(Beifall von den PIRATEN)

In concreto müssen wir uns das aber dann leider ein bisschen genauer angucken.

Im Übrigen finde ich auch, dass bei so wichtigen verbraucherpolitischen Debatten, Frau Kollegin Scharrenbach, der Rückgriff auf Plattitüden wie „Planwirtschaft“ usw. wenig weiterhilft.

Umgekehrt hätte es vielleicht weitergeholfen, wenn die Piraten in der Tat den Antrag zur Überweisung vorgesehen hätten. Dann hätten sie zwar nicht vor den Ferien den schnellen medialen Erfolg gehabt,

aber möglicherweise eine sehr sachbezogene Debatte, bei der wir uns die Gemeinsamkeiten genauer hätten angucken können.

Sie fordern die Einführung einer Obergrenze des Dispozinses für alle NRW-Sparkassen, der maximal 8 % über dem Basiszins liegen soll. Sie begründen den Antrag mit einer übermäßigen Belastung der Verbraucherinnen und Verbraucher und dem Missverhältnis zwischen dem jetzigen Zinssatz – Herr Kollege Schulz, vielleicht würden Sie mir auch folgen – und dem durchschnittlich von Sparkassen geforderten Zinssatz.

Sie fordern auch einen Alleingang von NordrheinWestfalen, indem Sie unser landeseigenes Sparkassengesetz entsprechend ändern wollen. Dem können wir in dieser konkreten Forderung nicht folgen.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Schade!)

Richtig ist, dass bisher weder freiwillige Appelle geholfen haben noch eine Bundesratsinitiative – das sollte man auch ruhig noch einmal erwähnen – zur Schaffung einer einheitlichen Dispo-Obergrenze erfolgreich war.

Der richtige Adressat – auch das wurde eben schon angedeutet – wäre an dieser Stelle allerdings die Bundesregierung gewesen. Es gibt für ein Landesparlament übrigens auch Möglichkeiten, das zu artikulieren, etwa über eine Bundesratsinitiative. So hätten Sie das ja auch formulieren können.

Eine isolierte landesrechtliche Regelung, die nur – ich betone: nur – die Sparkassen belastet, ist kontraproduktiv und setzt die ohnehin schon unter erheblichem Druck stehenden Sparkassen noch mehr unter Druck.

Dabei sind gerade die Sparkassen – ich will im Namen unserer Fraktion noch einmal daran erinnern – die Geldinstitute, die sich am meisten gesellschafts- und sozialpolitisch engagieren. Diese nun in einen künstlich verzerrten Wettbewerb zu schicken, wäre fatal. Ein reiner Zahlenvergleich mit einer Direktbank wird dem jedenfalls aus unserer Sicht, was auch das sozial- und gesellschaftspolitische Engagement und die Chancen von kommunalen Kreditinstituten betrifft, nicht gerecht.

Neben diesen kurzen inhaltlichen Erwägungen dürfte es darüber hinaus aber auch – Kollege Schulz, Sie sind ja auch rechtskundig – noch viel gewichtiger sein, dass jedenfalls aus unserer Sicht dem Land in diesem Punkt die Gesetzgebungskompetenz für die Regelung der Materie fehlt. Das hat nichts damit zu tun, dass man nicht allgemein politisch Druck ausüben kann. Ich habe eben die Bundesratsinitiative angesprochen.

Aber zumindest fehlt die Gesetzgebungskompetenz in Nordrhein-Westfalen, um diesen singulären Aspekt zu regeln. Die Entscheidung über die Höhe der

Dispokredite trifft die jeweilige Sparkasse eigenverantwortlich. Da ich Sie als juristischen Kollegen schon länger kenne, weiß ich auch, dass Sie das eigentlich auch wissen und insofern den Antrag auch anders hätten formulieren können.

Weil wir vermutlich nachher im sportlichen Fieber vereint sind, möchte ich Sie zu einem gemeinsamen politischen Fieber einladen. Unterstützen Sie uns doch in dem Bestreben der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen, eine bundeseinheitliche Regelung für die Direktbanken zu finden. Dann hätten wir etwas gemeinsam auf den Weg gebracht.

Vielleicht gehen Sie noch einmal in sich und formulieren Ihren hier vorgetragenen und zur direkten Abstimmung stehenden Antrag so um. Dann hätten wir im Verfahren die Gelegenheit, möglicherweise über einen gemeinsamen Entschließungsantrag in den entsprechenden Fachausschüssen noch zu einer zielführenden und auch rechtlich konformen Lösung zu kommen.

In diesem Sinne: Herzlichen Dank. Vielleicht kriegen wir es ja noch gemeinsam hin.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Markert. – Damit hat Herr Kollege Witzel für die FDP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen hat unlängst etwas Interessantes gesagt, was ich hier zitieren möchte, nämlich:

„Wenn Banken für Guthaben so gut wie keine Zinsen zahlen, gibt es auch keinen nachvollziehbaren Grund für Dispozinsen in der gegenwärtigen Höhe.“

So war der Wortlaut von Dr. Norbert Walter-Borjans.

Das beschriebene Phänomen ist zutreffend. Angesichts einer Abwärtsspirale von Niedrigzinsen zu Nullzinsen, die jetzt schon in den Negativzinsbereich umkippen, und den Konsequenzen, die damit für viele Bürger drohen – kein Vermögensaufbau ist mehr möglich, die Alterssicherung wird gefährdet, das System der Lebensversicherung wird zerstört –, ist das schon ein gewichtiges Thema.

Durch Inflation in Kombination mit der Nullzinsphase verzeichnen wir eine gigantische private Vermögensvernichtung sowie eine Umverteilung von den Privaten hin zum Staat, der mit seinen Schuldenbergen durch die negative Umlaufrendite jetzt noch an diesem Phänomen verdient.

Deshalb kann ich Ihnen politisch nur raten, dieses Problem nach Ihrem Befund auch an anderer Stelle

in den Blick zu nehmen und die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. In Bezug auf die Wiederherstellung realer Marktbedingungen muss es einen Appell an Draghis unheilvolle EZB-Politik der sinnlosen Geldschwemme geben. Es geht auch darum, auf anderen Wegen eine Vermögensbildung zu ermöglichen. Genau da hat Rot-Grün kontraproduktive Signale gesetzt mit der Fast-Verdopplung der Grunderwerbsteuer in Nordrhein-Westfalen.

Zu den Disposätzen: Die FDP hat, wie Sie alle wissen, grundsätzlich Probleme mit ausufernder Regulierung und immer mehr Vorschriften für den Markt, wenn diese objektiv nicht notwendig sind.

(Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: Dass Sie Probleme mit dem Dispo haben, wissen wir!)

Der politische Wille von Rot-Grün – Sie haben das so im Bundesrat beantragt – ist eine Begrenzung des Dispo auf 8 % über Basiszins, also real 7 %. Die finden Sie bereits am Markt. Dafür gibt es Anbieter. Eine Reihe von Anbietern – Privatbanken, Volks- und Raiffeisenbanken, also zwei Säulen im Bankensystem – haben sogar noch günstigere Dispokonditionen als die 7 %, die Sie in den Blick nehmen.

Wir haben uns ganz aktuell noch einmal in den Vergleichsportalen umgeschaut. Der Bereich der Volks- und Raiffeisenbanken fängt an bei 4,3 % Dispozinssatz; das geht weiter über 5-, 6- und 7%ige Angebote, die Sie dann auch bei Privaten finden. Solche Angebote gibt es natürlich nicht von allen Instituten; das ist die logische Konsequenz aus Markt und Wettbewerb.

Interessant ist das, was der Kollege Schulz angesprochen hat: Die dritte Säule des Bankensektors – und das sind bekanntlich die Sparkassen – fehlt mit entsprechenden Angeboten innerhalb Ihres Korridors. Diese liegen bei den Belastungen oft an der Spitze.

Ich könnte da die Liste der Beispiele des Kollegen Schulz noch verlängern: Sparkasse Geseke: 11,8 %; Sparkasse Kierspe-Meinerzhagen: 11,97 %; Sparkasse Finnentrop: 12,01 %. – Das sind die wirklichen Spitzenwerte, mit denen wir es im Land oft zu tun haben.

Die eigentlichen Herausforderungen sind daher andere als die rot-grüne Bundesratsinitiative. Es geht nämlich um die Herstellung von Markttransparenz. Warum gibt es kein Dispo-Radar, das, wie wir es beim Benzin-Radar ja auch kennen, durch entsprechende Moderation gesteuert wird?

Eine weitere Möglichkeit wäre die Stärkung der BaFin, die sich ja genau die Frage als Untersuchungsgegenstand aussucht, ob das, was in AGBs und Kreditverträgen geregelt ist, auch zeitnah und vertragskonform umgesetzt wird. Es geht also um die Anpassungszeitpunkte.

Wenn Sie von Rot-Grün es mit dem 8%igen DispoDeckel also tatsächlich ernst meinen, dann müssen Sie mit der Regulierung dort beginnen, wo es objektiv betrachtet am ehesten gerechtfertigt ist und wo Sie am ehesten auch einen Hebel haben, mit dem Sie ansetzen können. Das ist bei der dritten Säule der öffentlich-rechtlichen Anbieter, die als ÖffentlichRechtliche viele verschiedene Privilegien haben, dafür aber auch Verpflichtungen gewisser Art eingehen, die im allgemeinen Interesse liegen.

Die Piraten halten der rot-grünen Landesregierung mit diesem Antrag listig den Spiegel vor, in den Sie offenbar ausweislich der bisherigen Wortbeiträge schon gar nicht mehr hineinschauen wollen. Der Antrag der Piraten ist so formuliert, dass hier kein Gesetz zur Abstimmung gestellt wird. Vielmehr ergeht die Aufforderung an die Landesregierung, ein Gesetz vorzulegen. Dies kann auch appellativen Charakter haben.

Deshalb darf ich angesichts der bemerkenswerten Einlassungen, die es gerade von den Koalitionsfraktionen gegeben hat, nur daran erinnern: Die Vergütungstransparenz bei Sparkassen hat genau so begonnen.

Herr Kollege, die Redezeit.

Ich komme sofort zum Ende, Frau Präsidentin. – Da gab es nämlich die ersten Zweifler, die gesagt haben: Da haben wir rechtlich keine Zuständigkeit. – Schwarz-Gelb hat gesagt: Wir wollen es aber politisch regeln.

Wir haben damit angefangen und das Gesetz später noch einmal überarbeitet. Mittlerweile ist das eine schlichte Selbstverständlichkeit. So entstehen politische Veränderungsprozesse von unten.

Wenn ein politischer Wille da ist, kann man diesen Appell im Sparkassengesetz auch deutlich machen. – Ich danke Ihnen.