Protokoll der Sitzung vom 08.07.2016

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Beu. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Kollege Rasche.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Noch am Mittwoch in der Debatte um das Hafenkonzept hier in Nordrhein-Westfalen hat Jochen Ott von der SPD gesagt: Gerade bei Großprojekten im Lande Nordrhein-Westfalen brauchen wir, um diesen Wettbewerb zu gewinnen, große Einigkeit in diesem Hause.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Da helfen solche Anträge nicht!)

Zu Recht hat Herr Voussem gerade kritisiert, dass diese Einigkeit nicht einmal in der eigenen Koalition gegeben ist. Wir haben ja gerade auch in der Rede von Herrn Beu gehört, dass der Bundesverkehrswegeplan im Detail sehr differenziert bewertet wird.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Immer einer von diesen Schreihälsen bei den Grünen: Eins a, Topniveau!

Wenn man Einigkeit in diesem Hohen Hause fordert, muss man erst einmal für Einigkeit im eigenen Haufen sorgen. Das ist Ihre Aufgabe, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Wenn Herr Becker bestreitet, dass es einen Keil in der Koalition gibt, heißt das natürlich noch längst nicht, dass da nicht doch einer ist, lieber Herr Becker. Zum jetzigen Zeitpunkt müssen Sie das so sagen. Ich sage Ihnen aber voraus: Irgendwann knallt es. Dann werden Sie feststellen, wie groß dieser Keil war. – Warten wir ab, was irgendwann passieren wird.

Meine Damen und Herren, zur Ehrlichkeit gehört aber auch dazu, festzuhalten, dass das, was ansonsten im Vorspann des CDU-Antrags steht, so nun doch nicht passt. Manche in unserer Fraktion würden vielleicht sogar ein bisschen überspitzt sagen: Das ist zum Teil glatter Unsinn. – Ich tue das natürlich nicht, nenne dazu aber einmal vier Stichworte.

Erstes Stichwort: durchfinanziert. Im Jahre 2003 stand an diesem Redepult Axel Horstmann, Verkehrsminister in Nordrhein-Westfalen. Zum gleichen

Zeitpunkt stellte in Berlin die SPD den Bundesverkehrsminister. Axel Horstmann sagte – fast wortgleich wie der Kollege Voussem –: Erstmals ist dieser Bundesverkehrswegeplan 2003 durchfinanziert – im Gegensatz zu allen früheren.

Das haben Sie von der CDU damals als Märchen kritisiert. Genauso kritisieren wir das heute auch als Märchen. Denn die Aussagen von Herrn Horstmann haben sich als Märchen erwiesen.

(Inge Howe [SPD]: Das war vor 13 Jahren! Meine Güte!)

Die Aussagen zum jetzigen Entwurf werden sich auch als Märchen erweisen. Er ist eben nicht durchfinanziert.

(Beifall von der FDP)

Zweites Stichwort: Schiene. Da hat der Kollege Beu recht. Auch das passt vorne und hinten nicht. Ein RRX ohne Duisburg–Düsseldorf wird nicht funktionieren. Das ist vielleicht sogar ein Anschlag der DB AG, die ja auch Einfluss hat, auf das ganze Projekt.

Münster–Lünen ist eine glatte Enttäuschung. Eine leistungsfähige Verbindung zwischen Ruhrgebiet und Antwerpen: Fehlanzeige.

Lieber Minister Groschek, Sie haben am Mittwoch in der Debatte gesagt: Wir brauchen einen besseren Modal Split beim Güterverkehr zugunsten der Schiene. – Mit diesem Bundesverkehrswegeplan werden wir genau das Gegenteil erreichen. Damit ist eine positive Veränderung des Modal Split überhaupt nicht möglich.

(Beifall von der FDP – Carsten Löcker [SPD]: Das sagen auch die Grünen!)

Drittes Stichwort: Die Ortsumgehungen sind reihenweise beerdigt worden. Am Ende war zu wenig Geld vorhanden. Die CDU trifft in ihrem Antrag keine Aussagen, welche Maßnahmen vom weiteren Bedarf in den vordringlichen Bedarf hochgestuft werden sollen. Die Regionalräte, die vor Ort noch mehr Verantwortung übernehmen, haben das beantragt und klar benannt, welche Maßnahmen hochgestuft werden sollen und welche nicht – immer mit den Stimmen der CDU in den Regionalräten.

Wer also diese Ortsumgehungen tatsächlich unterstützen will – in Klammern: die Unterstützung nicht verweigert –, muss in einem solchen Antrag auch in der Lage sein, die Maßnahmen zu benennen, die hochgestuft werden sollen – zum Beispiel die B55Route Warstein–Erwitte oder die A57-Route Siegen– Wittgensteiner Land.

Viertes Stichwort: Transparenz. Viele Bürger vor Ort, Institutionen, Handelskammern und Bürgermeister verstehen die neue Nutzen-Kosten-Berechnung nicht. Das Ergebnis wird mitgeteilt. Aber wenn es darum geht, wie das im Detail zustande gekommen ist,

wird die Transparenz seitens des Bundes verweigert. Man muss also Zahlen und schlechte Bewertungen als Begründung für die Herabstufung hinnehmen. Aber einen Kontakt zwischen der jeweiligen Stadt und IVV, dem Büro, das alles bewertet hat, wird unterbunden.

Wer diese Transparenz verweigert, hat in der Regel etwas anderes im Sinn, nämlich bestimmte Projekte nach vorne zu schieben und bestimmte Projekte nach hinten zu schieben. Die Transparenz, um zu kontrollieren, ob das sachlich begründet ist, wird verweigert.

Meine Damen und Herren, diese Transparenz wünschen sich die Bürgerinnen und Bürger in NordrheinWestfalen. Diese Transparenz wünschen wir uns auch als FDP-Landtagsfraktion.

Unter dem Strich ist der Bundesverkehrswegeplan also in vielen Bereichen eine große Enttäuschung. Er wird uns in diesem Hohen Hause sicherlich noch manches Mal beschäftigen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Danke schön, Herr Rasche. – Für die Piratenfraktion spricht jetzt Herr Bayer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Stream-Zuschauer auf unseren Verkehrswegen und hier! Aufbau West – das soll wohl so klingen, wie es klingt: Jetzt sind auch wir mal dran. „NRW geht vor“, sagt die CDU – aber leider nicht mit Konzepten von vorgestern. Das funktioniert so nicht.

Erstens bejubeln Sie hier ein Investitionsvolumen für NRW. Es ist zwar besser als in der Vergangenheit. Aber der Anteil von 19 % passt weder zum Bevölkerungsanteil noch zum Verkehrsaufkommen noch zum Königsteiner Schlüssel, nach dem es 21 % wären. Ich sehe da keine Prioritätensetzung für den Westen.

Zweitens muss man bei uns im Westen ja nicht den gleichen Fehler machen wie im Osten, oder? Infrastruktur, die an der Zukunft vorbeigeht, will ich in NRW gar nicht haben.

Leider ist NRW gezwungen, einem Bundesverkehrswegeplan zu folgen, der noch immer einem völlig veralteten Muster der Verkehrspolitik folgt und überhaupt nicht zukunftssicher ist. Es ist sehr traurig, dass man wegen der Geldtöpfe in dieser verkehrspolitischen Sackgasse landet.

Ich vermute, dass es der CDU schwerfällt, das zu sehen. Immer noch sieht die CDU einen amerikanischen Mustang mit quietschenden Reifen als Symbol des Fortschritts.

(Holger Ellerbrock [FDP]: Ein schönes Auto! Ein tolles Auto!)

Sie können übrigens Herrn Laschet einmal ausrichten: Herausforderungen sind in diesem Haus sind ja da. Bitte auf dem Flugplatz machen, nicht im Straßenverkehr!

Groß verkündet die CDU den Vorwärtsgang für Nordrhein-Westfalen und verkennt: Moderne Elektroautos haben gar keine Gänge mehr.

(Heiterkeit von den PIRATEN)

In Ihrem Antrag heißt es, der Bundesverkehrswegeplan habe nun erstmals klare Finanzierungsperspektiven. Alle Projekte des vordringlichen Bedarfs könnten nun auch umgesetzt werden.

Wow! Das hätte ich so oder so erwartet. Aber die vermeintlich große Leistung des neuen Plans ist jetzt, dass Projekte – wohlgemerkt: nur der ersten Kategorie – sogar wirklich verwirklicht werden.

Der Rest ist weiterhin kein Plan, sondern nach wie vor eine Wunschliste, damit sich die Politiker überall im Land weiter dafür loben können, dass ihre Ortsumgehung mit drinsteht. Hundert davon werden realisiert – irgendwann im nächsten Jahrtausend. Okay; seien wir realistisch: irgendwann im nächsten Jahrhundert, wenn FDP und CDU regieren.

Aber das ist alles intransparent. Das versteht auch niemand. Alle denken: Das muss ja jetzt kommen.

Die meisten Straßenneubauten brauchen wir bereits jetzt nicht mehr. Wir brauchen sie auch 2030 nicht und danach erst recht nicht. Das betrifft auch etliche Neubauten des vordringlichen Bedarfs. Ich kann zum Beispiel als Exil-Bielefelder dem kuriosen Plan der B66n wirklich nicht zustimmen. Infrastruktur wird ja nicht für 2030 gebaut, sondern für Jahrzehnte – und nicht, weil man irgendwann einmal versprochen hat, eine Straße zu bauen, als dies noch als Lösung gegen Berufsverkehr galt.

Die Kapazitäten lassen sich heute viel günstiger und eleganter erhöhen – ganz abgesehen davon, dass die Infrastruktur der Zukunft auf die Schiene, die Wasserwege, die Radwege und den öffentlichen Personenverkehr setzen muss – nicht nur wegen des Klimawandels.

Das sagt die Bundespolitik auch immer. Aber der Bundesverkehrswegeplan zeigt leider das Gegenteil. Keines der angestrebten Ziele für die Zukunft wird mit Priorität angegangen.

Im Schienenbereich ist der Bundesverkehrswegeplan noch unausgereifter als ohnehin schon. Flaschenhälse, Knoten, die Hafen-Hinterland-Anbindungen nach Belgien und in die Niederlande – wir hinken Jahrzehnte hinter unseren Ansprüchen hinterher.

Völlig unverständlicherweise beschäftigt sich der Bundesverkehrswegeplan nicht mit dem öffentlichen Personennahverkehr, obwohl auch Bundesstraßen und Autobahnen oft vorwiegend Nahverkehrsfunktionen erfüllen – gerade in NRW.

Die auslaufenden Entflechtungsmittel und die knappen Regionalisierungsmittel für den SPNV können keine Ausrede sein.

Doch der Bundesverkehrswegeplan verfehlt nicht nur die gesellschaftlichen Ziele und stellt uns eine wenig zukunftsfähige Infrastruktur hin, die in Zukunft weder erhalten werden kann noch der Mobilität von morgen gerecht wird, sondern ist auch methodisch völlig unausgereift.

Die Bewertungsverfahren sind ganz wenig transparent, um es einmal freundlich zu formulieren, aber offensichtlich immer noch fatal, weil kleinste Zeitgewinne und neuer Verkehr hoch bewertet werden, während externe Kosten für die Gesellschaft und die ganz wichtige Netzstabilität kaum ins Gewicht fallen.