Protokoll der Sitzung vom 14.09.2016

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich würde gern mit einem Lob an die FDP-Fraktion anfangen.

(Zuruf von der CDU: Oh! Vorsicht!)

Denn beim Lesen dieses Antrags kann man ganz klar sagen: Da steht viel Vernünftiges drin.

(Zuruf von der FDP: Oh, oh!)

Wenn man es ein bisschen vergiftet formulieren wollen würde, würde man sagen: Das zeigt die Durchgrünung der FDP.

(Heiterkeit von den GRÜNEN)

Die FDP-Fraktion, die uns hier jahrelang mit Straßenneubau in allen Debatten um die Ecke gekommen ist und wenig Schwerpunkt auf Erhalt und Sanierung gesetzt hat, kommt jetzt kurz vor der Landtagswahl – jetzt, wo es richtig spannend wird – mit einem Plenarantrag um die Ecke,

(Christof Rasche [FDP]: Sie sind sehr einsei- tig!)

in dem die Landesregierung aufgefordert wird, die Mittel für den Straßenerhalt, für die Sanierungskosten, für Brückensanierung etc. heraufzusetzen. Das finden wir Grüne inhaltlich richtig.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich bin auch sicher, dass es der Koalitionspartner inhaltlich richtig findet.

Mit Blick auf den Landeshaushalt 2017 sollte man überlegen, ob nach dem Haushalt 2016 mit 115 Millionen € nicht noch eine Schippe draufgelegt werden kann, um einmal den Minister zu zitieren, der dieses Bild gern verwendet.

Es ist völlig richtig, die Bedarfsprognose sagt: Wir bräuchten im Jahr eigentlich 195 Millionen €. Die Summe ist jetzt nicht eins zu eins zu setzen. Aber natürlich wäre es gut, wenn das Land beispielsweise 130 oder 140 Millionen € im Bereich Sanierung ausgeben könnte. Laut Aussage der Abteilung im Ministerium könnte man diese Mittel direkt eins zu eins verbauen, weil es genug Planungsvorrat gibt und genug Sanierungsprojekte anstehen. Daher würden wir das von grüner Seite auf jeden Fall unterstützen.

Dass wir jetzt in der Debatte abgeschweift sind, zeigt nur, dass immer wieder versucht wird, andere Diskussionen zu führen, die hier eigentlich überhaupt nicht hingehören. Die ganze Debatte um das Sozialticket hat mit der Debatte über die Straßensanierung – ich schaue jetzt sozusagen über Sie drüber, Herr Kollege Rasche, ich schaue in Richtung CDU –

überhaupt nichts zu tun. Wir könnten auch darüber reden, diese 30 Millionen € aus dem Haushalt herauszunehmen, wenn es endlich gelingen würde, bei der Bundesregierung eine Umgestaltung der HartzIV-Regelsätze mit einem klaren Anteil für Mobilitätskosten zu erreichen.

(Beifall von der SPD – Jochen Ott [SPD]: So ist es!)

Dann bräuchten wir dieses Sozialticket nicht. Aber zu sagen, dieses Geld ist unsinnig ausgegeben, zeigt, lieber Kollege Voussem, dass Sie sozialpolitisch wirklich nicht viel auf dem Kasten haben.

Dieses Sozialticket hilft vielen Menschen mit geringem Einkommen, die vom Hartz-IV-Regelsatz leben, mobil zu sein. Es wird auch in den Städten, Kommunen und Kreisen – auch in den Städten, wo Sie als CDU gestalten oder in Bündnissen gestalten – intensiv in Anspruch genommen. Ich brauche die Zahlen hier jetzt nicht vorzutragen. Aber das Sozialticket ist durchaus ein Erfolgsmodell und wird auch von Ihren Vertretern in den Verkehrsverbünden deutlich unterstützt. Deswegen war das ein völlig unpassender Nebenzweig der Debatte eben.

(Beifall von den GRÜNEN und Jochen Ott [SPD])

Ich würde gern, weil hier einige Statistiken bemüht worden sind – jeder Redner hat so seine Zahlen, die er mit nach vorne bringt –, einen Blick auf die Zahlen werfen. Ich habe sie mir von unserem Referenten aus den verschiedenen Haushalten heraussuchen lassen.

Was zum Beispiel nicht stimmt, Herr Kollege Voussem, ist, dass Sie 2008 den Switch geschafft haben zu mehr Erhalt. Nein, nein. Jedenfalls der Landeshaushalt, der bei uns in der Fraktion abgespeichert ist, sagt, dass 2008 53,3 Millionen € für Erhalt und 67 Millionen € für Neubau von Landesstraßen ausgegeben worden sind. Sie hatten einen Peak – bevor Herr Kollege Schemmer sich meldet; ich nehme Ihnen das einfach ab –, das war 2009, wo Sie einmal 80 Millionen € ausgegeben haben.

(Achim Tüttenberg [SPD]: Da war Kommunal- wahl! – Jochen Ott [SPD]: Kommunalwahl, ja!)

In der kompletten Regierungszeit – und das richtet sich auch an den Kollegen Rasche, auch wenn er gerade da vorn andere Gespräche führt –, als die FDP in der Landesregierung war, haben Sie – um das einmal hintereinander zu zitieren – 48 Millionen €, 53 Millionen €, 53 Millionen €, 53 Millionen € für Erhalt ausgegeben.

(Jochen Ott [SPD]: Hört, hört!)

Ein einziges Mal waren es – das ist auch zugestanden – am Ende der Regierungszeit 80 Millionen €. Und die Bedarfsprognose von 2006 besagte, dass für den Erhalt von Landesstraßen pro Jahr vonseiten

des Landesrechnungshofes 97 Millionen € notwendig sind.

(Jochen Ott [SPD]: Aha!)

Das heißt: In Ihrer Regierungszeit haben Sie es bis auf ein einziges Mal nicht geschafft – und zwar weit unter der Grenze von 97 Millionen €, die prognostiziert worden sind, und bei 53 Millionen €, die im Haushalt drin waren –, dies zu erreichen.

Jetzt einen Antrag zu stellen aus der Opposition – wie gesagt, inhaltlich finde ich den in der richtigen Spur, weil er den Schwerpunkt setzt im Bereich Infrastruktur, Sanierung und Finanzierung, der notwendig ist – und uns vorzuhalten, wir würden zu wenig tun, wo Sie in Ihren Regierungsjahren bis auf ein einziges Jahr deutlich unter der Latte durchgesprungen sind und 40 Millionen € pro Jahr gegenüber der Zahl, die vom Landesrechnungshof gekommen ist, zu wenig ausgegeben haben, ist wirklich eine Blamage für den Antrag.

Deswegen können wir diesem Antrag, obwohl er inhaltlich in die richtige Richtung weist, wie es in Zukunft weitergehen sollte, nicht zustimmen, weil Sie mit Ihrer eigenen Bilanz ziemlich unterdurchschnittlich durchgehen. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Klocke. – Für die Piratenfraktion tritt nun Herr Bayer ans Pult.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Autofahrende! Ja, natürlich muss deutlich mehr Geld in den Erhalt der Straßen, auch der Landesstraßen gesteckt werden. Der Sanierungsstau ist offensichtlich. Straßen müssen repariert und dauerhaft erhalten werden. Wer kann dagegen schon etwas haben?

Dass Straßen tatsächlich dauerhaft erhalten werden müssen, ist aber scheinbar in der Politik sowohl von Schwarz-Gelb als auch von Rot-Grün eher eine neue Erkenntnis. Jede neue Straße verursacht auch Instandhaltungskosten. Je größer das Netz, desto teurer die Pflege. Die Zeiten, in denen fleißig gebaut, aber nicht erhalten wurde, haben Sie alle hier – Piraten ausgenommen – zu verantworten.

Jetzt aber müssen wir zusätzlich zum gemäßigten Ausbau und regulären Erhalt auch noch die Mittel für die sogenannte nachholende Sanierung aufbringen. Das ist richtig teuer, weil wir nicht nur Versäumnisse nachholen müssen – also das Geld, das wir hätten ausgeben müssen, jetzt ausgeben müssen –, sondern die Kosten dafür auch noch mit zunehmendem Verfall massiv ansteigen.

Eine kleine Denksportaufgabe für die FDP-Fraktion – das kriegen Sie hin –: Wie lange brauchen Straßen, bis sie nicht mehr nutzbar sind? Ab wann beginnt der Verfall, der zu hohen Folgekosten führt? Wann fängt die politische Aufgabe an, sich um den Erhalt dieser Straßen zu kümmern? Und was, bitte schön, hat die FDP damit zu tun?

Die FDP hat selbstredend gar nichts mit dem Erhalt von Landesstraßen zu tun. Das wäre auch noch schöner. Lassen wir die FDP in Ruhe mit Banalitäten des unsichtbaren Politbetriebs. In der kurzen Zeit ihrer Regierungsbeteiligung wurde auch viel mehr Wert auf den Aus- und Neubau von Straßen gelegt: mehr Straßen für mehr Autos. Aber so einfach ist das eben nicht. Der Verfall begann nicht erst mit der sozialistischen Einheitsregierung ab 2010. Wäre die FDP ehrlich an einer Verbesserung der unbefriedigenden Situation, an der es keinen Zweifel geben kann, interessiert, würde sie andere Anträge stellen.

Man kann natürlich den Antrag wie Herr Klocke positiv sehen. Das würde ich vielleicht auch tun, wenn ein entsprechender Haushaltsantrag dabeiliegen würde

(Zuruf: Genau!)

und die FDP konkrete Vorschläge machen würde, wie mit sinnvollen Investitionen die Funktionsfähigkeit und der bedarfsgerechte Erhalt der Verkehrsinfrastruktur gewährleistet würde. Aber jetzt, nach Jahren der eigenen Untätigkeit nur einfach billig zu fordern, dass Rot-Grün mehr Geld in den Erhalt der Landesstraßen investiert, ist an Bigotterie eigentlich nicht zu überbieten.

Um das klarzumachen: Wer wirft sich denn immer noch und immer wieder gerne ins Zeug für den Ausbau aller möglichen Straßen? Wer will auch heute immer noch und immer wieder gerne den Neubau von Ortsumgehungsstraßen?

(Zuruf: Die Bürger!)

Wer wirbt immer noch und immer wieder für den Neubau von Landes- und Bundesstraßen, die vielleicht in Zukunft gar nicht mehr gebraucht werden? Das ist die FDP. Wer aber immer noch und immer wieder gerne den Neubau von Straßeninfrastruktur fordert, muss auch sagen, wie er nicht nur diesen Neubau, sondern auch den dauerhaften Erhalt sichern will.

Ein Straßennetz für Lkw und Pkw ist in Ausbau und Erhalt ein Vielfaches teurer als die Alternativen vom Radweg bis zur Wasserstraße, und zwar dauerhaft durch die Instandhaltungskosten.

Wenn nur reiche Städte Radwege bauen dürfen, Herr Schemmer, ist das doppelt unfair. Denn dann sparen die am Ende doppelt: beim Bau und beim Erhalt.

(Zuruf von Bernhard Schemmer [CDU])

Sie sparen doppelt, während die anderen Straßen bauen müssen. Das ist unfair. – Die Alternativen sind notwendig, um die Belastungen der Straßen zu reduzieren. Die Alternativen haben auch Aufholbedarf.

Und die Auslastung der vielen Pkw ist schlechter als die jeder Bahn. Meistens sind nur 20 % aller Sitzplätze belegt. Bei dieser Auslastung muss genauso etwas getan werden wie bei der Effizienz der vorhandenen Straßen, die dank des technischen Fortschritts schon jetzt oder in Zukunft deutlich mehr Fahrzeuge aufnehmen könnten. Dann muss man weniger bauen.

Geld für den Erhalt wäre übrigens auch da: zu 0 % Zinsen. Kommen Sie also weg von der Schuldenbremse! Die nachholende Sanierung müsste nämlich, wenn man es richtig macht, eine zwar teure, aber einmalige Aufgabe sein. Kein Zeitpunkt wäre dafür besser geeignet als die Gegenwart. Dazu brauchen wir nicht dauerhaft mehr Mittel. Das heißt, wir müssen nicht folgende Generationen auf ewig belasten. Wir brauchen einen Topf, der es einmalig leisten kann, die Versäumnisse von Schwarz-Gelb und RotGrün zu beheben – einmal reparieren und dann ein sinnvolles und wohldimensioniertes Straßennetz dauerhaft und regelmäßig pflegen.

Außerdem brauchen wir ein fortschrittliches Verkehrskonzept, das deutlich über die Landesstraßen und Bundesstraßen hinausdenkt. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)