Protokoll der Sitzung vom 14.09.2016

Der Antrag der CDU ist weniger ein Antrag zu ShareDeals, sondern eher zu Steuersenkungen. Sie wollten sicherlich auch einmal in diesem Gespräch vorkommen. Sie bezeichnen unsere Finanzpolitik in Ihrer Überschrift als gescheitert. Das können wir nur weit von uns weisen. Wenn hier etwas nicht gescheitert ist, dann ist es die Finanzpolitik dieses Landes.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich bedanke mich für Ihr Interesse. Dass eine Arbeitsgruppe tätig ist, ist hier allseits ins Bewusstsein gerückt worden. Ich gehe zuversichtlich davon aus, dass uns der Finanzminister noch in diesem Jahr im Ausschuss berichten wird, wie erfolgreich er war. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Diet- mar Schulz [PIRATEN]: Das kann sie selbst nicht glauben! Da ist sie selbst am Grinsen!)

Vielen Dank, Frau Zentis. – Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Witzel das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Norbert Walter-Borjans, ist ja als Meister der impliziten und expliziten Steuererhöhungen bekannt. Er will den Soli für immer haben, er blockiert auch gerne mal den vollständigen Abbau der kalten Progression und hat in diesem Land befürwortet, dass schon zweimal die Grunderwerbsteuer erhöht und damit fast verdoppelt worden ist.

(Gudrun Zentis [GRÜNE]: Das hat nichts mit Share-Deals zu tun!)

Mit all diesen Maßnahmen treffen Sie nicht die Hedgefonds und ausländische Finanzinvestoren, sondern die Mitte unserer Gesellschaft: fleißige Facharbeiter, die hier mit ihrem Betrieb viel Produktivität erarbeitet haben, Arbeitnehmer, die sich eine private Alterssicherung aufbauen wollen, um dann nicht im Alter auf Sozialtransfers angewiesen zu sein. Sie treffen kleine Selbstständige, die Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen, junge Familien, die sich eine Zukunftsperspektive aufbauen wollen. All diejenigen leiden unter Ihrer Fast-Verdoppelung der Grunderwerbsteuer in Nordrhein-Westfalen innerhalb nur weniger Jahre.

(Beifall von der FDP)

Für all diese Menschen und Unternehmen haben Sie nur eines: den klebrigen Griff des Staates in die Taschen der Menschen, die etwas geleistet haben.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Oh, ist das übel!)

Sie erschweren damit die Vermögensbildung in Zeiten der Niedrig-, Null- und Negativzinsphase, in der so viele andere Instrumente ausscheiden und gerade Immobilienanlagen noch einen Weg darstellen.

Wenn hingegen Landesunternehmen und Liegenschaften derselben verkauft werden, läuft das ganz anders. Da fällt kein einziger Cent Grunderwerbsteuer an.

Wir haben Ihnen schon bei der letzten Erhöhung der Grunderwerbsteuer die Share-Deal-Problematik mit all den Daten aus der Anhörung hier im Einzelnen vorgetragen; auch meine Vorredner haben sie referiert. Wir haben die einzelnen Sachverhalte immer wieder thematisiert.

Blackstone hat keinen einzigen Cent Grunderwerbsteuer gezahlt, als es um die Verwertung der WestLB-Liegenschaften ging, seinerzeit durch die Portigon AG. Jetzt haben wir den neuen Fall der Asset- und Investmentmanager HCI Capital AG – zukünftig firmierend als Ernst Russ AG – auf der einen Seite und der Harvestehude Beteiligungsgesellschaft auf der anderen Seite, die sich, auch wunderschön filetiert, die Immobilienübertragung der WestFonds so schön aufgeteilt haben, um bloß grunderwerbsteuerfrei zu bleiben.

Sachverständige haben hier im Landtag vorgetragen, wie sich Iihre Verdopplung der Grunderwerbsteuer auch auf die Attraktivität von Share-Deals auswirkt, dass diese nämlich massiv zunimmt. Das ist auch klar; denn die Transaktionskosten für die komplexe Gestaltung von Strukturen, die auch mehrere Jahre so aufgesplittet vorgehalten werden müssen, rechnen sich eben umso mehr, wenn ein bestimmter Abgabesatz in Nordrhein-Westfalen auch erreicht wird.

Deshalb gehen Sachverständige im Immobilienmarkt davon aus, dass – während wir im Jahr 2011 noch 3 % der Transaktionen bei Share-Deals hatten wegen der seinerzeit noch nicht so großen Notwendigkeit aufgrund der niedrigen Grunderwerbsteuer – schon im vorletzten Jahr locker 20 % des Volumens erreicht wurden, die damit der Grunderwerbsteuer entzogen werden, weil es sich eben insoweit nicht mehr um die grunderwerbsteuerpflichtigen Transaktionen handelt.

Wir haben Ihnen, den Noch-Mehrheitsfraktionen von SPD und Grünen, gesagt: Wenn Sie hier behaupten, das Problem erkannt zu haben, dann halten Sie auch die richtige Reihenfolge ein! Dann gehen Sie hin und lösen zunächst dieses Problem der Share-Deals, um dann all das zu machen, was Sie hier groß als Ihre Modelle vorgestellt haben, etwa in Drucksache 16/7610 die aufkommensneutrale Reform der

Grunderwerbsteuer, die dann auch Entlastungswirkung hat. Dann muss aber der erste Schritt vor dem zweiten erfolgen.

Sie aber haben es genau umgekehrt gemacht. Sie haben gesagt: Weil wir irgendwann vielleicht einmal die Share-Deal-Problematik lösen, verdoppeln wir jetzt schon einmal die Grunderwerbsteuer, und alles andere machen wir nachgelagert. Seitdem, seit mittlerweile zwei Jahren, haben Sie nichts vorzuweisen.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: So ist es!)

Genau in dem von mir zitierten Antrag, den Sie hier verabschiedet haben, stellen Sie all das in Aussicht, was passieren soll. Ich habe mich mehrere Monate später mittels einer Anfrage beim Finanzminister erkundigt, was denn konkret passiert ist, welches Handeln der Regierung es denn gab, um diesen Landtagsbeschluss umzusetzen. Schriftlich kam die Antwort zurück: Unternommen habe man als förmlichen Vorgang gar nichts, weil man Signale anderer Bundesländer erhalten habe, dass diese eine solche Reform nicht richtig finden würden. – Die Verdopplung des Grunderwerbsteuersatzes war zu diesem Zeitpunkt aber längst erreicht.

Das finden wir falsch. Deshalb ist das Anliegen, hier zu einer sachgerechten Lösung bei Share-Deals zu kommen, richtig. Das ist aber auch nur der erste Schritt. Der zweite Schritt beider Anträge sollte es sein, klar einzufordern, dass die Grunderwerbsteuer solange gesenkt wird, bis es danach aufkommensneutral auch nach Ihren Vorstellungen möglich ist. Das wäre die vollständige Lösung, die auch die Entlastungsperspektive für Betriebe und Menschen in diesem Land mit im Blick hat. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und Dietmar Schulz [PIRATEN])

Vielen Dank, Herr Witzel. – Für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Dr. Walter-Borjans.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier ist wieder das versammelte Instrumentarium zur Anwendung gekommen. Das Erste, Herr Schulz: Sie rennen mit voller Wucht eine offene Tür ein.

(Heiterkeit von Dietmar Schulz [PIRATEN])

Das ist schön, weil Ihr Vorhaben, bitte schön diese Konstruktion zu verhindern, dass die Grunderwerbsteuer umgangen wird, indem man Gesellschaften bildet, die man mitsamt Grundstücken überträgt, richtig ist.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Dann sind wir ja einer Meinung!)

Dass es den Handlungsauftrag des Landtags an die Landesregierung gibt, ist auch richtig. Dass wir dann nichts oder zu wenig gemacht hätten, ist jedoch falsch.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Das war ja klar!)

Nach dem Einrennen der offenen Tür kommt das Prinzip der schlichten Behauptung von Herrn Krückel und Herrn Witzel, indem gesagt wird, die ShareDeals seien angestiegen, weil die Grunderwerbsteuer in die Höhe gegangen ist. Mit anderen Worten: Sie haben empirische Belege dafür, dass ShareDeals in Bayern und Sachsen nicht vorkommen?

(Ralf Witzel [FDP]: Na klar! – Der Abgeordnete hält ein Diagramm hoch.)

Ach, die machen das in Bayern jetzt auch, weil wir …

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Ja, und wie ist das in anderen Ländern mit unterschiedlicher Grunderwerbsteuer? Ich will Ihnen einmal sagen, was passiert ist: Diese hemmungslose Art, Steuern zu umgehen, wo immer das nur möglich ist, hat in den letzten Jahren enorm zugenommen. Und Sie knüpfen das jetzt an die Erhöhung der Grunderwerbsteuer. Es ist schlicht und ergreifend Unsinn, weil es überall der Fall ist.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Die Share-Deals sind die neue Mode. Das wird jetzt gemacht, und es hat nichts mit der Höhe der Grunderwerbsteuer zu tun. Sie glauben doch nicht, dass diese Gesellschaften bei 3,5 % sagen würden: Ja, die zahlen wir, das ist in Ordnung. – Das ist schlicht und ergreifend eine Behauptung, mit der Sie gern durch die Landschaft gehen möchten. Aber tun Sie das nur.

Es gibt aber ein weiteres Prinzip der schlichten Behauptung, Herr Krückel: Der Antrag in der Finanzministerkonferenz, bis zum November in einer Arbeitsgruppe zu einem Ergebnis zu kommen, ist nicht von Hessen, sondern von Nordrhein-Westfalen.

Der kleine Fehler dabei ist, dass der Kollege Thomas Schäfer, mit dem ich in engem Austausch stehe und der zum Glück an dieser Stelle den gleichen Vorstoß macht, in der Tat einen Antrag eingebracht hat, die Share-Deals nicht abzuschaffen, sondern die Übertragungsgrenze niedriger als bei 95 %anzusetzen. Das entspricht im Übrigen auch den bei uns laufenden Überlegungen.

In Hessen, Nordrhein-Westfalen und anderen Ländern gibt es allerdings auch Vorbehalte, dass das auf rechtliche Hürden stößt, die zu überprüfen sind; denn die 95 %, die bislang die Grenze sind, leiten sich von der Überlegung ab, dass bei Aktiengesellschaften ein solcher Anteil ermöglicht, die restlichen 5 % der Anteilseigner hinauszudrängen und somit im Grunde

100 % des Unternehmens zu halten. Denen sagen wir: Wenn ihr das macht, müsst ihr auch Grunderwerbsteuer bezahlen. – Diese Übertragungsgrenze niedriger zu setzen, begegnet zu meinem großen Leidwesen einigen Bedenken, die wir zunächst ausräumen müssen.

Nun hat der hessische Kollege einfach einmal einen Antrag eingebracht. Dieser Antrag wäre gescheitert, weil er nicht die Mehrheit der Länder bekommen hätte, weil die noch bestehenden Bedenken nicht ausgeräumt sind.

Darüber hinaus ist zu klären, wie es denn bei Umstrukturierungen innerhalb von Konzernen und Unternehmen ist und welche genauen Rahmenbedingungen dafür zu formulieren sind.

Deswegen, damit das nicht scheitert, habe ich in der letzten Woche gesagt: Ich möchte, dass noch in diesem Jahr diese Bedenken auch bei den anderen Ländern noch einmal angegangen und ausgeräumt werden.

Dann noch die letzte Geschichte, Herr Witzel: Sie sagen, die Grunderwerbsteuererhöhung dürfe erst der zweite Schritt sein, wenn man sichergestellt hat, dass sie von denen bezahlt wird.

Ich kann Ihnen sagen: Da müssen Sie auch für die Abschaffung der Einkommensteuer eintreten, weil es eine Menge Leute gibt, die sie nicht bezahlen. Dann müsste ich hingehen und sagen: Solange ich es nicht erreicht habe, dass alle ihre Steuern bezahlen – wir haben gerade wieder ein ganz prominentes Beispiel –, ist das praktisch ein Grund, die ehrlichen Steuerzahler von der Steuer freizustellen. Dann können Sie Ihren Staat aber als bankrott einpacken.

Deswegen ist es unser Ziel, dass wir bei der Einkommensteuer, bei der Kapitalertragsteuer und bei allen Steuerumgehungen weiter so beherzt vorgehen, wie wir das tun. Wir haben eine Menge über NordrheinWestfalen und über den Bund bis nach Europa vorgebracht. Das gilt auch für diesen Bereich.

Aber es gilt nicht, dass ich das ins Schaufenster stellen möchte, dann scheitere und anschließend sage: Ich habe es aber probiert; das kann ich belegen. – Davor schütze ich auch den hessischen Kollegen, mit dem ich in diesem Bereich eng zusammenarbeite. Interessanterweise und glücklicherweise ist es in der Finanzministerkonferenz so, dass wir das nicht nach irgendwelchen Frontlinien machen, sondern danach, was wir gemeinsam auf den Weg bringen wollen.

Das tun wir, und ich erwarte, dass wir bis November dazu eine klare Linie bekommen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Diet- mar Schulz [PIRATEN]: November – das ist ja nicht mehr so lange!)