Protokoll der Sitzung vom 14.09.2016

(Beifall von der CDU)

Man fragt sich, ob in den Gremien überhaupt über das Thema diskutiert oder Überzeugungsarbeit geleistet wurde. Wenn ja, ist es ihr offensichtlich nicht gelungen, zu überzeugen.

(Michael Hübner [SPD]: Befassen Sie sich doch mal mit dem Abkommen!)

Was für Sie als SPD-Landesvorsitzende gilt, gilt auch für Sie als Kabinettschefin der rot-grünen Regierung; denn wieder einmal liegen Sie bei einer für unser Bundesland wichtigen Zukunftsfrage mit Ihrem grünen Koalitionspartner über Kreuz. Die Ministerpräsidentin hat wieder einmal ihre Richtlinienkompetenz als Regierungschefin nicht durchsetzen können. Deshalb stellt sich die Frage, ob Nordrhein-Westfalen bei diesem zentralen Zukunftsthema eine klare Position haben wird.

Herr Kollege, Sie kommen zum Schluss, bitte.

(Michael Hübner [SPD]: Und zur Sache!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn CETA scheitern sollte, wenn wieder wichtige Chancen für unser Bundesland vertan werden und Nordrhein-Westfalen weiter zurückfällt, dann sind Sie dafür verantwortlich; denn Zukunft gestalten, Arbeitsplätze schaffen, Wohlstand sichern, das geht in der Tat anders. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kerkhoff. Bleiben Sie bitte am Pult. Es gibt eine Kurzintervention, angemeldet von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, und zwar von Herrn Kollegen Markert. – Wenn Sie jetzt noch das Mikrofon aktivieren, dann können wir Sie aufrufen. Bitte schön, Herr Markert.

Herr Präsident! Lieber Matthias Kerkhoff, in dem Feuerwerk, hier noch einmal die Vorzüge eines Freihandelsabkommens für den Wirtschaftsstandort und die Arbeitsplätze zu zelebrieren, ist ein bisschen untergegangen, dass es auch Gemeingüter gibt wie etwa unser Trinkwasser. Auch in einem Freihandelsabkommen mit Kanada – zumal die USA und Kanada ihrerseits untereinander auch noch ein Freihandelsabkommen haben – liegen natürlich gewisse Gefahren.

(Zuruf von der CDU)

Fragen muss ich nicht stellen, die hat er ja eben abgelehnt. Ich kann jetzt eine Kurzintervention machen, das ist der Unterschied. Das haben die Kollegen von der CDU noch nicht so verinnerlicht.

Wenn wir jedenfalls an die Gemeingüter denken, Herr Kollege Kerkhoff, wie stehen Sie dazu, dass das Wasser, insbesondere Wasserrechte, in Zukunft als Investition angesehen wird? Das heißt, Großunternehmen könnten beispielsweise auch auf Wasserschutzgebiete, auf unsere Grundwasservorkommen zugreifen. Große Wasserproduzenten in NordrheinWestfalen sorgen sich jetzt schon.

Im Übrigen gilt in Kanada das Vorsorgeprinzip nicht, das bei uns unter dem Stichwort „Besorgnisgrundsatz“ Eingang in das Wasserhaushaltsgesetz gefunden hat. Das heißt, das Vorsorgeprinzip beim Wasser würde durch das Freihandelsabkommen ausgehebelt.

(Henning Höne [FDP]: Grundfalsch!)

Es würde mich interessieren, wie die Partei der CDU, die sich früher auch einmal um die Schöpfung gekümmert hat, das bewertet.

(Henning Höne [FDP]: Falsch, falsch, falsch!)

Vielen Dank, Herr Markert. – Herr Kerkhoff, bitte. 1:30 Minuten für Sie.

Ich halte das Abkommen unter Abwägung aller Chancen und Risiken – ich teile noch nicht einmal die Risiken, die Sie benannt haben – für richtig. Deshalb täten die Regierungsfraktionen gut daran, einhellig dafür zu sorgen, dass aus Nordrhein-Westfalen ein Signal der Unterstützung für dieses wichtige Abkommen gegeben wird. Das wäre gut für unser Land, für die Zukunft unserer Unternehmen und der Menschen hier. Das wäre das richtige Signal, das Sie gemeinsam senden können.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kerkhoff. – Für die Piratenfraktion hat das Wort nun Herr Dr. Paul.

Vielen lieben Dank. – Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! Mehr als vier Jahre ist es jetzt her, dass das hinter verschlossenen Türen ausgehandelte ACTA-Abkommen vom zivilen Widerstand in ganz Europa zu Fall gebracht worden ist. ACTA war gestern, aber heute sind die Abkommenzombies CETA und TTIP immer noch nicht tot.

Großkonzerne und ihre politischen Gefolgsleute versprechen bedeutende Arbeitsplatzgewinne. Wir Kritiker warnen vor der Aushöhlung demokratischer Entscheidungsfindung, vor dem Absenken von Daten-, Verbraucher- und Arbeitnehmerschutzstandards sowie vor einer Manifestierung des dringend reformbedürftigen Urheberrechts.

Die kritische Zivilgesellschaft – und wir Piraten verstehen uns natürlich als Teil davon – hat es geschafft, einen öffentlichen Diskurs zu CETA und TTIP zu generieren und die Gefahren für Demokratie, die öffentliche Daseinsvorsorge und die kommunale Familie in den Mittelpunkt zu stellen – Gefahren, die etwaige positive Auswirkungen bei Weitem überwiegen. Wir Piraten lehnen CETA ab. Basta!

(Beifall von den PIRATEN)

CETA ist nämlich die Blaupause für TTIP und nichts anderes. Nur weil die Kanadier oftmals sympathischer daherkommen als die US-Amerikaner, darf man den teils gefährlichen Inhalt des Abkommens nicht unterschätzen.

Denn CETA bedeutet einen Investorenschutz, der mit unklaren Rechtsbegriffen eine Sonderjustiz für multinationale Konzerne schafft.

CETA bedeutet auch Einschränkungen legislativer Befugnisse von Landes- und nationalen Parlamenten über die Schaffung von Sondergremien.

Und es bedeutet die schleichende Abkehr vom Vorsorgeprinzip beim Daten-, Verbraucher- und Umweltschutz. Vorsorgeprinzip, meine Damen und Herren – das sollten wir uns zu Gemüte führen – ist im Kern ein europäischer Wert. Europa läuft Gefahr, die eigenen Werte zu verraten.

(Beifall von den PIRATEN)

Das sage nicht nur ich, sondern das sagt auch der umweltpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dr. Matthias Miersch.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Hört, hört!)

Liebe SPD-Granden, wenn ihr nicht auf uns hört, dann hört doch wenigstens auf die eigenen Leute!

(Beifall von den PIRATEN)

Aber die SPD führt hier leider einen demokratiegefährdenden handelspolitischen Eiertanz auf. Sigmar Gabriel erklärt TTIP für tot, nur um CETA weiter künstlich zu beatmen. Er sagte Ende August im ZDFSommerinterview – ich zitiere –:

„Die Verhandlungen mit den USA sind de facto gescheitert, weil wir uns den amerikanischen Forderungen natürlich als Europäer nicht unterwerfen dürfen.“

CETA aber könne man nicht in den gleichen Topf werfen.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller klingt da schon anders. Er sagte der „Berliner Morgenpost“ jüngst – ich zitiere –:

„Bei Ceta habe ich große Bedenken. Wenn es nicht in den nächsten Wochen noch dramatische Weiterentwicklungen und Verbesserungen gibt,

kann ich mir nicht vorstellen, dass wir das aus Berlin unterstützen können.“

Diese Verbesserungen gibt es nicht, wird es nicht geben, weil nämlich der Vertrag längst ausverhandelt ist.

Auf dem Parteikonvent am kommenden Montag wird die SPD ihre Position zum CETA-Vertrag festlegen. Wie man so munkeln hört, ist die Mehrheit der Delegierten gegen den Kanada-Deal. Gut so. Alles heimliche Piraten.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir alle wissen, dass auch viele Abgeordnete hier im Haus größte Bedenken bei CETA haben. Ich wünsche mir wirklich zutiefst, dass die Delegierten frei und dem eigenen Gewissen folgend abstimmen. Denn dann kann man CETA nur ablehnen.

Die Menschen wollen CETA nicht. Der Mittelstand will CETA nicht, und die Kommunen wollen CETA nicht. Das Vertrauen in die eigenen Akteure von Bundes- und Landesregierung bis zur EU-Kommission ist zerstört. Darum gehen Tausende Menschen am Samstag in sieben deutschen Städten auf die Straße. NRW muss CETA ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Töns.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Eigentlich müsste ich jetzt 50 Minuten haben, um über all das zu reden, was ich hier heute gehört habe. Ich möchte einmal auf zwei, drei Dinge eingehen.

Herr Kerkhoff, Gratulation, Sie kennen sich bei der Sozialdemokratie ja sehr gut aus. Zumindest wissen Sie, welche Arbeitsgemeinschaften wir haben und was sie alles äußern. Das ist schon spannend.

Ich kann Ihnen sagen, Herr Dr. Paul, es gibt bei der SPD noch Granden. Ich weiß nicht, ob es sie bei den Piraten gibt. Aber das ist schon interessant, was Sie hier von sich geben.

Vielleicht noch eine Bemerkung zu dem Kollegen Markert. Herr Kerkhoff, auf die Frage von Herrn Markert hätten Sie relativ einfach antworten können. Lesen hilft vielleicht in diesem ganzen Zusammenhang – ich sage einmal: allen beteiligten Fraktionen hier im Haus –, weil: Wasser ist nicht enthalten. Es ist ausgeschlossen. Schauen Sie einmal genau in den Vertrag. Bei aller berechtigter Kritik an einigen Punkten muss man schon ein bisschen genauer hingucken.