Protokoll der Sitzung vom 15.09.2016

Wenn dann in Schleswig-Holstein aktuell drei terrorverdächtige Syrer festgenommen werden, die auch schon ein Jahr lang beobachtet werden, dann ist das doch ein Zeichen, dass die Sicherheitsbehörden offensichtlich ausreichende Instrumentarien zur Verfügung haben, um mögliche Gefahren für die Menschen abzuwehren. Ein Jahr beobachtet heißt auch, die Gesetzeslage von vor einem Jahr hat gereicht. Da brauchen wir also nichts Neues.

Trotzdem artikulieren Sie immer wieder Forderungen, die von Aufweichungen und Abschaffung von Grundrechten bis zur Aufhebung des Datenschutzes und der ärztlichen Schweigepflicht und dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren reichen. Mit diesen immer neuen Forderungen wird aber keine Sicherheit geschaffen, sondern vor allem Unruhe in der Bevölkerung.

An diesen hier nun vorliegenden „Unsicherheitsvorschlägen“ aus der CDU merkt man vor allem eines: Sie hat den Wahlkampf 2017 eröffnet. Vor allem wird damit wohl ein Ziel verfolgt: Die CDU möchte wie kürzlich ihre Schwesterpartei aus dem Süden der Republik Schlagzeilen machen. Vielleicht glaubt sie auch, die AfD damit zu bekämpfen.

Liebe Kollegen der CDU, Sie hecheln einer angeblichen Stimmung in der Bevölkerung damit hinterher, von der aber letztlich nur die Rechtspopulisten der AfD profitieren. Schon seit vielen Monaten kann man beobachten, wie das Spiel läuft. Die AfD verbreitet Angstpropaganda, setzt Gerüchte in die Welt und stellt Deutschland am Rand der Apokalypse stehend dar.

Die Union läuft ihr hinterher und entwirft einen Punkteplan, mit dem sie meint, die Wähler beeindrucken zu können. Doch dann bei der nächsten Wahl – große Überraschung – fährt die AfD das nächste Rekordergebnis ein. Um die Proteststimmen bei der Stange zu halten, wird deren Propaganda immer schriller und extremer. Was tut die Union? Sie entwirft den nächsten Punkteplan und setzt dabei immer noch einen drauf.

Wann begreifen Sie, liebe Kollegen, dass Sie hier mit der AfD Hase und Igel spielen und am Ende die AfD immer sagen kann: Wir sind schon da. Zur Erinnerung: Am Ende der Geschichte ist der Hase tot.

Diese immer wiederkehrenden Punktepläne sind reines Wahlkampfgetöse und schon deswegen nicht seriös zu nennen, weil in allen Vorschlägen immer nur auf den islamistischen Terrorismus eingegangen wird, der Rechtsterrorismus aber mit keiner Silbe erwähnt wird, und das obwohl Übergriffe und Gewalttaten gegen Flüchtlinge, gegen ihre Unterkünfte und gegen ihrer Helfer rasant ansteigen.

Was wir statt Wahlkampflärm brauchen, ist ein nachhaltiges Risikomanagement sowie Untersuchung und Beseitigung der Ursachen von Terrorismus. Die Förderung ziviler Aussteiger- und Präventionsprogramme wie HAYAT und EXIT darf kein Dauerdiskussionsthema mehr sein, sondern diese müssen ausgebaut und gesichert werden. All das haben wir an dieser Stelle schon mehrfach gesagt und beantragt. Weiteres entnehmen Sie bitte unserem Entschließungsantrag.

Ob ich mich auf die Ausschussberatung freue, weiß ich noch nicht, aber wir werden im Ausschuss weiter beraten. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Für die Landesregierung hat Herr Minister Jäger das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie bei fast jedem Antrag zur inneren Sicherheit entgleitet auch hier die Debatte weg vom Inhalt des Antrags und hin zu einer allgemeinen Diskussion über die Sicherheitslage. Das ist auch nachvollziehbar, weil zurzeit kaum ein anderes Thema die Menschen so beschäftigt wie die Frage, wie sicher man sich in diesem Land noch fühlen kann. Das spiegelt sich auch in den Plenardebatten immer wider. Ich möchte nur auf zwei, drei Punkte eingehen, die in der Sicherheitsdebatte der letzten Wochen eine Rolle gespielt haben.

Lassen Sie mich mit der gemeinsamen Übung von Polizei und Bundeswehr beginnen. Ich will das Ergebnis vorwegnehmen: Das wird keine Marketingveranstaltung für die Truppe und die Ministerin werden. Das mag möglicherweise die Motivation der Diskussion überhaupt gewesen sein, aber die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Szenarios, in dem die Polizeien der Länder und des Bundes tatsächlich in einer Lage sind, in der sie sich von der Bundeswehr unterstützen lassen müssen, halte ich für sehr gering. Ich glaube, dass die Anschlagsszenarien in Deutschland, aber auch in Belgien und Frankreich so, wie sie stattgefunden haben, polizeilich zu bearbeiten gewesen wären.

Die Trennung in der Verfassung, auf die die Kollegin Schäffer bereits hingewiesen hat, ist sehr gut, dass die Aufgabe der Bundeswehr die Landesverteidigung und die Aufgabe der Polizei die innere Sicherheit ist.

Nichtsdestotrotz kann man sich ein Szenario vorstellen, wo eine polizeiliche Ressource endlich und möglicherweise auf die Bundeswehr zurückzugreifen ist, beispielsweise bei der Verlastung im Transport von 16.000 Bereitschaftspolizeien, die die Bundespolizei

und die Länderpolizeien gemeinsam zur Verfügung haben, um beispielsweise länger andauernde Terrorlagen zu bekämpfen. Wir sollten in diese Übungen vielleicht einmal mit einspielen, dass ein solches Szenario freitags nach 13 Uhr und montags vor 9 Uhr stattfindet. Dann ist, glaube ich, die Verfügbarkeit der Bundeswehr sehr übersichtlich, was diese Aufgabe angeht.

Nichtsdestotrotz haben wir uns vereinbart, auch unter Beteiligung von Nordrhein-Westfalen eine solche Übung durchzuführen, aber als reine Stabsrahmenübung, sozusagen nur virtuell ein solches Szenario durchzuspielen, weil ich der gleichen Auffassung bin wie die Kollegin Schäffer, es wäre eine Verschwendung von vielen Ressourcen, wenn es eine praktische Übung wäre, erst recht, wenn dies dauerhaft angelegt wäre. Das zum Thema „Bundeswehr“.

Herr Biesenbach, Sie haben Prof. Neumann und die Nachrichtendienste angesprochen. Vorab: Prof.

Neumann vom King‘s College ist, glaube ich, einer von zehn Wissenschaftlern in Europa, die die Situation und die Entwicklung von Salafismus, von Islamismus sehr gut einschätzen können. Im Übrigen war er nicht nur bei Ihnen, sondern am Abend vorher auch in der Staatskanzlei und hat die Präventionsarbeit Nordrhein-Westfalens in hohen Tönen gelobt.

Prof. Neumann war auch bereits zu einer Diskussion im Landeskabinett. Ich glaube, das ist ein Jahr her. Bemerkenswert ist, wie rasant die Veränderung der Bedrohungslage ist und wie sich die potentiellen Täter verändern. Die Zeit im Plenum reicht nicht aus, um das näher zu erläutern, aber Tatsache ist: Wir brauchen nachrichtendienstliche Informationen, Herr Biesenbach – da gebe ich Ihnen Recht –, auch die von ausländischen Diensten. Mal nutzen sie, mal nutzen sie auch nicht.

Entscheidend ist, dass vorhandenes Wissen, vorhandene Kompetenz und vorhandene Informationen gebündelt werden und wir eine gute Informationsbasis zur Bekämpfung des Terrorismus haben. Das, glaube ich, haben wir mit dem gemeinsamen Terrorabwehrzentrum in Berlin erreicht, wo die Sicherheitsbehörden der Länder und des Bundes sehr gut zusammenarbeiten.

Sie möchten jetzt gerne ein neues Messingschild beim Verfassungsschutz anschrauben, nämlich ein Kompetenzzentrum. Das kann man tun, weil ich wirklich glaube, dass man aufgrund der Veränderung der Radikalisierung, nämlich weg von der Face-to-faceRadikalisierung, hin zu einer digitalen Radikalisierung gerade im Salafismus bis hin dazu, dass die Anschlagsplanung, Anschlagsverabredung digital stattfindet, auch diese Formen noch mehr digital bekämpfen muss.

Meiner Meinung nach muss man, bevor man das Messingschild an irgendeine Tür schraubt, erst einmal überlegen, wie man es konzeptionell macht. Da

sind wir in Diskussionen, insbesondere mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz, weil das eine Aufgabe ist, die nicht 16 Verfassungsämter der Länder und des Bundes getrennt voneinander machen müssen, wahrscheinlich auch nicht sollten. Man muss zu einer Zusammenarbeit kommen, die möglicherweise so aussieht, dass man Schwerpunkte untereinander aufteilt, um bestimmte Phänomene des digitalen Terrorismus nicht gemeinsam, sondern einzeln anzugehen.

Zu guter Letzt komme ich zu der Diskussion um „Wegweiser“. Wir sind vor zwei Jahren mit dem Projekt „Wegweiser“, also junge Menschen vor dem Abgleiten in den Salafismus zu bewahren, einen neuen Weg gegangen, den es so in der Bundesrepublik und in Europa noch nicht gegeben hat. Herr Biesenbach, es ist ziemlich genau auf den Tag acht Jahre her, als Herr Laschet hier im Plenum Bootcamps für straffällige Kinder angekündigt hat. Gerade einmal acht Jahre!

Jetzt ist die CDU dabei, den Nutzen von Prävention zu erkennen. Das ist eine gute Einsicht, eine späte Einsicht, aber immer noch besser als gar keine Einsicht. Aber ich glaube, dass die CDU noch nicht restlos den Sinn von Prävention verstanden hat. Der Sinn von Prävention ist, frühzeitig Gefahren und Risiken zu erkennen und dagegen zu arbeiten. Wir schaffen es mit dem Programm „Wegweiser“, vielen, die drohen, abzugleiten, eine Tür aufzumachen, aber bedauerlicherweise – das wird bei Präventionsprojekten immer so sein – werden nicht alle durch die Tür gehen. Aber wir sind erfolgreich.

Als Maßstab will ich nehmen, dass Delegationen aus den USA, aus Belgien, aus den Niederlanden, aus anderen Staaten Europas nach Nordrhein-Westfalen kommen, um sich dieses Präventionsprojekt anzuschauen. Neben der Repression, wo wir gut aufgestellt sind, und wo ich – herzlichen Dank an die regierungstragenden Fraktionen – deutlich mehr Personal zur Verfügung gestellt bekommen habe, um die Ressourcen aufzubauen, ist die Prävention mindestens genauso wichtig, wenn wir tatsächlich wirksam und nachhaltig auf Dauer diese Form des Terrorismus bekämpfen wollen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Jäger.

Wir haben keine weiteren Wortmeldungen vorliegen und kommen zur Abstimmung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/12835 an den Innenausschuss. Die abschließende Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Der Entschließungsantrag Drucksache 16/12946 soll entsprechend

überwiesen werden. Wer stimmt dem so zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist beides nicht der Fall. Damit ist so überwiesen und der Tagesordnungspunkt 2 beendet.

Ich rufe auf – jetzt erschrecke bitte niemand – den Tagesordnungspunkt 1. Das tue ich nicht, weil er so schön war, sondern, weil ich etwas vergessen habe. Mea culpa! Wir müssen natürlich überweisen; denn wenn wir nicht überweisen, können wir gar nicht weiter über den Haushalt beraten, und das wäre unangenehm. Daran will ich überhaupt nicht schuld gewesen sein.

Aus diesem Grunde bitte ich um Ihr Einverständnis damit, dass ich den Tagesordnungspunkt 1 noch einmal aufrufe und zu den Abstimmungen komme.

Erstens stimmen wir über die Überweisung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 2017 ab. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/12500 sowie der Mittelfristigen Finanzplanung 2016 bis 2020 mit dem Finanzbericht 2017 des Landes Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/12501 an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend – sowie an die zuständigen Fachausschüsse mit der Maßgabe, dass die Aussprache des Personalhaushalts einschließlich aller personalrelevanten Ansätze im Haushalts- und Finanzausschusses unter Beteiligung seines Unterausschusses Personal erfolgt. Wer stimmt dem so zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenom

men.

Zweitens stimmen wir über die Überweisung des Gemeindefinanzierungsgesetzes 2017 ab. Hier empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/12502 an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend – sowie an den Ausschuss für Kommunalpolitik. Wer stimmt dem zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Beides ist nicht der Fall. Damit ist auch diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenom

men.

Ich danke Ihnen dafür, schließe den Tagesordnungspunkt 1 und rufe auf:

3 Landesregierung muss den Runderlass

„Unterricht für neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler“ unverzüglich zurücknehmen!

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 16/12466

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die CDUFraktion Frau Kollegin Vogt das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Im vergangenen Jahr hat eine zuvor nicht gekannte Zahl von Flüchtlingen unser Land erreicht. Bereits im letzten Sommer war klar, dass aufgrund der Altersstruktur der Flüchtlinge diese Entwicklung große Auswirkungen auf das nordrheinwestfälische Schulsystem haben wird.

Die CDU-Fraktion hat daher bereits im September vergangenen Jahres ein Gesamtkonzept zur Flüchtlingsbeschulung vorgelegt, das in einer Expertenanhörung sehr positive Resonanz fand. SPD und Grüne erklärten dazu anfangs, ein Konzept sei nicht erforderlich, da man seit Jahren so viele hervorragende Einzelintegrationsmaßnahmen hätte. Mit der Schulwirklichkeit hatte das schon damals nichts gemein.

Als der öffentliche Druck stieg, haben dann SPD und Grüne einen Integrationsplan vorgelegt. In Anbetracht der Tatsache, dass das Thema „Integration“ ein so wichtiges ist, haben wir als CDU-Fraktion unsere Bereitschaft erklärt, an diesem Integrationsplan mitzuarbeiten, und auch die Möglichkeit in Erwägung gezogen, dann die für uns wichtigen Aspekte aus unserem Gesamtkonzept zur Flüchtlingsbeschulung dort einzubringen.

Daher verzögerte es sich immer weiter. Wir haben unser Konzept weiter geschoben. Sie wissen alle, wie die Entwicklung war. Der Integrationsplan wurde gestern hier verabschiedet. Wir als CDU-Fraktion hätten uns einige Punkte deutlich anders vorgestellt.

Vor den Sommerferien, als es aber noch die Diskussionen zu diesem Plan gab, kam dann für alle Beteiligten völlig überraschend ein neuer Erlass zum Unterricht für neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler an unsere Schulen. So sollen diese Schülerinnen und Schüler ohne vorbereitenden Deutschunterricht von Anfang an am normalen Unterricht teilnehmen.

Jetzt frage ich Sie, Frau Ministerin Löhrmann: Wie sollen diese Kinder am Unterricht teilnehmen, wenn sie kein Wort Deutsch verstehen? Ich glaube, es erklärt sich von allein, dass das nicht möglich ist. Große Aufregung bei allen Beteiligten!

Es wäre wichtig gewesen, den heutigen Antrag vor den Sommerferien zu diskutieren, wie wir das gemeinsam mit der SPD beantragt haben.

(Ministerin Sylvia Löhrmann: FDP!)