Protokoll der Sitzung vom 16.09.2016

Ich finde, das ist ein sehr wichtiger Punkt. Es ist auch deswegen ein wichtiger Punkt, weil es deutlich macht, dass diejenigen, die in Berlin – ich glaube, in Berlin würde man Raffke sagen – immer wieder versuchen, alles nach Berlin zu ziehen – entgegen die seinerzeitigen Vereinbarungen –, der Republik insgesamt und nicht nur dem Land Nordrhein-Westfalen und der Region Schaden zufügen würden.

Wenn wir in der Debatte demnächst den Statusbericht der Ministerin zur Kenntnis nehmen werden – ich persönlich rechne damit, dass er kurz nach der Berlin-Wahl und eben nicht zufällig nicht vorher das Licht der Öffentlichkeit erblickt –, wird es um die Frage gehen, wie wir diesen Statusbericht zusammen zu bewerten haben. Die nächste wesentliche Aufgabe wird also sein, diesen Statusbericht möglichst einvernehmlich zu bewerten, ihm möglichst einvernehmlich zu begegnen, um dann die nächsten taktischen Schritte gemeinsam zu besprechen.

Ich glaube, diese Auseinandersetzung, die uns im Herbst dieses Jahres bevorsteht, ist die eigentliche Herausforderung. Dass wir uns jetzt gemeinschaftlich als Region, als Land zusammen mit der Landesregierung so positionieren, wie wir uns positionieren, ist nicht mehr und nicht weniger als die Grundlage.

Wir haben den letzten Teilungsbericht, 2015, zur Kenntnis genommen – der nächste kommt erst 2017 – und wissen, dass die teilungsbedingten Kosten immer weiter gesunken sind. Es spricht weniger denn je für den Komplettumzug.

Wir müssen uns – darum bitte ich alle, auch die Landesregierung – relativ kurzfristig darauf verständigen, wie wir als Parlament, wie diese Landesregierung mit dem Statusbericht umgeht. Wir werden uns in der Region – das haben wir vereinbart – dann auch wieder zusammensetzen und das als Region bewerten. Ich hoffe und ich erwarte, dass wir uns im Land, hier im Parlament, unabhängig davon, welche Fraktionen die Bundesregierung tragen, alle an das erinnern, was auch im Koalitionsvertrag steht, nämlich dass der Umzug nach Berlin nicht fortgeführt werden soll, dass das Berlin/Bonn-Gesetz gilt.

Das jedenfalls ist das, worauf ich setze. Und das ist das, was dringend nötig ist, damit wir eine Chance haben, ein vernünftiges Ergebnis zu erzielen, das auch wirklich dauerhaft trägt und keine Rutschbahn darstellt, wie das früher der Fall war.

In diesem Sinne heute wieder ein neuer Anfang!

Frau von Boeselager, ich kann Ihre Befürchtungen verstehen, aber ich bin sicher, wir werden hier dieses Jahr alle noch mal in dieser Frage zusammenkommen. – Schönen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Ver- einzelt Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Dr. Stamp.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sie wissen, dass es in diesem Hause nicht immer vorkommt, dass die Freien Demokraten Horst Becker vollumfänglich zustimmen, aber in diesem Fall können wir das tun.

(Heiterkeit von Jochen Ott [SPD] und Marc Olejak [PIRATEN])

Das gilt auch für die beiden Vorrednerinnen. Ganz herzlichen Dank für die gemeinsame Zusammenarbeit in dieser Sache!

Wir als Freie Demokraten haben auch regional angestoßen, dass alle an einen Tisch müssen, auch aus der Verwaltung vor Ort und auch die Parlamentarier aus der Region. Das hat funktioniert. Darüber sind wir sehr froh.

Ich möchte in diesem Hause ganz bewusst noch mal sagen: Es geht hier nicht um das isolierte Interesse einer Stadt. Es geht auch um das Interesse einer Region. Und es geht um das Interesse von NordrheinWestfalen. Und es geht um die föderale Struktur der Bundesrepublik Deutschland, darum, dem sich abzeichnenden Zentralismus aus Berlin, der immer stärker Bahn bricht, die Stirn zu bieten.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN – Ver- einzelt Beifall von SPD und GRÜNEN)

Deswegen ist das auch ein Thema, das in Ostwestfalen Relevanz hat, und es ist auch ein Thema, das am Niederrhein oder im Münsterland von Bedeutung ist.

Es hat auch etwas damit zu tun, dass wir in Deutschland ein großes Interesse daran haben, uns so viele Institutionen der Vereinten Nationen wie möglich zu sichern. Und für die Vereinten Nationen ist von besonderer Bedeutung, dass an diesem Standort die Bundesregierung tatsächlich noch stattfindet.

Aus diesem Grund haben wir in diesem Antrag auch herausgearbeitet, dass wir den Gedanken des UNStandortes Nordrhein-Westfalen noch ganz anders in den Köpfen verankern wollen. Wir haben in unserem Antrag konkrete Maßnahmen gefordert, wie dieses Engagement der Vereinten Nationen hier bei uns in Nordrhein-Westfalen, in Bonn noch anders gewürdigt werden kann.

Ich denke, wir haben hier einen guten Aufschlag gemacht. Horst Becker hat es bereits ausgeführt: Die große Herausforderung steht demnächst an. Wir hatten bereits spekuliert, wann die ersten Ergebnisse aus dem Bericht von Frau Hendricks vorliegen würden. Ich persönlich hatte angenommen, dass schon in der Sommerpause etwas für die Diskussion durchgestochen wird. Das ist bisher aber ausgeblieben.

Wir haben verabredet, dass wir uns sofort am nächsten Morgen zusammensetzen werden, damit wir auch weiterhin die Gewähr haben, dass wir hier alle gemeinsam mit einer Stimme sprechen können. Wenn dann auch alle Abgeordneten aus ganz Nordrhein-Westfalen dies mittragen, wäre das für unser aller Anliegen sehr hilfreich. – Herzlichen Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Vielen Dank, Herr Dr. Stamp. – Für die Piraten spricht Herr Dr. Paul.

Vielen Dank. – Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! Auch wir Piraten bekennen uns zum bundespolitischen und UN-Standort Bonn. Deshalb tragen wir – und ich sage das ausdrücklich – von ganzem Herzen den gemeinsamen Antrag aller Fraktionen hier im Hause mit.

(Beifall von allen Fraktionen)

Das Berlin/Bonn-Gesetz von 1991 gilt nach wie vor, und es sollte wirklich nicht andauernd infrage gestellt werden.

Berlin! Berlin ist momentan voll krass. Es ist eigentlich „the place to be“ für viele Menschen in der Welt. Die Stadt hat eine immer größer werdende Anziehungskraft für Kulturschaffende, für Unternehmer, für Medienleute. Aber es liegt in der dialektischen Natur

dieser Eigenschaft, dass Berlin auch die Stadt der Vollhonks und Spinner ist.

Was nicht sein darf, ist, dass in Bonn die Planungssicherheit für die Menschen von der Laune einiger Bundesminister abhängig ist. Gerade wir hier in Nordrhein-Westfalen wissen: Solide Politik ist wesentlich mehr, als durch die Mainstream-Medien zu zappeln, wie das in Berlin so oft der Fall ist. Das bringt dieser Berliner Mikrokosmos ein bisschen mit. Bonn als Korrektiv hat die Aufgabe, diese Berliner Filter Bubble immer wieder zu korrigieren und zu durchbrechen.

(Beifall von den PIRATEN)

Bonn ist nicht nur historisch als Bundeshauptstadt, Bonner Republik, sondern Bonn ist auch Zukunft: eben als Korrektiv, Korrektiv der zentralistischen Bestrebungen, dass man durch die Nähe zu Brüssel und auch die Nähe zur UN mit dem wunderbaren Campus, den Bonn jetzt hat, als Korrektiv wirkt und den Berliner Mikrokosmos immer wieder herausfordert und auch korrigiert.

Klar ist aber auch: Man muss sich über die Ministerienaufteilung zwischen Berlin und Bonn unterhalten dürfen. Die Aufgabenteilung hat sich in der Vergangenheit bewährt. Für die Zukunft darf man aber durchaus mal über eine effektivere Mittelverwendung sprechen.

Bonn genießt gerade als UN-Standort und Standort der Entwicklungszusammenarbeit – nicht so flippig wie Berlin – weltweit einen guten Ruf.

Wir erkennen auch hier ausdrücklich den Willen unserer Landesregierung an, den Standort Bonn, unser Bonn in NRW, zu stärken. Denn die Bedeutung Bonns hat auch mit der Bedeutung NRWs zu tun. Und da machen wir uns nichts vor – wenn man das mal mit Berlin vergleicht –: Nordrhein-Westfalen ist nach dem Brexit die sechstgrößte Volkswirtschaft in der Europäischen Union; wenn wir ein eigener Staat wären, wären wir in der G20. Das muss man sich immer wieder vor Augen führen.

Es gibt allerdings auch ein paar kleinere Schwächen der Eine-Welt-Politik in Nordrhein-Westfalen, unübersichtliche Aktivitäten der Landesregierung und mangelnde Fokussierung – so sehen wir das – auf bestimmte Themenfelder und Regionen. Die wirken sich auch auf Bonn als Zentrum der Entwicklungszusammenarbeit aus. Ich denke, da muss die Landesregierung mit ihrer Eine-Welt-Politik nachbessern.

Bitte stärken Sie, liebe Landesregierung, Bonn als internationalen Standort! Denn die Berlin-Bonn-Aufteilung wird auch in Zukunft – das fürchte ich – weiter infrage gestellt werden. Lassen Sie uns dafür sorgen, dass die Republik die Republik ist und nicht nur Berlin. – Vielen Dank.

(Beifall von allen Fraktionen)

Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Groschek in Vertretung für Herrn Minister Lersch-Mense.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! In der Tat: Es muss Großes geschehen, wenn Herr Dr. Stamp dem Parlamentarischen Staatssekretär Becker im Plenum die Verpartnerung anbietet.

(Heiterkeit)

Es ist Großes geschehen zwischen 2015 und 2016. Denn dieses Hohe Haus hat sich überparteilich zwischen Oppositionsfraktionen und Regierungsfraktionen auf eine Position geeinigt, obwohl die Zeit bis zur Landtagswahl kürzer und nicht länger geworden ist. Das ist bemerkenswert und zeigt, wie wichtig ein Schulterschluss und das Sprechen mit einer Stimme sind.

Deshalb erlaube ich mir jetzt eine Nebenbemerkung. Ich finde, wir sind alle gut beraten, Landtag wie Landesregierung, die Bundesregierung als Ganzes nicht aus der politischen Kollektivhaftung dafür zu entlassen, dass sie insgesamt geradestehen muss für das Einhalten des Gesetzes.

(Beifall von allen Fraktionen)

Einzelne Ministerinnen oder Minister zu Prügelknaben oder -mädeln zu machen, hilft nur denen, die Bonn schaden wollen. Deshalb sollten wir diesen Ansatz nicht weiter verfolgen.

Der Faktencheck zeigt: Ja, es ist etwas ins Rutschen geraten. Wir haben einen dynamischen Rutschbahneffekt bei den Arbeitsplätzen und bei dem Stellenwert der zurückgebliebenen Ministerien. Wir haben ein schrittweises Aushöhlen, das an Systematik erinnert. Wir haben eine aufweichende Rückendeckung, je weiter Bundesländer von Bonn entfernt beheimatet sind.

Deshalb ist es wichtig, den Statusbericht der Bundesregierung und die Gesprächssignale ernst zu nehmen und aufzugreifen.

Bemerkenswert ist, dass die Positionierung der Region als Überschrift einen programmatischen Handlungsauftrag formuliert: Bonn als zweites bundespolitisches Standbein, als Stärkung des Föderalismus und Bonn gleichzeitig als weiterzuentwickelndes Kompetenzzentrum für Bildung, Wissenschaft, internationale und nachhaltige Entwicklung im nationalen Interesse und nicht nur im regionalen Strukturwandelinteresse.

(Beifall von der FDP)

Wenn die beiden Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz begreifen, dass sie mit dem Verteidigen des Status unserer Bundesstadt Bonn gemeinsam viel für ganz Deutschland erreichen können, ist viel gewonnen für ganz Deutschland.

Ich finde, wir müssen uns jetzt darauf konzentrieren, neben dem Positionspapier der Region, das sicherlich ein politisches Leuchtfeuer in der weiteren Auseinandersetzung mit der Positionierung der Bundesregierung ist, darauf zu setzen, dass die Festlegungen im Koalitionsvertrag der Bundesregierung nicht außer Acht gelassen werden. Auch da gibt es Zusagen, die politisch bindend sein müssen und nicht relativiert werden dürfen.

Das Land hilft aber auch ganz praktisch: 50 Millionen € für Bauinvestitionen, weitere Millionen für konkrete Projekte, eigene internationale und nationale Veranstaltungen zur Profilbildung der Bundesstadt Bonn. Wir setzen weiter auf Stärkung und Entwicklung unserer Bundesstadt. Die Bürgerinnen und Bürger können sicher sein: Wir werden unsere Bundesstadt und die Bundesregion eben nicht durch ein Gesetzesnetz fallen lassen, das ursprünglich Sicherheit garantieren sollte und sich zunehmend löchriger erweist.