Protokoll der Sitzung vom 05.10.2016

Problematisch ist hingegen, dass die Kreditwürdigkeitsprüfung im Ergebnis zu einer Erschwernis der Eigentumsbildung für junge Familien führen kann. Insofern, Herr Witzel: Ja, auch dieser Kritik kann man etwas abgewinnen, die Sie in der Tat etwas drastisch vorgetragen haben.

Allerdings kommt Ihr Antrag aus unserer Sicht deutlich zu früh, weil uns – anders, als es eben geschehen ist – jedenfalls noch keine empirischen Daten vorliegen, aufgrund derer wir jetzt schon beurteilen könnten, wie sich das Ganze auf dem Kreditmarkt tatsächlich entwickelt hat.

Uns fehlen für eine abschließende Bewertung die konkreten Zahlen und andere Hinweise, die Ihre dargelegten Fakten belegen.

(Ralf Witzel [FDP]: Deutscher Bundestag!)

Ja, Sie rekurrieren im Übrigen aus unserer Sicht – und das ist hier auch eben in der Debatte sehr stark betont worden – sehr stark auf junge Familien. Es ist auch nicht falsch, darauf einen Blick zu haben, insbesondere wenn man bedenkt, dass die Erwerbstätigkeiten dazu führen können, dass im wachsenden Alter das Vermögen steigt, der Lohn auch steigt. Da sind wir gar nicht so weit von Ihnen weg.

Was mich aber unheimlich umtreibt – und das hat auch diese Richtlinien-Umsetzung bis jetzt nicht geleistet –, ist die ältere Generation. Wenn man sich überlegt, was wir mit der älteren Generation machen: Das sind häufig auch Leute mit kleinem Portemonnaie, die werden schnell mal bei Handyverträgen oder bei Verbraucherkrediten abgezockt. Wenn die aber dann umgekehrt mal zur Bank oder zur örtlichen Sparkasse hingehen wollen, dann kriegen die keinen Kredit mehr, spätestens wenn sie 60 sind. Ich weiß das aus Freundeskreisen eben auch.

Und das ist, wenn man sich die Realität – im Moment Niedrigzinsphase – ansieht, natürlich genau der falsche Ansatzpunkt an dieser Stelle. Deswegen gilt unser Augenmerk, insbesondere jetzt mit Blick auf die Zukunft und die Bewertung des Gesetzes, dieser älteren Generation, weil wir es für ein Unding halten, diese Menschen pauschal sozusagen von der Investition auszuschließen, die man vorfinanziert.

Deswegen richtet sich unser Entschließungsantrag auch an die Bundesregierung, die an dieser Stelle nachbessern müsste, wie auch an einigen anderen Stellen.

Die Redezeit.

Darum fordern wir, Frau Präsidentin, die Landesregierung mit unserem Entschließungsantrag auf, sich bei der Bundesregierung für entsprechende Nachbesserungen einzusetzen und diese Gerechtigkeitslücke viel stärker im Sinne eines guten, nachhaltigen und sozialverträglichen Verbraucherschutzes zu schließen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Markert. – Für die Piraten spricht Herr Kollege Bayer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Immobilienerwerbende! Die neuen Regeln sollen vor allem die Kreditnehmer, also die Menschen, die ein Bauvorhaben finanzieren lassen wollen, schützen und darüber hinaus die Kreditgeber, die Banken, verpflichten, ihre Kunden sorgfältig zu beraten.

Beides führt dazu, dass die Banken nun insbesondere solchen Kunden keine Kredite mehr gewähren, die über wenig Eigenkapital verfügen oder die schon älter sind und womöglich vor vollständiger Tilgung des Kredits sterben. Sollte sich nämlich später herausstellen, dass es zu einer Kreditaufnahme aufgrund einer fehlerhaften Beratung gekommen ist, könnte die Bank stärker als bisher in Haftung genommen werden. Das ist das Problem. An dieser Analyse, Herr Witzel, die Sie auch getätigt haben, ist auch nichts auszusetzen.

Die Reaktionen der gehörten Verbände könnten allerdings nicht unterschiedlicher sein. Während zum Beispiel der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft sehr kritisch Stellung bezieht, begrüßt der Bundesverband der Verbraucherzentralen die Neuregelung als angemessenen Schutz der Verbraucher.

Noch sind die Erfahrungen mit der neuen Rechtslage allerdings in der Praxis sehr dünn, und zwar so dünn, als dass wir heute schon abschließend Position beziehen können. Ich verweise da auf die E-Mails, um die sich Herr Kämmerling gekümmert hat, die er teilweise zitiert hat.

Es scheint aber tatsächlich so zu sein, dass insbesondere der Umstand, dass der Marktwert der finanzierten Immobilie nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr so selbstverständlich bei der Ermittlung des Kreditrahmens berücksichtigt wird, zu unangemessenen Härten führt.

Der im Antrag kritisierte Umstand, dass die geforderte Eigenkapitalquote gerade für junge Menschen

häufig zu einem Ausschluss führt, wird vom Bundesverband der Verbraucherzentralen und anderen allerdings begrüßt. Schaut man sich die Folgen einer leichtfertigen Kreditvergabe in Erwartung künftiger Wertsteigerung sowie gesicherter Einkommen in Ländern wie in den USA oder Spanien, Griechenland an, dann kann man an einer sehr defensiven Haltung eigentlich auch keinen Zweifel haben.

Insofern finde ich es schade, dass die FDP auch diesen Antrag, den ich, wie gesagt, begründet und wirklich angemessen finde, dazu nutzt, mit unangemessenen Begriffen Schlagzeilen machen zu wollen. Von einer, wie es dort heißt, Bevormundung der Bürger kann nämlich keine Rede sein. Auch das im Antrag unterstellte originäre Eigeninteresse der Kreditinstitute, verliehenes Geld mit Sachwerten abzusichern und zurückzuerhalten, hat jedenfalls in der Vergangenheit nicht vor ganz erheblichen Mängeln bewahrt. Das haben wir gesehen.

Doch was für die Kreditwirtschaft nur Forderungen sind, bedeutet für die Menschen womöglich existenzielle Sorgen bis hin zu existenzieller Vernichtung. Die Zahl der Zwangsenteignungen geht allein in den USA und in Spanien mit der Immobilienkrise in die Hunderttausende. Das vergisst der Antrag leider zu erwähnen.

Sehen wir einmal von dem Unglück ab, in das die Menschen gestürzt werden, was man eigentlich auch gar nicht machen kann, dann bedeutete dies und bedeutet dies noch heute ganz massive volkswirtschaftliche Schäden. Milliardenwerte wurden vernichtet, Menschen wurden in den Ruin getrieben, Banken sind bankrottgegangen oder konnten nur mit vielen hundert Millionen Euro und Dollar gerettet werden.

Wenn wir heute von der sogenannten Schuldenkrise reden, müssen wir im Grundsatz über die Immobilien- und Kreditkrise reden. Deshalb ist es auch richtig, dass jetzt strenge Regeln gelten und die Banken stärker in die Pflicht genommen werden.

Wir werden aber, so meine Empfehlung, jetzt nicht gegen diesen Antrag stimmen und auch nicht dafür, sondern meine Empfehlung ist, sich zu enthalten. Es ist klar, dass das Recht vermutlich nachjustiert werden muss, um unangemessene Härten zu vermeiden.

Auch wir wollen natürlich, dass junge Familien sich ihren großen Traum vom eigenen Haus verwirklichen können. Aber wir wollen, dass sie darin lange glücklich sind, jedenfalls nicht von den Banken oder künftigen Einkommens- und Vermögensentwicklungen daran gehindert werden.

Deshalb empfehle ich auch, dem Entschließungsantrag von SPD und Grünen hier zuzustimmen. Er weist einerseits Kritik an den möglichen Härten auf,

andererseits stellt er fest, es sei noch nicht genug getan, um die Verbraucher zu schützen. Es ist typisch Regierungskoalition, das so zu formulieren, aber in diesem Fall liegt der Entschließungsantrag damit mal richtig.

Das Widerrufsrecht ist nicht scharf genug gefasst. Und es fehlen eine transparente Berechnungsweise von Vorfälligkeitsentschädigungen sowie Kriterien, nach denen Wohnimmobilienkredite vergeben werden. Das steht alles in diesem Entschließungsantrag.

Der CDU-Entschließungsantrag bringt uns allerdings nicht weiter – er bleibt weit hinter dem Antrag der FDP und auch dem Entschließungsantrag von RotGrün zurück – und fordert nichts Neues. Ich empfehle an dieser Stelle die Ablehnung. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bayer. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Kutschaty.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ziel des Bundesgesetzes zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften ist es, eine nachhaltige Kreditvergabe zu fördern und die Verbraucherinnen und Verbraucher auch wirksam zu schützen.

Wie wir alle ja noch sehr genau wissen, hatte die weltweite Finanzmarktkrise doch ihren Ausgangspunkt in einer unverantwortlichen Immobilienkreditvergabe. Von daher sind die vom Gesetzgeber mit diesem Gesetz verfolgten Ziele als solche richtig und zur Verhinderung einer erneuten Immobilien- und einer erneuten Finanzkrise sicherlich auch im Grunde erforderlich.

Allerdings stimme ich auch dem Grundanliegen der vorliegenden näheren Anträge insoweit zu, als der Eigentumserwerb von jungen Familien oder die Vergabe von Krediten an ältere Menschen beispielsweise zur Sanierung ihrer Immobilie oder zur behindertengerechten Umgestaltung der Immobilie nicht unnötig erschwert oder verhindert werden darf.

Genau das, meine Damen und Herren, hat der Bundesrat schon im letzten Jahr, am 25. September 2015, in seinem Beschluss in Unterstützung der nordrhein-westfälischen Landesregierung gefordert. Ich bedaure sehr, dass der Deutsche Bundestag dieses Anliegen des Bundesrats damals nicht aufgegriffen hat. Wir werden uns daher auch weiterhin mit diesem Thema beschäftigen. Ich gehe davon aus, dass das auch Gegenstand der Beratungen der Justizministerkonferenz im nächsten Monat in Berlin sein wird.

Dennoch darf ich Sie daran erinnern, dass das Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie erst seit wenigen Monaten in Kraft ist. Natürlich ist weder mir noch den übrigen Mitgliedern der Landesregierung verborgen geblieben, dass nicht nur die Medien diese aufgeworfenen Fragen mittlerweile sehr kritisch thematisieren.

Aber eins muss man auch zum jetzigen Zeitpunkt klar sagen: Derzeit wissen wir mangels belastbarer bzw. repräsentativer Auswertungen gerade noch nicht, ob durch das Gesetz tatsächlich auch junge Familien oder ältere Menschen bei der Kreditvergabe eingeschränkt werden.

Ich denke, es ist gut und vernünftig, zunächst erst einmal die weiteren Auswirkungen auch zu beobachten. Ich habe ein bisschen Zweifel, wenn die CDU die Aussage der Sparkassen heranzieht, dass die Kreditvergabe im ersten Halbjahr 2016 um 8,9 % zurückgegangen ist, während für diesen gesamten Zeitraum noch nicht einmal die neue Wohnimmobilienkreditrichtlinie umgesetzt war. Insofern kann man das daraus noch nicht schließen.

Herr Kollege Kämmerling hatte die soeben veröffentlichte Stellungnahme des Bankenverbandes und des Verbandes der Raiffeisen- und Volksbanken angesprochen, die lediglich empfehlen, ein Rundschreiben der BaFin zu nehmen, um die bestehenden Probleme zu lösen. Ob das ausreichend sein wird, ob das der Lösungsweg ist, bedürfte meines Erachtens noch einer genaueren Prüfung. Es macht meiner Meinung nach aber deutlich, dass wir sehr genau noch einmal darüber diskutieren müssen, was tatsächlich noch zu verbessern ist und welche Auswirkungen das haben wird.

Wir als Landesregierung werden daher die Auswirkungen genau beobachten und uns bei der Bundesregierung stets für verbraucherfreundliche Lösungen einsetzen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Kutschaty. – Damit sind wir am Ende der Aussprache, die ich damit auch schließe.

Wir kommen zur Abstimmung, erstens über den Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/13022. Die antragstellende Fraktion der FDP hat eine direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen damit zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags in der Drucksache 16/13022. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen. Damit enthalten sich demzufolge – bitte einmal aufzeigen, damit ich nichts Falsches sage – die CDU-Fraktion und wie im Rede

beitrag angekündigt auch die Piraten. Mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis ist der Antrag der FDP-Fraktion Drucksache 16/13022 abgelehnt.

Wir kommen zweitens zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/13104. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die Piraten und der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen. Wer stimmt dagegen? – FDP- und CDU-Fraktion. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Damit ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis der Entschließungsantrag Drucksache 16/13104 angenommen.

Wir kommen drittens zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/13111. Wer möchte diesem Entschließungsantrag zustimmen? – Das ist die CDU-Fraktion. Gegenstimmen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die Piraten und der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen. Die Enthaltungen sind demzufolge bei der FDPFraktion. Damit ist der Entschließungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/13111 mit dem soeben festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Wir sind damit am Ende von Tagesordnungspunkt 9.

Ich rufe auf:

10 Kommunale Steuererhöhungsspirale durch

das Gemeindefinanzierungsgesetz nachhaltig stoppen

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/13025