Das bedingungslose Grundeinkommen hat dabei einen Effekt, der kaum zu unterschätzen ist; denn es sichert die wirtschaftliche Existenz von Menschen einfach absolut, und zwar ohne
oder zumindest mit weniger bürokratischen Hürden als vorher und mit dem Signal, dass der Staat den Menschen nicht mehr misstraut. Was die Agenda 2010 angeht, so wurde gerade gesagt: Menschen können für ihren Lebensunterhalt arbeiten. – Nein, das ist falsch. Das Wort muss man austauschen; denn korrekt heißt es: Die Menschen müssen für ihren Lebensunterhalt zuerst arbeiten, und dann bekommen sie staatliche Hilfe.
Dieses Grundvertrauen des Staates in den Menschen zu zeigen und öffentlich zu machen, das ist ein Effekt, den das bedingungslose Grundeinkommen durchaus haben kann. Dadurch würden Talente und Potenziale entwickelt und freigesetzt, die wir heute einfach noch nicht sehen können.
Jetzt gibt es ein Gegenargument, das immer wieder genannt wird, und weswegen auch ein Großteil in der Schweiz gegen das BGE gestimmt hat, übrigens gegen ein ganz bestimmtes BGE-Modell gestimmt hat. Frau Thönnissen hat es gerade gesagt: Die Arbeitsnorm in Deutschland würde untergraben; denn die
Leute würden sich ja – ich sage es einmal platt – auf die faule Haut legen. Das Beispiel war: Die einen stehen um 10 Uhr auf, und die anderen können irgendwie länger schlafen.
Ich glaube, da liegt der große Unterschied. Das können wir hier in diesem Parlament klarstellen, und das haben wir in den Ausschüssen klargestellt. Der große Unterschied liegt darin, dass wir Piraten einfach ein anderes Menschenbild haben. Wir setzen das Vertrauen in die Menschen, dass sie zur Gesellschaft beitragen wollen. Wir haben ein Vertrauen dahin gehend, dass die Menschen aktiv sein wollen. Alle Untersuchungen belegen das. Wertschätzung und Anerkennung bekomme ich nicht nur in monetärer Form – da fragen Sie mal jeden, der sich um Mitarbeiter kümmert –, sondern da geht es auch um andere Dinge, um soziale Bindung und Ähnliches.
Wenn ein Mensch sich, gestützt durch ein Grundeinkommen, um seine Angehörigen kümmern kann, weil er eben nicht mehr arbeiten gehen und die Angehörigen in ein Pflegeheim abschieben muss, wo es zu wenig Pflegekräfte gibt und wo man Angst davor haben muss, was mit den Angehörigen passiert, wenn man sich zu Hause darum kümmern kann, wenn man nicht mehr die – ich sage das aus eigener Erfahrung – polnische Krankenschwester nach Deutschland holen muss, weil einem wegen der Pflegesätze gar nichts anderes übrig bleibt, dann haben wir die Anerkennung und Wertschätzung, dann haben wir die Beteiligung, die wir meinen.
Wir glauben, dass Leistungsbereitschaft und Engagement gefördert werden können, gerade ehrenamtlich. Wir glauben auch, dass das BGE kommen muss und kommen wird.
Wenn Sie hier Kritik üben von wegen zu viel Bürokratie und fragen, wer das Geld erwirtschaftet und wie die Steuern steigen werden, dann muss ich Ihnen sagen: Wir haben extra und genau aus diesem Grund kein BGE-Modell in unseren Antrag geschrieben, sondern wir wollen die grundsätzliche Möglichkeit für eine Volksabstimmung darüber eröffnen. Es geht uns nicht um ein konkretes Modell, sondern es geht darum, über das bedingungslose Grundeinkommen zu diskutieren; denn das ist wichtig, das ist richtig, und es ist die Zukunft. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Marsching. Herr Kollege Marsching, ich möchte Sie darauf hinweisen, dass Ihr Auftritt hier – vor allen Dingen Ihre Kleidung mit diesem Pullover – dem Stil dieses Hauses nicht entspricht.
Wir haben zwischen den Fraktionen eigentlich eine Vereinbarung dahin gehend getroffen, dass man ein Jackett anzieht. Es ist nicht unbedingt notwendig, hier mit einer Krawatte zu erscheinen. Aber dass man hier vor dem Hohen Hause in einem Pullover spricht, ist äußerst ungewöhnlich und entspricht – da möchte ich mich wiederholen – nicht dem Stil dieses Hauses.
(Beifall von der SPD, der CDU und der FDP – Michele Marsching [PIRATEN]: Sie werden mich hier nicht mehr im Jackett sehen!)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die spezielle Sichtweise der Piratenfraktion auf die Funktion und Rolle von Arbeit in Wirtschaft und Gesellschaft teilt die Landesregierung ausdrücklich nicht.
Der Herr Präsident hat gerade den Kollegen Marsching angesprochen. Da er gerade erst Präsidentin Gödecke in der Sitzungsleitung abgelöst hatte, ist ihm entgangen, dass sich Herr Marsching – nachdem wir am gestrigen Tage hier den Festakt zum 70. Jahrestag des Landes Nordrhein-Westfalen begangen haben – mit diesem Antrag temporär in die Hauptrolle gesetzt hat. Er hat gesagt – das ist nicht von mir, Herr Präsident; ich weise ausdrücklich darauf hin –, dass dies hier das teuerste Theater Nordrhein-Westfalens sei. Das zeigt, wie die Rolle des Parlaments aus Sicht der Piratenfraktion – und das nicht nur auf den Antrag bezogen – einzustufen ist.
Die Verknüpfung von Arbeit und Einkommen – das ist ähnlich wie bei dem Tagesordnungspunkt zuvor; ich könnte jetzt alle vier Fraktionen, mit Ausnahme der von mir aus gesehen ganz linken, zitieren – sorgt für Leistungsanreize und stellt das Prinzip leistungsgerechter Entlohnung sicher. Die Piraten verkennen die identitätsstiftende Funktion entlohnter Arbeit.
Ohne Zweifel wird die Digitalisierung erhebliche Auswirkungen auf Wirtschaft und Arbeit haben. Welche genauen Anpassungen und Weiterentwicklungen tatsächlich nötig sein werden, kann nach Auffassung der Landesregierung mit dem heutigen Wissensstand noch nicht hinreichend identifiziert konkretisiert werden. Gerade deshalb haben sich Bund und Länder – ganz besonders unser Bundesland NordrheinWestfalen – auf den Weg gemacht, um zu verlässlicheren Einschätzungen zu kommen und daraus die politischen Handlungserfordernisse abzuleiten.
So hat das BMAS den Dialogprozess „Arbeit 4.0“ angestoßen, an dem sich die Länder – natürlich auch wir – intensiv beteiligen. Nordrhein-Westfalen hat die Allianz „Wirtschaft und Arbeit 4.0“ ins Leben gerufen.
Damit wurde eine gemeinsame Plattform für Landesregierung, Sozialpartner, Wissenschaft und Wirtschaft geschaffen, um die Entwicklungsprozesse und Herausforderungen im Zusammenhang mit Digitalisierung und Vernetzung in Nordrhein-Westfalen zu gestalten. Weitere Beispiele hat die Kollegin Warden vorhin in ihrer Rede ausführlich dargelegt.
Die unterstellte zwangsläufige Verknüpfung des bedingungslosen Grundeinkommens mit einer Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements sieht die Landesregierung auch nach der Anhörung sehr skeptisch. Konkrete Belege für diese Thesen existieren – zumindest soweit ich informiert bin – nach wie vor nicht.
Wir wollen die Menschen eben nicht entmündigen, sondern wir sehen sie nach wie vor zunächst selbst in der Verantwortung, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften selbst zu bestreiten. Dort, wo so etwas – das wissen Sie aus den aktuellen Diskussionen – bei langzeitarbeitslosen Menschen nicht möglich ist, haben wir gerade in Nordrhein-Westfalen ein gutes Modell auf den Weg gebracht: Ich spreche hier von dem Modell der „Öffentlich geförderten Beschäftigung Nordrhein-Westfalen“, das bereits gute Erfolgsquoten aufweisen kann.
Es ist eben nicht Aufgabe des Staates, diese Rolle zu übernehmen, die Sie, Herr Marsching, angesprochen haben. Vielmehr sollte der Staat die Menschen immer dann unterstützen, wenn ihnen die Bestreitung des Lebensunterhalts gegen Entlohnung nicht selbst gelingt. Davon bin ich persönlich selbst in hohem Maße überzeugt. Wirkung und Folge der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens sind nach wie vor nicht einmal annähernd abschätzbar. Auch das wurde in der Anhörung mehr als deutlich.
Die von den Piraten faktisch geforderte Auflösung unseres bewährten Sozialstaates ist mit mir, ist mit uns nicht zu machen. Mir hat die Debatte am heutigen Tage auf jeden Fall noch einmal eins gezeigt: Die wahnsinnigen Sympathien der Kollegin Freimuth zur IG Metall werde ich gerne weiterleiten. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind am Schluss der Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Hauptausschuss empfiehlt in Drucksache 16/13044, den Antrag Drucksache 16/11692 abzulehnen. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 16/11692 selbst und nicht über die Beschlussempfehlung. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem
nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag Drucksache 16/11692 abgelehnt mit Stimmen aller Fraktionen gegen die Stimmen der Fraktion der Piraten und des fraktionslosen Abgeordneten Schwerd.
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr Drucksache 16/12988
Alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen haben sich zwischenzeitlich darauf verständigt, ihre Reden zu Protokoll zu geben. (Siehe Anlage 1)
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr empfiehlt in Drucksache 16/12988, den Gesetzentwurf Drucksache 16/12069 – Neudruck – unverändert anzunehmen. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache
Wer dem seine Zustimmung geben kann, bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Enthaltungen? – Damit ist der Gesetzentwurf angenommen mit Stimmen … Ich sehe gerade, die Abstimmungslage ist etwas unklar. Kann ich die Abstimmung wiederholen? – Ich rufe das noch einmal auf.
Wir kommen somit zur Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 16/12069 – Neudruck– selbst und nicht über die Beschlussempfehlung. Wer dem seine Zustimmung geben kann, bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 16/12069 – Neudruck – angenommen mit Stimmen von SPD, Grünen und Piraten gegen die Stimmen der CDU und der FDP-Fraktion bei Enthaltung des fraktionslosen Abgeordneten
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales Drucksache 16/13045
Entschließungsantrag der Fraktion der SPD, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/13081
Ich eröffne die Aussprache und erteile für die SPDFraktion Frau Kollegin Spanier-Oppermann das Wort.