Protokoll der Sitzung vom 06.10.2016

Ich weiß das von der Trianel GmbH in Aachen. Die hat auf diese Diskussion hin in Lünen gebaut. Wir haben seinerzeit darüber gerungen. Trianel verdient an Lünen nicht einen Cent. Dort werden noch nicht mal mehr die laufenden Betriebskosten erwirtschaftet, vom Kapitaldienst ganz zu schweigen. Auch dafür tragen Sie die Verantwortung.

Deswegen haben wir uns in diesen hervorragenden Koalitionsverträgen 2010 und 2012 darauf verständigt dass wir die Kraft-Wärme-Kopplung in Nordrhein-Westfalen, die an eine lange Tradition anknüpft, ausbauen. Wir sind davon überzeugt: NRW

braucht Kraftwerke. Die modernen Kraftwerke jedoch sind so beschaffen wie das, was hier auf der Lausward steht. Das ist das beste Kraftwerk, das ich in Deutschland kenne: ein modernes Gaskraftwerk mit großem Wärmespeicher, mit Ausbau der Wärmenetze in ganz konsequenter Art, eine Kathedrale der Kraftwerkstechnik für Monika Düker.

(Heiterkeit und Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das Gleiche haben wir in Köln-Niehl mit der RheinEnergie unterstützt. Auch das war richtig, auch dort hatten wir Stadtwerke, die diesen Weg gehen wollten. Zusätzlich gibt es noch Optionen in Leverkusen und in Krefeld zur Standortsicherung der Chemieparks.

Das bedeutet also nicht, dass wir keine neuen Kraftwerke bräuchten, sondern dass sie passen müssen. Wenn hier mehr als 90 % Wirkungsgrad vorhanden sind, dann ist das richtig. Und wenn ich dann irgendeine energiepolitische Strategie der CDU bitter vermisse, dann nicht, weil wir sie bräuchten – aber es wäre schön, im Laufe der Debatte auch mal über solche Sachfragen zu reden, statt ewig nur über diese angeblichen Differenzen.

Lassen Sie mich einen zweiten Bereich ansprechen, der mir sehr wichtig ist. Derzeit wird eine intensive Diskussion über „Dieselgate“ und die Verschmutzung der Umwelt durch verschiedene große Autofirmen geführt. Hier haben wir wieder diesen klassischen Konflikt zwischen industrieller Produktion und der Gesundheit der Menschen. Ich erinnere an das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf, das möglicherweise Konsequenzen für die Dieselfahrzeuge nach sich zieht.

Ich selbst fahre seit über 30 Jahren VW, aktuell einen Passat BlueMotion. Mich ärgert es natürlich, wenn VW, Fiat oder Opel mit solchen Mogeleien – man kann schon von Betrug reden – arbeiten. Der eine schaltet die Abgasreinigung ab, sobald sich alle vier Räder drehen, denn dann ist das Auto auf der Straße. Wenn sich nur zwei Räder drehen, weiß das Auto: Es ist beim TÜV, und dann wird die Abgasreinigung eingeschaltet.

Der nächste geht hin und führt ein Thermofenster ein, welches bewirkt, dass unterhalb von 17 Grad Außentemperatur die Abgasreinigung abgeschaltet wird. Das ist in Ostwestfalen und in der Eifel zu 90 % des Jahres der Fall. Und die Italiener, also Fiat, sind dann hingegangen und haben dafür gesorgt – nach dem Motto: Nudeln sind in neun Minuten gar –, dass sich nach 20 Minuten die Abgaseinrichtung ausschaltet; denn die Zeit auf dem Prüfstand beim TÜV dauert längstens 20 Minuten. Das alles sind Betrugsmethoden. Das Gericht hat jetzt ganz klar gesagt: Das geht so nicht weiter. – Solche und ähnliche Urteile werden auch von Gerichten andernorts folgen.

Die Frage ist: Was machen wir jetzt im Bereich „Mobilität“? Wir sind in Nordrhein-Westfalen nicht die Autobauer schlechthin, aber immerhin kommen 30 % der Kraftfahrzeugzulieferer aus NRW. Vorhin haben Sie noch die StreetScooter erwähnt. Das geschieht immer noch viel zu wenig. Die Autozulieferer aus NRW haben zusammen mit der Technischen Hochschule Aachen dabei mitgeholfen, dieses moderne Elektrofahrzeug zu entwickeln. Darauf können wir wirklich stolz sein.

Die Deutsche Post mit 40.000 Fahrzeugen hat entschieden: Für unseren Bedarf bei der Auslieferung brauchen wir Elektrofahrzeuge. Da spielt dann auch die Reichweite von nur 80 km keine Rolle; denn die Lieferfahrzeuge der Post stehen auf einem Hof, werden beladen, fahren ihre 60 km und kommen wieder zurück. Sie fahren im Stadtbetrieb von Hausnummer zu Hausnummer. Da braucht ein VW Caddy 17 Liter bis 18 Liter auf 100 km; das Elektrofahrzeug braucht umgerechnet lediglich 1,5 Liter bis 2,0 Liter. Das ist Fertigung made in NRW.

Wenn es jetzt darum geht, dass die Zukunftsmärkte im Mobilitätsbereich nach vorne aufgebaut werden sollen, dann müssen wir uns melden, dann brauchen wir diese Strategie. Ein Blick durch Europa zeigt: Die Niederlande sowie die Norweger lassen ab 2025 nur noch emissionsfreie Fahrzeuge neu zu. Und der von der CDU so viel gescholtene Umweltminister Remmel hat es geschafft, im Umweltausschuss des Bundesrates mit einer 16:0:0-Entscheidung eine Position herzustellen, die dann auch der Bundesrat übernommen hat. Inhalt: Wir wollen ab 2030 europaweit nur noch emissionsfreie Neuzulassungen. Da muss doch die Glocke schellen.

Spätestens hier muss man doch erkennen: Die gesamte Pkw-Industrie wird in den nächsten Jahren umentwickelt. Ich sagen Ihnen, was wir eigentlich brauchen. Darf ich daran erinnern, dass am 25. Mai 1961 John F. Kennedy im US-Kongress gesagt: „Wir wollen noch in diesem Jahrzehnt einen Menschen auf den Mond schicken und zurückholen“? Das ist den USA am 20. Juli 1969 gelungen. Was wir eigentlich bräuchten, wäre eine nationale Anstrengung. Immerhin hängen an der Automobilindustrie 7 Millionen Arbeitsplätze, und da müssen wir sagen: Innerhalb von zehn Jahren wollen wir eine emissionsfreie Fahrzeugflotte in den Neuzulassungen. Da müssen wir hinkommen, und da müssen wir uns alle anstrengen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wenn der StreetScooter ein Beispiel ist …

(Lutz Lienenkämper [CDU]: Das ist der Sput- nik-Schock! – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Nein, Josef, wir wollen euch nicht auf den Mond schießen. Wir wollen euch dabei haben, wenn wir diese Autos entwickeln

(Heiterkeit von den Grünen)

Nur kein Missverständnis! Und wenn der StreetScooter …

(Zurufe von der CDU)

Ja gut, nicht alle. Das regelt ihr untereinander.

(Heiterkeit von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Das könnt ihr untereinander regeln.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich glaube jedenfalls, dass es das wert wäre. Denn der entscheidende Punkt ist doch folgender: Länder wie Norwegen oder die Niederlande bauen keine Autos; sie importieren sie nur. Wenn diese Länder sagen, dass sie ab 2025 als Neuzulassungen nur noch Fahrzeuge kaufen, die emissionsfrei sind – wo kaufen sie diese denn? Kaufen sie die bei Tesla oder aus China? Oder kaufen sie sie bei uns? Wir können doch nur wollen, dass sie sie hier bei uns kaufen, und dann müssen wir neue Wege gehen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Gestatten Sie mir, noch einen Punkt anzusprechen. Kollege Klocke – er ist heute wegen seines Handbruchs leider im Krankenhaus – und Mike Groschek

(Lutz Lienenkämper [CDU]: Haben die sich geschlagen?)

sind ja oft ausgelacht worden wegen ihres Engagements für Radwege. Sie sind oft ausgelacht und verspottet worden, weil man immer meint, der Ausbau von Radwegen wäre eine grüne Spinnerei. Ich sage Ihnen jedoch: Das ist ein sehr vernünftiges Nahverkehrskonzept, und der Radwegeausbau, den Mike Groschek im Ruhrgebiet vorantreibt, ist ein Premiuminstrument für den Nahverkehr.

Werfen wir mal einen Blick auf die Neuzulassungszahlen für Elektroräder – ich habe mir das in Vorbereitung der Debatte mal angeguckt –: In der Bundesrepublik sind im letzten Jahr 535.000 Elektrofahrräder verkauft worden. Das bedeutet einen Umsatz von annähernd 1 Milliarde €. In Holland wurden 276.000 Räder verkauft. Setzen Sie mal die Einwohnerzahl Hollands – unter 18.276.000 – ins Verhältnis zu der von Deutschland. Jetzt rechnen Sie mal hoch! Das ist ein Markt, der boomt und der als Nahverkehrsinstrument kommen wird. In Paris hat man es geschafft, durch konsequente Radverkehrspolitik innerhalb von fünf Jahren den Pkw-Nahverkehr um über 35 % zu reduzieren.

Was wollen wir denn in den Ballungszentren machen, um die Probleme mit den Emissionen usw. in den Griff zu kriegen? Da ist der Radwegausbau doch genau die richtige Lösung. Dafür gehören die Minister und diejenigen, die so etwas umsetzen, nicht ver

spottet. Es handelt sich vielmehr um eine zukunftsweisende Nahmobilitätspolitik innerhalb eines Ballungsraums.

Jetzt habe ich noch eine Minute Redezeit und die Zugabe des Ministers. Deswegen nur noch ein Punkt. Ich habe eine Vision für das Ruhrgebiet, den größten Ballungsraum Europas, der eigentlich prädestiniert ist für modernste Nahverkehrsmobilität. Das ist nicht ein Szenario mit 20 Nahverkehrsbetrieben, 3-SpurWagen, acht verschiedenen Typen von Fahrkartenautomaten, sondern das von einem modernen Labor für Nahverkehrsmobilität, wo man als junger Mensch – nicht ich, sondern Kinder und Enkelkinder – mit dem Smartphone digital sein Ticket von Dortmund nach Duisburg buchen kann, wo man einfach einsteigt und sich fortbewegen kann. Das ist das, was wir brauchen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir müssen es mit einer gemeinsamen Anstrengung hinbekommen, endlich den Weg dafür freizumachen. Dann wird das Ruhrgebiet der Wallfahrtsort für alle diejenigen, die moderne Nahmobilität im digitalen Zeitalter erleben wollen. Von den Oppositionsfraktionen habe ich nie etwas davon gehört, einen solchen Referenzraum zu schaffen. Aber wir können es uns ja für die nächste Legislaturperiode vornehmen, dass wir da noch ein Stück weiterkommen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Kollege Dr. Paul.

Vielen Dank! Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! Liebe Start-up-Euphorisierte!

Kurz eine Anmerkung zu Reiner Priggen: Was Sie vorhin gesagt haben, war nicht ganz richtig. Norwegen stellt nämlich serienmäßig Elektrofahrzeuge her. Die Firma heißt Buddy Electric; das ist die einzige norwegische Pkw-Herstellerfirma.

Nachdem bereits einige Analysen zum Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen vorliegen, fühlt sich nun auch unsere Landesregierung berufen, ein 200seitiges Dokument vorzulegen. Als Hauptgang sind darin enthalten: Zahlen, Grafiken, Tabellen, aufgeschlüsselt nach Regionen oder Wirtschaftsbranchen. Als Vorspeise und Nachgang gibt es dazu noch die bekannten wirtschaftspolitischen Leitlinien der Landesregierung.

Kurzum: Der Geschmack ist ein bisschen schal, denn viel Neues gibt es nicht zu entdecken. Haute Cuisine sieht ohne Frage ganz anders aus. Aber das

war ja auch gar nicht gewollt. Unser Wirtschaftsminister wollte hier einen Arbeitsnachweis erbringen. Das hat er getan. Darum geht es hier – und um mehr leider nicht.

Dabei ist die Ausgangslage nicht ohne Brisanz. Kurz vor der nächsten Landtagswahl ist die Wirtschaftspolitik in den Krisenmodus gewechselt. Seit Jahren schafft es NRW nicht mehr, wirtschaftlich den Anschluss zu halten. Das Problem ist dabei nicht nur eine verhagelte Halbjahresprognose, sondern ein langfristiger Negativtrend. Und dieser geht leider einher mit einem erhöhten Armutsrisiko, auch für Kinder, und einer viel zu hohen Arbeitslosenquote in wesentlichen Teilen unseres Bundeslandes. Damit dürfen wir uns nicht zufriedengeben.

Und die Landesregierung? Sie versucht sich an einem merkwürdigen Potpourri aus Aktionismus und Schockstarre. Wenn der Wirtschaftsminister wenige Monate vor der Wahl neue industriepolitische Leitlinien aufstellen will, dann glaubt ihm das doch kein Mensch. Kein Mensch glaubt mehr an einen ernsthaften Politikwechsel. Dabei hatte die Regierung in dieser Legislaturperiode vier Jahre lang Zeit, echte Politik – und damit meine ich auch Strukturpolitik – zu machen. Alle Papier, Konzepte, Thesenpapiere, die jetzt kommen, sind nur noch leere Wahlkampfversprechen und nichts anderes.

Dabei sind die Rahmenbedingungen aktuell gut. Die Konjunktur in Deutschland brummt, die Zinsen liegen auf einem historischen Tiefpunkt. Bestes Beispiel dafür ist das Handwerk. Weil die Menschen Geld ausgeben, steigt die Binnennachfrage, und die Handwerker kommen kaum hinterher, die Aufträge abzuarbeiten. Dieses Gestaltungsfenster müssen wir unbedingt nutzen. Die Probleme, die wir jetzt nicht angehen, werden in Zukunft noch viel schwerer zu lösen sein, wenn das aktuelle Konjunkturhoch nachlässt.

Dafür müsste man allerdings wissen, wo es langgehen soll. Und da dreht sich die Landesregierung im Kreis. Man kommt leider nicht umhin, ihr ein gestörtes Verhältnis zur Industrie zu attestieren. Sie wollen Industrieland sein, dabei ist der Anteil der gewerblichen Wirtschaft inzwischen unter den Bundesdurchschnitt gesunken. Die Industrie liegt noch immer unter dem Vorkrisenniveau von 2007.

75 % der Menschen arbeiten inzwischen im Dienstleistungsbereich. Nordrhein-Westfalen ist damit nicht mehr das Herzstück der Industrie in Deutschland – ganz egal, ob einem das gefällt oder nicht. Das wollen Sie vielleicht nicht hören, aber es gehört zu einer ehrlichen Analyse, dass man diese Fakten endlich einmal anerkennt.

Ich prophezeie Ihnen: Solange die Wertschätzung und die Anerkennung, die früher den Berg- und Stahlarbeitern gesellschaftlich und politisch zuteilwurde, nicht in gleichem Maße den Kreativen, den

Software-Entwicklern, den digitalen Tüftlern von heute entgegengebracht wird, so lange wird der Strukturwandel ein Problem bleiben. Wir müssen endlich umparken im Kopf.

(Beifall von den PIRATEN)

Und das, Herr Minister, schreiben Sie ja selbst in Ihrem Bericht. Die wirtschaftliche Bedeutung der Herstellung materieller Güter nimmt ab. Hochqualifizierte Dienstleistungen werden dagegen vermehrt nachgefragt, zum Beispiel im Gesundheitssektor, im Tourismus, in der Bildung und nicht zuletzt in der Kunst.