Kollege Golland hat eben auf den Bericht der Beamten aus Duisburg abgestellt. Er hat daraus zitiert. Wir haben es im Innenausschuss gehabt. Der Bericht ist ein ganz eindringlicher Hilferuf an diese Landesregierung, an das Ministerium. Zitat:
„Die Rechtspflicht des Staates zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit ist in solchen Stadtbezirken langfristig nicht gesichert bzw. akut gefährdet.“
Das muss man doch zur Kenntnis nehmen. Da reicht es doch nicht, sich wie Herr Bialas hierhin zu stellen und zu sagen: Rechtsfreie Räume gibt es in Nordrhein-Westfalen nicht.
(Beifall von der FDP – Hans-Willi Körfges [SPD]: Die gibt es auch nicht! Die gibt es nicht! – Zuruf von der SPD: Es gibt keine rechtsfreien Räume!)
Herr Minister, Sie machen das ja auch. Ich weiß nicht, wie oft Sie auf meine Anfragen zu diesem Thema geantwortet haben – O-Ton Jäger –: Rechtsfreie Räume gibt es nicht in Nordrhein-Westfalen. Polizeistreifen fahren in jede Straße und jeden Stadtteil.
Wissen Sie, Herr Jäger, das ist der Unterschied. Wir wollen nicht nur, dass die Polizeibeamten in die Straßen hineinfahren. Wir wollen, dass Sie auch heil und gesund wieder herauskommen,
und zwar ohne bei einem Routineeinsatz von einer Menschenmenge umzingelt, eingekreist, beleidigt, bedroht, bespuckt, mit Flaschen beworfen, angegriffen, verletzt oder gar in Lebensgefahr gebracht zu werden, meine Damen und Herren. Das ist der Unterschied.
Herr Bialas, ich sage Ihnen noch etwas. Das klingt wie Ausnahmezustand. Aber die Wahrheit ist: Das ist wiederkehrender Zustand in Nordrhein-Westfalen, fast jede Woche. Und das ist die Wahrheit an der Stelle, meine Damen und Herren.
Denn wenn die, die das Gewaltmonopol ausüben, selbst von einem wütenden Mob mit verbaler und tätlicher Gewalt überzogen werden, müssen doch bei jedem die Alarmglocken schrillen. Sie schrillen jetzt seit mindestens drei Jahren in Nordrhein-Westfalen. Aber eine Kehrtwende und nachhaltige Erfolge sind Sie uns, Herr Minister, sind Sie den Polizeibeamten, sind Sie den Bürgern weiterhin schuldig.
Meine Damen und Herren, ich will das ganz ausdrücklich sagen: Unser Dank und Respekt für ihre ungemein schwierige Arbeit gilt deshalb insbesondere den Einsatzkräften an den stark belasteten Brennpunkten in den Problembereichen in Nordrhein-Westfalen.
Aber ohne ihre eigene Sicherheit zu gefährden, können die Beamten gegen Vergehen und Konflikte nur erfolgreich vorgehen, wenn sie auch ausreichend mannstark und konsequent durchgreifen können. Aber dafür brauchen Sie die weitere Unterstützung ihres Dienstherrn.
(Zuruf von der SPD: Was war mit den Einstel- lungen 2005 bis 2010? – Hans-Willi Körfges [SPD]: Da haben Sie ja schmerzlich versagt!)
Herr Minister, ich meine, mit Ihrer Schönrederei – wir haben es gerade von Herrn Bialas auch wieder gehört – verspielen Sie hier leichtfertig das Vertrauen in den Rechtstaat.
Bei zahlreichen Menschen haben Sie das Vertrauen wahrscheinlich auch schon längst verspielt. Ich sage Ihnen: Viele Polizeibeamte reiben sich nur noch die Augen aufgrund Ihrer Realitätsbeschönigung. Das beunruhigt zu Recht unsere Bürger, das beschäftigt unsere Einsatzkräfte und deren Familien. Das beeinflusst das Leben in den Vierteln dort negativ, und das betrifft auch die Wirkung des Rechtsstaates und seiner Repräsentanten und die Geltung des Gewaltmonopols.
Wenn Bürger einen Bereich als No-go-Area empfinden, dann muss die Polizei diesen Bereich gerade als To-go-Area für sich deklarieren.
Aber dann muss die Polizeibehörde eben auch in die Lage versetzt werden, das zu machen und verlässlich gerade an Brennpunkten, in Angsträumen, in Problembereichen anwesend zu sein.
Also: Prävention durch Präsenz, Sicherheit durch Sichtbarkeit, Entdeckungsrisiko durch Kontrolldruck, Abschreckung durch konsequente Ahndung – meine
Das zum Schluss: Ich denke, unsere Bürger müssen auf ihre Polizei und die Polizei auf ihren Dienstherrn vertrauen können. Nicht das Recht des Stärkeren oder die zahlenmäßige Überlegenheit darf Fakten schaffen, sondern allein das Gewaltmonopol des Staates.
Herr Minister, genau da müssen Sie Ihr Herzblut hineinstecken und nicht beim Blitzermarathon in Kameras winken und ansonsten den Eindruck von Realitätsverweigerung oder Beratungsresistenz hier vermitteln. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Lürbke, Sie zeichnen hier ein Zerrbild über die innere Sicherheit in Nordrhein-Westfalen.
Dazu würde ich gerne einmal die Zahlen und Fakten sehen. Da fragt man sich wirklich ernsthaft, was aus der FDP geworden ist.
Aber um eines von vornherein klarzustellen: Es gibt in Nordrhein-Westfalen keine rechtsfreien Räume. Es gibt sie nicht in Duisburg, es gibt sie nicht in Essen, und es gibt sie auch nicht in Dortmund. Sie von der CDU stigmatisieren hier mit Ihren Vorwürfen, mit Ihrem Antrag einen ganzen Stadtteil in Dortmund. Das finde ich, ehrlich gesagt, ziemlich unsäglich, Herr Golland.
Das wird meines Erachtens auch denjenigen, die vor Ort aktiv sind, die vor Ort gute Arbeit leisten, in keiner Weise gerecht.
Es gibt Probleme in der Dortmunder Nordstadt. Das ist überhaupt keine Frage, und diese Probleme dürfen nicht verharmlost werden, sie müssen angesprochen werden. Sie sind aber so vielschichtig, dass sie aus meiner Sicht nicht allein durch die Polizei zu lösen sind.
Da würde mich auch einmal interessieren, was die Ordnungsdezernentin in Dortmund zu dieser Situation, die Sie hier beschreiben, sagt. Frau Diane Jägers hat ja immerhin Ihr Parteibuch; die Ordnungsdezernentin der Stadt Dortmund ist CDU-Mitglied. Was sagt die denn eigentlich dazu, dass sich angeblich unter ihr ein Stadtteil in Dortmund als No-go-Area entwickelt? – Da würde mich interessieren, wie Ihre parteiinternen Diskussionen dazu laufen.
Das ist einmal der konkrete Anlass, und zwar der Einsatz am vergangenen Samstag in der Dortmunder Nordstadt und die Einkreisung der Polizeibeamtinnen und -beamten. Das ist ja das, was wir schon häufiger erleben und was aus meiner Sicht eine gefährliche Entwicklung ist, dass Polizeieinsätze, aber auch Einsätze von Rettungskräften immer häufiger durch eigentlich Unbeteiligte gestört werden, dass es bei solchen Einsätzen Solidarisierungseffekte von solchen Personen gibt, die mit dem eigentlichen Einsatz nichts zu tun haben, die sich aber mit den Personen solidarisieren, gegen die sich die Maßnahmen richten.
Das ist eine gefährliche Entwicklung. Wir haben ja kürzlich erst einen Gesetzentwurf eingebracht und diskutiert, und zwar zum Einsatz von Bodycams.
(Gregor Golland [CDU]: Auf unseren Druck hin! Nach Silvester! – Lächerlich! Jetzt sind Sie Vorkämpfer für die Bodycams!)
Das ist für uns ein Instrument, von dem wir sagen: Das ist eine Möglichkeit, wie man diese Solidarisierungseffekte durchbrechen kann, wie man gegensteuern kann. Wir werden dieses Gesetz auch noch in diesem Jahr, im November, beschließen.
Das andere, über das wir reden – und das ist vielleicht das Wichtigere bei dieser Debatte –, ist die Dortmunder Nordstadt und sind auch andere Stadtteile und Viertel in anderen Städten im Ruhrgebiet. Ich finde, da muss man einfach sagen, dass dies Orte sind, wo vielfältige Probleme aufeinandertreffen. Da spielen Herkunft und Armut eine Rolle, da spielen Problemimmobilien eine Rolle genauso wie Perspektivlosigkeit, Drogenhandel und vieles mehr. Das muss man sich doch anschauen.
Natürlich muss es eine hohe Präsenz seitens der Polizei geben. Es muss konsequente Ermittlungsarbeit geben, es muss konsequente Strafverfolgung geben. Aber diese sozialen und gesellschaftlichen Probleme, die sich dort zusammenballen, werden Sie doch nicht durch die Polizei alleine lösen können.