Ich will noch einmal auf den Begriff des rechtsfreien Raumes zurückkommen. Rechtsfreier Raum würde ja bedeuten, dass die Polizei nicht mehr in diese Viertel fährt, dass das Gesetz nicht gilt, dass der Rechtstaat kapituliert hat.
Aber das Gegenteil ist doch in der Dortmunder Nordstadt der Fall. Die Polizei ist seit Jahren mit einem Präsenzkonzept der Bereitschaftspolizei vor Ort. Es gibt die Sicherheitskonferenzen. Es gibt die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Akteure des Ordnungsamts, der sozialen Dienste und vieler anderer. Die Staatsanwaltschaft hat einen eigenen Schwerpunkt auf die Dortmunder Nordstadt gelegt und das vor Kurzem bei einem Rundgang mit dem Oberbürgermeister und dem Polizeipräsidenten auch gesagt.
Schauen wir uns einmal die Zahlen und Fakten – darauf sollten wir uns als Politiker doch berufen – für die Dortmunder Nordstadt an:
Im ersten Halbjahr 2016 gingen die Straftaten in der Dortmunder Nordstadt zurück. Die Straßen- und Gewaltkriminalität ist um über 10 % gesunken. Die Gesamtzahl der Delikte ist um fast 8 % gesunken. Was heißt das denn, wenn man das einmal auf die einzelnen Delikte herunterbricht, auch für das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger? Die Raubdelikte sind um 36 %, die Taschendiebstähle um 34 % und die Wohnungseinbrüche um 14 % zurückgegangen. Auch die schweren und gefährlichen Körperverletzungen sind um 14 % gesunken.
Meine Damen und Herren, wenn man sich diese Fakten anschaut, muss man wirklich sagen: Diese Zahlen sprechen eine andere Sprache. Aber diese Wahrheit wollen Sie offensichtlich nicht hören, und das ist das eigentlich Fatale an der Diskussion.
Das Schlimme und Fatale an Ihrer Politik ist, dass Sie mit Ihrem Reden über die angeblichen Schwächen des Rechtsstaates und über angebliche rechtsfreie Räume in Nordrhein-Westfalen die Falschen stärken. Der WDR veranstaltet heute ein Stadtgespräch zum Thema „Rechtsfreie Räume“; ich glaube, es findet in Essen statt. Ich habe bereits in den sozialen Netzwerken gesehen, dass die AfD sehr massiv genau zu diesem Stadtgespräch hin mobilisiert. Was Sie hier machen, diese Debatte, dieser Antrag – das ist doch Wasser auf die Mühlen genau dieser Rechtspopulisten.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Gre- gor Golland [CDU]: Das ist doch Ihr Wasser auf deren Mühlen! – Gegenruf von Dietmar Bell [SPD]: Anstifter! – Weitere Zurufe und Ge- genrufe)
Sie schüren Ängste in der Bevölkerung. Ich sage ganz klar: Probleme benennen, Probleme angehen – ja. Aber populistisch Ängste schüren, das finde ich einfach unsäglich, und das finde ich, ehrlich gesagt, auch unverantwortlich.
Danke schön. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Zuschauertribüne und am Stream! Unverantwortlich – da möchte ich anknüpfen – ist tatsächlich das passende Wort für solche Anträge. Ich als Dortmunder weiß tatsächlich, wovon ich rede, wenn ich über die Dortmunder Nordstadt spreche. Das kann man wahrlich nicht von jedem sagen, der bisher hier am Pult stand.
Natürlich ist es nicht in Ordnung, Trinkpäckchen auf fahrende oder stehende Polizeifahrzeuge zu werfen. Da sind wir uns wahrscheinlich alle einig.
Dort hat eine Personenkontrolle stattgefunden, die anscheinend gefühlt eskalierte; wirklich eskaliert ist sie aber nicht. Als diese Maßnahme durchgeführt worden ist – Kollege Bialas sprach es eben an –, gab es genau von der Ehefrau des Betroffenen eine versuchte Gefangenenbefreiung. Das haben wir bei wohl jedem Einsatz gegen häusliche Gewalt. Da wird erst der Ehepartner geschlagen, und hinterher versucht der Geschlagene denjenigen, der abgeführt wird, zu befreien – regelmäßig. Das ist tagtägliche Polizeiarbeit.
Warum kommt es denn in der Nordstadt tatsächlich zu diesen Solidarisierungsbewegungen? Das kommt eventuell daher, weil die Polizei dort regelmäßig durchgeht und einfach Personenkontrollen durchführt, und zwar anlasslos, und weil regelmäßig Ordnungsgelder für das „Stehen“ auf dem Bürgersteig verhängt werden; denn man „geht“ ja nicht, sondern man „steht“. All das, was dort so passiert, muss man im Hinterkopf haben, und dann kann man sich vorstellen, dass manche Menschengruppen auf die Polizei nicht ganz glücklich zu sprechen sind.
Wir können hier viel bessere Dinge tun, um Menschen zu integrieren. Letztendlich geht es um soziale Integration, die da geleistet werden muss.
Übrigens ist die Dortmunder Nordstadt immer schon ein Beispiel für soziale Integration und Inklusion. Ich darf einmal ein Beispiel vorlesen, das mir der Kollege David Grade mal geschickt hat:
1903 beschwerte sich die Polizei darüber, dass in der Steinstraße, in der Nordstadt, tatsächlich die Einsatzkräfte von einer Menschenmenge umringt wurden und die Polizisten vom Pferd gerissen wurden. – 1903! Nicht 2013, nicht in den letzten Jahren, sondern das ist über 100 Jahre her.
Auch da haben wir es geschafft, die Menschen, die Zuwanderer, die das damals in Dortmund getan haben, zu integrieren und zu inkludieren. Und inzwischen wohnen die Sauerländer ganz gewöhnlich wie jeder andere Mitmensch bei uns in Dortmund ohne jegliches Problem.
Also, schauen wir uns das wirkliche Leben der Menschen in der Nordstadt an und vor allen Dingen in Verbindung mit der Polizei. Haben Sie ein Beispiel für einen Übergriff auf einen einzelnen Polizeibeamten in der Dortmunder Nordstadt durch irgendeine Menschenmenge? – Nein, haben Sie nicht.
Die Bezirksbeamten in Dortmund-Nord gehen selbstverständlich allein oder zu zweit durch ihren Bezirk – ohne Probleme, ohne Pöbeleien, ohne Übergriffe. Die Beamten haben da ein Standing – das können Sie sich gar nicht vorstellen –, und zwar weil man aufeinander zugeht, und nicht, weil man die ganze Zeit über Repression redet, was ja für Sie das einzige Mittel der Wahl ist.
Im Übrigen gibt es inzwischen auch gute Ansätze, zum Beispiel durch gemeinsames Streifegehen mit Duisburger Polizeikollegen. Das funktioniert gut. Und wissen Sie, wo wir das kopiert haben? Von der spanischen Polizei! Die lädt nämlich gerne zur Sommersaison deutsche Polizisten nach Malle ein, damit die dort mal mit den deutschen Randalierern klarkommen und nicht alleine gelassen werden.
Und wissen Sie was? Mallorca ist gar keine No-goArea für Spanier. – Meine Güte! Es ist wirklich bitter mit Ihnen. Sinnig und fachlich ist das also alles nicht, was Sie hier vorbringen.
Kommen wir also mal zu der Frage: Was wollen Sie denn wirklich? – Da hat die Kollegin Schäffer bereits den Finger in die Wunde gelegt. Sie wollen am rechten Rand fischen. Das ist alles.
Sie wollen wieder Lufthoheit über den Stammtischen der Deutschtümler gewinnen. Das ist absolut alles. Und dass vornehmlich Liberale das unterstützen, das ist mehr als peinlich. Der Rechtsruck in Ihrem Laden ist ja erschreckend.
Wenn Sie meinen, die Position, die Sie jetzt beschreiben, sei ein Linksruck gewesen, dann will ich das vorher gar nicht erlebt haben. Aber das ist wahrscheinlich historisch bedingt nach dem Zweiten Weltkrieg. Ihre Partei war da ein gewisses Auffangbecken. – Und alles Weitere sagt Ihnen gleich mein Kollege Dirk Schatz. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Teilen hat diese undifferenzierte Debatte bei mir den Eindruck einer faktenfreien No-BrainArea hinterlassen.
Ich finde, bei allen Problemen sollte man zumindest versuchen, einen klaren und ehrlichen Blick auf die Dinge zu werfen, nichts dabei unter den Teppich zu kehren, aber, Herr Golland und Herr Lürbke, Dinge
auch nicht zu überhöhen. Ich finde, wir sollten versuchen, in dieser Debatte das Thema No-go-Areas Stück für Stück kleinzuarbeiten.