Vielen Dank, Herr Olejak. – Nun spricht für die Landesregierung Herr Minister Kutschaty in Vertretung von Herrn Minister Jäger. Bitte schön, Herr Minister Kutschaty.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Parlament hat am 5. Oktober dieses Jahres mit großer Mehrheit Veränderungen in der Landesverfassung beschlossen. Es ist jetzt Aufgabe des Parlaments, entsprechend auf einfachgesetzlicher Ebene weitere Schlussfolgerungen aus dieser Verfassungsänderung zu ziehen.
Die verschiedenen Punkte, um die es im Weiteren gehen wird, sind gerade schon von den Vorrednern angesprochen worden. Deswegen erspare ich es mir, hier auf die Details einzugehen.
Ich denke, dass der Ausschuss der richtige Ort ist, an dem man diese Einzelthemen bei den weiteren Beratungen noch einmal intensiv diskutieren kann. Wir als Landesregierung haben jedenfalls keine Bedenken gegen die vorgeschlagenen Änderungen. Im Gegenteil: Wir begrüßen sie. – Vielen Dank.
Damit kommen wir zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/13312 an den Hauptausschuss – federführend – sowie an den Rechtsausschuss. Wer stimmt dem zu? – Gibt es Gegenstimmen? –
Gesetzentwurf der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/13314 – Neudruck
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es schon gehört: Neben der Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre hat sich die Verfassungskommission auch mit der Frage der Einführung eines Wahlrechts für Nicht-EU-Bürger auf kommunaler Ebene befasst. Dieser Punkt gehörte zu dem schon oft angesprochenen politischen Korb, für den dann letztlich keine Zweidrittelmehrheit zustande kam.
Bei der Diskussion um ein Wahlrecht für alle spielten sowohl politische als auch verfassungsrechtliche Argumente eine Rolle. Ich beginne einmal mit der politischen Argumentation und einem Zitat meines Kollegen Prof. Korte aus der Anhörung der Verfassungskommission:
„Wer nur Beteiligung anbietet, ohne dass dies am Ende in ein Wahlrecht mündet, wird oft dabei erwischt, lediglich eine Beteiligungssimulation aufzubauen.“
Diesem Gedanken widerspricht, dass Menschen aus Drittstaaten mit uns zusammenleben und ebenso wie wir von kommunalpolitischen Entscheidungen betroffen sind, aber ihre kommunalen Vertreterinnen und Vertreter nicht selbst wählen dürfen. Hinzu kommt, dass sie gegenüber den EU-Bürgern, die über das kommunale Wahlrecht verfügen, ungleich behandelt werden. Das verstärkt die Spaltung unserer Gesellschaft – mit Folgen für die demokratische Legitimation.
Darunter waren zahlreiche Beschlüsse von Räten und Integrationsräten aus Kommunen mit ganz unterschiedlicher politischer Couleur. Der Landesintegrationsrat hat in mehreren Kampagnen auf das Thema aufmerksam gemacht. Die Initiative „Kommunales Wahlrecht für alle“, in der mehr als 90 Migrantenorganisationen zusammengeschlossen sind, hat eine umfangreiche Unterschriftenliste eingereicht.
Es gibt sogar eine repräsentative Umfrage von infratest dimap aus dem Jahr 2015, nach der in Nordrhein-Westfalen 62 % der Befragten für ein Kommunalwahlrecht für Ausländer waren. Dabei bestand selbst bei CDU-Anhängern mit 52 % zu 41 % eine Mehrheit dafür. Während sich die FDP in Programmen und Statements schon einmal grundlegend positiv zu einer Ausweitung des Wahlrechts geäußert hat, versteckt sich die CDU bisher hinter dem Verweis auf das Einbürgerungsrecht.
Meine Damen und Herren, wir können festhalten, dass es mehrheitlich den politischen Wunsch nach einem kommunalen Wahlrecht für alle gibt. Warum wird dieser Wille nicht umgesetzt?
Es gibt verfassungsrechtliche Bedenken. Sie stützen sich auf Urteile des Bundesverfassungsgerichts aus den 90er-Jahren. Dabei wird eine scheinbar lückenlose Argumentationskette aufgebaut. Sie reicht vom Demokratiegebot über die Definition des deutschen Volkes als Staatsvolk und die Homogenitätsklausel bis hin zu den Wahlrechtsgrundsätzen. Am Ende bleibt angeblich kein Entscheidungsspielraum.
Prof. Löwer hat in der Aussprache zur Anhörung über die Entscheidung des Verfassungsgerichts von vor 20 Jahren gesagt:
„Aber es besteht natürlich kein Versteinerungsgebot. Die Bindungswirkung trägt auch ihre Überwindbarkeit latent in sich.“
Eine Weiterentwicklung des Verfassungsrechts ist also möglich. Wir wissen nicht, wie das Gericht heute urteilen würde.
Unter dem Staatsvolk können alle Menschen verstanden werden, die einer konkreten Staatsgewalt unterworfen sind.
Dem kommt entgegen, dass auch der Begriff des deutschen Volkes im Art. 28 GG ohne Erwähnung bleibt. Auch von einer Homogenität des Wahlrechts kann angesichts der sehr unterschiedlichen Wahlsysteme in 16 Ländern kaum mehr die Rede sein. Schließlich gibt es bereits eine Ausnahmeklausel für
Liebe Kolleginnen und Kollegen, seien wir also mutig. Nutzen wir die Spielräume. SPD, Grüne und Piraten schlagen dazu eine Änderung der Verfassung vor. Prüfen Sie sehr sorgfältig, ob Sie dem folgen können, und setzen Sie nach Möglichkeit ein Zeichen für mehr Integration durch mehr Partizipation. – Danke schön.
Vielen Dank, Herr Kollege Prof. Dr. Bovermann. – Nun spricht für die grüne Fraktion Frau Kollegin Velte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben ein Problem, das in mindestens 17 Ländern der Europäischen Union weitgehend unbekannt ist, darunter – Überraschung! – auch Ungarn. Denn dort gibt es schon lange das Wahlrecht für Drittstaatsangehörige. Bei uns gibt es das im kommunalen Wahlrecht nicht.
Viele Menschen, die dauerhaft in Deutschland wohnen, Steuern zahlen, das System der Sozialversicherungen stärken, ihre Kinder an der Bildung beteiligen, sich in Vereinen und Verbänden engagieren sowie ihren Beitrag zum Wohlstand dieses Landes und zu seinem Erfolg leisten, dürfen nicht wählen. Sie sind systematisch von der Teilhabe an demokratischen Wahlen ausgeschlossen. Noch nicht einmal in den Kommunen, dort, wo Demokratie besonders direkt erfahrbar ist und gelebt werden kann, haben sie das Recht auf demokratische Teilhabe.
In meiner Heimatstadt beispielsweise haben etwa 37 % bis 38 % der Nachbarinnen, der Einwohnerinnen einen Migrationshintergrund. Bezogen auf die Wahlberechtigten darf etwa die Hälfte der Eingewanderten wählen und damit mitbestimmen, weil sie EUStaatsangehörige sind – ohne deutschen Pass –, die andere Hälfte nicht, weil sie aus Drittstaaten stammt. Damit ergibt sich ein enormes Ungleichgewicht, das auch in der Gestaltung kommunaler Politik durch die Parteien seinen Niederschlag findet.
Meine Damen und Herren, welchen Anreiz sollen Menschen haben, ihre Ideen einzubringen, wenn sie weder ein aktives noch ein passives Wahlrecht haben, und welchen die Parteien und Fraktionen, die Belange von Migrantinnen in ihre Überlegungen und
Die Wichtigkeit des kommunalen Wahlrechts für Nicht-EU-AusländerInnen wird von einem überwiegenden Teil der Bevölkerung anerkannt; Herr Prof. Bovermann hat darauf hingewiesen. Einer repräsentativen Umfrage von infratest dimap im Auftrag des Landesintegrationsrates zufolge sprechen sich in Deutschland 59 % und in Nordrhein-Westfalen 62 % der befragten Wahlbevölkerung für ein kommunales Wahlrecht aus. Dies zeigt, dass das Problem den meisten gar nicht bewusst ist. Sie sagen: Selbstverständlich sollen unsere Nachbarn wählen können; denn sie leben ja an unserer Seite und sie gestalten unsere Kommunen mit.
Meine Damen und Herren von der CDU, auch Ihre Wählerinnen und Wähler sind zu über 50 % der Überzeugung, dass es ein kommunales Wahlrecht für Nicht-EU-Ausländer geben muss. Das heißt, es ist eigentlich für alle selbstverständlich und, wie ich eingangs schon ausführte, in den meisten Ländern Europas auch längst eingeführt.
Das zeigt, dass eine Diskussion, wie wir sie hier noch weiter führen werden, nicht nur überfällig ist, sondern in Teilen der Argumentationslinie eher rückwärtsgewandt als nach vorne gerichtet.
Jetzt gibt es an vielen Stellen die Argumentation, die insbesondere die Kolleginnen von der CDU gerne aufbringen: Dann sollen die sich doch einbürgern lassen.