Protokoll der Sitzung vom 10.11.2016

Ich beginne zunächst damit, dass Sie den Sozialdemokraten den Willen zum Schuldenabbau abgesprochen haben. Die Zahlen sind genannt. Sie kommen von einer Neuverschuldung in Höhe von fast 7 Milliarden €. Wir machen bald erheblich weniger Schulden, unter 2 Milliarden €. Wir werden auf 0 € kommen. Die Fakten sprechen eine andere Sprache als Ihre Behauptungen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das ist insbesondere noch in einem anderen Punkt wichtig. Wer sich hier hinstellt und sagt, der Finanzminister wolle die Schuldenbremse nicht einhalten, lügt. Ich zitiere den Finanzminister:

„Wir werden das Ziel der Schuldenbremse bis 2020 erreichen und dafür sorgen, dass unser Gemeinwesen handlungsfähig bleibt.“

Das ist die Maxime des Finanzministers und der Sozialdemokratie bei uns. Die werden wir einhalten. Das ist die Wahrheit – nicht Ihre freien Erfindungen, Herr Optendrenk.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zu- ruf von den PIRATEN: Die Gegner der Schul- denbremse sitzen hier!)

Danke, Herr Kollege Zimkeit. – Der von Ihnen angesprochene Kollege Dr. Optendrenk hat sofort die Gelegenheit zur kurzen Replik. Bitte, Herr Kollege.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Zimkeit, das, was Sie jetzt gemacht haben, war gut. Sie sind zum Rednerpult gegangen und haben Ihre Sicht der Dinge hier vorgetragen. Genau das ist richtig in einer parlamentarischen Demokratie. Deshalb ist der Diskurs hier vom Rednerpult mit den Mitteln, die wir haben, genau in Ordnung.

Ich bin anderer Meinung als Sie. Wenn Sie es wirklich hinbekämen, den Finanzminister davon zu überzeugen, dass eine echte Schuldenbremse mit den grundgesetzlich zulässigen Ausnahmen, wie der Herr Justizminister gesagt hat, hier in NordrheinWestfalen umgesetzt würde, könnten wir das gemeinsam auch noch in der Verfassung tun. Wir können über alles reden, was nicht löchrig wie ein Schweizer Käse ist – aber das ist Ihr konkreter Entwurf bisher.

Vielleicht kommen wir im weiteren parlamentarischen Verfahren noch zu besseren Erkenntnissen. Dazu stehen wir jedenfalls zur Verfügung, wenn es eine echte Schuldenbremse sein soll. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Optendrenk. – Meine Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe somit die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/13315 an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend – sowie an den Hauptausschuss. Wer ist für diese Überweisungsempfehlung? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

7 Nordrhein-Westfalen muss bundespolitischer

Impulsgeber bei der Regelung des digitalen Nachlasses werden

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/13305

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die antragstellende CDU-Fraktion Herrn Kollegen Haardt das Wort, der auch schon vorne angekommen ist. Bitte, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Wenn man bei einer

Suchmaschine die Worte „Digitaler Nachlass“ eingibt, dann erhält man bei der Suche mit der einen großen Suchmaschine ungefähr 189.000 Ergebnisse, bei der Suche mit der anderen großen Suchmaschine etwa 270.000 Ergebnisse. Darunter auch etliche Werbeanzeigen mit so vielversprechenden Anpreisungen wie „Leben und Sterben im Internet – Wir regeln Ihren digitalen Nachlass“.

Schon aus der Art dessen, was man im Netz zu dem Thema findet, ergibt sich aus unserer Sicht ein auch von den Menschen draußen empfundener Handlungsbedarf. Worum geht es bei dem Thema „Digitaler Nachlass“ eigentlich? – Ich erlaube mir mit Genehmigung des Präsidenten, einen Teil der Definition von Wikipedia zu zitieren:

„Als Digitaler Nachlass oder Digitales Erbe werden Benutzerkonten und Daten im Internet sowie auf Heimrechnern und deren Datenträgern verwahrte elektronische Daten bezeichnet, die nach dem Tode des Benutzers weiter bestehen bleiben. Dazu zählen insbesondere Dienste, die auf sozialen Netzwerken, E-Mail-Diensten oder Partnervermittlungen bereitgehalten werden.“

Die meisten von Ihnen kennen sicher wie ich Beispiele, bei denen die Internetpräsenz von Verstorbenen oft noch Jahre später im Netz zu finden ist. So etwa einer meiner Kontakte in einem beruflichen Netzwerk, bei dem die Besonderheit darin lag, dass etwa drei Jahre nach seinem Tod plötzlich neue Kontakte von ihm, wie auch immer, erzeugt wurden.

Gerade die sozialen Netzwerke, aber auch andere internetbasierte Anwendungen werfen Fragen auf, mit denen man sich auseinandersetzen muss. Klar, man kann natürlich darauf verweisen, dass bestehende Verträge, auch solche mit sozialen Netzwerken oder anderen Netzdienstleistern, eins zu eins auf die Erben übergehen. Aber löst das wirklich das Problem?

Das Problem der Weiternutzung eines Internetprofils in solchen Netzwerken, in denen es gerade auf bestimmte Eigenschaften des Nutzers ankommt, wird dadurch nicht gelöst. Man denke insbesondere an bestimmte Fachportale, aber auch bestimmte Portale im sozialen Bereich. Aber auch bei den eigentlich simpel erscheinenden Verträgen mit den Dienstleistern, die E-Mail-Postfächer unterhalten, ist es keineswegs so einfach, wie es erscheint.

Viele Menschen – das beschränkt sich nicht auf amerikanische Außenministerinnen – nutzen ein Postfach, um private und berufliche E-Mails zu bündeln.

Das gilt auch für Berufsträger, die bestimmten Geheimhaltungspflichten unterliegen. Für die berufsbezogenen Unterlagen vieler Berufsträger aber gilt, dass sie gerade nicht an die Erben übergehen.

Die Mandantenbeziehung eines Anwalts und die zugehörigen Akten oder die Patientenakten eines Arztes nebst zugehörigen Krankheitsdaten sind eben kein Bestandteil der Erbmasse, über den die Erben frei verfügen könnten.

Wie also löst man das Problem bei einem E-MailPostfach, das eben gerade nicht klar und ausschließlich zuzuordnen ist? Wer erhält den Zugriff? Die Erben oder der von der Kammer eingesetzte Abwickler etwa der Anwaltsakten? Wie löst man das Problem bei ausschließlich berufsbezogenen Portalen, die nicht zwangsläufiger Bestandteil etwa einer solchen Abwicklung sind? – Das sind nur einige Fragen, die nicht wirklich abschließend beantwortet werden können.

Ich hoffe, dass wir im Rahmen der Beratungen im Ausschuss hier gemeinsam Ansätze finden, die Grundlage für eine Lösung der bestehenden Probleme sein könnten, und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Haardt. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Wolf.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Haardt, die CDU-Fraktion hat jetzt aus dem breiten Themenspektrum „Digitaler Wandel in unserer Gesellschaft“ ein Thema herausgegriffen. Lieber Christian Haardt, du hast ja gerade hier erläutert, wir ihr das gemacht habt. Ihr habt das gegoogelt. Ich hoffe, dass die politische Gewichtung nicht immer nach Treffern in Suchmaschinen hier von der CDU vorgetragen wird.

(Beifall von der SPD und Dagmar Hanses [GRÜNE])

Das Thema „Digitaler Wandel in unserer Gesellschaft“ war auch ein zentrales Thema beim diesjährigen Deutschen Juristentag. Es ist dort sehr vielfältig diskutiert worden. Es gab im Vorfeld auch die eine oder andere sehr spannende Diskussion dazu. Ich erinnere mich an einen Vortrag hier beim Oberlandesgericht in Düsseldorf von Prof. Peifer, der dazu sehr viele Ideen geliefert hat. Es gibt nämlich ganz viele weitere Fragen über den digitalen Nachlass hinaus, die wir gemeinsam diskutieren sollten.

Ich will ein paar nennen: Braucht das BGB zum Beispiel einen neuen Vertragstyp, der besser auf die digitale Welt passt?

Sie kennen das alle. Sie kaufen einen Film in einem Onlinedienst. Dann haben Sie ihn allerdings nicht tatsächlich zu Hause wie mit einer körperlichen DVD. Die Frage stellt sich natürlich: Darf ich den Film dann weiterverleihen? Darf ich ihn verschenken? Kann ich

den vielleicht auch weiterverkaufen? All diese Fragen müssen geklärt werden.

Dann gibt es zum Beispiel die Frage der Rechtsqualität von digitalen Daten. Was sind denn eigentlich digitale Daten? Stehen die sachenrechtlich im Eigentum desjenigen, der sie erworben hat? Kann man daran Sicherheiten bestellen? Kann man die pfänden? Oder was passiert zum Beispiel im Falle einer Insolvenz?

Wenn ich zum Beispiel eine Maschine zur Verfügung stelle und das Unternehmen geht in die Insolvenz, dann wende ich mich an den Insolvenzverwalter und verlange die Aussonderung, die Herausgabe. Wie funktioniert das mit digitalen Daten? Kann es so ähnlich funktionieren?

Dann gibt es noch einmal die zentrale Frage: Gibt es so etwas wie eine digitale Persönlichkeit im Netz? Sie kennen das, es ist eine Binsenweisheit: Das Internet vergisst nichts. Daten, die wir eingeben, Blogeinträge, die dort erscheinen, sogar verwendete Kombinationen in Suchmaschinen bleiben erhalten.

Es gibt inzwischen auch schon sehr einschlägige Prozesse zum Beispiel zu diesem Thema. Es gibt sehr unverfängliche Kombinationen. Wenn ich jetzt bei einer Suchmaschine den Namen Christian Haardt eingebe und dort würde als Ergänzungsvorschlag „CDU“ kommen oder bei meinem eigenen Namen die Ergänzung „SPD“, wäre das sicherlich unverfänglich. Aber Ihnen fallen mit Sicherheit die doch deutlich schwerwiegenderen Kombinationen, die dann vorgeschlagen werden, auf.

Das sind meines Erachtens Fragen, die wir gemeinsam diskutieren sollten. Diese Diskussion sollten wir auch nicht nur den Gerichten überlassen, sondern die Bürgerinnen und Bürger dürfen zu Recht von uns erwarten, dass wir als Gesetzgeber hier auch eine Antwort geben.

Noch kurz zum Thema „Digitaler Nachlass“: Es ist tatsächlich umstritten unter den Fachleuten, ob die Gesamtrechtsnachfolge, die wir im deutschen Erbrecht kennen, ausreicht oder ob es zum Beispiel für bestimmte Plattformen spezielle individuelle Regelungen geben muss. Es gibt Beispiele, da reicht die Vorlage eines Erbscheins. Andere weigern sich partout, Daten, die dort hinterlegt sind, oder Accounts, zum Beispiel in dem von Ihnen geschilderten Fall bei Facebook, freizugeben.

Daneben gibt es ein neues Geschäftsmodell, das ich als sehr dubios ansehe. Das sind die sogenannten digitalen Nachlassverwalter. Die Verbraucherschutzzentralen warnen sehr eindringlich davor, dass man dort für teures Geld angeblich Leistungen bekommt, die einen dann im Falle eines Todes helfen, die digitale Welt für die Erblasser aufzuräumen.

Der von Ihnen im Antrag geschilderte Fall ist sehr tragisch, wenn man sich den Sachverhalt durchliest –

die Entscheidung des Landgerichts, das junge Mädchen, das ums Leben kam. Die Eltern haben eindringlich versucht, bei Facebook irgendeinen Zugang zu diesem Account zu bekommen. Am Ende ist das erst durch Entscheidung des Landgerichts Berlin gelungen. Facebook musste dazu gezwungen werden, die Daten zu übertragen.

Noch einmal: Das sind einzelne Aspekte, die Sie aus diesem breiten Blumenstrauß, den es zum Thema digitaler Wandel auch im Recht gibt, herausgegriffen haben.

Was Sie leider, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, verkannt haben, ist, dass die Rechtspolitik sowohl im Bund als auch in den Bundesländern bereits reagiert hat und agiert. Durch Initiative des nordrheinwestfälischen Justizministers Thomas Kutschaty ist es gelungen, dieses Thema bei der Justizministerkonferenz bereits im letzten Jahr auf die Tagesordnung zu bringen. Dort wurde eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingerichtet, die intensiv an diesen verschiedenen Themen arbeitet.

Ich denke, der Minister wird, wenn wir den Antrag weiter beraten, mit Sicherheit auch im Rechtsausschuss dazu berichten können. Dann können wir uns auf den aktuellen Stand dieser Diskussion bringen lassen.

Die Redezeit.