Protokoll der Sitzung vom 10.11.2016

Die Redezeit.

Im Übrigen haben Sie darauf hingewiesen, der Bundesminister würde da nicht mitarbeiten. Er ist aber auch Teil dieser Diskussions- und Arbeitsrunde. Deswegen freue ich mich auf die Diskussion im Rechtsausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Wolf. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Hanses.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CDU spricht mit diesem Antrag ein sehr wichtiges Thema an. Das sehen wir auch so. Die Digitalisierung stellt uns auch vor viele rechtspolitische Herausforderungen. Wir diskutieren über elektronischen Rechtsverkehr, die elektronische Akte, über ein Update des BGB, über viele Bereiche, die uns beschäftigen.

Das Beispiel, das Sie genannt haben, kennen, glaube ich, viele von uns. Wenn jemand verstirbt und in den sozialen Netzwerken noch Accounts vorliegen, dann finden wir nicht selten mehr oder weniger geschmackvolle Anteilnahmen oder Kommentare, die sicherlich nicht im Sinne des Betroffenen oder der

Betroffenen sind. Und wir erleben Angehörige, völlig überfordert, die gerade im Trauerprozess sind und andere Dinge zu tun haben, als sich darum zu kümmern. Auch das gibt es sicherlich oft. Das ist ein wichtiger Punkt.

Aber wenn wir uns angucken, wer da wo, nämlich hier im Land NRW, was beantragt, dann muss ich ein wenig schmunzeln oder muss mit dem Kopf schütteln. Denn in Ihrem Beschlussvorschlag fordern Sie die Landesregierung auf, aktiv zu werden – das ist sie längst, da können wir gleich noch einmal genauer hinsehen –, und ich frage mich: Wer stellt denn die größte Fraktion im Bundestag? Wer stellt denn die Regierungschefin auf Bundesebene? Da wird es doch ein bisschen schräg. Da sollten Sie doch mal lieber selber aktiv werden,

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

statt hier die Landesregierung mit unserer Hilfe zu treiben, die längst auf dem Weg ist, Ihre Bundesregierung zu treiben.

Wie schon gesagt, auf Initiative von NRW hat sich die Justizministerkonferenz bereits damit beschäftigt und eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingerichtet. Auch das hätten Sie googeln können. Auch da gibt es Internetportale, in denen die Tagesordnung der JuMiKo und die Beschlüsse der JuMiKo ganz einfach nachvollziehbar sind.

Es hätte eventuell auch gereicht, einmal einen Antrag zur Tagesordnung im Rechtsausschuss zu stellen. Dann hätten wir vielleicht auch einmal einen qualitativ anspruchsvollen Antrag von der CDU vorliegen gehabt.

Es gibt viele Aspekte, die durchaus spannend sind, die aber nicht ausschließlich in unserem Zuständigkeitsbereich liegen. Wir hoffen, dass Sie zu einer sachlichen Diskussion zurückkehren. Ich hoffe, Sie nehmen Ihre persönliche Verantwortung auf Bundesebene auch wahr, um da weiterzukommen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hanses. – Für die FDP spricht Herr Kollege Wedel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Alleine in Deutschland sind über 27 Millionen Bürgerinnen und Bürger bei Facebook angemeldet und lassen Freunde und Bekannte an ihrem Leben teilhaben. Doch was geschieht mit ihren Accounts und ihren persönlichen Daten nach ihrem Tod?

Die Bundesregierung empfiehlt, am besten hinterlege man für die Angehörigen die Zugangsdaten zu

E-Mail-Konten und anderen Internetdiensten handschriftlich in einem Testament. Man könne damit festlegen, dass nur bestimmte Personen Einblick in die Daten erhalten. Mit einer Vorsorgevollmacht könne man zudem bestimmen, auf welche Daten die Erben zugreifen dürfen und was damit geschehen soll.

Die Verbraucherzentrale rät, eine Person des Vertrauens über den Tod hinaus mit allen Aufgaben rund um das digitale Erbe zu betrauen. Dabei bewähre sich insbesondere eine Liste mit allen Benutzerkonten und Passwörtern, die an einem sicheren Ort hinterlegt werden sollte.

Bisher haben Verstorbene in den meisten Fällen ihren digitalen Nachlass allerdings nicht geregelt. Damit stellen sich die materiellen Rechtsfragen nach dem Umgang mit dem digitalen Nachlass abstraktgenerell.

Mit dem zur Beratung vorgelegten Antrag fordert die CDU, zügig zu prüfen, welche Gesetzeslücken im Bereich des digitalen Nachlasses auf Bundes- und Landesebene bestehen und diese schnellstmöglich zu schließen. Wenn das denn mal so einfach wäre! Viele der sich im Zusammenhang mit dem digitalen Nachlass stellenden rechtlichen Fragen sind weder durch die Rechtsprechung entschieden noch im wissenschaftlichen Diskurs hinreichend geklärt.

Der digitale Nachlass war 2013 Thema des 64. Deutschen Anwaltstages. In seiner Stellungnahme geht der Deutsche Anwaltverein davon aus, dass grundsätzlich der gesamte digitale Nachlass inklusive EMail-Accounts, Providerverträgen und Auskunftsansprüchen beispielsweise in Bezug auf Passwörter im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben übergeht. Die zum großen Teil anderslautenden allgemeinen Geschäftsbedingungen der Provider hielten einer Inhaltskontrolle überwiegend nicht stand. Zur Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen Fernmeldegeheimnis und Erbrecht sei eine gesetzliche Regelung erforderlich, die es den Diensteanbietern erlaube, den Erben Zugang zu sämtlichen Daten zu verschaffen wie zuvor dem Erblasser.

Im Ausgangspunkt stimmt das Landgericht Berlin in dem nicht rechtskräftigen Urteil aus Dezember 2015 mit dieser Wertung überein. Das ist auch überzeugend. Eine unterschiedliche Behandlung des digitalen und des analogen Nachlasses würde dazu führen, dass Briefe und Tagebücher unabhängig von ihrem Inhalt vererblich wären, E-Mails und private Facebook-Nachrichten hingegen nicht.

Eine Ergänzung des Telekommunikationsgesetzes hält das Landgericht allerdings nicht für erforderlich. Zudem hat es ausdrücklich offen gelassen, ob das postmortale Persönlichkeitsrecht auch dann nicht verletzt ist, wenn der Erbe nicht – wie im entschiedenen Fall – zugleich Sorgeberechtigter ist.

Stimmen in der Literatur weisen zudem darauf hin, dass die Entscheidung bereits durch eine Änderung der allgemeinen Geschäftsbedingungen des Anbieters überholt ist. Da bleibt dann im weiteren Instanzenzug und darüber hinaus noch einiges zu klären.

Die Justizministerkonferenz hat, wie schon erwähnt, im Juni 2015 eine Arbeitsgruppe unter Beteiligung des Bundesjustizministeriums eingesetzt, die sich unter anderem – die restlichen Punkte hat Herr Kollege Wolf ja hier auch schon aufgezählt – mit dem digitalen Nachlass auseinandersetzt.

Bei einer von der Landesregierung durchgeführten Onlinekonsultation hat eine deutliche Mehrheit der These zugestimmt, dass wir neue rechtliche Regelungen für den digitalen Nachlass brauchen. Das ebenso klare Votum für neue rechtliche Regeln für Verträge über digitale Inhalte hat der 71. Deutsche Juristentag im September in Bezug auf einen neuen Vertragstypus aber ebenso deutlich verworfen.

Meine Damen und Herren, auch in Bezug auf den digitalen Nachlass ist das Verhältnis zwischen Erblasser und Erben auf vielfältige Weise Verfügungen unter Lebenden oder von Todes wegen zugänglich, sodass in Bezug auf den digitalen Nachlass eine Abweichung vom Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge grundsätzlich jedenfalls nicht gerechtfertigt erscheint.

Im Verhältnis zu den Providern muss sichergestellt werden, dass der Verfügungsbefugnis des Erblassers wie des Erben Geltung verschafft wird, also auch der Erbe die Daten einsehen und gegebenenfalls auch deren Löschung veranlassen kann. Ob dafür die Inhaltskontrolle der AGBs ausreicht oder neue gesetzliche Regelungen notwendig sind, bedarf weiterer sorgfältiger Prüfung.

Aufgrund der Grundrechtsrelevanz ist zudem insbesondere auch das Telekommunikationsgesetz in den Blick zu nehmen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Wedel. – Für die Piraten spricht Herr Kollege Kern.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Wir begrüßen es, dass die CDUFraktion die offenen Fragen auf diesem Rechtsgebiet sieht. Das postmortale Persönlichkeitsrecht und der Umgang damit lassen in der Tat noch viele Fragen offen. Die Kollegen haben ja bereits darauf hingewiesen.

Die Durchsetzung europäischen Rechts gegenüber US-amerikanischen Internetkonzernen ist bislang keine Frage gewesen, bei der die CDU besonders

geglänzt hat. Die Union hat sich weder in den letzten Jahren im Europaparlament im Rahmen der Diskussionen um die europäische Datenschutz-Grundverordnung um die Durchsetzung von EU-Recht bemüht noch hat die unionsgeführte Bundesregierung bei den Verhandlungen um das sogenannte Privacy Shield besonders geglänzt. Da kann ich auch nur der Kollegin Hanses beipflichten. Ich sehe sie jetzt gerade nicht, aber ich hoffe, sie hört es.

Der Zugriff auf Accounts für die Erben ist natürlich ein hochinteressantes Thema. Wie erhält man Zugang zu Accounts von Facebook, Google, Steam oder auch einem Bitcoin-Depot? Oftmals haben diese Onlineplattformen nicht einmal eine allgemeine E-MailAdresse auf ihren Seiten angegeben.

Große Plattformen optimieren die Kommunikation mit ihren Kunden so weit, dass sie oft nur festgelegte Anliegen in vorgefertigten Formularen vortragen dürfen. Kommunikation, die aus dem Rahmen fällt, wie beispielsweise mit einem Angehörigen, der mit einem Erbschein Zugriff auf einen Account haben möchte, wird bei diesen Unternehmen keinen entsprechenden Geschäftsprozess finden. Dadurch wird die Durchsetzung dieses Anspruchs erheblich erschwert.

In vielen Accounts können sich auch erhebliche Sachwerte befinden, von kostbaren Domains bis hin zu Musiksammlungen im iTunes-Account, einer Spielekollektion bei Steam oder auch einer digitalen Brieftasche in Form von Bitcoins.

Ich möchte ebenfalls darauf hinweisen, dass wir in der Diskussion natürlich auch den gemeinsamen europäischen Binnenmarkt im Blick haben müssen. Die Idee, Internetdienste von Nordrhein-Westfalen aus zu regulieren, wäre hier nicht hilfreich.

Aber wir sind hier nicht so kleingeistig, dass wir immer sagen: „Boah, das ist doch Bundesebene“, wie wir es bei unseren Anliegen und Anträgen sonst immer im Gegenzug von Ihnen zu hören bekommen. Wir finden, man kann das auch durchaus hier diskutieren. Deswegen stimmen wir natürlich der Ausschussüberweisung zu und freuen uns auf die Diskussion. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Kern. – Jetzt hat der fraktionslose Abgeordnete Schulz die Möglichkeit zur Rede.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ein begrüßenswerter Vorstoß der CDU, mitten im digitalen Zeitalter.

Kurz einmal zurückgeblickt: 1990 beschloss die National Science Foundation in den USA, das Internet für kommerzielle Zwecke nutzbar zu machen. Spätestens seit Anfang der 2000er-Jahre, muss man sagen, ist das Internet, ist das World Wide Web in den privaten Haushalten angekommen.

Jetzt kann man nicht sagen, das ist schon ein Vierteljahrhundert her. Insgesamt aber stehen jetzt über 15 Jahre gegebenenfalls Regelungen zur Frage des digitalen Nachlasses aus.

Der Antrag der CDU-Fraktion greift hier Regelungslücken im deutschen Recht auf, die im Übrigen auch in Gesetzeswerken anderer europäischer oder auch außereuropäischer Länder bestehen. Man muss sich fragen, ob die Kompensationsmöglichkeiten, die in der Zwischenzeit für die einzelnen Anwender gefunden wurden – auch durch kommerzielle Anbieter –, wie in Ihrem Antrag ausgeführt, tatsächlich so schädlich sind. Möglicherweise ist die Frage des digitalen Nachlassverwalters in der Tat eine Frage, die man klären sollte.

Zu klären bleibt aber nicht die freie Selbstbestimmung des Account-Inhabers verschiedener Accounts. Das können E-Mail-Accounts sein; Sie nannten eben Partnerschaftsbörsen etc. Da mag es tatsächlich dem Willen des Nutzers entsprechen, wenn er bestimmte vertrauenswürdige Personen dafür bei den jeweiligen Account-Providern angibt. Das Ganze liegt dann wiederum nicht mehr in der Fragestellung „Universalsukzession Ja oder Nein“, sondern möglicherweise auch in der Frage des Vermächtnisses. Von daher ist es durchaus zu begrüßen, wenn wir auch im Lande Nordrhein-Westfalen diese Problematiken einmal hier im Landtag diskutieren.

Allerdings erteilt die CDU in dem Antrag all jenen Möglichkeiten eine pauschale Absage, die es den Nutzern ermöglichen, auch außerhalb der Universalsukzession technisch basierte Möglichkeiten oder Wege zu nutzen, wie beispielsweise Hinterlegungen von Vertrauenspersonen. Das halte ich für ein bisschen zu weit gegriffen. Es besteht durchaus die Möglichkeit, hier Regelungen auszulassen und sie tatsächlich auch richterlicher Rechtsfortbildung im Rahmen von Beurteilungen zu § 1922 oder § 1939 des Bürgerlichen Gesetzbuches zu überlassen.

Folgt man also dem Grundsatz der Universalsukzession, werden stets die gesetzlichen oder sonstigen testamentarischen Erben berufen sein. Dies gerade muss nicht notwendigerweise im Interesse des Erblassers liegen. Von daher sollte man hier in der weiteren Diskussion den Möglichkeiten wirklich offen gegenüberstehen …

Die Redezeit.

… und denjenigen Menschen, die solche Accounts halten, nicht allzu strenge gesetzliche Grenzen vorschreiben, sondern auch die Möglichkeit eröffnen, frei darüber zu bestimmen, wer außerhalb der Universalsukzession Berechtigter bezüglich von Daten und auch Accounts respektive Zugangsdaten sein wird. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.