Nicolaus Kern

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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie werden jetzt Zeuge eines äußerst seltenen Vorgangs werden. Ich werde als Pirat die Worte eines CDU-Politikers loben. Das Zitat bezieht sich auf die Einführung der Schuldenbremse in Art. 109 Abs. 3 Grundgesetz und lautet:
„Die CDU-Fraktion ist mit allen anderen Fraktionen … darin einig, dass ein derartiges Verbot nicht im Grundgesetz der Bundesrepublik
Deutschland für die Länder … normiert werden kann. Landtagspräsident … hat zu Recht darauf hingewiesen, dass in der Föderalismuskommission verabsäumt wurde, den Ländern eigene steuerrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten einzuräumen.“
Weiter:
„Können die Landtage jedoch bei den Einnahmen nichts bewirken, dann kann der Bund uns auf der Ausgabeseite auch keine restriktiven Vorgaben machen. Alles andere liefe … auf eine Kastration der Landtage hinaus.“
Erst hier endet das Zitat. Dies ist ein Zitat des schleswig-holsteinischen Fraktionsvorsitzenden der CDU aus einer Landtagsdebatte von 2009. Dem stimmte damals auch der Fraktionsvorsitzende der SPD, ein gewisser Ralf Stegner, zu. In derselben Debatte sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Kubicki – Zitat –:
„Erstens darf die Ausgestaltung des Schuldenverbots nicht zu starr sein. Das heißt, eine Verschuldung für Investitionen muss aus der Sicht der FDP-Fraktion möglich sein.“
In der Debatte über den Antrag stimmten übrigens alle Fraktionen, auch die Grünen, darin überein, dass
eine im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse unzulässig in die Souveränität des Landes eingreift und daher verfassungswidrig ist.
Alle Argumente gelten auch in der hier und heute stattfindenden Diskussion über die Schuldenbremse in NRW. Doch davon wollen Sie alle nichts wissen. Sie, liebe Fraktionen von SPD, CDU, Grünen und FDP überlassen ab dem Jahr 2020 wichtige Investitionsentscheidungen lieber den Finanzinvestoren und Renditejägern; denn die durch die Schuldenbremse entstehende Investitionslücke kann doch nur durch renditegetriebene Privatinvestoren gefüllt werden. Die Einführung der Schuldenbremse im Bund und Ländern wirkt somit wie ein Gaspedal für Privatisierungen und ÖPP-Projekte. Dabei machen wir Piraten nicht mit.
Was dabei herauskommt, hat der Bundesrechnungshof bereits ausführlich dokumentiert: Der Bürger zahlt immer drauf – immer.
Mit ÖPP wird es immer teurer – teurer, als wenn die öffentliche Hand direkt investiert. Ich sage Ihnen voraus, dass die ÖPP-Projekte das Missmanagement beim Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW noch in den Schatten stellen werden. Wie beim BLB wird dem Landtag nur noch übrig bleiben, mittels Untersuchungsausschüssen dem Missmanagement hinterherzuräumen. Vom Primat der Politik wird dann nicht mehr viel übrig bleiben.
Die Schuldenbremse ist daher nichts anderes als parlamentarische Untreue am Staatsvermögen.
Nichtstun ist Machtmissbrauch, sagt die FDP. Ich sage: Selbstentmachtung ist Landesverrat.
Es wird gerne behauptet, man müsse aufgrund der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse diese auch auf der Landesebene regeln, um noch einen haushaltspolitischen Spielraum in Notsituationen zu haben. Tatsache ist, Art. 109 Abs. 3 Grundgesetz ist einer der größten verfassungsrechtlichen Fehlgriffe des Bundesgesetzgebers. Die Eigenständigkeit der Länder ist vor Zugriffen des Bundes durch das Prinzip der Bundesstaatlichkeit geschützt. Es kann auch nicht mit einer Zweidrittelmehrheit ausgehebelt werden.
Somit hat die Schuldenbremse im Grundgesetz für NRW auch keine Geltung. Darum ist es den Befürwortern der Schuldenbremse ja auch so immens wichtig, sie in der Landesverfassung zu verankern. Aber keine Sorge: So, wie die politischen Mehrheiten hier sind, wird auch eine einfachgesetzliche Verankerung über Jahre in NRW Bestand haben. Wenn es der SPD tatsächlich um soziale Gerechtigkeit ginge, dann würde sie gegen die Schuldenbremse in Karlsruhe klagen. Aber so landet die soziale Gerechtigkeit mit der SPD und dem Schulz-Zug mal wieder auf dem Abstellgleis.
Ich komme zum Schluss. Mit dem heutigen Beschluss unterschreiben Sie Ihr eigenes Entlassungsschreiben und stellen sich ein politisches Armutszeugnis aus. Wir Piraten lehnen als einzige Fraktion die Schuldenbremse grundsätzlich ab.
Die Begründung können Interessierte gern noch einmal ausführlich in unserem Entschließungsantrag Drucksache 16/14760 nachlesen. Wir werden Ihr Gesetz ablehnen. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Es ist Wahlkampf. Da muss man sich bekanntlich auf einiges gefasst machen, auf unglaubwürdige Wahlversprechen, verdrehte Tatsachen und aberwitzige Argumente.
Es ist schade, dass die CDU bei einem so wichtigen Thema wie den Engpässen im Landesdienst Redlichkeit und die grundlegenden Prinzipien der Mathematik vermissen lässt. Es zeigt sich wieder einmal: Im Wahlkampf spielt Sachpolitik leider nur eine Statistenrolle. – Wenn im Zeitraum 2015 bis 2016 die Gesamtanzahl der besetzten Lehrerstellen um 340 gesunken ist, dann ist das natürlich bedauerlich; denn wir sind überzeugt, dass für eine bessere Bildung unserer Kinder weitaus mehr Lehrerinnen und Lehrer benötigt werden. Aber wie ist denn die aktuelle Situation? Das wollten wir Anfang des Jahres bereits im Ausschuss wissen.
Es gibt bekanntlich schon länger einen Engpass bei der Besetzung von Lehrerstellen, der vor allem die Grundschulen betrifft. Deswegen hat meine Kollegin Monika Pieper im Schulausschuss um die aktuellen
Daten zu den Einstellungsverfahren gebeten. Ministerin Löhrmann hat diese in der Sitzung vom 8. Februar geliefert. Dort haben dann alle Fraktionen erfahren, dass zum 6. Februar noch 630 Stellen unbesetzt waren. Im vorliegenden CDU-Antrag ist aber immer noch – trotz besseren Wissens – die Rede von 4.300 unbesetzten Lehrerstellen. Wie passt das bitte zusammen?
Aktuelle Daten ignorieren, veraltete Zahlen herauskramen und so mit Halbwahrheiten Wind machen: So wollen Sie, liebe CDU, an die Regierung? – Zur Lösung der bestehenden Probleme bei den Lehrereinstellungen können Sie ohnehin keine wirksamen Maßnahmen vorschlagen. Jetzt kommen Sie bitte nicht mit der Reaktivierung von Pensionären. Auch das wird bereits gemacht.
Auch was die unbesetzten Stellen im Bereich der inneren Sicherheit angeht, ist die CDU mit ihrer Kritik nicht gerade glaubwürdig. Das Land hat nur die Polizisten, die es vorher eingestellt und ausgebildet hat. Die Versäumnisse der CDU-geführten Landesregierung lassen sich hier gut ablesen.
Rot-Grün hat zumindest angefangen, die Einstellungszahlen wieder anzuheben und mehr Polizisten auszubilden. Das begrüßen wir Piraten ausdrücklich. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, jedoch bedarf es noch eines weiteren Ausbaus. Im letzten Jahr gab es 2.000 Neueinstellungen. Damit ist die Polizei zum ersten Mal seit Jahren nicht kleiner geworden.
Der demografische Wandel bei der Polizei hat sich seit Jahrzehnten angekündigt, aber weder CDU noch SPD haben ernsthaft gegengesteuert und die Zahl der Neueinstellungen auf ein ausreichendes Niveau angehoben. Die Polizei kaputtzusparen und durch Kameras zu ersetzen ist keine Sicherheitspolitik, liebe Kollegen der CDU, sondern nichts anderes als Sicherheitsesoterik.
An die Adresse der „Videobeobachtungspartei“, der Grünen: Videoüberwachung bleibt Symbolpolitik, auch wenn man ein anderes Etikett daran hängt.
Die derzeitigen Probleme bei der Stellenbesetzung im Landesdienst sind nur ein kleiner Vorgeschmack auf die kommenden gravierenden Personalprobleme im gesamten öffentlichen Sektor. Nach einer aktuellen Studie steht der deutsche Staat vor den größten Personalengpässen seiner Geschichte. Bund, Länder und Kommunen werden in den nächsten Jahren massive Probleme haben, offene Stellen zu besetzen. Bis 2030 werden voraussichtlich 816.000 Stellen beim Staat unbesetzt bleiben. Bei den Verwaltungsfachkräften wird es in den nächsten anderthalb Jahrzehnten einen Engpass von rund 277.000 Stellen geben. Der Studie zufolge werden in Deutschland bald auch 194.000 Lehrer fehlen, und das in einer
Zeit, in der das Bildungswesen vor der Doppelherausforderung von Integration und Inklusion steht.
Die Entgeltstrukturen bei der öffentlichen Hand sind in Zeiten des demografischen Wandels vor allem im Wettbewerb um hochqualifiziertes Personal nicht mehr attraktiv. 2030 werden im öffentlichen Dienst voraussichtlich 320.000 Akademiker fehlen. Vor allem Absolventen der sogenannten MINT-Fächer, also naturwissenschaftlich-technische Berufe, erhalten in der Privatwirtschaft wesentlich bessere Verdienste und Bedingungen als im öffentlichen Sektor. Die Auswirkungen des Mangels von Ingenieuren beim Staat machen sich schon heute schmerzhaft bemerkbar.
Trotz guter Haushaltslage können die dringend benötigten Zukunftsinvestitionen vielfach nicht getätigt werden, weil Fachleute mit Know-how zur Planung und Abrufung der Mittel bei den Kommunen und den Ländern schlichtweg nicht mehr vorhanden sind. Der Großteil der bereitgestellten Mittel kann gar nicht mehr verbaut werden, da es an baureifen Projekten fehlt. Und die wiederum fehlen, weil es im Landesdienst bzw. in den Kommunen nicht genügend Bauingenieure gibt, die entsprechende Vorhaben anschieben und genehmigen könnten.
Neben dem Investitionsstau haben wir also jetzt auch noch den Planungsstau. Dieses Problem wird sich in den nächsten Jahren noch verschärfen; vor allem für die Kommunen wird es immer schwieriger. Die unbesetzten Stellen in den Städten und Gemeinden, bei den Kitas und Schulen werden die Menschen in ihrem Alltag schmerzhaft zu spüren bekommen. Die jahrelange Verwaltung des personalen Notstands sowohl durch Schwarz-Gelb als auch durch RotGrün gefährdet im Angesicht des demografischen Wandels die Funktions- und Zukunftsfähigkeit unseres Landes.
Ich komme zum Schluss. Eine verantwortungsvolle Politik hätte die Ausbildungskapazitäten für den Landesdienst schon vor Jahren ausgebaut. Jetzt sind sie vollkommen erschöpft; darüber sind sich hier alle einig. Wir müssen schnellstmöglich die Ausbildungskapazitäten für Polizistinnen und Polizisten, Lehrerinnen und Lehrer sowie für die Finanzverwaltung erhöhen. Wir müssen schnellstmöglich die Entgeltstrukturen und die Besoldung des Landesdienstes verbessern. Nur so lässt sich die Pensionierungswelle im Landesdienst in den nächsten Jahren einigermaßen ausgleichen. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Es geht um sachgrundlose Befristungen im Landesdienst. Aktuell zeigen die 50 neu ausgeschriebenen Stellen in der Finanzverwaltung mal wieder exemplarisch, dass es mit der Vorbildfunktion der Politik für die Privatwirtschaft nicht weit her ist.
Martin Schulz, der neu erkorene sozialdemokratische Messias,
dessen Programm im Wesentlichen daraus besteht, anzukündigen, die unsoziale SPD-Politik der letzten Jahrzehnte zu korrigieren, wird an dieser Stelle von der sozialdemokratischen Regierungsrealität eingeholt. Ich wage einmal die Prognose, dass ihm das in nächster Zeit noch häufiger passieren wird.
Die meisten sachgrundlosen Befristungen und prekären Beschäftigungsverhältnisse im öffentlichen Sektor gibt es übrigens an den Hochschulen. Hier zeigt sich, wie fatal die Entscheidung des schwarzgelben Hochschulfreiheitsgesetzes war, die Personalverantwortung für die Beschäftigten der Hochschulen auszulagern.
Da hilft auch keine rot-grüne Absichtserklärung wie der Rahmenkodex „Gute Arbeit“ für gute Beschäftigungsbedingungen, der arbeitsrechtlich leider nicht durchsetzbar ist.
Wir Piraten haben in diesem Zusammenhang gefordert, im Hochschulzukunftsgesetz die nötigen rechtlichen Rahmenbedingungen für die Rückführungen des Hochschulpersonals in den Landesdienst festzuschreiben.
Drücken Sie sich doch ein.
Denn nur wenn die Personalverantwortung beim Land liegt, lassen sich prekäre Beschäftigungsbedingungen in der Wissenschaft verhindern.
Dann, liebe SPD, könnte man auch den Lippenbekenntnissen von Martin Schulz Taten folgen lassen. Aber – sozialdemokratische Doppelbödigkeit und politische Glaubwürdigkeit mal beiseitegelassen – wie steht denn die CDU zu sachgrundlosen Befristungen? Oder geht es mit diesem Antrag letztlich nur darum, die SPD und den Finanzminister vorzuführen?
Genauso wie das Thema „unbesetzte Stellen im Landesdienst“, das wir heute schon einmal in diesem Plenum behandelt haben, ist das Problem der flächendeckenden befristeten Beschäftigungsverhältnisse zu ernst, um es nur für Wahlkampfgeplänkel zu instrumentalisieren. Wir Piraten lehnen sachgrundlose Befristungen von Arbeitsverträgen beim Staat und in der Privatwirtschaft kategorisch ab.
Der Anteil der befristet beschäftigten Jugendlichen war noch nie so groß wie heute. Noch 1991 lag der Anteil der befristeten Arbeitsverträge in dieser Altersgruppe bei 8,4 %. Im Jahr 2015 ist der Anteil der Befristungen dann auf einen Wert von 22,7 % hochgeschossen. Laut Statistischem Bundesamt liegt der Anteil der jungen Leute, die 2015 unfreiwillig eine Anstellung auf Zeit hatten und lieber eine unbefristete Stelle haben wollten, noch einmal deutlich höher, nämlich bei über 27 %. Befristete Arbeitsverträge für junge Menschen sind heute in unserem Land ein Massenphänomen.
Für die Betroffenen bedeutet das finanzielle Unsicherheiten aufgrund häufiger Arbeitsplatzwechsel –
die drohende Arbeitslosigkeit immer wieder vor Augen –, Instabilität und Unsicherheit beim Start ins Berufsleben sowie eingeschränkte Perspektive und Planungssicherheit. Wie junge Menschen unter diesen Bedingungen eine Familie gründen sollen, bleibt das gut gehütete Geheimnis der Politik.
Deshalb begrüßen wir es grundsätzlich, wenn Herr Schulz sein sozialdemokratisches Gewissen wiederentdeckt und die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen kritisiert. Es wäre nur schön, wenn die sozialdemokratische Regierungsrealität diesen Lippenbekenntnissen standhalten würde. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Zunächst möchte ich mich auch dem Dank meiner Vorredner anschließen und mich insbesondere beim Vorsitzenden und bei den Obleuten dafür bedanken, dass sie unsere zahlreichen Beweis- und Änderungsanträge über sich haben ergehen lassen, auch wenn sie sie in der Mehrzahl abgelehnt und nur einen Teil angenommen haben,
und auch dafür, dass sie unsere Sondervoten letztlich akzeptiert haben – wobei ich da der Ansicht bin, dass sie den Umfang nicht sprengen, sondern sich in dem Rahmen halten, der einer Oppositionsfraktion gut zu Gesicht steht.
Zur Sache: Die Erwartungen an diesen Untersuchungsausschuss waren hoch. Was wollten die Landtagsfraktionen bei der Einsetzung des Untersuchungsausschusses nicht alles aufklären! Doch leider kam es anders: Um sich nicht den wirklich brisanten Themen widmen zu müssen, hatten die anderen Fraktionen offenbar das Ziel ausgerufen, quasi die Gesamthistorie der WestLB zu erforschen. Man verlor sich leider im Klein-Klein und beleuchtete vor allem die Vorgänge genauestens, an denen politische Personen beteiligt waren, die längst nicht mehr im politischen Geschäft sind.
Da bot man einem Ex-Kanzler, einem diplomierten Selbstdarsteller, im Ausschuss als Zeuge eine Bühne, damit er in aller Ausführlichkeit über seine Hochzeitsreise sowie seine Erinnerungslücken zum Thema referieren und sich damit über den Untersuchungsausschuss und seine Aufklärungsbemühungen lustig machen konnte. Ein Bärendienst für den Parlamentarismus in diesem Land!
Die Vorgänge aus jüngerer Vergangenheit hingegen, an denen Personen beteiligt gewesen sein könnten, die heute noch aktiv sind, und vor allem die Geschäfte, die die letzten Sargnägel für die WestLB bildeten, wurden nicht beleuchtet – insbesondere nicht das Phoenix-Portfolio.
Auch kein Thema waren die Zinsswap-Geschäfte der WestLB, die sich äußerst negativ auf einige Kommunen in NRW und deren Haushalte auswirkten. Auch kein Thema waren die Zinsmanipulationen an Libor und Euribor, an denen die WestLB beteiligt war und die Milliardenschäden verursachten. Ebenfalls kein Thema waren die Spekulationen mit Vorzugsaktien von BMW und VW.
Stattdessen beschäftigte man sich lieber mit den Themen „Gefälligkeitsreisen“ oder „Offshore-Aktivitäten“, die für den Untergang der WestLB allerdings eher von untergeordneter Bedeutung waren.
Wenn man sich die hochbrisanten Themenfelder anschaut, die der Ausschuss nicht behandelt hat, muss man wohl eher von einem Unterlassungs- als von einem Untersuchungsausschuss sprechen.
Doch nun zum Untersuchungsgegenstand selbst. Die WestLB hatte zu viele Neider und Feinde und zu wenige Freunde. Auf europäischer Ebene hatte sie eine neoliberale Europäische Kommission gegen sich, die die Anstaltslast beseitigen wollte. Im Bund bot sich ein ähnliches Bild. Und auch auf Landesebene hatte man keine Verbündeten, sondern nur Konkurrenten. Dabei hätte es einer gemeinsamen
Anstrengung der Länder bedurft, um gegen die Abschaffung des Landesbankenmodells zu opponieren.
Gut aufgearbeitet hat der Ausschuss das Thema der Einbringung der Wohnungsbauförderungsanstalt in die WestLB. Um den Anforderungen des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen hinsichtlich der Eigenkapitalbasis der Bank zu genügen, hatte man sich am Anfang der 90er-Jahre zu dieser Sacheinlage anstelle von echtem Eigenkapital entschlossen – eine folgenreiche Fehlentscheidung, wie sich herausstellen sollte. Denn damit begann eine jahrelange Auseinandersetzung mit der EU-Kommission über die Einstufung dieser Sacheinlage als europarechtswidrige Beihilfe. Diese hat das Land NRW und die WestLB im Wesentlichen verloren – juristisch, aber vor allem auch politisch.
Gerade als die Auseinandersetzung um die Wfa ausgestanden war, erfolgte im Jahr 2008 die nächste fatale Fehlentscheidung der WestLB und der damaligen Landesregierung: die Auslagerung von toxischen Wertpapieren im Nominalwert von 23 Milliarden € in das eben schon erwähnte Phoenix-Portfolio. Diese Papiere sind letztlich in der vielzitierten Ersten Abwicklungsanstalt gelandet, der Bad Bank der WestLB. Aber es waren nicht nur diese Wertpapiere im Nominalwert von 23 Milliarden €, sondern am Ende waren es Schrottpapiere von über 200 Milliarden €, für die der Steuerzahler haften sollte. Diese erneute Staatsgarantie löste dann das nächste und letztlich vernichtende Beihilfeverfahren der EUKommission gegen die WestLB aus. Aber all das war leider nicht Gegenstand der Untersuchungen.
Statt sich also mit dem Hauptverdächtigen für den Untergang der WestLB zu beschäftigen, jagte man lieber einem Phantom hinterher, einem Steuerbetrugsnetzwerk im Ausland bei einer Bank, die selbst quasi kein Privatkundengeschäft unterhielt – ein ziemlich abstruser Ermittlungsansatz. Weil man diesem Phantom nachjagen wollte, blieb angeblich keine Zeit mehr für die Untersuchung der Vorgänge rund um das Phoenix-Portfolio. Eine Untersuchung haben die anderen Fraktionen mit juristischen Scheinargumenten verhindert. Der Ausschuss einschließlich des Vorsitzenden ließ sich vom Justiziar der Portigon quasi einschüchtern,
weil bei einer Herausgabe von Unterlagen an den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss angeblich Schadensersatzprozesse gegen die New Yorker Tochter der WestLB verloren gehen könnten und damit Forderungen von 180 Millionen € auf das Land zukämen. Aber schon damals war absehbar, dass diese Prozesse scheitern würden. Tatsächlich wurden die Schadensersatzklagen gegenüber der WestLB-Tochter allesamt abgewiesen.
Zufälligerweise – jetzt wird es interessant – kam die Nachricht von der Portigon darüber, dass die Klage in New York rechtskräftig abgewiesen wurde und nun eine Befassung durch den Ausschuss ohne finanzielles Risiko für das Land möglich sei, just in dem Moment, als der Ausschuss beschlossen hatte, die Beweisaufnahme zu schließen. Was für ein grandioser Zufall!
Unser Resümee! Das Scheitern der WestLB hat viele Väter: einen vor Arroganz strotzenden Vorstandsvorsitzenden Neuber,
Aufsichtsräte, die in den entscheidenden Sitzungen nicht die nötigen Nachfragen stellten, sondern alles abnickten, was vom Vorstand vorgelegt wurde, und die Eigentümerstruktur. Auch das wurde schon angesprochen: Die WestLB hatte mit dem Land NRW und zwei Sparkassenverbänden Eigentümer, die nicht in der Lage waren, ihre gegensätzlichen Interessen für einen vernünftigen Kompromiss zurückzustellen.
Viele Lösungsmöglichkeiten wurden nämlich verbaut, weil die Sparkassen, die am Ende die Mehrheitsgesellschafter waren, keinen Verkauf wollten. Sie wollten aber auch nicht, dass es in NRW eine vertikale Fusion der WestLB mit einer Sparkasse gibt. Das wäre wiederum nur zusätzliche, unliebsame Konkurrenz gewesen, die man nicht wollte. Erfolgreiche Beispiele aus anderen Ländern sind etwa die LBBW und die NordLB. Aber so war die WestLB zum Untergang verurteilt. Wer sich für die Details interessiert, den darf ich auf unsere zahlreichen Sondervoten verweisen.
Den FDP-Antrag werden wir ablehnen. Sie hatten vier Jahre Zeit, Ihre Überlegungen in Form von Beweisanträgen und Sondervoten in den Ausschuss einzubringen. Das haben Sie leider unterlassen. Darüber kann Ihr Entschließungsantrag auch nicht hinwegtäuschen. – Vielen Dank.
So sieht’s aus, ja. – Frau Kollegin Scharrenbach, ich finde es leicht anmaßend, wie Sie mich hier mit irgendwelchen Andeutungen angehen, ohne das konkret zu benennen. Aber sei’s drum.
Ich finde es nur interessant, dass Sie sich hier ans Redepult stellen und bedauern, wie das gelaufen ist, mich aber, wenn ich das dann aus meiner Sicht darstelle, hier wie am Spieß verurteilen und in irgendeine Ecke stellen wollen. Das kann ich nicht nachvollziehen. Wir haben da offensichtlich unterschiedliche Ansichten; daran kann ich nichts ändern.
Schön, dass Sie bei mir so viel genauer auf die Redezeit achten als bei der Kollegin Freimuth, aber sei’s drum. –
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich empfehle Ihnen einfach unsere Sondervoten. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Fake News – das sind gezielt gestreute falsche oder auch manipulierte Nachrichten, oftmals zur Verfolgung monetärer Interessen, aber auch, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Genau wie die artverwandte Hate Speech sind sie ein wirtschaftliches und politisch-gesellschaftliches Phänomen des digitalen Zeitalters.
Nun ist in der politischen Befassung genau das eingetreten, wovor wir Piraten immer gewarnt haben. Die Pläne von Bundesjustizminister Heiko Maas stellen massive und nicht zu rechtfertigende Eingriffe in die Meinungs- und sogar in die Pressefreiheit in Deutschland dar.
Es zeigt sich wieder einmal: Das Grundverständnis für digitale Kommunikationsformen und deren gesellschaftliche Auswirkungen fehlt der schwarz-roten Bundesregierung vollkommen.
Der Justizminister hat am vergangenen Dienstag den Entwurf zum sogenannten Netzwerkdurchsetzungsgesetz vorgestellt. Schauen wir uns diesen Entwurf einmal an.
Erstens. Maas weitet den Begriff der sozialen Netzwerke gefährlich aus. Auf einmal geht es nicht nur um öffentliche Posts über Facebook und Twitter, sondern auch um private, im Grunde nicht öffentliche Kommunikation per Messenger-Dienst oder sogar EMail-Dienst. Und diese Dienste sollen jetzt den Richter spielen über rechtswidrige Inhalte ihrer Nutzer.
Zweitens. Bußgelder von bis zu 5 Millionen € und rasante Bearbeitungspflichten ohne richterliche Überprüfung sollen die Plattformbetreiber derart unter Druck setzen, dass diese am besten schon in vorauseilendem Gehorsam kritische Einträge löschen. Das wäre ein Einstieg in die privatisierte Zensur samt Rechtsprechung, mit Facebook und Twitter, die als Internetpolizei und Richter fungieren, und dem Bundesjustizministerium als übergelagerter Wahrheitskommission. Das machen wir Piraten nicht mit!
Richtig ist natürlich: Dort, wo gegen geltendes Recht verstoßen wird – zum Beispiel bei Verleumdung oder Volksverhetzung –, muss eingegriffen werden, auch mit Löschung. Was jedoch die deutsche Bundesregierung hier vorschlägt, ist das Outsourcen der Rechtsprechung im digitalen Raum.
Ich möchte hier einmal einen kommunikationstheoretischen Rückblick vornehmen. Im Zeitalter der frühen Massenmedien wurde von „Feindsendern“ und „Feindpropaganda“ gesprochen, gegen die man staatlich vorgehen müsse. Auch im Zeitalter der dezentralen Onlinekommunikation, also der Digitalen Revolution, will man gegen Feind-News vorgehen und erfindet dafür den Begriff „Fake News“, weil es den einen singulären Sender nicht gibt, den man dämonisieren kann.
Das Problem ist hausgemacht. Der grassierende Vertrauensverlust in die Mainstream-Medien schafft erst den Raum für Fake News. Was wir jetzt aber brauchen, ist ein klares und uneingeschränktes Bekenntnis zur Meinungs- und Pressefreiheit in Deutschland. Genau das ist der vorliegende Antrag der Piraten.
Wir wollen nicht unterdrücken, zensieren und mit Bußgeldern einschüchtern. Wir Piraten wollen die digitale Medienkompetenz und das Vertrauen in Qualitätsjournalismus stärken, sodass Fake News gar nicht erst Gehör finden. Gegen Zensur, für Meinungsfreiheit – machen Sie mit! – Vielen Dank.
Danke schön, dass Sie die Frage zulassen. Mit dem, was Sie zum Schluss Ihrer Rede noch gesagt haben, haben Sie den Anlass für meine Frage fast beseitigt. Ich frage Sie, ob Sie bereit sind, zur Kenntnis zu nehmen, dass Ihr Gesetzentwurf erst vor zwei Tagen präsentiert wurde, unser Antrag aber schon wesentlich länger im System ist, sodass wir keine Möglichkeit hatten, dies bei der Antragsentstehung zu berücksichtigen. Außerdem bin ich bei meiner Rede ja auf den Gesetzentwurf eingegangen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Auf Antrag der CDU führen wir eine Aktuelle Stunde zum Thema „offener Strafvollzug“ durch. Herr Kamieth, wenn Sie sich Ihre Rede noch einmal vergegenwärtigen, dann müssen Sie selber zugeben: Darin kam dieses Thema relativ wenig vor. Es scheint tatsächlich so zu sein, dass Sie die Aktuelle Stunde eher als Wahlkampfgeplänkel nutzen wollen und es Ihnen nicht um die Sache geht.
Auch nach Ihren Ausführungen ist nicht klar geworden, wo der große Skandal liegt; den konnten Sie nicht aufzeigen. Noch weniger konnten Sie aufzeigen, welches Ihre Lösungsansätze sind, Herr Kamieth.
Sie verweisen in Ihrer Rede auf die JVASchließungen und das Hin und Her bei der JVA Münster. Das macht schon deutlich, dass Sie eigentlich kein Problem haben, das zu Ihrer Überschrift passt. Ich kann auch nicht so recht verstehen, warum wir uns über einen Ausbruch, eine Flucht im Jahr 2014 in einer Aktuellen Stunde unterhalten müssen. Das leuchtet mir nicht ein.
Ihre Ansichten zur Polizei usw. kennen wir aus dem Innenausschuss und aus anderen Debatten, das müsste nicht unter dem Begriff „Aktuelle Stunde“ debattiert werden. Aber sei es drum!
Nett ist dann allerdings Ihr Disclaimer am Ende Ihrer Rede, mit dem Sie ein Lippenbekenntnis zum offenen Vollzug abgeben. Nur, das ist absolut nicht glaubwürdig. Es ist einfach nicht glaubwürdig, nach einer solchen Rede zu sagen: Im Übrigen sind wir auch für den offenen Vollzug, weil das positive Effekte hat, zum Beispiel Resozialisierung.
Alle anderen Fraktionen in diesem Hause bekennen sich klar dazu. Bei Ihnen muss man den Eindruck gewinnen, dass Sie dieses Prinzip aufgeben wollen. Denn ansonsten würden Sie hier doch nicht die Politik kritisieren, mit der NRW – zugegebenermaßen gemeinsam mit Berlin – eine Vorreiterrolle übernimmt. In NRW gibt es den größten offenen Strafvollzug. Dann ist es in meinen Augen schon rein statistisch relativ logisch, dass man auch mit mehr solchen „Problemfällen“ – in Anführungszeichen – konfrontiert ist. Das ist einfach ein statistischer Normalfall, der Sie dann einholt.
Sie verschweigen hier aber die positiven Effekte dieser Politik. Resozialisierung führt nämlich dazu, dass am Ende der Haft dann ein besser integrierter Bürger steht, der nicht so häufig rückfällig wird. Insofern konterkarieren Sie an dieser Stelle genau das, was Sie immer wollen. Diese Politik führt im Endeffekt zu weniger Straftaten und zu einem sicheren NRW. Das finde ich grundsätzlich gut. Daran sollten wir festhalten.
Sie gehen auch überhaupt nicht auf die Ursachen ein oder begeben sich auf eine Problemsuche. Sie klammern das Problem der Ersatzfreiheitsstrafen, das hier schon thematisiert wurde, vollkommen aus und bieten null Lösungen an.
Was wäre denn, wenn es nach Ihnen ginge und man den Weg des offenen Vollzuges verließe? Dann verbüßte der Betreffende seine Freiheitsstrafe im geschlossenen Vollzug und würde schlechter integriert auf die Gesellschaft losgelassen. Dazu sagen Sie nichts. Dazu schweigen Sie sich aus.
Sie fühlen sich ja auch nicht gemüßigt, uns einen Antrag vorzulegen, in dem Sie einmal Farbe bekennen würden. Das ist alles nur Wahlkampfgeplänkel und führt uns nicht wirklich weiter. Sie versuchen, hier Ihren rechtspolitischen Gestaltungswillen zu demonstrieren. Aber Sie verlieren sich dabei in Phantomdebatten, die an den wirklichen Problemen in diesem Land vorbeigehen.
Wir beschäftigen uns heute ja auch noch mit Ihren Ansichten zur Wohnungseinbruchskriminalität im minder schweren Fall. Das ist Ihre Problemschiene, auf der Sie sich bewegen. Eigentumsdelikte sind also Ihre Domäne. Da meinen Sie, Sie müssten sich „Law and Order“ auf die Fahne schreiben, ohne wirklich Lösungen zu präsentieren.
Gleichzeitig erleben wir, dass bei Vermögensdelikten hier im Land – Stichwort „Teldafax-Insolvenzverfahren“ –, bei denen 750 Millionen € Schaden angerichtet werden und es verteilt in der Bundesrepublik 300.000 Geschädigte gibt, die Verantwortlichen mit einer Bewährungsstrafe davonkommen. Ich würde mir wünschen, dass Sie dort einmal „Law and Order“ ausrufen und dafür sorgen würden, die Rechtspolitik hier zum Besseren zu wenden und in solchen Fällen deutlich zu machen, dass man so nicht wirtschaften und Leute nicht in dieser Art und Weise schädigen kann. Da bleiben Sie still.
Aber hier beim offenen Vollzug meinen Sie, Sie könnten Ihre „Law-and-Order“-Geschichten durchziehen – nach meiner Ansicht ohne Sinn und Verstand. Lassen Sie das sein und besinnen sich eines Besseren! Damit wäre NRW mehr gedient. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Von der CDU kommt auch unter diesem Tagesordnungspunkt rechtspolitisches Wahlkampfgetöse. So möchte ich es mal einordnen. Das hatten wir ja schon unter Tagesordnungspunkt 1 bei der Aktuellen Stunde zum offenen Vollzug. Das setzt sich hier leider fort.
Dabei hätte man gewarnt sein können. In Ihrem Antrag beziehen Sie sich auf den eigentlichen Urheber dieser Initiative; denn Sie verweisen auf die Aktivitäten des Freistaats Bayern in diesem Bereich. Da müssen ja bei allen Rechtspolitikern automatisch die roten Warnlampen angehen. So ist es eben auch dieses Mal. Es ist so wie in anderen Politikbereichen auch in dieser Zeit. Wenn etwas aus Bayern kommt, klebt eigentlich immer das Etikett „nicht verwertbar“
dran, sei es Maut, sei es Geschwafel über Obergrenzen, und auch dieser Vorstoß im Strafrechtsbereich ist ähnlich einzuordnen. Er ist eigentlich nur noch für den Papierkorb geeignet, wenn dieser denn nicht die Annahme verweigert.
Zu Ihren Gedankengängen Folgendes: Sie haben natürlich hier einen Punkt aufgegriffen, bei dem Sie wissen, dass Sie damit in der öffentlichen Diskussion möglicherweise wahrgenommen werden, weil hier natürlich ein Delikt angesprochen wird, das nicht ein einfaches Eigentumsdelikt ist, sondern das tatsächlich die Privatsphäre tangiert. Die Leute fühlen sich nach so einer Tat in ihrem persönlichen engsten Lebensbereich verunsichert. Dem muss man natürlich begegnen; das verstehe ich auch. Aber dann empfehle ich uns allen doch, zu wirksamen Maßnahmen zu greifen.
Das Problem ist, dass wirksame Maßnahmen überwiegend den Bereich der Prävention betreffen. Das ist für Politiker – zumindest für CDU-Politiker – scheinbar langweilig und lässt sich nicht so gut verkaufen, als wenn man wieder einmal Law and Order ausruft und nach Strafverschärfungen ruft. Aber denknotwendig können diese Maßnahmen nicht greifen. Denn wen wollen Sie mit einer Verurteilungsquote im unteren einstelligen Prozentbereich abschrecken? Weder generalpräventiv noch spezialpräventiv scheint das doch irgendwie eine Auswirkung haben zu können, wenn man eigentlich nicht davon ausgehen kann, dass man gefasst wird. Das ist leider so. Darüber müssen wir uns unterhalten, wie wir das vielleicht verbessern. Aber das ist nicht einfach. Da gibt es keine Spezialrezepte, die man aus dem Hut zaubert, und dann ist alles gut.
Es ist so, dass man über bessere Absicherungsmethoden Einbrüche verhindern kann, sodass sie dann im Versuch stecken bleiben. Noch besser – das wurde auch schon angesprochen – ist, wenn man das Wohnumfeld so gestaltet, dass die soziale Kontrolle besser ausfällt, sodass Täter abgeschreckt werden. Das können Sie alles nachlesen. Das ist auch schon vom Kriminologischen Forschungsinstitut in Niedersachsen untersucht worden. Da wird ganz klar, dass hier der Fokus der Maßnahmen sein sollte und dass man da nicht am materiellen Strafrecht herumfummeln sollte.
Auch bei der Begründung, dass man sich bei der Strafverfolgung besser aufstellt, indem man die Telefonüberwachung für diesen Deliktstyp ausweitet, haben sie doch hier offensichtlich in erster Linie die bandenmäßige Begehung im Auge. Dort gibt es die Möglichkeiten doch schon, sodass diese Begründung nicht zieht. Scheinbar wird von diesem Mittel entweder nicht genügend Gebrauch gemacht, oder es ist auch an der Stelle leider nutzlos. In beiden Fällen bringt uns jedenfalls Ihr Antrag auch nicht wirklich weiter.
Zum Schluss möchte ich noch zum Ausdruck bringen, dass es mich schon verwundert, dass Sie die Abschaffung des minderschweren Falls für den Wohnungseinbruchsdiebstahl fordern und damit das richterliche Ermessen bei der Tatbewertung deutlich einschränken. Das drückt meiner Meinung nach ein Misstrauen gegenüber der Richterschaft aus, das für mich vollkommen unerklärlich ist. Ich glaube, dass unsere Richter mit dieser Strafzumessung bewusst und gewissenhaft umgehen. Wenn Sie in der Rechtsprechungsdatenbank mal den Suchbegriff „minderschwerer Fall Wohnungseinbruchsdiebstahl“ aufrufen, dann wird es Ihnen schwerfallen, eine Vielzahl von Fällen herauszufinden, wo der angewandt wird. Das ist, wenn überhaupt, eine sehr begrenzte Anzahl von Fällen. Die rechtfertigen es bestimmt nicht, jetzt hier noch einmal als Gesetzgeber tätig zu werden und diesen Paragrafen zu streichen. Ich denke, die Regelungen werden zurzeit gut angewandt, und es besteht kein Änderungsbedarf. – Vielen Dank.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Das ist ohne Frage ein sensibler Bereich. Wie die Kollegen schon erwähnt haben, ist es aber auch ein strafrechtlich gut geregelter Bereich. Seit der Einführung gab es in über 100 Jahren lediglich vier Änderungen. Ich glaube, dass das Strafrecht hier im Moment eine ausreichende Antwort parat hält.
Zum Antrag: Man muss ja auch immer irgendwo das Positive sehen. Das habe ich auch bei diesem Antrag versucht. Nach langem Nachdenken und Grübeln bin ich dann darauf gekommen: Dieser Antrag ist tatsächlich so schlecht, dass ich zumindest keinen Entschließungsantrag dazu schreiben musste. Man kann ihn schlichtweg ablehnen.
Bei der Bearbeitung eines solchen Antrages schaut man sich ja nach der Überschrift erst einmal den weiter hinten stehenden Beschlussteil an. Das habe ich in diesem Fall nicht getan, sondern bin noch weiter nach hinten gegangen und habe mir die Reihenfolge der Unterschriften angeschaut. Daran sieht man, wer ihn eingereicht hat, und stellt fest, dass er gar nicht aus dem Rechtsbereich kommt, der hier eigentlich zuständig wäre, sondern von den Innenpolitikern.
Das ist auch des Pudels Kern. Man scheint sich bei den Innenpolitikern schon auf Law and Order eingestellt zu haben – und auf Wahlkampf ohne Sinn und Verstand.
Auch wenn er nicht hier ist, möchte ich jetzt einmal an den Bundesvorsitzenden der FDP appellieren. Wir wissen ja, dass er sich im Bereich der Europapolitik sehr stark gegenüber der AfD abgrenzt. Die Abgrenzung wäre aber deutlich glaubwürdiger, wenn er das auch im Bereich der inneren Sicherheit täte. Das scheint hier allerdings nicht der Fall zu sein. Vielmehr wird auf immer schärfere Gesetze gesetzt. Das sieht nach einer freundlichen Übernahme der AfD-Politik aus. So etwas ist fatal.
Um noch einmal auf die argumentativen Schwächen dieses Antrages einzugehen, reicht meine Redezeit leider nicht aus. Gott sei Dank haben meine Kollegen da schon vorbereitet. Ein paar Punkte möchte ich aber nennen.
Die vorliegende Kriminalstatistik – wir müssen ja schauen, über welche Faktenlage wir sprechen – weist nicht aus, dass es in diesem Bereich zu einer dramatischen Steigerung der Kriminalität gekommen ist. Jetzt wurde hier berichtet, dass es da bestimmte Erscheinungsformen gibt. Das mag sein. Dann sollte man sich, wenn man seriös diskutieren will, aber die Zeit nehmen, auf die aktuelle, auf die nächste Kriminalstatistik zu warten. Diese Zeit wollte sich die FDP hier offensichtlich nicht nehmen. Das ließ der Wahlkampf dann nicht zu. Sehr schade!
In dem Antrag führen Sie bei den Taschendiebstählen das Tatbestandsmerkmal „intime Distanzzone“ ein. Das wirft erhebliche Abgrenzungs- und Wertungswidersprüche auf. Auf die Rechtsfolgen ist gerade schon eingegangen worden. Dann kommt es in der Tat zu Wertungswidersprüchen mit anderen Delikten, zum Beispiel Körperverletzungen oder sexuellen Übergriffen.
Auch die Abgrenzung ist problematisch. Was ist denn noch die „intime Distanzzone“? Bei der Handtasche soll es strafbar sein; okay. Aber was ist mit der Strandtasche? Was ist mit der Sporttasche? Was ist mit dem Trolley? Was ist mit dem Koffer? – Sie erkennen, glaube ich, worauf ich hinauswill und wo da das Problem liegt.
Die gesamte Antragstellung zielt – das gibt sie auch in ihrer Begründung zu – auf Bandenkriminalität ab. Dann sollte man auch dort ansetzen. Dieser Antrag setzt aber beim Grunddelikt an, obwohl es eigentlich um Bandenkriminalität geht, die nach dem Gesetz auch schon härter bestraft wird. Ein solches Vorgehen ist rechtsdogmatisches Harakiri. Man kann doch nicht am Grunddelikt herumfummeln, um irgendwie einen Qualifikationstatbestand zu erreichen und
dann eine Verbrechensstrafbarkeit herbeizuführen. Das geht so nicht.
Zum Schluss noch ein Schmankerl: In der Begründung des Antrages wird auch die Sicherheit von Daten auf dem Smartphone und Bankzugangsdaten angeführt. Das ist ein ganz lustiger Ansatz – Datenschutz durch Strafrecht. Das ist wirklich abenteuerlich. Wir setzen da lieber auf Verschlüsselungstechnologien, die wirklich sicher sind. Denn wenn die Daten futsch sind, nutzt es Ihnen relativ wenig, dass der Täter am Ende vielleicht härter bestraft wird. In diesem Lande wird aber statt über Verschlüsselungstechnologie lieber darüber philosophiert, welche Hintertürchen man in Verschlüsselungssoftware einbauen kann.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Der Überweisung werden wir natürlich zustimmen. Wir werden den Antrag in seine Einzelteile zerlegen, schreddern und dann entsorgen, hoffe ich.
Die abschließende Frage wäre bei diesem rechtsdogmatisch toxischen Antrag nur noch: Papiermüll oder Sondermüll? – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Bei dem Antrag von SPD und Grünen handelt es sich um einen typischen Show-Antrag – da hat der Kollege recht –, mit dem man sich vor der Landtagswahl noch einmal kräftig abfeiern will. Beim genaueren Hinsehen bleibt allerdings nur wenig übrig, wofür sich diese rot-grüne Landesregierung objektiv feiern lassen kann.
Im Bereich der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Schließung von Steuerschlupflöchern bleibt in der Legislaturperiode des Robin Hood der Steuerzahler – „Nowabo“ – lediglich der rechtlich fragwürdige Ankauf von Steuer-CDs übrig, unterm Strich also Datenhehlerei für den guten Zweck. Aber heiligt der Zweck wirklich jedes Mittel? – Ich denke, eher nicht. Es gibt nämlich Alternativen.
Statt Finanzbeamte mit Geldkoffern durch die ganze Republik zu schicken, um Datenträger in dunklen Hinterhöfen anzukaufen, hätte man die Lücken im Steuerrecht auf dem Weg der ordentlichen Gesetzgebung schließen müssen.
Und, ja, Herr Kollege Zimkeit, Herr Kollege Abel, die Themen Transparenz und Steuergerechtigkeit sind wichtig, aber es ist immer relativ einfach, sich hier vom Redepult des Düsseldorfer Landtags aus an den Bund in Berlin zu wenden, wenn man hier im Lande nicht alle Hausaufgaben gemacht hat. Wo bleibt das Transparenzgesetz NRW, Herr Abel?
Und Herr Zimkeit: Steuergerechtigkeit, ja – aber der Kampf für Steuergerechtigkeit wird ein Stück weit unglaubwürdig, wenn man sich nicht gleichzeitig konsequent gegen ÖPP ausspricht, gegen die Privatisierung von öffentlichen Aufgaben.
Wenn man von Steuerfinanzierung auf Gebührenfinanzierung umschwenkt, ist das genau das Gegenteil von Steuergerechtigkeit; denn Gebühren sind immer gleich. Gebühren kennen kein Existenzminimum, sie kennen auch keinen Höchststeuersatz. Das ist sozial ungerecht und somit das Gegenteil von Steuergerechtigkeit.
Zu Ihrem Antrag.
Herr Abel, schauen Sie sich die aktuellen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern bezüglich der Autobahnprivatisierung an. Da bleibt NRW stumm, da …
Es mag Ihnen nicht gefallen, aber es ist so. Diese Debatte haben wir hier schon geführt,
und die Versäumnisse von NRW in diesem Bereich sind bekannt.
Ich komme auf Ihren Antrag zu sprechen. Im Feststellungsteil des Antrages heißt es lapidar, die rotgrüne Landesregierung hätte in dieser Legislaturperiode eine Debatte über Steuerumgehung angestoßen, zum Beispiel durch Lizenzmodelle. Das ist verdammt wenig dafür, dass man jahrelang sowohl im Land als auch im Bund an der Regierung war/ist.
Die Wahrheit ist: Es waren die Piraten, die solche Themen wie aggressive Steuervermeidungsstrategien, ruinöser Steuerwettbewerb, Lizenz- und Patentboxen oder
Country-by-Country Reporting als Erste in diesem Landtag auf die Agenda gesetzt haben.
Rot -Grün hat darauf mit Entschließungsanträgen reagiert,
die allesamt ohne Folgen blieben. Die Tatsache, dass die Landesregierung auch weiterhin lukrative Beraterverträge an Wirtschaftsprüfungsunternehmen wie zum Beispiel PwC vergibt, die die Konzerne erwiesenermaßen bei der Ausnutzung von Steuerschlupflöchern unterstützen, ist nur noch peinlich.
Auch dass der vorliegende Antrag im Beschlussteil die Erarbeitung eines Gesetzentwurfes um sogenannte Share-Deals enthält, ist kurz vor dem Ende der Legislaturperiode einfach nur noch lächerlich.
Schon in einem Entschließungsantrag vom 16. Dezember 2014 haben die regierungstragenden Fraktionen die Landesregierung aufgefordert, Umgehungstatbestände bei der Grunderwerbsteuerpflicht zu verhindern. Passiert ist seitdem jedoch nur wenig.
Share-Deals erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit. Gut aber, dass SPD und Grüne in diesem Antrag kurz vor der Landtagswahl noch einmal Lippenbekenntnisse abgeben und Pseudoaktivität simulieren.
Toll ist auch, dass der Antrag die steuerpolitischen Wahlkampfvorstellungen von Rot-Grün enthält. Dabei fällt auf, dass Sozialdemokraten und Grüne in diesem Antrag versuchen, ihre Steuerpolitik der letzten Jahre wieder zurückzunehmen und zu korrigieren.
Wer hat denn den Spitzensteuersatz in der Einkommensteuer auf 42 % abgesenkt? Die Antwort lautet: SPD und Grüne. Wer hat denn die Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge in Höhe von 25 % eingeführt? Das waren die SPD und die Union.
Wer hat den zahllosen Erbschaftsteuerreformen, die nach wie vor Betriebsvermögen in Millionenhöhe keinerlei Besteuerung unterwerfen, im letzten Jahr zugestimmt? SPD und Grüne. Meine Damen und Herren, ich denke, Sie erkennen die Handlungsmuster.
Schön, dass SPD und Grüne auf der Zielgeraden vor der Landtags- und Bundestagswahl ihren steuerpolitischen Amoklauf der letzten Jahre, der die Vermögensungleichheit in unserem Land exponentiell hat anwachsen lassen, mit diesem Antrag korrigieren möchten. Glaubwürdig ist er aber leider nicht. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer im Saal und zu Hause! Bei der Lektüre dieses rotgrünen Antrages begann ich mit der Übersicht der Beschlusspunkte, und ich verstehe die Intention Ihres Antrages. Dann hört mein Verständnis für Sie aber auch schon auf, denn die richtige Intention rechtfertigt nicht den unfassbaren Unsinn, den die antragstellenden regierungstragenden Fraktionen in ihrem Sachverhaltsteil vorausschicken.
Sehr geehrter Herr Zimkeit, sehr geehrter Herr Abel, sehr geehrte Frau Zentis, so einfach, wie es Herr Kämmerling gerade behauptet hat, scheint es doch nicht zu sein. Ich zitiere aus dem Feststellungsteil Ihres Antrages unter Ziffer II.:
„Eine faktische oder gar rechtliche Vereinnahmung der Guthaben durch die Banken ist weder im Sinne der Betroffenen, noch der Allgemeinheit: Die Guthaben werden dem Wirtschaftskreislauf entzogen, Wertschöpfung wird verhindert.“
Moralisch bin ich bei der ersten Hälfte Ihrer Ausführung durchaus bei Ihnen. Wenn aber die gesammelte volkswirtschaftliche Kompetenz Ihrer Fraktionen ist: „Guthaben werden dem Wirtschaftskreislauf entzogen, Wertschöpfung wird verhindert“, dann packe ich mir nur noch an den Kopf.
Da haben selbst die Verschwörungstheorien im Gelben Forum mehr Niveau.
Daher haben wir auch einen eigenen Antrag zu dem Thema eingereicht. Wir haben versucht, die Intention des Antrages nicht zu verändern, haben quasi Ihren Job gemacht und bieten zumindest allen anwesenden Mitgliedern des Landtages nun die Möglichkeit,
hier im Hohen Hause einem Antrag zuzustimmen, der volkswirtschaftlich korrekt ist, die gesetzliche Lage klar herausarbeitet und trotzdem die Landesregierung auffordert, in unserem gemeinsamen Sinne tätig zu werden.
Dabei bin ich mir auch darüber im Klaren, dass auch unserer Antrag nicht der Weisheit letzter Schluss ist
und das nur der Anfang einer Diskussion sein kann – dafür hatte Herr Witzel auch schon die richtigen Worte gefunden. Die Belange der Allgemeinheit müssen sorgfältig mit datenschutzrechtlichen Aspekten und dem Bankgeheimnis abgewogen werden.
Sie helfen hier mit einem Ja zum rot-grünen Antrag aber nicht dem Finanzminister. Im Gegenteil: Man wird Sie wohl eher als postfaktisch abstempeln – auch Sie, Herr Hübner.
Das schadet einer richtigen Debatte. Hier geht es nicht darum, jemanden zu verteufeln, sondern dem Recht zu seiner Durchsetzung zu verhelfen und Maßnahmen zu ergreifen, um an entsprechender Stelle korrigierend eingreifen zu können.
Ich werbe bei allen Fraktionen dringlich darum, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen. Sollten Sie tatsächlich diesen rot-grünen Antrag verabschieden, haben Sie jeden Anspruch verspielt, das Thema hier noch einmal postfaktisch oder mit Fake News anzusprechen.
Mit der direkten Abstimmung bringen Sie außerdem eine vollkommen unnötige Eile in das Verfahren. Die Fristen belaufen sich, wie in unserem Antrag benannt, auf 30 Jahre. Eine Ausschussüberweisung wäre daher noch möglich gewesen. So bleibt allen klar denkenden Menschen nur die Möglichkeit, unserem Antrag zuzustimmen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Kollege Schulz, lieber Dietmar, dass du die Frage zulässt. Bist du bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass es mir leider nicht möglich ist, diesen Antrag in den Ausschuss zu bringen, weil unser Antrag an den Antrag der regierungstragenden Fraktionen gebunden ist, wir da sozusagen mit dranhängen und es an den regierungstragenden Fraktionen wäre, hier die Beratung in den Ausschüssen zu ermöglichen, was wir natürlich ausdrücklich begrüßen würden?
Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Die Piratenfraktion lehnt den Haushalt 2017, wie er von der Landesregierung vorgelegt wird, ab.
Wie schon in den Jahren zuvor ist die Haushaltspolitik in unserem Land durch eine fehlende Zukunftsorientierung geprägt. Verwalten statt gestalten, Stillstand statt Fortschritt und Hinterherhecheln statt Vorsorge – das sind die Markenzeichen der Regierung Kraft/Löhrmann.
In Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen und historisch niedriger Zinsen versäumt es die Landesregierung, unser Land für die durchdigitalisierte Zukunft fit zu machen. Anstatt flächendeckend Glasfaseranschlüsse voranzutreiben, dem Investitionsstau bei Brücken und Straßen entgegenzuwirken und eine zukunftsorientierte Bildungspolitik zu machen, verwaltet diese Landesregierung nur den Notstand der Gegenwart.
„Investition/investieren“ kommt vom lateinischen „investire“ und bedeutet ursprünglich „einkleiden“. Man könnte also bildlich davon sprechen, dass man mit einer Investition der Zukunft ein Gewand und damit eine Gestalt geben will, also gestalten möchte. Der Finanzminister kommt mir aber eher wie ein Flitzer im Stadion vor, der sich nackt am besten gefällt, während sich das Publikum entsetzt abwendet und darauf hofft, dass ihn die Ordner schnell einfangen und vom Platz begleiten.
Den Finanzminister möchte eigentlich niemand flitzen sehen, nicht mal beim FC.
Der absolut zukunftsentscheidende Glasfaserausbau in NRW wurde von Ihnen komplett verschlafen und kommt jetzt nur mit der Geschwindigkeit eines 14k-Modems voran. Ein wesentlicher Grund dafür, nämlich die selbst gewählte fiskalische Fesselung der Haushaltspolitik in Form der Schuldenbremse, schnürt unserem Land die Luft ab.
Auf Landesebene macht die Schuldenbremse so gar keinen Sinn, also noch weniger als im Bund. NRW hat praktisch keinerlei Kompetenzen, um seine Einnahmeseite selbstständig zu verbessern. Außer der Grunderwerbsteuer, deren Aufkommen im Verhältnis zum Landeshaushalt jedoch vernachlässigbar ist, hat NRW keinerlei steuerliche Gestaltungskompetenzen, im Gegensatz zum Bundeshaushalt, wo ein Haushaltsdefizit auch über die Verbesserung der Einnahmeseite durch Steuererhöhungen kompensiert werden könnte.
Eine Schuldenbremse auf Landesebene ist daher eine reine Ausgabenbremse und damit eine Aufgabenbremse, vor allem dann, wenn Konzerne durch ihre aggressiven Steuervermeidungsstrategien die Einnahmeseite der Haushalte systematisch schwächen.
So sind dem deutschen Fiskus alleine durch sogenannte Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäfte bis zum Jahr 2012 schätzungsweise mindestens 12 Milliarden € an Steuereinnahmen entgangen. Banken und Finanzdienstleister haben im Rahmen dieser zwielichtigen Geschäfte um den Dividendenstichtag herum Aktienpakete hin und her geschoben; dann ließen sie sich die nur einmal abgeführte Kapitalertragsteuer mehrfach vom Finanzamt erstatten.
Wohlgemerkt – die Behörden und die Politik wussten schon seit 2002 über diese Steuerschlupflöcher Bescheid. Dennoch brauchte der Gesetzgeber bis 2012, um diese Lücken im Steuerrecht auch nur ansatzweise zu schließen. In dieser Zeit saß ein von der Finanzindustrie bezahlter Maulwurf im Bundesfinanzministerium und wachte darüber, dass die Banken durch Dividendenstripping den Staat und seine Bürger über mehr als ein Jahrzehnt abzocken konnten.
Hier in NRW gab es unlängst, am 3. November 2016, bei der landeseigenen Portigon/Ex-WestLB eine Steuerrazzia in Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften aus der Zeit der WestLB. Auch die Staatsbank WestLB zockte den Staat durch Dividendenstripping ab, und die Politiker in den Aufsichtsgremien taten nichts dagegen. – Unglaublich!
Nach eigenen Angaben des Finanzministers sind dem Haushalt von NRW alleine durch die Cum-CumGeschäfte schätzungsweise 1 Milliarde € entgangen. Vor dem Hintergrund dieser milliardenschweren Einnahmeausfälle, die nur durch Ausgabenkürzungen im Haushalt mit schwerwiegenden Folgen für die Schwächsten in unserer Gesellschaft kompensiert werden, ist die Einführung und Einhaltung der Schuldenbremse moralisch nicht zu rechtfertigen.
Solange Großkonzerne wie Apple, Google und Amazon durch die Ausnutzung von Steuerschlupflöchern Steuersätze im Promillebereich zahlen, ist eine Schuldenbremse mit dem fatalen Kürzungsautomatismus für den Landeshaushalt abzulehnen.
Als Argument für die Schuldenbremse wird häufig die Generationengerechtigkeit angeführt. Generationengerechtigkeit wird aber nicht in erster Linie durch staatliche Verschuldung beeinträchtigt, sondern vor allem durch die Unterlassung von wichtigen Zukunftsinvestitionen und Bildungsausgaben. Die Einführung der Schuldenbremse ist nichts anderes als die fiskalpolitische Unterlassung gegenüber der jungen Generation.
Der Haushalt 2017 dieser Landesregierung macht das exemplarisch deutlich; denn er wird auf Kosten elementar wichtiger Zukunftsinvestitionen konsolidiert. Zurzeit beträgt die Investitionsquote nur knapp 9 %. 2020, im Jahr der Einführung der Schuldenbremse, wird sie voraussichtlich auf 8,3 % absinken. Damit wirkt die Schuldenbremse wie eine Investitions- und Innovationbremse, und damit wird die Schuldenbremse für unsere Gesellschaft zur Zukunftsbremse.
Das zeigt sich exemplarisch auch bei den Bildungsausgaben: Kleinere Klassen? – Fehlen! Eine vernünftige Ausstattung der Schulen? – Fehlt! Eine gut finanzierte Inklusion? – Fehlt! Gleicher Lohn bei gleicher Arbeit für tarifangestellte Lehrer? – Fehlt! Die Schulministerin? – Fehlt!
Von einem modernen G9, das wir Piraten schon lange fordern, will ich gar nicht erst reden.
Beruhigen Sie sich wieder!
Überall im Haushalt, wohin man auch schaut: Fehlanzeigen und Versäumnisse! Frau Kraft, Frau Löhrmann, bei so vielen Fehlzeiten im Klassenbuch wäre
bei jedem Schüler, bei jeder Schülerin die Versetzung gefährdet.
Auch bei den Hochschulen sieht es schlecht aus.
Dann melden Sie sich doch!
Die Landesrektorenkonferenz der Universitäten in NRW verwies in der Anhörung zum Haushalt auf den zu niedrigen Anteil der Grundfinanzierung im Hochschulbereich. NRW belegt bei den Ausgaben pro Studierenden im Bundesländervergleich nach wie vor den vorletzten Platz, nur Brandenburg gibt weniger Geld pro Studierenden aus.
Teil einer zukunftsorientierten Haushaltspolitik ist es auch, sicherzustellen, dass wir in Zukunft noch eine funktionsfähige und leistungsfähige Landesverwaltung haben. Schon sehr bald wird es in allen Bereichen der Landesverwaltung zu ganz erheblichen altersbedingten Personalabgängen kommen. Der demografische Wandel schlägt dann voll durch. Dem gilt es jetzt mit wettbewerbsfähigen Konditionen im Personalbereich entgegenzusteuern, um neue, qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen. Schon heute gibt es massive Probleme, die offenen Stellen in der Landesverwaltung – zum Beispiel bei Ingenieuren oder IT-Spezialisten – mit den derzeitigen tariflichen Entlohnungsstrukturen zu besetzen. Ohne Ingenieure wird der Sanierungsrückstau in unserem Land aber kaum zu bewältigen sein. Hier muss die Landesregierung deutlich nachbessern.
Gleichzeitig geraten laut einer aktuellen Studie von Ernst & Young die Städte immer stärker in die Schuldenspirale. Für das Jahr 2015 verzeichneten 19 der 29 Großstädte in NRW einen Anstieg der Verschuldung. Die Gesamtverschuldung der NRW-Großstädte stieg auf über 41 Milliarden €. Von den 20 deutschen Großstädten mit der höchsten Pro-KopfVerschuldung liegen 13 in NRW. Oberhausen wies Ende 2015 mit 9.725 € die höchste Pro-Kopf-Verschuldung aller deutschen Großstädte auf. Mühlheim an der Ruhr liegt mit 8.527 € auf Platz drei.
Weite Teile des Ruhrgebiets sehen aus wie Rumänien – Gruß an Oliver Welke. Tragisch für das Ruhrgebiet ist, dass es dort so aussieht wie im Sozialismus, obwohl dort gar keiner ist.
Das Ruhrgebiet ist die Armutsregion Nummer eins in Deutschland. Jedes vierte Kind dort lebt in Armut. In Gelsenkirchen wächst jedes dritte Kind mit Hartz IV auf und wächst höchstwahrscheinlich später auch
hinein. In Duisburg muss aufgrund der kompletten Überschuldung in den nächsten Jahren jede achte Stelle eingespart werden. In der Folge wird es dort bald weniger Erzieherinnen und noch weniger Personal an Krankenhäusern geben.
Die Landesregierung schaut dieser Entwicklung tatenlos zu und wälzt immer noch weitere Aufgaben auf die kommunale Ebene ab, ohne diese ausreichend zu finanzieren. Ich denke da an die steigenden Integrationskosten auf kommunaler Ebene, wo die Hauptarbeit der Integration stattfindet. Es gibt Mehraufwendungen für den Ausbau der Kinderbetreuung, für Schulpsychologen, Dolmetscher, Sozialpädagogen und Sprachförderprogramme oder für den Wohnungsbau. Hier muss jede Menge zusätzliches Personal eingestellt werden, damit die Integration erfolgreich gestaltet werden kann. All diese Kosten belasten die kommunalen Haushalte massiv.
Und dann kommt die Ministerpräsidentin und erklärt, die auf NRW entfallende Integrationspauschale in Höhe von 434 Millionen € komplett für den Landeshaushalt vereinnahmen und nicht einen Cent an die Kommunen weiterleiten zu wollen. Andere Bundesländer reichen die Integrationspauschale dagegen komplett oder zu großen Teilen an die Kommunen weiter.
Ich komme noch darauf zurück.
Während NRW dieses Jahr seinen Kommunen 14.000 € pro Flüchtling zur Verfügung stellt, geben andere Länder ihren Kommunen pro Flüchtling deutlich mehr Geld. In Baden-Württemberg zum Beispiel sind es 25.000 €.
Bitte schön.
Danke, Herr Kollege Abel, für die Zwischenfrage, auch wenn es mir schwerfiel, sie akustisch vernünftig zu verstehen. Da scheint ein technisches Problem zu bestehen.
Die von mir vorgetragenen Zahlen stammen ja nicht von mir.
Jetzt hören Sie mir doch zumindest zu.
Ich möchte auch gar nicht in Abrede stellen, was Sie vortragen. Das ändert aber nichts an dem, was der Vertreter der Spitzenverbände der Kommunen – Sie waren doch bei der Sachverständigenanhörung auch dabei – ausgeführt hat: Die Kommunen fühlen sich massiv überfordert.
In diesem Zusammenhang ist es durchaus angebracht, auf ein Bundesland wie Baden-Württemberg zu verweisen, wo wesentlich mehr Mittel an die kommunale Ebene weitergereicht werden. Daran kommen auch Sie nicht vorbei.
Hinzu kommt noch, dass sich Bund und Länder im Rahmen der Einigung über die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen vom 14. Oktober 2016 darauf verständigt haben, beim Unterhaltsvorschuss ab dem 1. Januar 2017 die Altersgrenze von 12 auf 18 Jahre anzuheben und die Bezugsdauergrenze aufzuheben.
Das ist vom Grundsatz her
eine richtige Entscheidung.
Diese Änderungen haben aber massive Auswirkungen auf die Haushaltslage der nordrhein-westfälischen Kommunen. Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände rechnet mit Mehrbelastungen der kommunalen Haushalte in dreistelliger
Millionenhöhe. Die finanziellen Auswirkungen dieser Neuregelung seien – Zitat – ein Sprengsatz für die kommunalen Haushalte. Das ist ein Zitat aus der erwähnten Anhörung, an der wir teilgenommen haben.
Während sich Schäuble im Bund für die schwarze Null abfeiern lässt und in NRW die Landesregierung auf das Einhalten der Schuldenbremse hinarbeitet, geraten immer mehr Kommunen in Haushaltsnotlage. Aber was nützt den Menschen auf der Straße die schwarze Null im Landeshaushalt, wenn das eigene Konto fett im Minus steht?
Die Menschen verspüren in dieser Zeit eine große Unsicherheit. Sie erleben, dass staatliche Sicherungen entfallen sind oder ausgedünnt werden. Und dafür steht die SPD: die Rente „zerriestert“, die Arbeitslosenversicherung „zerhartzt“, die Krankenversicherungen „zerschmidtert“. Und jetzt soll auch noch die Infrastruktur Stück für Stück „verschäublet“ werden. Das verkraftet unser Land nicht. Handeln Sie! – Vielen Dank.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal!
Herr Minister, ich glaube – das konnten auch die Redner der Opposition schon darlegen –, dass es nicht Ihr Jahr 2016 war, wenn ich das einmal so salopp formulieren darf. Da beißt die Maus, glaube ich, keinen Faden ab.
Ich will jetzt auch nicht in den parteipolitischen Teil der SPD mit der Personalie Hinz abgleiten. Es macht keinen guten Eindruck, wenn der Leiter des Justizprüfungsamtes in seinem weiteren Kollegenkreis nicht mitbekommt, dass eine angegebene Ausbildung tatsächlich nicht absolviert ist. Wie gesagt, möchte ich das gar nicht weiter ausführen.