Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich heiße Sie alle sehr herzlich willkommen zu unserer heutigen, 42. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt den Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.
Für die heutige Sitzung haben sich sechs Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen, dass wir vor Eintritt in die Tagesordnung die Aufgabe haben, die Verpflichtung eines Abgeordneten gemäß § 2 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung vorzunehmen.
Die Landeswahlleiterin hat mir mit Schreiben vom 16. Oktober mitgeteilt, dass für den ausgeschiedenen Abgeordneten Oliver Wittke aus der CDU Herr Jens-Peter Nettekoven Mitglied des Landtags geworden ist.
Ich darf den neuen Kollegen Jens-Peter Nettekoven zu mir bitten, damit ich Sie, lieber Kollege, nach § 2 unserer Geschäftsordnung verpflichten kann bzw. wir gemeinsam die Verpflichtung vornehmen können.
Ich bitte Sie, die folgenden Worte der Verpflichtungserklärung anzuhören und anschließend durch Handschlag zu bekräftigen:
Westfalen bezeugen vor dem Lande, dass sie ihre ganze Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, die übernommene Pflicht und Verantwortung nach bestem Wissen und Können erfüllen und in der Gerechtigkeit gegenüber jedem Menschen dem Frieden dienen werden.
Sehr verehrter Herr Kollege, ich begrüße Sie ganz herzlich. Sie nehmen damit die Verpflichtung an. Sie sind ein neuer Kollege. Ich glaube, Sie werden sich schnell eingewöhnen und wohlfühlen. Das Parlament freut sich darauf, dass wir wieder vollzählig sind. Herzlich willkommen!
Das Sitzungspräsidium hat gerade festgestellt, dass es auch seine Vorzüge hat, nachzurücken und alleine hier im Mittelpunkt zu stehen. Dann bekommt man viele Glückwünsche, die sonst immer sehr kollektiv ausgesprochen werden. Aber es ist natürlich auch ein ganz besonderer Moment für den neuen Kollegen, für den ausgeschiedenen Kollegen und
Die Fraktion der Piraten hat mit Schreiben vom 14. Oktober 2013 gemäß § 90 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner vonseiten der antragstellenden Fraktion – in diesem Fall die Piraten – Herrn Kollegen Schmalenbach das Wort.
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine lieben Kollegen! Meine Damen und Herren! Verehrte Zuschauer! Am Montagmorgen stand ich auf der Tribüne draußen bei einer Zigarette und habe gewettet, dass wir in diesem Plenum auf jeden Fall über Garzweiler reden werden, und zwar unabhängig davon, ob unsere Aktuelle Stunde durchkommt oder nicht. Ich war der Meinung, dass dieser Landtag es sich nicht erlauben könnte, das Thema zu ignorieren.
Ich habe die Wette gewonnen. Aber leider habe ich die Wette nur gewonnen, weil unsere Aktuelle Stunde angenommen wurde. Ich finde es ein bisschen komisch, dass das nicht auch von anderen aufgegriffen wurde, dass wir heute darüber reden sollten.
Garzweiler beschäftigt in diesen Tagen nämlich nicht nur NRW, sondern ganz Deutschland. Politik soll Zukunft gestalten und nicht das Ziel verfolgen, später die Fehler der Vergangenheit bewältigen zu müssen. Es geht vor allem um die Zukunft der dort lebenden Menschen. Es geht um die Zukunft derer, die dort arbeiten. Es geht um die Zukunft der Energieversorgung, und es geht um Klimaschutz und die Energiewende.
Für alle Beteiligten lautet also die Frage: Wie geht es weiter? Vor allen anderen haben die Menschen, die dort leben, das Recht, dies zu erfahren. Sie wollen Sicherheit. Sie wollen nicht umgesiedelt werden, um in zehn Jahren zu erfahren, dass es unnötig war.
RWE hat offensichtlich erkannt, dass die Fortsetzung des Braunkohleabbaus im Gebiet Garzweiler II aufgrund der jetzigen Rahmenbedingungen auf dem
Strommarkt bald nicht mehr wirtschaftlich sein wird. Kein Unternehmen kann sich auf Dauer Verluste leisten. Die Ankündigung des vorzeitigen Endes des Abbaus 2018 statt 2045 ist eigentlich die logische Konsequenz. Die Frage ist also: Wie wird sich der Energiemarkt in Zukunft entwickeln? Die Versorgungssicherheit steht dabei gleichrangig neben dem Klimaschutz.
Derzeit haben wir ein Handelssystem für CO2-Zertifikate, das nicht wirklich funktioniert. Die Preise für Verschmutzungsrechte sind so niedrig, dass kein wirksamer Effekt eintritt. Das System muss endlich wirksam werden. Wenn das aber eintritt, wird sich die Situation gerade für die Braunkohle drastisch verschlechtern. Auch ein neues Strommarktdesign wird daran nichts Wesentliches ändern. Es ist also absehbar, dass die Braunkohle mit ihren spezifisch hohen Emissionen von einer Tonne CO2 pro Megawattstunde gegenüber rund 380 kg bei Gaskraftwerken ihren jetzigen Preisvorteil verlieren wird.
Energiepolitik muss an der Stelle langfristig angelegt sein und die Zukunft planbar machen. Genau das ist jetzt unsere Aufgabe.
Es ist wichtig, genau das jetzt zu klären, jetzt zu planen, wie die Zukunft der Energieversorgung und in diesem Fall ganz speziell die der Braunkohle aussieht. Es ist nicht der Zeit der Bekenntnisse, sondern die Zeit der langfristigen Planungen. Für Bekenntnisse ist die Religion und nicht die Politik zuständig. Die Uhr der Kohleverstromung tickt. Da wir das wissen, ist es aktuell noch planbar. Ignorieren Sie diesen simplen Fakt nicht!
Daher fordere ich die Landesregierung auf, hier keine Bekenntnisse zur Braunkohle zu liefern, sondern sich dafür einzusetzen, dass der Dialog über einen geplanten Ausstieg beginnt, damit die Menschen vor Ort wissen, was auf sie zukommt und was nicht, damit der Ausstieg aus der Braunkohle planbar wird und nicht plötzlich alle überrascht, und vor allem, damit die Energiewende gelingt. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Schmalenbach. – Als nächster Redner Herr Kollege Schmeltzer von der SPD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In ihrer Ausgabe vom 8. Oktober berichtete die „Süddeutsche Zeitung“, dass RWE das Aus für den Tagebau Garzweiler prüfe. Internen Überlegungen zufolge – so der Bericht in der „Süddeutschen Zeitung“ – erwägt der Konzern, die umgesiedelten und zum Teil bereits abgerissenen Dörfer noch abzubaggern. Vor den nächsten Orten könnte RWE aber die Bagger stoppen.
Die Reaktion von RWE erfolgte jedoch unmittelbar. In einer am selben Tag gegen 10:30 Uhr vormittags veröffentlichten Pressemitteilung erklärte Peter
„RWE hält an seinen bisherigen Planungen zur Fortführung des Tagebaus Garzweiler II unverändert fest.“
Matthias Hartung, Chef der Erzeugungssparte RWE Generation, erklärte in der gleichen Pressemitteilung – auch ihn zitiere ich –:
„Der Tagebau Garzweiler II mit einem genehmigten Kohlevorrat von rund 1 Milliarde Tonnen Braunkohle insgesamt und einem jährlichen Fördervolumen von 35 bis 40 Millionen Tonnen ist daher fester Bestandteil der Zukunftsplanung des Unternehmens.“
Nach dieser Klarstellung und eindeutigen Positionierung des bergbautreibenden Unternehmens ist die landespolitische Situation eigentlich geklärt. Aber wir haben ja gehört, dass die Aktuelle Stunde zustande gekommen ist, damit eine Wette nicht verloren wird.
Zweitens. Bestehende Genehmigungen für Tagebaue, Betriebs- und Umsiedlungspläne gelten unverändert fort und werden nicht infrage gestellt.
Drittens. Effizienzsteigerungen müssen, wie im Rahmenbetriebsplan Garzweiler II verbindlich festgelegt, dazu führen, Ressourcen zu schonen und die absoluten jährlichen CO2-Emissionen im rheinischen Revier kontinuierlich zu senken.
Wir alle wissen: Braunkohletagebaue betreffen in gravierender Weise Bürgerinnen und Bürger, Kommunen sowie Natur- und Kulturräume. Sie greifen tief in die Existenz- und Lebensbedingungen der Menschen ein, und diese Sorgen und Nöte der Menschen vor Ort nehmen wir ernst. Wir wissen aber auch: In den vergangenen Jahrzehnten ist es im rheinischen Revier mithilfe vieler Beteiligter gelungen, Regelwerke zu erarbeiten, die es den betroffenen Menschen sozial verträglich ermöglichen, ihre alte Heimat aufzugeben und woanders neu heimisch zu werden.
In den aktuell immer weiter verbesserten Verfahren macht man nicht mehr einen Plan für einen Tagebau über 50 oder gar 60 Jahre. Nein, vielmehr ist jeder neue Braunkohlen- und Umsiedlungsplan von der Landesregierung nach dem Landesplanungsgesetz zu genehmigen. Eine wesentliche Rolle spielt dabei der Braunkohlenausschuss bei der Bezirksregierung Köln, der die kommunale und regionale Betroffenheit systematisch einbezieht.
Diese Maßnahmen sind, wie wir alle wissen, liebe Kolleginnen und Kollegen, in den letzten Jahrzehnten immer wieder angepasst und auch optimiert worden, um transparente und problemlösungsorientierte Verfahren zu schaffen. Dazu gehören zum Beispiel auch das Konzept der gemeinsamen Umsiedlung oder die Entschädigungserklärung der RWE Power AG mit den entsprechenden Ergänzungen.
Die Verbesserung der Verfahren ist bislang in der Regel in einem parteiübergreifenden Konsens geschehen. Die Landesregierung erstellt keine Braunkohlen- oder Umsiedlungspläne. Diese Pläne werden vom Braunkohlenausschuss im Dialog mit RWE erstellt. Erst wenn der Braunkohlenausschuss ein Erarbeitungsverfahren für einen Umsiedlungsplan erstellt, nimmt die Landesregierung hierzu Stellung.
Zu den Genehmigungsvoraussetzungen zählt neben den Erfordernissen des Umweltschutzes und der sozialen Belange auch die energiewirtschaftliche Notwendigkeit des Vorhabens. Die von SPD und Grünen geführte Landesregierung ist bei den unter ihrer Verantwortung zur Genehmigung vorgelegten Umsiedlungsplänen für Kerpen-Manheim 2011 und Merzenich-Morschenich im Mai 2013 nach sehr sorgfältiger Prüfung einvernehmlich zu dem Ergebnis gekommen, die Genehmigung zu erteilen. Ich zitiere aus der Vorlage zur Benehmensherstellung im Wirtschaftsausschuss:
„Aufgrund ihrer Bedeutung für die Versorgungssicherheit … und zur Preisstabilität … bleibt die Braunkohle in Nordrhein-Westfalen trotz der von ihr ausgehenden Umweltbelastungen auch für den hier betrachteten Zeitraum (2020 bis 2030) ein wesentlicher Bestandteil des Energiemixes und damit erforderlich.“
Weitere Braunkohlen- und Umsiedlungspläne aus dem Braunkohlenausschuss liegen bei der Landesregierung nicht zur Stellungnahme vor, weil der Braunkohlenausschuss noch keine Entscheidung über einen Erarbeitungsbeschluss für die Umsiedlung der Erkelenzer Ortschaften Keyenberg, Kuckum, Ober- und Unterwestrich und Berverath getroffen hat. Nur RWE Power selbst kann darüber entscheiden, ob und, wenn ja, wann sie als das bergbautreibende Unternehmen den nächsten Umsiedlungsplan in den Braunkohlenausschuss bei der Bezirksregierung Köln einbringen wird. Dieser hätte dann über das weitere Verfahren zu entscheiden.
Vor diesem Hintergrund rate ich allen Beteiligten dringend zu einem verantwortlichen Verhalten und dazu, auch in zukünftig möglicherweise wirtschaftlich und politisch schwierigen Situationen weiter Sorgfalt, Toleranz, Beteiligung der Betroffenen und ein problemlösungsorientiertes Vorgehen zu praktizieren und zu verbessern – im Interesse aller Betroffenen, insbesondere der Einwohner und der Arbeitnehmer. – Herzlichen Dank.