Protokoll der Sitzung vom 17.10.2013

Vor diesem Hintergrund rate ich allen Beteiligten dringend zu einem verantwortlichen Verhalten und dazu, auch in zukünftig möglicherweise wirtschaftlich und politisch schwierigen Situationen weiter Sorgfalt, Toleranz, Beteiligung der Betroffenen und ein problemlösungsorientiertes Vorgehen zu praktizieren und zu verbessern – im Interesse aller Betroffenen, insbesondere der Einwohner und der Arbeitnehmer. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Schmeltzer. – Für die CDU-Fraktion hat Kollege Dr. Hachen das Wort. Herr Kollege, seien Sie bitte nicht irritiert, wenn hier eine falsche Redezeitangabe auftaucht. Wir haben ein kleines Computerproblem. Sie haben selbstverständlich sieben Minuten Redezeit wie alle anderen. Wir sagen frühzeitig Bescheid.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zu dem komme, was ich Ihnen eigentlich sagen wollte, möchte ich eine kurze Bemerkung zu Herrn Schmeltzer machen. Herr Schmeltzer, wenn Sie gleich zu Beginn Ihrer Rede die Bedeutung dieser Debatte herunterspielen, indem Sie auf die Wette anspielen

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das war in der Mitte der Rede!)

ist ja in Ordnung –, gleichzeitig aber darauf hinweisen, dass man die Sorgen und Nöte ernst nehme, klingt das nicht besonders glaubwürdig. Das nur als Vorabbemerkung, die ich mir an dieser Stelle nicht verkneifen kann.

(Beifall von der CDU und den PIRATEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man wie ich aus der betroffenen Stadt Erkelenz kommt, lässt einen das Thema Garzweiler II ein Leben lang nicht los. Ich begleite diesen Tagebau und seine Planungen seit Anfang der 80er-Jahre, das heißt seit 30 Jahren, kritisch, aber konstruktiv. Ich habe mich gemeinsam mit den Menschen der Region über viele Jahre vehement gegen diesen Tagebau gewehrt und mit 20.000 von ihnen bei strömendem Regen eine Fackelkette rund um den Tagebau gebildet. Ich habe den Widerstand in jeder freien Minute unterstützt.

Das erwähne ich an dieser Stelle nur deshalb, um Ihnen zu verdeutlichen: Ich glaube, ich darf sagen: Ich kenne die Menschen in dieser Region. Ich kenne ihre Sorgen und Nöte, ihre Mentalität und auch ihre Stärken.

Zu diesen hochachtbaren Stärken gehört auch, dass sich diese Menschen nach der Genehmigung, die zwar nach Recht und Gesetz, aber gegen sie, gegen ihre Heimat und ihre Lebensplanung, erteilt wurde, mit dieser für sie dramatischen Entscheidung arrangiert und versucht haben, ihre Lebensplanung bestmöglich an diese politischen Vorhaben der Allgemeinheit anzupassen. Ich glaube, das verdient Hochachtung und gesellschaftliche Anerkennung.

(Beifall von der CDU und der SPD)

Aber statt Anerkennung haben wir jetzt vom Unternehmen offensichtlich gezielt in die Öffentlichkeit

lancierte Zweifel an der Sinnhaftigkeit und der Wirtschaftlichkeit eines weiteren Abbaus zu konstatieren.

Das als Einflussnahme auf die Politik gedachte Vorgehen von RWE impliziert gleichzeitig aber auch eine katastrophale und zynisch anmutende Botschaft an Tausende betroffener Bürger. Diese lautet: Ihre Anliegen spielen für den weiteren Fortgang keine Rolle, und Verlässlichkeit gegenüber den Bürgern gibt es nicht. – Deshalb – das werden Sie verstehen – sind die Bürger geschockt, betroffen und auch zutiefst empört darüber, wie man wieder einmal mit ihren Nöten und Anliegen umgeht.

(Beifall von der CDU, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Das Zusammentreffen mit dem Abschied und der Entwidmung ihrer Kirche in Immerath, die jetzt zum Abriss freigegeben ist, steigert dieses Gefühl der Wut und Ausgeliefertheit noch mehr.

Da das bestehende Bergrecht lediglich einen zeitlich begrenzten Rechtsanspruch auf den Abbau für das Unternehmen festlegt, aber keine Vorgaben zur konkreten Umsetzung macht, ist es Aufgabe der Politik und damit der Landesregierung, für Verlässlichkeit – nicht nur für das Unternehmen, sondern auch für die betroffenen Menschen – zu sorgen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, verstehen wir uns an dieser Stelle bitte richtig: Dass ein Unternehmen wie RWE – wie andere Verbände, Institutionen oder Unternehmen auch – angesichts der real gegebenen tiefgreifenden Krise der Energiewirtschaft seine wirtschaftlichen Interessen an die Politik bringen will, ist nachvollziehbar und in Ordnung. Dass man aber in so massiver Form die Koalitionsverhandlungen beeinflussen will, indem man der Politik die möglichen schlimmen Konsequenzen von aus Unternehmenssicht falschen politischen Rahmenentscheidungen quasi als Drohung vor Augen führt, ohne damit die verbundene verheerende Aussage für die Lebensplanung der Betroffenen zu berücksichtigen, macht die Menschen in ihrer Ohnmacht zu Recht wütend.

(Beifall von der CDU und den PIRATEN)

Der Bürgermeister von Erkelenz trifft deshalb das Gefühl der Menschen sehr genau, wenn er öffentlich von einer Sauerei spricht und ankündigt, dass die Stadt – nachdem sie sich bisher sehr konstruktiv und einvernehmlich in den ersten Umsiedlungsblock von 2.500 Menschen in Immerath, Lützerath, Pesch und Borschemich eingebracht hat – alle vorbereitenden Planungsschritte für den nächsten Umsiedlungsabschnitt bis auf Weiteres einstellt. Dabei geht es übrigens wieder um 1.600 Menschen in fünf weiteren Orten.

Wenn die Stadt also in einer Situation, in der RWE selbst die Wirtschaftlichkeit des weiteren Abbaus in Frage stellt, von der Landesregierung und der Mi

nisterpräsidentin und auch von Ihnen, Herr Minister Duin, eine klare Aussage erwartet, um die Sicherheit für die Lebensplanung ihrer Bürger wiederherzustellen, ist das nur billig, nachvollziehbar und weiß Gott nicht zu viel verlangt.

(Beifall von der CDU)

Der eigentliche Ansprechpartner für die Stadt und die Menschen ist nicht das Unternehmen, sondern sind Landesregierung und Regierungskoalition. Denn die Landesregierung hat die einmal getroffene politische Entscheidung der Erforderlichkeit des Tagebaus anlassbezogen wieder zu überprüfen und zu verantworten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns noch einmal die Situation betrachten: Wenn ein Unternehmen wie RWE 27 Milliarden € an Börsenwert verliert, wenn sich der Schuldenstand des Unternehmens mittlerweile auf 33 Milliarden € mehr als verdoppelt hat, wenn Kraftwerksstilllegungen angedeutet und erheblicher Personalabbau angekündigt werden, dann liegen unbestreitbar neue energiepolitische Rahmenbedingungen vor, die auch eine erneute Überprüfung der weiteren Notwendigkeit des Tagebaus erfordern.

(Beifall von den PIRATEN)

Lassen Sie mich das noch sagen: Dabei hat nicht nur das Unternehmen, sondern haben auch die betroffene Kommune und ihre Bürger ein Anrecht auf eine schnelle und verlässliche Auskunft.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Die gegebene Antwort – Herr Minister, ich bitte Sie, das weiterzuleiten an die Frau Ministerpräsidentin, die ihren Pressesprecher eine Antwort in Richtung Erkelenz hat geben lassen – gefährdet die ohnehin schon im Abnehmen begriffene Akzeptanz in der Bevölkerung weiter, statt dass sie die Akzeptanzoffensive unterstützt, über die wir uns morgen im Grubensicherheitsausschuss zu unterhalten haben.

Warum ist das so? – Ihr Pressesprecher teilt der Stadt zunächst mit: Die Landesregierung nimmt ihre Sorgen ernst. – Dann weist er lapidar darauf hin, dass man sich im Zuge des gesetzlich vorgesehen Planungsverfahrens zum energiepolitischen Erfordernis des Tagebaus und zu den Grundannahmen erst später äußern wird. Ihre Botschaft an die verunsicherten Menschen lautet im Kern also: Für die Landesregierung gibt es zurzeit keine neue Lage. Sie wird sich erst dann damit auseinandersetzen, wenn sie im Zuge des jetzt anlaufenden Umsiedlungsverfahrens – also in den Jahren 2014/2015 – nicht anders kann, als sich damit wieder befassen zu müssen.

Jetzt muss ich Sie auf Ihre Redezeit aufmerksam machen.

Meine Redezeit ist zu Ende. Damit komme ich auch zum Schluss.

Sehr geehrter Herr Minister, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das an die Ministerpräsidentin weiterleiten könnten: Jemand, der sich wirklich um die Sorgen und Nöte Betroffener kümmern will, der verhält sich anders.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Abschließend kann ich nur noch den Appell an die Ministerpräsidentin richten: Lassen Sie der Stadt und ihren Bürgern nicht nur mitteilen „Wir nehmen Ihre Sorgen ernst“, sondern lassen Sie dieser Ankündigung auch Taten folgen.

Über das, was ich mit dem Hinweis auf fehlende Akzeptanz gemeint habe, können wir uns vielleicht noch im dritten Teil dieser Debatte unterhalten. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und Reiner Priggen [GRÜNE])

Vielen Dank, Herr Kollege Hachen. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Zentis.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Hachen, ich hoffe, dass das, was Sie gesagt haben, nicht nur Ihre persönliche Meinung als Wahlkreisabgeordneter ist, sondern dass die ganze Fraktion und Ihre Partei hinter Ihnen stehen. Wir würden das begrüßen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Einer Presseinformation letzter Woche, die sich rasch in allen Pressemedien verbreitete, haben wir diese Aktuelle Stunde zu verdanken. Aber bitte, meine sehr verehrten Damen und Herren, konnte sie uns wirklich überraschen? RWE Power teilt uns doch schon seit geraumer Zeit mit, dass Arbeitsplätze abzubauen sind. Um den Termin der Bundestagswahl herum gab es immer wieder Mitteilungen und Hinweise, dass Arbeitsplätze abgebaut werden.

Konkreter war das aber bereits in einem Artikel der „FAZ“ vom 24.09. dieses Jahres zu lesen. Bitte erlauben Sie mir, dass ich zitiere:

„Wie zwei der Informanten sagten, sollen nach den Vorstellungen der RWE-Verantwortlichen innerhalb der nächsten fünf Jahre rund 3.400 Stellen im Stromerzeugungsgeschäft verloren gehen, davon 2.300 in Deutschland …

Weil mit konventionellen Kraftwerken angesichts der Energiewende immer weniger Geld zu verdienen ist, hat der Versorger in seinem Stromer

zeugungsgeschäft das Sparprogramm ‚Neo‘ aufgelegt. Dieses solle die Kosten der Sparte nach aktuellen Plänen um jährlich rund 800 Millionen € senken …

Neben Stellenstreichungen und Gehaltsverzicht werden intern noch weitere Szenarien durchgespielt. So sei auch der Bestand aller TagebauGruben infrage gestellt worden. Konzernverantwortliche hätten den Vorschlag gemacht, eine der Braunkohle-Abbaustätten im rheinischen Revier bei Köln aufzugeben …“

Wie gesagt: 24.09. in der „FAZ“.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was stört uns eigentlich am Verhalten von RWE? Es ist doch ein Unternehmen, das nach wirtschaftlichen Kriterien entscheiden muss. Alles andere wäre doch verfehlt. Sie müssen doch aus den Kommunen wissen, wie die Dividenden der Aktien gesunken sind und einige Kommunen nunmehr dadurch in finanzielle Probleme geraten.

Erstaunt sein können wir wirklich nicht. Skandalisieren, sich aufregen oder gar eine hitzige Debatte bezüglich RWE Power und ihrer strategischen Ausrichtung am Energiemarkt führen, die der Veränderung bedarf, brauchen wir nicht, auch keine Wetten, Herr Schmalenbach, rund um das Thema „Garzweiler“.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Interessen der Arbeitnehmer sind von RWE stets beachtet worden. Dem einen oder anderen wird es zwar nicht unbedingt gefallen haben, wie bereits in der Vergangenheit praktiziert, frühzeitig aufs Altenteil geschoben worden zu sein, aber wenn über Sozialpläne, wie ich gelesen habe, bereits verhandelt wird – so sind wir es von RWE gewohnt –, dann können wir auch diese ruhig abwarten.