Protokoll der Sitzung vom 04.12.2015

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle ganz herzlich zu unserer heutigen, der 99. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich 31 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Ich rufe auf:

1 Aktueller Sachstand zu den Bund-Länder

Finanzbeziehungen

Unterrichtung durch die Landesregierung

Der Chef der Staatskanzlei hat mit Schreiben vom 3. Dezember dieses Jahres mitgeteilt, dass die Landesregierung beabsichtigt, zu diesem Thema zu unterrichten.

Die Unterrichtung erfolgt durch Frau Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, der ich sehr gerne das Wort erteile.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Als ich gestern diesem Hohen Hause fernbleiben musste, um zur Ministerpräsidentenkonferenz zu fahren, habe ich – das gestehe ich – nicht zu hoffen gewagt, dass es eine Einigung zum Länderfinanzausgleich geben würde. Aber es hat eine Einigung unter den Ländern gegeben. Ich kann sagen: Gestern war ein guter Tag für den Föderalismus in Deutschland; gestern war ein guter Tag für Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und der Regierungsbank)

Wir haben einen großen und wichtigen Schritt hin zu einem Finanzausgleichssystem gemacht, das einfacher, fairer und transparenter ist als das bisherige System. Nach schwierigen und, wie alle wissen, langen Verhandlungen haben wir uns im Länderkreis geeinigt. Es ging für einige Länder um viel, um sehr viel. Darum ist auch nicht verwunderlich, dass die Verhandlungen hart und kontrovers waren.

Am Ende stand eine Einigung aller. Am Ende haben wir einen Durchbruch erzielt, der sich sehen lassen kann: einen fairen Kompromiss, bei dem sich jedes Land bei den eigenen Interessen ein Stück bewegt hat und mit dem alle Länder leben können. Dieses Ergebnis ist ein starkes Zeichen für die Handlungsfähigkeit des Föderalismus in unserem Land.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und der Regierungsbank)

Ich will nur auf die wesentlichen Punkte eingehen, damit es hier auch nicht zu lange dauert. Der Länderfinanzausgleich wird in seiner jetzigen Form abgeschafft. Damit entfällt der Umsatzsteuervorwegausgleich.

(Beifall von der SPD)

Für die Erfüllung dieser Forderung hat sich unser Finanzminister Norbert Walter-Borjans früh eingesetzt. Auch ich habe vehement für diese Lösung gekämpft. Es ist ein großer Erfolg, dass wir uns jetzt mit dieser Forderung durchgesetzt haben.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und der Regierungsbank)

Das ist ein großer Schritt zu mehr Transparenz im Finanzgeflecht von Ländern und Bund. Es wird deutlich, dass Nordrhein-Westfalen Zahlerland ist. Das bisherige System hat hier einen völlig falschen Eindruck erweckt. Wir sind ein starkes Land. Und ich habe immer gesagt: Wir wollen in NordrheinWestfalen mehr von dem behalten, was bei uns erwirtschaftet wird.

Durch die vorliegende Einigung werden die Länder in beträchtlichem Umfang finanziell entlastet. Dabei wird auch den Interessen der finanzschwachen Länder Rechnung getragen. Auch das haben wir im Vorfeld immer wieder betont: Wir bleiben solidarisch – solidarisch mit den finanzschwachen Bundesländern und auch mit den östlichen Bundesländern, bei denen wir sehen, dass es immer noch in einzelnen Bereichen Nachholbedarf gibt.

Die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen gilt ab 2020 unbefristet, wenn der Bund zustimmt. Allerdings werden die Auswirkungen des neuen Ausgleichssystems nach zehn Jahren, also 2030, überprüft. Eine Kündigung, um es so zu bezeichnen, wäre möglich, wenn drei Länder sie gemeinsam beantragen würden.

Meine Damen und Herren, der Bund muss sich jetzt positionieren. Die Länder haben sich geeinigt. Das Gesetzgebungsverfahren zur Neuordnung der

Bund-Länder-Finanzbeziehungen – das ist unser Ziel – soll Anfang 2016 eingeleitet werden. Die gesetzgeberische Arbeit fängt also mit dem gestrigen Tag erst an.

Im Ergebnis bleibt für Nordrhein-Westfalen festzuhalten: Wir haben als größtes Land in diesen Verhandlungen eine besondere Rolle gespielt. Von Anfang an haben wir gefordert, das System einfacher, transparenter und gerechter zu machen. Zu Beginn des Prozesses – wir erinnern uns zurück – sind wir mit unserer Forderung nach Abschaffung des Umsatzsteuervorwegausgleichs auf Unverständnis und auf Widerstand gestoßen. Kaum einer hat geglaubt, dass wir uns damit durchsetzen können.

Nach und nach ist der Zuspruch – auch dank guter Argumentationslinien – gewachsen. So ist vonseiten der Wissenschaft klar darauf hingewiesen worden, welche Chancen auf mehr Transparenz im Finanzausgleichssystem sich dadurch bieten. Die Argumente waren so eindeutig, dass sich auch der Bundesfinanzminister unserer Forderung angeschlossen hat.

Ich habe mich darüber gefreut, dass wir uns hier im Landtag auch mit der CDU-Fraktion auf eine gemeinsame Linie verständigen konnten. Im Interesse unseres Landes war das ein wichtiges Signal. Dafür sage ich heute den Kolleginnen und Kollegen herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und der Regierungsbank)

Wir können jetzt sagen – zum langen Atem und zur Beharrlichkeit steht heute einiges in den Zeitungen –: Ja, das ist so. Ich habe beharrlich für die Interessen unseres Landes gekämpft. Aber es hat sich ausgezahlt.

(Zurufe von der CDU: Oh! – Gegenruf von Ministerin Barbara Steffens: Was soll denn das schon wieder?)

Nordrhein-Westfalen hat die wesentlichen Forderungen durchsetzen können. Das heißt: Der Umsatzsteuervorwegausgleich ist weg. Es wird ein transparentes System ab 2020 geben, bei dem wir zudem weniger bezahlen als bisher. Darum behalten wir in Nordrhein-Westfalen mehr von dem, was bei uns erwirtschaftet wird. Diese Forderung haben wir immer wieder in den Mittelpunkt gestellt.

Ich mache einmal den Vergleich zwischen der alten und der zukünftigen Regelung. Wären wir jetzt im Jahr 2020, läge unser Umsatzsteueranteil nach Einwohnern gemäß Grundgesetz gemessen an den Zahlen, die vorliegen, bei rund 24 Milliarden €. Dann gäbe es den Vorwegabzug. Wir würden rund 3,3 Milliarden € bezahlen. Dann käme der eigentliche Länderfinanzausgleich, über den die Zeitungen immer geschrieben haben. Da wären wir mit 1 Milliarde € Nehmerland gewesen. Wir würden sogar noch Bundesergänzungszuweisungen in Höhe von rund 500 Millionen € bekommen. Im Saldo hätten wir dann immer noch 1,7 Milliarden € abgegeben, würden aber als Nehmerland dastehen.

Das ist mit dieser Neuregelung weg. Es wird deutlich, dass Nordrhein-Westfalen Geberland ist und dass wir ein starkes Land sind.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und Mi- nisterin Sylvia Löhrmann)

Das ist auch für diejenigen wichtig, die das hier alles erwirtschaften.

Wir gehen mit einer Besserstellung nach Hause. Das heißt: Wir bekommen nicht mehr Einnahmen, sondern wir zahlen weniger von dem, was wir sonst

hätten zahlen müssen. Diese Besserstellung liegt in einer Größenordnung von 1,5 Milliarden € – und das pro Jahr ab 2020.

Wir sind zugleich solidarisch geblieben mit den östlichen Bundesländern und mit den Bundesländern, die große Finanzprobleme haben. Alle haben sich ein Stückchen bewegt. Wir haben jetzt ein einheitliches System, bei dem die alte Unterscheidung zwischen Ost und West keine wesentliche Rolle mehr spielt.

Jetzt muss sich der Bund bewegen. Ich bin zuversichtlich, dass die Bundesregierung diese Einigung akzeptieren wird. Es ist eine gute Lösung. Ich würde mich aber freuen, wenn jetzt auch die CDU mithelfen würde, den Bundesfinanzminister davon zu überzeugen, dass dieses System so in Gang gesetzt werden muss.

Deshalb bleibe ich bei meiner Einschätzung: Ein guter Tag für den Föderalismus; ein guter Tag für Nordrhein-Westfalen! Dank an alle, die dabei mitgeholfen haben! – Vielen Dank.

(Anhaltender lebhafter Beifall von der SPD, den GRÜNEN und der Regierungsbank)

Vielen Dank, Frau Ministerpräsidentin. – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Laschet das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das war eine kurze Unterrichtung ohne viele konkrete Zahlen.

(Marc Herter [SPD]: Sie brauchen auch nicht viele Worte, Herr Kollege! – Zuruf von Minis- terpräsidentin Hannelore Kraft)

Ich denke aber, dass deutlich geworden ist: Das unübersichtliche, intransparente System des bisherigen Länderfinanzausgleichs mit unterschiedlichen Verrechnungsschlüsseln, über die wir viele Debatten in Deutschland geführt haben, die auch in Neiddiskussionen zwischen einigen Ländern gemündet sind, die dazu geführt haben, dass manche Länder sogar vor das Bundesverfassungsgericht ziehen wollten, ist gestern durch ein gutes Ergebnis beendet worden. Das kann man auch parteiübergreifend in diesem Landtag deutlich machen, denke ich.

(Beifall von der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben Ihre Position gestützt, dass die bisherige Berechnungsform der Umsatzsteuer korrigiert werden muss. Deshalb ist es gut, dass wir jetzt ein neues, transparentes System haben. – Punkt eins.

Punkt zwei: Es geht um die Frage der Höhe der Zuwendungen pro Einwohner. Frau Ministerpräsidentin, Sie haben auch hier immer deutlich gemacht: Wenn man die Umsatzsteuer herausnimmt, liegen wir bei den Zuwendungen aus dem System

pro Einwohner auf Platz fünf. Wenn der Länderfinanzausgleich alles verrechnet, liegen wir auf Platz 15. Das sei ungerecht, haben Sie gesagt.

(Zustimmung von Ministerpräsidentin Han- nelore Kraft)

Nach dem System, das jetzt verabredet ist, liegen wir wieder auf Platz 15. Insofern muss man dazusagen: In der Schlüsselung pro Einwohner, die Sie lange Zeit hier zum Thema gemacht haben, hat sich durch den Beschluss von gestern nichts verändert.

Als Drittes gibt es die folgende Zahl: NordrheinWestfalen bekommt ab 2020 auf der Berechnungsgrundlage von heute 1,5 Milliarden € mehr.

(Zuruf von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)