Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie ganz herzlich zu unserer heutigen, 88. Sitzung des Landtags NordrheinWestfalen. Mein Gruß gilt unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.
Für die heutige Sitzung haben sich neun Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden wir – wie immer – in das Protokoll aufnehmen.
Vorratsdatenspeicherung: Ein guter Tag für die Innere Sicherheit Nordrhein-Westfalens, ein schlechter Tag für die rot-grüne Landesregierung!
Ein absehbares technisches, rechtliches und finanzielles Desaster: Vorhaben zur anlasslosen und massenhaften Vorratsdatenspeicherung unbedingt abbrechen!
Die Fraktion der CDU hat mit Schreiben vom 22. Juni dieses Jahres gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu einer aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt. Das Thema lautet: „SPD-Parteikonvent billigt Kompromiss zur Vorratsdatenspeicherung: Ein guter Tag für die Innere Sicherheit Nordrhein-Westfalens, ein schlechter Tag für die rot-grüne Landesregierung!“
Ebenfalls mit Schreiben vom 22. Juni dieses Jahres wurde gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung von der Fraktion der Piraten zu einer aktuellen Fra
ge der Landespolitik eine Aussprache beantragt. Die Piraten haben ihre Beantragung betitelt: „Das Land NRW muss Position gegen die geplante Vorratsdatenspeicherung beziehen.“
Ferner gibt es einen Eilantrag der Fraktion der Piraten. Er ist ebenso fristgerecht eingebracht worden. Sein Titel lautet: „Ein absehbares technisches, rechtliches und finanzielles Desaster: Vorhaben zur anlasslosen und massenhaften Vorratsdatenspeicherung unbedingt abbrechen!“
Diese drei Punkte stehen damit jetzt zur Debatte. Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat für die CDU-Fraktion Herr Kollege Theo Kruse das Wort.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren in Europa die Notwendigkeit der Neuausrichtung der Sicherheitsarchitektur. Auch Deutschland steht im Fokus des internationalen und islamistischen Terrorismus. Obwohl wir wissen, dass terroristische Anschläge und andere schwere Straftaten in zunehmendem Maße unter Verwendung moderner Kommunikationsmittel geplant und organisiert werden, hat sich die nordrhein-westfälische Landesregierung bei der Debatte um die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung, die von allen Kriminalisten gefordert wird, in den vergangenen Monaten einmal mehr als rot-grüne Chaostruppe präsentiert und ist ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden.
Wir erinnern uns: Als sich die SPD auf Bundesebene noch in der Opposition befand, verging kaum ein Monat, in dem der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger – der heute leider nicht dabei sein kann – dieses Thema nicht für Anschuldigungen und/oder Pöbeleien in Richtung der damaligen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger instrumentalisierte. Die Weigerung von Frau Leutheusser-Schnarrenberger, die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland wieder einzuführen, sei – so Ralf Jäger in der „Bild“-Zeitung vom 26. März 2012 – „mit gesundem Menschenverstand nicht mehr zu erklären“. Ihr Verhalten grenze – so Ralf Jäger in „Focus.de“ vom 18.05.2013 – nahezu an Strafvereitelung.
Nachdem Herrn Jägers Parteigenosse Heiko Maas im Jahr 2013 Bundesjustizminister wurde, fanden diese unsäglichen Beschimpfungen ein jähes Ende. Weil auch Herr Maas die Vorratsdatenspeicherung ablehnte, warfen die Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen ihre bisherige Position kurzerhand über Bord.
Auf ihrem letzten Landesparteitag in Köln fasste die NRW-SPD sogar einen Beschluss, in dem sie die Vorratsdatenspeicherung ausdrücklich ablehnte. In dem Parteitagsbeschluss vom 27. September 2014
„… eindeutig gegen eine Fortführung der politischen Bemühungen zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung in der EU und ihren Mitgliedsstaaten aus.“
Für die rot-grüne Landesregierung durfte sich mit Justizminister Kutschaty fortan nur noch ein erklärter Gegner der Vorratsdatenspeicherung zu diesem Thema äußern. Dieser erklärte am 30. Januar 2015 hier im Landtag, dass eine anlasslose und voraussetzungslose Speicherung von Telekommunikationsdaten aller Bürgerinnen und Bürger falsch sei.
Innenminister Jäger war damals übrigens – wie heute – gar nicht anwesend. Er verließ rechtzeitig vor Debattenbeginn gedemütigt diesen Plenarsaal.
In der „Rheinischen Post“ vom 14. März 2015 durfte Justizminister Kutschaty nachlegen: „Die Vorratsdatenspeicherung ist ein Relikt aus der Steinzeit.“ So der NRW-Justizminister.
Nachdem sich SPD und CDU auf Bundesebene vor knapp vier Wochen doch noch auf einen Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung geeinigt hatten, legte die SPD in Düsseldorf die nächste Kehrtwende hin. Im Namen der rot-grünen Landesregierung durfte nun wieder Innenminister Jäger zu diesem Thema sprechen und begrüßte den zwischen Bundesjustiz- und Bundesinnenminister ausgehandelten Gesetzentwurf
per Pressemitteilung vom 15. April 2014 als – Zitatanfang – „ausgewogenen Vorschlag für einen sachgerechten Ausgleich zwischen den Sicherheitsinteressen des Einzelnen und datenschutzrechtlichen Vorgaben“.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese beispiellose Irrfahrt der Sozialdemokraten bei einem Kernthema der inneren Sicherheit und der inneren Ordnung zeigt: Bei der NRW-SPD ist in Wirklichkeit auf gar nichts mehr Verlass. Viele fragen sich Folgendes: Welche Position hat die rot-grüne Landesregierung beim Thema „Vorratsdatenspeicherung“ denn nun insgesamt?
Ist es die Position von Justizminister Kutschaty, der sich mehrfach dagegen ausgesprochen hat, und der
wahrscheinlich heute dazu das Wort ergreifen wird? Oder ist es die Position von Innenminister Jäger, der ausdrücklich für die Vorratsdatenspeicherung eintritt? Oder ist es vielleicht doch die Position der Grünen, die die Vorratsdatenspeicherung nach wie vor kategorisch ablehnen?
Und was sagt eigentlich unsere Ministerpräsidentin, die heute erfreulicherweise anwesend ist? Herzlich willkommen, Frau Ministerpräsidentin!
Was sagt eigentlich unsere Ministerpräsidentin zu diesem Durcheinander, zu der nahezu zirkusreifen Darbietung? Frau Kraft, Sie haben sich nämlich bis heute nicht ein einziges Mal selbst zu dieser Frage geäußert, sondern Sie lassen die Dinge einfach treiben.
vom 20. Juni 2015. In der Onlineausgabe der „Berliner Morgenpost“ heißt es in der Berichterstattung zu dem Beschluss des SPD-Parteikonvents – ich darf zitieren –: