Protokoll der Sitzung vom 25.04.2013

Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich heiße Sie ganz herzlich willkommen zu unserer heutigen, der 28. Sitzung des Landtags von Nordrhein-Westfalen.

Mein Gruß gilt auch an diesem Morgen unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich sechs Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Wir haben auch heute jemandem zum Geburtstag zu gratulieren. Der Kollege Peter Weckmann von der Fraktion der SPD feiert heute seinen Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch und alles Gute im Namen der Kolleginnen und Kollegen!

(Allgemeiner Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich noch ein paar Informationen bekannt zu geben. Wir haben auch eine Entscheidung zu treffen.

Die Fraktionen haben sich, wie Sie wissen, betreffend den Ablauf des heutigen Plenartages bereits gestern darauf verständigt, die auf Antrag der CDUFraktion durchzuführende dritte Lesung des Gesetzentwurfes der Landesregierung Drucksache 16/1187 – Änderung von Rechtsvorschriften im MGEPA – als neuen Tagesordnungspunkt 3 mit Redezeit Block I durchzuführen.

Dafür soll der bisherige Tagesordnungspunkt 2, Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/2632 – Kirchen als Diener am Gemeinwohl –, entgegen dem Ausdruck in der Tagesordnung heute nicht debattiert werden, sondern erst nach Vorliegen der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses.

Erhebt sich dagegen Widerspruch? – Den sehe ich nicht. Dann ist die Tagesordnung entsprechend geändert. Die bisherigen Tagesordnungspunkte 3 bis 16 verschieben sich entsprechend.

Außerdem möchte ich Sie darauf hinweisen und Ihnen damit auch mitteilen, dass wir eine Änderung der Tagesordnung für die morgige Sitzung erleben werden. Der Chef der Staatskanzlei hat mir gestern mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, den Landtag zu dem Thema „Aktueller Sachstand über die Klage der Firma Klausner gegen das Land Nordrhein-Westfalen über Holzlieferungen – KlausnerVertrag 2007“ zu unterrichten. Die Unterrichtung durch den Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz soll morgen unter Tagesordnungspunkt 1 erfolgen.

Die Landesregierung verzichtet dafür auf die zunächst angemeldete und Ihnen bekannte Unterrich

tung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention.

Darüber brauchen wir morgen nicht abzustimmen. Aufgrund der Tatsache, dass die Landesregierung jederzeit das Wort ergreifen kann, ist das dann so vorgesehen.

Als letzten Hinweis für die heutige Sitzung will ich noch einmal daran erinnern, dass zwischen 12:30 Uhr und 14:00 Uhr grundsätzlich keine Abstimmungen stattfinden, es sei denn, es handelt sich um Überweisungsabstimmungen.

Mit all diesen Vorbemerkungen und der geänderten Tagesordnung können wir in die geänderte Tagesordnung einsteigen.

Ich rufe auf:

1 Opel muss zu seiner sozialen Verantwortung

für die Beschäftigten und die Wirtschaftsregion stehen

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/2698

In Verbindung mit:

Opel-Schließung ist ein Symbol für die Wirtschaftspolitik der Regierung Kraft

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/2699

Die Fraktion der SPD und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen haben mit Schreiben vom 22. April 2013 gemäß § 90 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ebenfalls hat die Fraktion der CDU mit Schreiben vom 22. April 2013 gemäß § 90 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung zu einer aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Bevor ich die Aussprache eröffne, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich den Betriebsrat der Firma Opel aus Bochum ganz herzlich begrüßen, der heute gekommen ist, um an der Aktuellen Stunde teilzunehmen.

(Allgemeiner Beifall)

Stellvertretend für alle Kolleginnen und Kollegen aus dem Bochumer Werk begrüße ich den Betriebsratsvorsitzenden Rainer Einenkel ganz herzlich. Das unterstreicht auch noch einmal die besondere Bedeutung der heutigen Aktuellen Stunde.

Damit eröffne ich die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Fraktionsvorsitzenden der SPD, Herrn Norbert Römer, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Heute vor acht Tagen hat der Opel-Aufsichtsrat beschlossen, die Fahrzeugproduktion am Ende des nächsten Jahres einzustellen und den Standort Bochum zum Ende des Jahres 2014 zu schließen. Deshalb ist der 17. April ein bitterer Tag für die Kolleginnen und Kollegen von Opel und ihre Familien, denn diese Entscheidung bedeutet, dass sie ihre Arbeitsplätze verlieren werden.

Der 17. April ist gleichzeitig ein bitterer Tag für Bochum, für die Region und für unser Land. Er ist ein bitterer Tag für uns alle, weil damit auch entschieden worden ist, dass wir in Nordrhein-Westfalen mit Opel ein großes, ein traditionsreiches Automobilwerk verlieren werden, das 50 Jahre lang Maßstäbe für Qualität und Leistungsfähigkeit gesetzt hat und das für viele Zehntausende von Menschen lange Zeit Grundlage für berufliche Existenz und Perspektive, aber auch Grundlage für Lebensinhalt und Wohlstand war.

Heute ist die erste Möglichkeit nach dieser Aufsichtsratsentscheidung, hier im Landtag über Folgen und Konsequenzen zu reden. Deshalb haben wir, SPD und Bündnis 90/Die Grünen, diese Aktuelle Stunde beantragt. In dieser schwierigen Situation, in dieser bitteren Zeit ist für uns zuallererst das Wichtigste, ein klares und eindeutiges Zeichen der Solidarität zu setzen.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Heute Morgen sind bei uns Betriebsräte, Belegschaftsvertreter aus Bochum; die Präsidentin hat sie bereits begrüßt. Rainer Einenkel, Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße euch ebenfalls und sage euch: Wir alle sind froh, dass ihr heute im Landtag seid. Unsere klare Botschaft aus dieser Aktuellen Stunde lautet: Die Kolleginnen und Kollegen von Opel, die Bürgerinnen und Bürger in Bochum, im Ruhrgebiet, die Menschen in den Städten, in denen Opelaner, Frauen und Männer mit ihren Familien, leben, müssen wissen: Wir im nordrhein

westfälischen Landtag stehen an Ihrer Seite, und wir nutzen unsere Möglichkeiten, um Ihnen zu helfen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Das ist das Eine.

Das zweite Wichtige heute Morgen für uns ist: Wir fordern vom Opel-Management ein, sich klar und eindeutig zu seiner Verantwortung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu bekennen und diese Verantwortung wahrzunehmen. Deshalb

muss es Gespräche darüber geben, wie es nach der Einstellung der Fahrzeugproduktion weitergehen kann, wie Arbeitsplätze in Bochum gesichert werden können. Opel darf diese Verantwortung nicht an die Seite schieben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Ja, es geht um Verantwortung. Das Management von Opel hat die Zukunft der Marke Opel und ihrer Standorte selbst immer wieder infrage gestellt. GM und Opel haben den ständigen Austausch von Personen in Geschäftsführung und Management betrieben. Sie haben den Export von Opel

Fahrzeugen in Länder außerhalb Europas mit großer Nachfrage unterbunden. Hier ist viel Vertrauen zerstört worden. Die Opel-Belegschaft hat zu oft erleben müssen, wie wenig sie sich auf Pläne und Zusagen des Managements verlassen konnte. Die Belegschaft ist zu oft von ihrem Management enttäuscht worden.

Das alles hat zu tiefem Misstrauen bei der OpelBelegschaft geführt. Dennoch haben Belegschaft, Betriebsrat und IG Metall immer wieder mit großem Einsatz für den Erhalt der Fahrzeugproduktion in Bochum gekämpft. Die Belegschaft hat auch eigene Beiträge zur Verbesserung der Kostensituation geleistet, auch finanziell schmerzhafte.

Dann hat es den Tarifvertrag gegeben, den die IG Metall mit den Arbeitgebern ausgehandelt und über den die Belegschaft abgestimmt hat. Nach meiner ganz persönlichen Bewertung steht da viel Gutes drin. Ganz offensichtlich hat es aber für die Kolleginnen und Kollegen in Bochum nicht gereicht, weil sie so schlechte Erfahrungen gemacht haben. Deshalb haben die Gewerkschaftsmitglieder der IG Metall diesen Tarifvertrag abgelehnt.

Ich selbst habe über viele Jahre gewerkschaftliche Verantwortung in Nordrhein-Westfalen wahrnehmen können. Ich weiß aus dieser Erfahrung, wie den Kolleginnen und Kollegen bei solch schwierigen Entscheidungen zumute ist. Deshalb sage ich klipp und klar: Ich habe großes Verständnis für eine solche Entscheidung. Sie ist von mir nicht zu kommentieren, sie ist zu akzeptieren.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Nachkarten hilft nichts. Jetzt geht es um den Blick nach vorne. Wie kann Wertschöpfung am OpelStandort in Bochum auch in Zukunft gesichert werden? Wie kann sie gelingen? Wie können möglichst viele Arbeitsplätze, möglichst viele Produktionsarbeitsplätze, gesichert werden? Wo gibt es neue Chancen, und wie können diese genutzt werden? Das sind entscheidende Fragen, auf die es möglichst schnell Antworten geben muss. Dabei ist selbstverständlich auch Politik gefragt. So etwas gelingt aber nicht unter dem öffentlichen Scheinwerferlicht.

So etwas kann nur in sehr vielen beharrlichen Gesprächen und Verhandlungen zustande gebracht werden. Die Landesregierung war in ständigem Kontakt, in enger Abstimmung mit der IG Metall, dem Betriebsrat, den politisch Verantwortlichen in Bochum und auch mit Opel. Es hat viele Gespräche gegeben. Die Ministerpräsidentin war ebenso in ständigem Kontakt wie der Wirtschaftsminister.

(Widerspruch von der CDU – Zuruf von Karl- Josef Laumann [CDU])

Deshalb, meine Damen und Herren, sind frühzeitig Weichen dafür gestellt worden, dass Alternativen entwickelt und Perspektiven eröffnet werden können. Dabei, Herr Kollege Laumann, war Wirtschaftsminister Garrelt Duin unermüdlich und beharrlich unterwegs. Dafür danke ich ihm bei dieser Gelegenheit auch ausdrücklich.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Welche Handlungsmöglichkeiten bleiben? Das Ende der Fahrzeugproduktion muss doch nicht das Ende der Produktion, muss nicht das Ende der Automobilwirtschaft in Bochum sein. Es geht um Alternativen und Perspektiven. Meine Damen und Herren, wenn es darauf ankommt, nach besseren Lösungen zu suchen, als die Totalaufgabe des Standortes hinzunehmen, dann muss es auch die Suche nach diesen besseren Lösungen von allen geben, die zu beteiligen sind. Alle müssen ihre Verantwortung wahrnehmen. Jetzt kommt es darauf an – das will ich zu Beginn der Aktuellen Stunde klipp und klar herausstellen –, erstens mit den Betroffenen solidarisch zu sein. Darauf kommt es zuallererst an.