Protokoll der Sitzung vom 25.04.2013

Welche Handlungsmöglichkeiten bleiben? Das Ende der Fahrzeugproduktion muss doch nicht das Ende der Produktion, muss nicht das Ende der Automobilwirtschaft in Bochum sein. Es geht um Alternativen und Perspektiven. Meine Damen und Herren, wenn es darauf ankommt, nach besseren Lösungen zu suchen, als die Totalaufgabe des Standortes hinzunehmen, dann muss es auch die Suche nach diesen besseren Lösungen von allen geben, die zu beteiligen sind. Alle müssen ihre Verantwortung wahrnehmen. Jetzt kommt es darauf an – das will ich zu Beginn der Aktuellen Stunde klipp und klar herausstellen –, erstens mit den Betroffenen solidarisch zu sein. Darauf kommt es zuallererst an.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zweitens kommt es, meine Damen und Herren, darauf an, das Unternehmen nicht aus der Verantwortung für seine Beschäftigten und den Standort zu entlassen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Drittens. „Bochum Perspektive 2022“ muss von GM und Opel – auch finanziell – gestärkt werden, damit es für die Menschen in der Region eine Perspektive geben kann. Dazu einen Beitrag zu leisten, sind auch wir hier in diesem Hause aufgefordert. Dazu, meine Damen und Herren, von den Oppositionsfraktionen, lade ich Sie ganz herzlich ein. Vielen Dank fürs Zuhören. Glückauf für die Kolleginnen und Kollegen von Opel! Glückauf für unsere gemeinsame Sache!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Römer. – Für die CDU-Fraktion hat deren Vorsitzender, Herr Kollege Laumann, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor

einem Monat haben die Mitarbeiter des Bochumer Opelwerkes den Tarifvertrag, den die IG Metall für alle Opelstandorte in Deutschland ausgehandelt hatte, mit 76,1 % abgelehnt. Das war eine weitreichende Entscheidung, die, Herr Römer, natürlich jeder akzeptieren muss.

Statt 2016 soll die Autoproduktion aber nur noch bis Ende 2014 laufen. So hat es danach der OpelAufsichtsrat entschieden. Wegen dieses Beschlusses war das ohne Frage ein schwarzer Tag für das Land Nordrhein-Westfalen. Deswegen haben wir heute diese Aktuelle Stunde.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Am letzten Freitag habe ich das Bochumer Opelwerk und den Betriebsrat besucht. Am Hauptgebäude hängen Transparente, auf denen zu lesen ist: „Wir bleiben Bochum“, „Zukunft für alle bei Opel Bochum“ oder „Zukunft für die Region“.

In meinem Gespräch mit dem Betriebsrat habe ich gemerkt, was den typischen Opelaner ausmacht. Das sind Menschen, die direkt und geradeaus sind. Vor allen Dingen sind es Menschen, die mit Verstand, mit Herz und mit Riesenengagement seit Jahren für den Opelstandort in Bochum, für ihr Werk und für ihre Arbeitsplätze kämpfen und damit auch für einen wichtigen Teil der industriellen Wertschöpfung unseres Landes den Rücken hinhalten. Deswegen bin ich auch froh, dass es möglich war, dass der Betriebsrat heute an dieser Debatte teilnimmt. Ich freue mich darüber, dass die Kolleginnen und Kollegen da sind.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Schon die erste Frage an mich war direkt und ohne Schnörkel: Schön, dass du da bist, aber was kannst du als Oppositionsführer überhaupt für uns tun? – Eine gute Frage. Ich will sie heute in der Debatte ergänzen: Was kann die Landespolitik, was kann der Landtag überhaupt für Opel tun? Die Verantwortlichen bei General Motors, bei der Opel AG, in der Politik oder auch bei den Gewerkschaften dürfen in dieser Situation natürlich nicht zur Tagesordnung übergehen. Es wäre der falsche Umgang mit der Krise und den Sorgen der Mitarbeiter, wenn in Nordrhein-Westfalen einfach gar nichts geschehen würde; denn wir sprechen über viele Tausend Beschäftigte, über deren Familien, über die Zuliefererbetriebe, über alle, die in der Region von diesem Werk profitieren und profitiert haben. Wir wollen auch nicht vergessen, dass die Adam Opel AG mit den Fahrzeugen aus Bochum viele Jahrzehnte gutes Geld verdient hat.

(Beifall von der CDU)

Über all das müssen wir heute im Landtag sprechen. Ich finde, Nordrhein-Westfalen kann stolz darauf sein, was Opel bislang für unser Land bedeutet.

(Beifall von der CDU)

Am 3. März war ich beim Solidaritätsfest der Bochumer Opel-Mitarbeiter. Wer da war, der hat doch diesen Stolz gespürt – auch den Stolz auf dieses Werk, den es in der ganzen Stadt gibt. Da war zu sehen und zu hören, dass die Opelaner nicht einfach so aufgeben und kapitulieren wollen. Sie wissen, was sie für Bochum geleistet haben. Aber die Menschen in Bochum wissen auch, welche Bedeutung dieses Werk für Wohlstand und. gut bezahlte Arbeit in dieser Region bedeutet.

Frau Ministerpräsidentin, ich habe mich schon gewundert, dass an diesem Solidaritätsfest kein Mitglied der Landesregierung teilgenommen hat. Der Betriebsrat hat es mir bestätigt.

(Zurufe von der CDU und der FDP: Oh! – Wi- derspruch von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

Ich habe den Eindruck – man muss das heute ebenfalls sagen –, dass die Landesregierung seit einiger Zeit einen ganz weiten Bogen um das Opelwerk in Bochum macht.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Frau Kraft, ich habe noch im Ohr, wie Sie 2009 von diesem Rednerpult aus als SPD-Fraktionsvorsitzende geredet haben. Ich zitiere Sie: In den Zielen wissen wir uns weitgehend mit der CDU einig: So viele Arbeitsplätze wie möglich in Bochum sichern; Bochum darf nicht einseitig benachteiligt werden. Wir wollen, dass es in Bochum keine betriebsbedingten Kündigungen gibt. Das ist der Lackmustest. Das ist entscheidend. Ziel für uns in Nordrhein-Westfalen ist, dass es am Standort Bochum weitergeht.

Sie wissen, dass die Landesregierung damals viel dafür getan hat, dieses Problem, das es seinerzeit schon gab, öffentlich zu machen und sich mit Bochum und den Opelanern zu solidarisieren.

Ich weiß, dass Ihr Wirtschaftsminister am Montag in Bochum war. Aber dass er am Montag da war, ist so, als würde die Feuerwehr erst dann kommen, wenn es nur noch ein paar qualmende Ruinen gibt. Das war einfach zu spät.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Natürlich wissen auch die Menschen, dass sich Politik an anderen Standorten in Deutschland massiv für die dortigen Standorte eingesetzt hat. Das ist Aufgabe eines jeden Ministerpräsidenten, in Hessen, in Rheinland-Pfalz, in Thüringen. Nur hier war von der Ministerpräsidentin während der ganzen Zeit nichts zu sehen und nichts zu hören. Wenn es um Opel geht, ist das aber Chefsache.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich finde, es muss jetzt alles darangesetzt werden, die Sprachlosigkeit zu überwinden. Wir befinden uns jetzt in einer Situation, in der die Ministerpräsidentin – nicht weil sie „Kraft“ heißt – mit ihrem Amt

dafür sorgen muss, dass diese Sprachlosigkeit überwunden wird, Brücken gebaut und neue Vereinbarungen getroffen werden, die Sie wie ein guter Notar besiegeln, sodass die Menschen sich anschließend auf diese Vereinbarungen in Punkt und Komma verlassen können. Dafür muss sie auch sorgen. Das ist jetzt Ihre Aufgabe.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Davor können Sie nicht wegtauchen. Das kann man auch nicht einem Kabinettsmitglied übertragen, sondern dazu muss ein Ministerpräsident selber stehen. Schaue ich auf die Regierungsbank, stelle ich fest, dass es der Arbeitsminister heute für wichtiger hält, im Deutschen Bundestag auf 1. Mai zu machen, statt als Arbeitsminister in einer OpelDebatte bei den Kolleginnen und Kollegen zu sein. Ich frage mich: Was für ein Amtsverständnis hat dieser Mann überhaupt?

(Beifall von der CDU und der FDP)

Deswegen, Frau Kraft: Von Düsseldorf bis nach Bochum sind es 65 km. Andere sind mehr als 6.000 km geflogen, um beispielsweise in Detroit mit Opel zu reden.

(Beifall von der CDU und der FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Und Autos anzuschieben!)

Machen Sie sich einmal auf diesen Weg von 65 km.

(Lebhafte Unruhe und Zurufe von der SPD)

Wahr und wichtig ist in dieser Auseinandersetzung auch:

(Anhaltende Unruhe und Zurufe von der SPD)

Sie können ruhig schreien. Der Betriebsrat von Opel weiß, wann zuletzt einer von euch da gewesen ist. Das könne Sie mir glauben.

(Beifall von der CDU und der FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Wer schreit hier am meis- ten?)

Wahr ist auch – ich sage es ganz klar –: Es ist notwendig, dass alle, die bei Opel für eine industrielle Zukunft arbeiten – das gilt für den Betriebsrat, die IG Metall, die Werksleitung bei Opel und die Konzernspitze in Detroit –, realistische Vorstellungen haben müssen, was für Opel in der jetzigen Situation in Deutschland möglich ist.

Herr Kollege

Laumann, Ihre Redezeit.

Für viele ist es zurzeit nicht einfach, weil Entscheidungen getroffen worden sind. So entschieden, wie ich hier die Rolle der Ministerpräsidentin bei diesen Verhandlungen einfordern muss, hat auch sie ein Anrecht darauf, dass

alle Beteiligten mit realistischen Vorstellungen in solche neuen Gespräche gehen, …

Herr Kollege!

… damit man auch eine Chance hat, dass diese Gespräche zu einem Ergebnis führen. Dieses Ergebnis muss zur Folge haben, dass es möglichst lange möglichst viele industrielle Arbeitsplätze von Opel in Bochum gibt.

Herr Kollege

Laumann, Ihre Redezeit ist um vier Minuten überschritten.