Protokoll der Sitzung vom 25.04.2013

Laumann, Ihre Redezeit ist um vier Minuten überschritten.

Das kann zwar auch ohne Fahrzeugbau sein, aber industrielle Arbeitsplätze für Opel muss es geben. Opel muss Verantwortung dafür übernehmen, dass in Bochum und der Region neues Industrielles entsteht. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Laumann. – Ich möchte den Kolleginnen und Kollegen – insbesondere für die nachfolgende Debatte – gerne mitteilen, dass sich das sitzungsleitende Präsidium vor Eintritt in diese Aktuelle Stunde darauf verständig hat, im Hinblick auf die Redezeiten etwas großzügiger als normalerweise zu sein. Der Kollege Römer hatte seine Redezeit um 50 Sekunden überzogen, Kollege Laumann, bei Ihnen waren es mehr als vier Minuten. Das will ich nur sagen, damit es keine Irritationen gibt. Wir werden weiterhin großzügig sein, bitten aber, trotz der Brisanz des Themas und seiner Aktualität den Bogen – was die Redezeiten angeht – nicht völlig zu überspannen. – Vielen Dank.

Der nächste Redner ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen deren Fraktionsvorsitzender, Herr Kollege Priggen.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Parlament! Liebe Opel-Kolleginnen und -Kollegen und andere Gäste oben auf der Tribüne! Herr Kollege Laumann, ich frage mich als Erstes: Was hat die Belegschaft von Opel von dem, was Sie hier eben vorgetragen haben?

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich weiß, dass Sie Temperament haben. Aber wenn Sie, nachdem der Wirtschaftsminister am Montag dort gewesen ist, Opel als qualmende Ruine bezeichnen, dann passt das nicht zu dem, was Sie auf

der anderen Seite hier an Inhalten geäußert haben, dass Sie möchten, dass da etwas entsteht.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

In den letzten Jahren ist die Geschichte Opels in Deutschland und speziell Opels in Bochum eine sehr leidvolle Geschichte. Es ist eine Geschichte nicht gegebener Chancen, und es ist eine Geschichte nicht gehaltener oder nur ganz, ganz vager Zusagen. Opel hat über Jahrzehnte und bis heute qualitativ sehr gute, sehr zuverlässige und moderne Fahrzeuge gebaut. Das konnte man zum Beispiel heute Morgen auf der Fahrt zum Landtag und das kann man jederzeit bei uns auf den Autobahnen und Straßen sehen. Den Ruf hat Opel, den hat man sich hart erarbeitet.

Aber Opel hat vom Mutterkonzern – das ist eigentlich das Allerschlimmste – nie die Chance bekommen, im internationalen Wettbewerb auf Märkten außerhalb von Europa Möglichkeiten zu suchen, Absatz zu erzielen. Das ist aus meiner Sicht das ganz große Manko, was General Motors Opel in die Wiege gelegt hat.

Wichtige Teile des Weltmarktes sind für Opel abgeschottet worden. Und da, wo Volkswagen, wo andere deutsche Automarken sehr erfolgreich tätig waren und mit dem Verkauf im Ausland auch Arbeitsplätze in Deutschland gesichert haben, hat General Motors darauf geachtet, dass dort, wo andere Konzernmarken tätig werden konnten, Opel nicht arbeiten durfte.

Was das heute bei international sehr aktiven Märkten heißt, wenn man so beschränkt und beschnitten wird, dazu muss man den Vergleich zwischen diesen beiden traditionellen starken deutschen Marken Volkswagen und Opel ziehen. VW hat es geschafft, auch mit konkurrierenden eigenen Produkten international auf den Märkten insgesamt zu gewinnen. Opel wurde diese Chance nicht gegeben, Opel wurde sie verweigert.

Die Frage ist nicht von der Tagesordnung, sondern die Frage wird für alles, was in Deutschland von Opel noch gebaut wird, wieder auf die Tagesordnung kommen. Deswegen muss man es klar benennen. Es muss eine faire Chance geben für die hochwertigen Produkte, die da jetzt und in Zukunft hergestellt werden, damit diese international auf den Märkten ihre Möglichkeiten suchen können.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Der zweite Punkt, wenn wir ehrlich bilanzieren, den wir ansprechen müssen: Der Konzern hat in Europa erhebliche Überkapazitäten aufgebaut. Ich will die Zahlen gar nicht alle zitieren. Aber „SPIEGEL ONLINE“ hat berichtet: 1,6 Millionen Fahrzeugkapazitäten in der Fertigung und 1,1 Millionen Absatz. Die IG Metall hat uns noch sehr viel drastischere Zahlen mitgegeben. Die Tarifkommission der IG Metall im Januar 2013: „Angesichts historisch nied

riger Marktanteile sind die Produktionsstandorte in Europa nur zu 50 % ausgelastet.“ Das ist die Dramatik in der Situation. Und in dieser Situation hat der Aufsichtsrat am 17. April 2013 das Ende der Autoproduktion in Bochum für 2014 beschlossen.

Herr Kollege Laumann, Sie haben eben die 76,1 % in der Abstimmung bei Opel angesprochen. Wenn man nachvollzieht, was in den ganzen Jahren war, wie immer wieder Zusagen oder auch Abmachungen getroffen worden sind, die nicht eingehalten wurden, dann kann man die Skepsis derjenigen, die da beschäftigt sind, natürlich verstehen. Man hätte erwartet, dass der Konzern, wenn er entscheidet, nicht jetzt entscheidet „Zwei Jahre früher“, sondern mindestens entschieden hätte, dass das, was er mit der IG Metall ausverhandelt hat, umgesetzt wird. Insofern ist es doch ein Stück weit so, dass das, was an Befürchtungen da war, durch diese Entscheidung sogar bestätigt wurde.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Jetzt können wir Folgendes machen – und da war Ihr Beitrag, Herr Laumann, nicht hilfreich –:

(Widerspruch von der CDU)

Wir können die Auseinandersetzung hier so führen, wie sie normalerweise geführt wird. Ich könnten Ihnen jetzt reihenweise Zitate vorlesen, in denen sich Herr Brüderle und Herr Guttenberg damals als harte Wirtschaftspolitiker profiliert haben, gerade am Beispiel Opel, ohne für das Unternehmen irgendetwas zu erreichen. Ich könnte Ihnen aus den Berichterstattungen über den Besuch des Ministerpräsidenten Rüttgers in den USA zitieren, als er sich in Detroit hat fotografieren lassen, ohne etwas zu erreichen, oder darüber, dass Guttenberg sich auf dem Time Square hat fotografieren lassen, ohne einen Erfolg für Opel zu erzielen. Aber das nützt alles nichts.

Deswegen gibt es nach vorne doch nur eine gemeinsame Konsequenz: dass wir uns darum kümmern, dass am Standort Bochum natürlich so viel Opel wie irgend möglich erhalten bleibt, und die Chance, das auszubauen, dann auch in Bochum gegeben ist. Das ist das eine.

Als Zweites müssen wir dafür sorgen, dass an dem Standort mit Unterstützung und mit Verpflichtung des Unternehmens neue Sachen entstehen können. Dass wir mit Unterstützung des Wirtschaftsministers, mit Unterstützung der Landesregierung, mit Unterstützung der Stadt Bochum und des Ruhrreviers sehen, dass an den Plätzen, wo es auf absehbare Zeit keine Autoproduktion mehr geben wird, tatsächlich neue Arbeit entstehen kann und wieder Arbeitsplätze für diejenigen angeboten werden können, die da noch sind.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich sage das als jemand, der in Aachen lebt und seit Jahren den Kampf bei Bombardier mitbekommt, wo

ganz, ganz zäh dafür gekämpft wird, dass jeder, der dort arbeitet, bleiben kann oder dass an dem Standort etwas Neues entsteht, damit industrielle Produktion erhalten bleibt. Da sind unsere Auseinandersetzung und unser Einsatz gefordert. Da nützen irgendwelche vordergründigen Geländegewinne, die man meint holen zu können, indem man so agiert, wie Sie das eben in weiten Teilen gemacht haben, niemandem. Die nützen nicht den Beschäftigten.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das heißt auf Deutsch: Es gibt zu der Linie, die Wirtschaftsminister, Landesregierung, IG Metall, Fraktion und auch der Betriebsrat fahren, keine Alternative: jetzt in Bochum alles zu erhalten, was an Arbeitsplätzen erhalten werden kann, den Konzern einzubinden und ihm auch deutlich zu machen, dass es nicht sein kann, dass Opel Bochum nicht fair behandelt wird, dass dort nicht die Chance gegeben wird, industrielle Produktion zu erhalten oder wieder neu entstehen zu lassen, und zu erreichen, dass sich der Konzern auch tatsächlich an dem beteiligt, was da notwendig ist.

Das ist das, was wir brauchen. Dafür sollten wir uns alle zusammen einsetzen. Es sollte heute aus dem Landtag das Signal ausgehen, dass das breit getragen wird, anstatt vordergründige Polemik zu machen. – Danke schön.

(Anhaltender lebhafter Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Für die FDP-Fraktion spricht deren Fraktionsvorsitzender, Herr Kollege Lindner.

Frau Präsidentin! Verehrte Damen, meine Herren! Herr Priggen, Sie haben zu Beginn Ihrer Rede die Frage aufgeworfen, was denn die Belegschaft von der Rede vom Kollegen Laumann habe. Man kann nach Ihrer Rede feststellen: Sie haben jedenfalls mehr von der Rede Laumann als von Ihrer Prosa, die Sie hier vorgetragen haben, Herr Priggen. Das ist nun klar.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Verehrte Damen, meine Herren, Opel gehört zur Tradition unseres Ruhrgebiets. Opel, das ist auch ein Stück Legende des Wirtschaftswunders. Der Opel Kadett A, der in Bochum produziert worden ist, ist Teil dieses Wirtschaftswunders. Viele erinnern sich an dieses Fahrzeug.

Die Beschäftigten von Opel haben nicht nur von Opel gelebt, sondern über Generationen auch für dieses Unternehmen gelebt. Die Opelaner waren eine Familie. Und am Erhalt des Standortes Bochum waren die Beschäftigten so interessiert, dass sie sogar bereit waren, auf Gehalt zu verzichten,

dass sie bereit waren zu Veränderungen in den vergangenen Jahren.

General Motors hat vom Standort NordrheinWestfalen und von den qualifizierten Beschäftigten in Bochum profitiert. Deshalb werden wir diesen Konzern nicht aus seiner Verantwortung für die Beschäftigten vor Ort entlassen. Alle, die für Opel gearbeitet haben und heute in Beschäftigung sind, haben ein Recht auf Fairness. Darin sind wir alle hier im Landtag einer Meinung.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Allerdings sind die Probleme, vor denen wir heute stehen, nicht überraschend. Wir haben in Europa im Automobilmarkt nicht nur bei Opel, sondern generell Überkapazitäten. Gerade jetzt in der Eurokrise haben wir eine akute Absatzproblematik in Südeuropa.

Es gab schwerwiegende Managementfehler, weil Detroit sich auf den internationalen Märkten auf die Marke Chevrolet konzentrieren will, weshalb der innovativen Produktpalette von Opel keine Chancen eingeräumt worden sind. Die Bänder laufen in Bochum deshalb seit Jahren immer langsamer. Von der Spitze der Beschäftigung im Jahre 1970 mit 20.000 Beschäftigten ist das Unternehmen am Standort Bochum inzwischen weit entfernt.

Spätestens seit Dezember des vergangenen Jahres stand auch die konkrete Werksschließung in Bochum im Raum. Nun gab es eine Entscheidung des Betriebsrates und der Belegschaft in Bochum, den angebotenen Sanierungstarifvertrag nicht anzunehmen, über den neun Monate verhandelt worden ist, der zumindest eine Perspektive erst bis 2016 und dann bis 2018 und darüber hinaus geboten hätte.

Herr Römer, Sie haben recht: Diese Entscheidung der Belegschaft haben wir zu respektieren. Ich sage hier aber doch: Ich halte es für eine bedauerliche und falsche Entscheidung, dass die Belegschaft dieses Angebot nicht angenommen hat – als einen ersten Schritt, Beschäftigung in Bochum zu sichern.

(Beifall von der FDP)

Offensichtlich gibt es in Bochum selbst ein Umdenken. Die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ berichtet am heutigen Tag: Stimmen aus der Belegschaft gibt es, die sich bei der Abstimmung nicht hinreichend über die Konsequenzen und über die Alternativen informiert gefühlt haben.

Meine Damen und Herren, wie agiert die Landesregierung in dieser Frage? Man braucht nicht viel Phantasie, Frau Kraft, um sich vorzustellen, wie Sie in der Oppositionsrolle hier agiert hätten. Da brauchen wir keine Phantasie, sondern nur ein gutes Gedächtnis.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Jedenfalls hätten Sie sich hier nicht so staatstragend eingelassen wie Kollege Laumann. Wenn ich mich an Ihre Debattenbeiträge erinnere …

(Lachen und Zurufe von der SPD)

Ich glaube, da lachen die jüngeren Kollegen, die in der ersten oder zweiten Legislaturperiode dem Landtag angehören. Ich erinnere mich nämlich noch an die Auseinandersetzungen, die wir hier um beispielsweise die Arbeitsplätze bei Nokia geführt haben. Wir erinnern uns an Auseinandersetzungen um Opel und die richtige Strategie und daran, wie Frau Hannelore Kraft hier aufgetreten ist: Die Regierung Rüttgers/Pinkwart habe vollständig den Kontakt zum Management von Nokia und Opel verloren, hieß es da. Sie müsse sich einsetzen.