Ich glaube, da lachen die jüngeren Kollegen, die in der ersten oder zweiten Legislaturperiode dem Landtag angehören. Ich erinnere mich nämlich noch an die Auseinandersetzungen, die wir hier um beispielsweise die Arbeitsplätze bei Nokia geführt haben. Wir erinnern uns an Auseinandersetzungen um Opel und die richtige Strategie und daran, wie Frau Hannelore Kraft hier aufgetreten ist: Die Regierung Rüttgers/Pinkwart habe vollständig den Kontakt zum Management von Nokia und Opel verloren, hieß es da. Sie müsse sich einsetzen.
Fast bis zu dem Tag, bevor General Motors gesagt hat, sie bräuchten die Milliarden-Bürgschaften des Staates nicht, hat Hannelore Kraft sich dafür einsetzen wollen. Am nächsten Tag hat Detroit gesagt: Wir brauchen es eigentlich gar nicht; wir haben genug Kapitalausstattung. – Das, Frau Kraft, war Ihre Art, in der Frage Politik zu machen. Daran müssen Sie sich heute messen lassen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, führt man sich vor Augen, wie Sie damals hier aufgetreten sind, dann ist es umso bemerkenswerter, dass Sie die jetzige Krisenbewältigung in Bochum dem politischen Leichtgewicht Ihres Kabinetts, nämlich Wirtschaftsminister Duin, überlassen wollen. Das zeigt Ihre Glaubwürdigkeit in der Frage.
Ja, bis in die heutige Debatte! In der Redeliste ist der Wirtschaftsminister und nicht die Ministerpräsidentin ausgedruckt.
Frau Kraft, ich fordere Sie auf, entgegen Ihrer Planung hier gleich dem Landtag Rede und Antwort in der Frage zu stehen.
Entschuldigen Sie einmal bitte, Frau Kraft. Ich werfe Ihnen hier jetzt nicht mit vielen Zitaten, die ich bringen könnte, vor, dass Sie Verantwortung für das mögliche Ende der Fahrzeugproduktion in Bochum zu übernehmen hätten. Aber dafür, dass der Sanierungstarifvertrag nicht abgeschlossen worden ist, tragen Sie sehr wohl Mitverantwortung.
Die Oppositionschefin Hannelore Kraft hat sich nahezu ans Werkstor bei Opel ketten lassen, und die Regierungschefin Kraft packt das Thema mit spitzen Fingern an. Sie waren nicht in Bochum, Sie haben dort nicht Gespräche geführt!
Das wäre Ihre Aufgabe gewesen. Ihre Aufgabe, Frau Kraft – mit Ihrer persönlichen Autorität, die Sie haben –, wäre es gewesen, eine Vertrauensbrücke zwischen der Belegschaft in Bochum und dem Management zu bauen. Das wäre Ihre Aufgabe gewesen. Ein „TatKraft-Tag“ weniger, ein Tag mehr bei der Belegschaft hätte hier einen großen Erfolg erreicht.
Vielleicht besteht jetzt noch eine Möglichkeit, Frau Ministerpräsidentin. Wenn es in der Belegschaft ein Umdenken gibt, wenn sich die Berichterstattung der „WAZ“ bestätigen sollte, dann haben Sie jetzt eine zweite Möglichkeit, mit dem Management von General Motors ins Gespräch zu kommen.
Aber, verehrte Damen, meine Herren, darauf allein dürfen wir uns nicht verlassen. Es geht jetzt darum, schnell die Entwicklungsgesellschaft in Bochum auf den Weg zu bringen. Die „Bochum Perspektive 2022“ darf nicht länger nur eine Absichtserklärung sein; sie muss mit Leben gefüllt werden. Wir haben beim Fall Nokia gesehen, dass es neue, sichere Arbeitsplätze auch in anderen Branchen gibt.
Ihre Aufgabe wird es also sein, an anderen Standorten für sichere Arbeitsplätze Sorge zu tragen. 28 Kilometer entfernt von Bochum wollen auch Ihre sozialdemokratischen Parteifreunde mit newPark ein neues Industriegebiet mit 10.000 Arbeitsplätzen schaffen. Das kann gegenwärtig nicht realisiert werden, weil auf Druck der Grünen der Wirtschaftsminister die Landesbürgschaften kaputtprüfen soll.
Da können Sie einen Punkt setzen; da können Sie neue, sichere Arbeitsplätze schaffen. Die Sorgfalt, die Sie jetzt bei newPark an den Tag legen, hätten wir uns früher bei Opel gewünscht, Frau Ministerpräsidentin. Jetzt ist es Ihr Thema. Sie haben eine Möglichkeit, mit den Beteiligten jetzt noch einmal über den Sanierungstarifvertrag ins Gespräch zu kommen. Sie haben die Verantwortung, vernünftige Standortbedingungen in Nordrhein-Westfalen zu schaffen. Das ist Ihre Verantwortung als Regierungschefin. Machen Sie jetzt das wahr, was Sie als Oppositionsführerin immer gefordert haben!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer, und vor allem liebe Opelaner! Ich bin Bochumerin. Ich bin in Bochum geboren, dort aufgewachsen, und ich habe dort studiert. Nach einem ganz kurzen Aufenthalt in Ostwestfalen – nichts gegen Ostwestfalen – bin ich vor über zehn Jahren mit fliegenden Fahnen in meine Stadt zurückgekehrt. Ich bin stolz auf meine Stadt.
Die Schließung des Opel-Standorts zum Ende 2014 kommt schneller als gedacht. Dass die Belegschaft jetzt mit hocherhobenem Kopf aus der Sache herausgegangen ist, das ist richtig, und das ist gut.
Meine Stadt hat eine lange Arbeitertradition und ist, wie unser ganzer Ruhrpott, dafür bekannt, für Arbeitsrechte zu kämpfen. Aber irgendwann ist Schluss. Erneute Einschnitte auf dem Rücken der Mitarbeiter waren nicht mehr hinzunehmen; denn letztlich geht es nicht nur ums Geld. Es geht auch um die Würde des Menschen. Der US
amerikanische Mutterkonzern hat aufgrund betriebswirtschaftlicher Berechnungen die Werke in Europa kontinuierlich gegeneinander ausgespielt.
Um das Ausmaß dieser Entwicklungen zu verstehen, muss man wissen, welche Bedeutung Opel für Bochum hat. Opel ist nicht nur irgendein Werk. Opel bedeutet für Bochum Tradition und Lebensphilosophie. Ein Opelaner zu sein, war und ist noch heute gleichbedeutend mit der Zugehörigkeit zu einer Familie. Auch deshalb war die Belegschaft immer bereit, Einbußen hinzunehmen.
Mit dem Standort Bochum sterben aber auch Stadtteile. Langendreer und Altenbochum haben von den Opelanern gelebt: Lebensmittelgeschäfte, der Friseur um die Ecke, die Pommesbude, der gesamte Handel basiert auf dem Opel-Werk. Jetzt stehen Belegschaft, Zulieferer und die Infrastruktur mehrerer Stadtteile vor dem Aus.
Dann gibt es heute wieder eine Aktuelle Stunde. Der Antrag von SPD und Grünen spricht von einer „sozialen Verantwortung“ eines Konzerns. Ist klar – solche Konzerne agieren ja direkt hinter der Caritas an zweiter Stelle, wenn es um soziales Engagement geht. Es wird gemunkelt von gewaltigen Beträgen, die für das Getriebewerk zur Verfügung gestellt werden. Nur komischerweise hat der Herr Einenkel davon noch gar nichts gehört.
Der CDU-Antrag ist auch ganz großartig. Man will einmal mehr die Ministerpräsidentin und ihre Landesregierung vorführen. Will man ihr vorwerfen, sie hätte beeinflussen können, ob der Standort geschlossen wird?
In mir erweckt das den Eindruck, dass Sie, meine Damen und Herren, das Zusammenspiel von Politik und Wirtschaft nicht wirklich verstanden haben.
Wirtschaft agiert losgelöst vom politischen Wunschkonzert. Oder glaubt hier wirklich irgendeiner, die Bosse vom GM-Konzern interessiert es nur einen Deut, wenn sich hier Politiker mit Forderungen aus dem Fenster lehnen? Die lachen höchstens müde. Denken Sie nur an Herrn Rüttgers: Der stand vor den Werkstoren, und er wurde noch nicht einmal hereingelassen.
Was Politik hier leisten kann und längst leisten sollte, ist, rechtzeitig einen Plan B zu entwerfen. Bis jetzt wurde versäumt – und nach der Schließung des Nokia-Werkes vor vier Jahren war es bereits fünf vor zwölf –, in einen zukunftsorientierten Arbeitsmarkt und in Weiterbildungspolitik zu investieren. So wurden die Chancen auf Schaffung eines fortschrittlichen Wirtschaftsstandortes vertan. Da nutzt auch der Gesundheitscampus nichts. Oder machen wir dann aus den Facharbeitern von Opel Hebammen oder Logopäden? Eine der wichtigsten Forderungen muss jetzt lauten, die Arbeitsagentur in Bochum möge mit genügend Mitteln ausgestattet werden, um qualitativ hochwertige, zukunftsfähige Umschulungen zu garantieren.
Wir sollten jetzt vor allem in die Zukunft schauen. Vor 50 Jahren gelang es, den Bergbaustandort Bochum in einen Industriestandort zu verwandeln. Warum sollte es jetzt nicht möglich sein, den Industriestandort in einen innovativen und zukunftsfähigen Technologiestandort zu verwandeln?
Viel Zeit dafür bleibt allerdings nicht mehr. Es gelingt auch nur, wenn wir alle nach vorne schauen und nicht die Fehler der Vergangenheit beweinen. – Glückauf für mein Bochum!
Vielen Dank, Frau Kollegin Brand. – Für die Landesregierung hat Ministerpräsidentin Hannelore Kraft das Wort.
Betriebsrat! Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, was die da oben auf der Tribüne angesichts dieser Debatte denken mögen.
Da ist Herr Laumann, der staatstragend hervorhebt, welche Leistungen die Opelaner erbracht haben, der dann die Eigenschaften skizziert mit den Worten „direkt und geradeheraus“ und „sie arbeiten und kämpfen mit Verstand und Herz“. Das kann ich alles
Aber eines weiß ich auch: Die haben nicht nur ein Kurzzeitgedächtnis. Lieber Herr Lindner, die können sich gut daran erinnern, wie hier die Debatten in der letzten Legislaturperiode verlaufen sind und wie Sie die Opelaner im Stich lassen wollten. Das haben die Kolleginnen und Kollegen nicht vergessen.
Das tue ich. Aber zu dem, was Sie skizziert haben, was meine persönliche Verantwortung wäre – nämlich: dass dieser Sanierungstarifvertrag nicht zustande gekommen ist, wäre meine Verantwortung –, kann ich nur sagen: Das ist das Tarifautonomieverständnis einer FDP.