Karl-Josef Laumann
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alle hier im Plenarsaal wissen, dass das für mich heute eine besondere Rede ist. Ich bin 23 Jahre lang Abgeordneter, davon 15 Jahre im Bundestag und acht Jahre hier. Es wird erst mal meine letzte Plenarrede sein,
und deswegen möchte ich zunächst einmal sagen: Wir haben uns in den acht Jahren hier im Landtag von Nordrhein-Westfalen manchen Schlagabtausch geliefert und in der Sache hart gerungen. Aber ich finde, Frau Ministerpräsidentin, Kollege Lindner und Kollege Priggen, Herr Römer und Herr Paul, wir haben das in all diesen Jahren immer hinbekommen, sich in der Sache nichts zu schenken, dabei aber die Personen, die hinter Überzeugungen stehen, zu achten.
Wenn man jetzt acht Jahre diesem Landtag angehört hat, davon fünf Jahre als Minister und drei Jahre als Fraktionsvorsitzender der CDU, dann nehmen Sie einfach mit, dass ich vieles von dem, was ich hier erlebt habe, auch viele Menschen, die ich kennengelernt habe, im Herzen mitnehme.
Ich bin jetzt 56 Jahre alt und lebe seit 56 Jahren in Nordrhein-Westfalen in meinem schönen Dorf Riesenbeck und war hier fünf Jahre Minister. In den Jahren als Fraktionsvorsitzender und in den Wahlkämpfen – ich kann es nicht mehr zählen, schätze aber – sind es weit über tausend Termine gewesen, die ich in diesem Land gemacht habe.
Ich kann Ihnen sagen, ich habe in diesen Jahren alle Winkel Nordrhein-Westfalens kennengelernt. Wir haben ein tolles Land und wir haben tolle Menschen.
Wenn man gelegentlich zu Hause ist und Fernsehen guckt, dann hat man manchmal den Eindruck, dass da eine andere Welt gezeigt wird als die, die ich gesehen habe. Da wird dann davon geredet, die Leute würden immer ichbezogener werden. Wenn man dann durchs Land fährt, trifft man dort unheimlich viele Menschen, die in ihren Kirchengemeinden, Sportvereinen, Schützenvereinen, Karnevalsvereinen, Naturschutzbünden, in der Hospizbewegung aktiv sind, Leute, die jahrelang alte Menschen in den Altenheimen besuchen. Meine Damen und Herren, Nordrhein-Westfalen ist kein egoistisches Land. Wir sind ein Land des Gemeinsinnes, und darauf können wir stolz sein!
Aber, meine Damen und Herren, wir dürfen auch auf unsere Geschichte stolz sein. Mit der Geschichte meine ich vor allen Dingen die Geschichte seit dem Zweiten Weltkrieg. In diesem Land ist die soziale Marktwirtschaft erfunden worden. Es waren Männer und Frauen aus Nordrhein-Westfalen, die den Klassenkampf beendet und die soziale Partnerschaft in diesem Land begründet haben.
Damit bin ich beim nächsten Punkt. Ich finde, dass etwas in keinem Land so deutlich ist wie in NRW: Dieses Land ist geprägt von sozialer Partnerschaft. Wir haben in der Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009 alle erfahren, dass die soziale Partnerschaft nichts Lästiges oder Wettbewerbhemmendes ist, sondern ein ganz großer Standortvorteil für unser Land. Die Menschen, die auf der Arbeitnehmer- und auf der Arbeitgeberseite daran seit Jahrzehnten arbeiten, sind tolle Leute für die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen.
Aber, meine Damen und Herren, zur sozialen Marktwirtschaft: Das war mir als Politiker wichtig und wird mir auch zukünftig immer wichtig sein. Im Übrigen bleibe ich Politiker, keine Angst, ich werde kein Beamter. Und wer glaubt, man könne aus mir einen Beamten machen, der hat sich geirrt. Ich habe nichts gegen Beamte, aber ich bin nicht der Typ dafür.
Ich wollte sagen, dass mir immer wichtig war, dass zur sozialen Marktwirtschaft auch ein Ordnungsrahmen gehört. Ich denke, dass es unseren Vorvätern gelungen ist, mit der sozialen Marktwirtschaft Ordnungsrahmen, Spielregeln und Freiheit in einem vernünftigen Maße auszutarieren.
In diese soziale Marktwirtschaft gehört natürlich auch ein Ordnungsrahmen für den Arbeitsmarkt. Es ist etwas anderes, wenn Sie über den Arbeitsmarkt reden, als wenn Sie über den Kartoffelmarkt reden. Denn beim Arbeitsmarkt geht es um Menschen. Da geht es um Menschen, die in Ihrem Beruf auch ihre finanzielle Sicherheit haben. Und ich behaupte: Wer keine Sicherheit hat, gründet keine Familie und setzt keine Kinder in die Welt und engagiert sich nicht ehrenamtlich. Wir brauchen weiterhin vor allen Dingen sichere und sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze und Arbeitsplätze in der Selbstständigkeit.
Was sind eigentlich die wichtigen Elemente der Ordnung im Arbeitsmarkt? Da gibt es eine Regel in den großen Wirtschaftsbereichen des Handwerks, dass man sich – zumindest in den meisten Gewerken – nur selbstständig machen kann, wenn man einen Meisterbrief hat. Kein vernünftiger Mensch stellt dies als Unsinn dar. Denn – ich sage es ganz
offen – wer im Handwerk zu doof ist, einen Meister zu machen, der sollte es mit der Selbstständigkeit besser lassen.
Es gibt aber auch einen anderen Grund, und dieser ist ganz klar: Wir wollen, dass wir im Handwerk eine qualifizierte Berufsausbildung haben und dass die Menschen, die ihr Handwerk können, ihren großen Schatz an Wissen, der über Generationen in den verschiedenen Handwerksberufen erworben worden ist, an die nächste Generation weitergeben.
Wenn Sie das rein liberal sehen, dann könnten Sie sagen: Wie kommt man darauf? Es ist schließlich ein schwerer Eingriff in die Gewerbefreiheit, dass man sich nur mit einem Meisterbrief selbstständig machen kann. – Trotzdem sagen wir aus guten Gründen: Der soll bleiben. Wenn irgendwelche Leute in Brüssel meinen, das könne man alles deregulieren: Wehrt euch, was ihr könnt! Der Meisterbrief muss auch in der nächsten Generation in Nordrhein-Westfalen und Deutschland seine Rolle behalten, die er seit eh und je hat!
Meine Damen und Herren, daneben gibt es einen Ordnungsrahmen für den anderen Teil des Mittelstandes, für alle Freiberufler, die beratenden Berufe. Die müssen alle nachweisen, dass sie eine gute Ausbildung haben. Aber wir haben für die beratenden Berufen viele Auflagen gemacht. Teilweise gibt es ein Werbeverbot. Beispielsweise dürfen Ärzte nicht gleichzeitig eine Apotheke betreiben, weil wir wollen, dass sie an dem, was sie veranlassen, wirtschaftlich nicht beteiligt sind. Weil sie diese Unabhängigkeit haben sollen, gibt es eine staatliche Gebührenordnung. Ich bitte Sie, dass wir auch die Freiberuflichkeit als ein wesentliches Element unserer Selbstständigenkultur in unserem Land bewahren. Ich bin dafür, dass zum Beispiel Ärzte freiberuflich tätig sind und dass wir sie nicht zunehmend zu Angestellten von Krankenhäusern im ambulanten Bereich machen.
Aber es gibt auch einen Ordnungsrahmen für die Arbeitnehmer. Dieser Ordnungsrahmen heißt Tarifvertrag. Es geht darum, dass in einer Region, in einer Branche die Löhne für alle gleich sind, damit der Wettbewerb über Innovation, Vertrauen, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und nicht darüber stattfindet, wer den billigsten Arbeitnehmer findet.
Wenn ich an die Debatte darüber in den letzten Jahren denke, dann sage ich Ihnen: Ich habe nie verstanden, wie man für Meisterbrief und Gebührenordnung sein kann, aber gegen Tarifverträge. Das habe ich nie verstanden.
Deshalb gehöre ich zu den Menschen, die sich riesig darüber freuen, dass die Bundesrepublik Deutschland jetzt einen Mindestlohn bekommt.
Meine Damen und Herren, ein gutes Gemeinwesen braucht einen starken Staat. Vor Jahren habe ich immer gesagt: Gerade die Schwachen brauchen den starken Staat. Das ist wahr.
Aber während der Finanzkrise habe ich festgestellt, dass auch die Starken den ganz starken Staat brauchen. Ziehen wir also einen Strich darunter: Die wichtigste Aufgabe von Parlamenten und Regierungen ist, die Handlungsfähigkeit des Staates zu sichern.
Meine Damen und Herren, ein Staat, der handlungsfähig sein will, muss solide finanziert sein. Wenn man einmal in die Geschichte von NordrheinWestfalen schaut, dann stellt man fest, dass es seit mehr als 40 Jahren in jedem Jahr Haushaltspläne gab, nach denen wir mehr Geld ausgegeben als eingenommen haben. Wir haben uns wahrscheinlich alle daran gewöhnt. Es gibt eine Ausnahme: Das war das Jahr 2008, als wir im Haushaltsvollzug weniger ausgegeben als eingenommen haben.
Ansonsten war es immer anders. Hierüber mache ich mir riesige Sorgen. Meine Fraktion hat in den Beratungen zu diesem Haushalt und zu dem im letzten Jahr Vorschläge gemacht, wie man Schritt für Schritt zu einem ausgeglichenen Haushalt kommt. Dies hat die Mehrheit des Hauses abgelehnt. Sei‘s drum. Aber selbst dann, wenn man alles das gemacht hätte, was wir vorgeschlagen haben, hätten wir immer noch ein Defizit. Das ist auch die Wahrheit.
Folgende Sache treibt mich seit Jahren um: Von den 16 Bundesländern machen zurzeit sieben keine neuen Schulden. Aber unser Land hat in diesem Jahr 80 % der Kredite aufgenommen, die alle Bundesländer zusammen aufnehmen.
Trotzdem wird hier so getan, als sei das normal. Ich kann nur sagen: Wer den handlungsfähigen Staat behalten will, muss die Schuldenbremse ernst nehmen. Wir müssen in den nächsten Jahren zu ausgeglichenen Haushalten kommen.
Ich komme gleich dazu. – Vor dem Hintergrund, dass Nordrhein-Westfalen so dasteht und auch unsere Kommunen sagen, dass sie nicht gerade überfinanziert seien, um es freundlich auszudrücken, würde ich gerne einmal wissen, warum das bei uns so viel schwieriger ist als bei anderen. Ich weiß nicht, ob ich die Gründe dafür gefunden habe, aber ein entscheidender Punkt wird mir immer bewusster: Wir müssen zugeben, dass wir in NordrheinWestfalen zwar eine starke Wirtschaft haben, aber unsere Wirtschaft etwas langsamer wächst als der Durchschnitt der Wirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland.
Schlaue Leute von McKinsey haben ausgerechnet: Wenn wir beim Wirtschaftswachstum auf den Durchschnitt der Bundesrepublik Deutschland kämen, hätten Land und Kommunen in diesem Land 3 Milliarden € mehr Steuereinnahmen. Wir werden wohl in Nordrhein-Westfalen nie nur durch Sparen zu einem ausgeglichenen Haushalt kommen, sondern wir müssen sehen, uns so aufzustellen, dass auch unsere Wirtschaft so wächst wie der Durchschnitt in der Bundesrepublik Deutschland. Damit wäre das Problem gelöst.
Deswegen, meine Damen und Herren, – das möchte ich Ihnen auch sagen –, denke ich, dass eine auf Bundesländer bezogene Politik, was Auflagen für die Wirtschaft angeht, keine Zukunft hat. Wenn man eine Wirtschaft hat, die etwas langsamer wächst als der Schnitt, kann es keine intelligente Politik sein, dieser Wirtschaft gegenüber der Wirtschaft in anderen Bundesländern immer mehr Steine ins Gepäck zu legen, die sie mitschleppen muss und die andere nicht schleppen müssen.
Deswegen sage ich Ihnen heute, es ist nicht richtig, ein auf Nordrhein-Westfalen bezogenes Klimaschutzgesetz zu machen, das hier beachtet werden muss und in anderen Bundesländern nicht. Klimaschutzpolitik ist wichtig. Aber die Landesebene ist aus meiner Sicht dafür die falsche Ebene.
Das Wasserentnahmeentgeltgesetz – und, wenn wir ehrlich sind, auch das Tariftreuegesetz – sind bürokratische Monster. Keine Gemeinde kann das kontrollieren.
Dazu kann ich Ihnen eine schöne Anekdote erzählen. Als ich Minister wurde, gab ich damals meinem Arbeitsministerium den Auftrag: Schreibt mir mal ein paar Felder auf, auf denen wir entbürokratisieren können! Die Fachabteilung hat mir aufgeschrieben: Schaff das Tariftreuegesetz ab! Es lohnt nicht. – Die
gleiche Fachabteilung schreibt jetzt, warum es sinnvoll ist. – Na ja.
Ich wollte eigentlich zu dem Punkt kommen, dass wir in Nordrhein-Westfalen eine Politik machen müssen, die die wirtschaftlichen Abläufe nicht erschwert, sondern erleichtert. Wir müssen nicht verhindern, sondern fördern.
Ich war in meinem Leben auch einmal 25 Jahre Mitglied eines Stadtrates. Im LEP, der jetzt in der Anhörung ist, steht, dass es keinen Flächenverbrauch mehr geben soll. Ich weiß, wir müssen mit Fläche sparsam umgehen; aber wirtschaftliche Entwicklung auf kommunaler Ebene ohne Flächenverbrauch kann ich mir in vielen Regionen, die ich kenne, nicht vorstellen.
Auch da müssen wir ermöglichen und nicht verhindern.
Nur dann, wenn wir es schaffen, dass unsere Wirtschaft so wächst wie der Durchschnitt der Bundesrepublik Deutschland, können wir die Probleme lösen. Davon bin ich fest überzeugt.
Es gibt einen weiteren Punkt, den ich hier oft in Reden angesprochen habe und der mich ebenfalls umtreibt. – Im Jahre 1964 sind in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland viele Menschen geboren worden. Es sind nie wieder so viele Babys geboren worden wie in dem Jahr. Die Leute werden nächstes Jahr 50. Um es anders auszudrücken: Es wird nie wieder in Deutschland so viele 50. Geburtstage geben wie im nächsten Jahr. Aber die Babyboomergeneration, die in etwa von Mitte der 50er-Jahre bis Mitte der 60er-Jahre ging, ist riesengroß. Diese Generation wird in den nächsten Jahren in Rente gehen.
Wenn Sie dagegen die Kinder zählen, die heute zwischen fünf und 15 sind, die meiner Generation – ich gehöre auch dazu – beruflich folgen werden, stellen Sie fest, dass sie genau halb so viele wie die Babyboomergeneration sind.
Deswegen möchte ich Ihnen sagen, wir müssen die wenigen Jahren, in denen diese Babyboomergeneration noch im Berufsleben steht, nutzen, um zu ausgeglichenen Haushalten zu kommen. Die, die nach uns kommen, werden es viel schwerer haben, das zu erreichen, als wir in den nächsten Jahren.
Deswegen muss man den Mut zu Strukturveränderungen haben – auch im Personalbereich. Schauen Sie, Sie haben zum Beispiel in diesem Jahr bei bestimmten Gruppen der Beamten die Lohnerhöhung
ausgesetzt. Dass man mit denen vorher nicht einmal geredet hat, ist eine Frage des politischen Stils. Aber, meine Damen und Herren, seien Sie doch ehrlich! Sie machen es deswegen, weil sie nicht wissen, wie sie es anders bezahlen sollen.
Ich will Ihnen nur sagen, so kann man das auf Dauer nicht machen. Wir brauchen einen attraktiven, modernen, innovativen öffentlichen Dienst, der auch an der wirtschaftlichen Entwicklung des Gesamtvolkes teilhaben muss. Deswegen ist das Verweigern von Strukturreformen in diesem Bereich ein schwerer Fehler, wenn es darum geht, den Haushalt zu konsolidieren.
Meine Damen und Herren, unser Land hat sich für eine grundlegende Energiewende entschieden. Ich persönlich denke, dass die Energiewende, die wir in den nächsten Jahren gestalten müssen, gerade für unser Bundesland Nordrhein-Westfalen über sehr viele Arbeitsplätze entscheiden wird – vor allen Dingen über gewerbliche Arbeitsplätze.
In meiner letzten Rede möchte ich Ihnen sagen: Ich bin ein Mensch, der gewerbliche Arbeitsplätze mag. Ich habe nichts gegen Dienstleistungen; aber ich weiß, dass gewerbliche Arbeitsplätze in der Regel auch Arbeitsplätze mit vernünftigen Löhnen sind. Auch darauf kommt es an. Sie können nicht jede industrielle Produktion durch Logistik ersetzen, so wichtig Logistik auch ist. Deswegen müssen wir die Energiepreise sehr im Auge behalten.
Vor dem Hintergrund will ich heute gerne sagen, dass die Große Koalition, die in diesen Tagen in Berlin gebildet wird, aus meiner Sicht alternativlos richtig ist, weil ich nicht weiß, wie man ansonsten eine solche Energiewende gestalten soll, ohne von Lobbygruppen und anderen Interessengruppen abhängig zu sein.
Aber die Energiewende muss gelingen. Das ist eine Herkulesaufgabe. Deswegen ist die Entscheidung der Bundesregierung, die Verantwortung für Wirtschaft und Energie und für die Energiewende in die Hände eines Ministeriums zu legen, richtig; denn auf Bundesebene hat sich die Aufteilung auf mehrere Häuser nicht bewährt.
Deswegen wollte ich nur einmal anfragen, Frau Ministerpräsidentin,
ob es nicht richtig wäre, dass Sie mir zum Abschied den Gefallen tun, die Verantwortung für die Energiewende in einem Haus zu bündeln, statt sie auf drei Häuser verteilt zu haben, wie es in NordrheinWestfalen der Fall ist.
Es ist sowieso schwierig, finde ich, wenn man in Berlin sagt, das müsse in einer Hand gebündelt sein, das sei unabdingbar für den Erfolg, und im eigenen Bundesland hat man das über die Staatskanzlei, das Wirtschaftsministerium und das Umweltministerium auf drei Häuser verteilt. Also einigen Sie sich doch einmal im Kabinett, wer zuständig ist!
Meine Damen und Herren, ich glaube, dass die nach der Energiewende größte Herausforderung für unser Land, vielleicht sogar darüber hinaus, die wir in den nächsten Jahren irgendwie bewältigen müssen, die Frage des Umgangs mit einer älter werdenden Gesellschaft ist. Davor können wir nicht weglaufen. Es wird demnächst sehr viele Ältere geben.
Meine Damen und Herren, ich mache mir da auch Sorgen. Ich komme aus einer Gemeinde, in der alle Hausärzte heute Mitte 50 sind. Wenn ich in die Nachbargemeinde schaue, woher der Kollege Grunendahl kommt, stelle ich fest, dass der Hausarzt dort schon 62 Jahre alt ist. Wir alle wissen: Unsere Hausärzte werden immer älter; zwei Drittel sind schon über 50 Jahre. Wir reden seit Jahren darüber, dass wir mehr Hausärzte aus unserem Ausbildungssystem für Ärzte gewinnen müssen. Ich muss Ihnen aber ganz ehrlich und verzweifelt sagen: Es tut sich nichts.
Ich weiß nur als jemand, der das große Glück gehabt hat, in einem Mehr-Generationen-Haushalt zu leben: Ich habe zweimal in meinem Leben mitgemacht, dass alte Menschen – ganz einfach weil sie alt waren – zu Hause gestorben sind. Ich kann Ihnen nur sagen: Das bekommen Sie zu Hause nur hin, wenn Sie im Dorf, im Stadtteil noch einen Hausarzt haben, der dann auch Hausbesuche macht und Menschen und Familien in diesen letzten Wochen begleitet.
Deswegen muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen – ich war ja auch mal Gesundheitsminister –: Ich stehe ratlos davor. Wir alle wissen, was da los ist. Wir wissen auch, dass es dann, wenn ein junger Mensch heute anfängt, Medizin zu studieren, zehn Jahre dauert, bis er Hausarzt sein kann. Aber nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern auch in allen anderen Bundesländern wird nichts getan, um dieses Problem zu lösen. Wenn wir das jetzt noch ein paar Jahre schleifen lassen, können wir das gar nicht wieder aufholen.
Meine Damen und Herren, wenn wir dann glauben, dass wir uns die Ärzte aus dem Ausland holen können: Ob es richtig ist, sich Ärzte aus Ländern zu holen, die eigentlich viel weniger Geld haben als wir, ein so teures Studium zu bezahlen, damit habe ich ein bisschen Probleme.
Ich will Ihnen auch ganz offen sagen: Wenn ich einmal alt bin, würde ich mich schon freuen, wenn ich dann von einem Arzt begleitet würde, den ich auch noch verstehen kann.
Meine Damen und Herren, es gibt einen weiteren Punkt: Die Frage der Pflege wird eine Riesenherausforderung. Sie ist es schon. Ich habe manchmal das Gefühl, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der man diesen Teil am liebsten ausblendet. Es ist ja auch wahr: Pflegebedürftig zu sein, ist mit Sicherheit nicht schön. Ich glaube auch nicht, dass man einen solchen Lebensabschnitt schön gestalten kann, aber ich bin fest davon überzeugt, dass man ihn in einer Gesellschaft menschlich und würdevoll gestalten kann.
Wenn ich dann so unterwegs bin, muss ich feststellen: Ich habe einen riesigen Respekt vor den vielen Familien, die das zu Hause leisten, vor allen Dingen dann, wenn die Menschen an Demenz erkrankt sind. Ich bin froh, dass wir in Nordrhein-Westfalen ein System aufgebaut haben, über viele Jahre – in der Zeit, in der ich dabei war, aber auch schon in den Jahren davor –, in dem wir viele Leute haben, die über ein gering bezahltes Ehrenamt diese Menschen ein Stück entlasten.
Wenn ich in die Heime komme, höre ich immer nur: Ja, Bürokratie über Bürokratie! – Das höre ich schon seit zehn Jahren. Auch da ändert sich nichts. Manchmal hat man den Eindruck, dass es manchen Menschen wichtiger ist, das wir Bürokratie haben, als dass diejenigen, die pflegen, auch einmal auf der Bettkante sitzen und mit dem Menschen reden können, der pflegebedürftig ist.
Im Übrigen täte es beiden gut – denjenigen, die pflegen, und denjenigen, die pflegebedürftig sind.
Ich bin in Krankenhäusern gewesen, in denen mir davon erzählt wurde, wie es ist, wenn ein an Demenz Erkrankter zum Beispiel operiert werden muss. Da dieser Mensch sowieso nicht einordnen kann, wo er ist, wird er nach der Operation wach und weiß gar nicht, wo er ist, und bekommt Angst. Dann sagen die Verantwortlichen im Krankenhaus: Woher sollen wir das Personal nehmen, das sich da eine Stunde oder anderthalb Stunden auf die Bettkante setzen und mit diesem Menschen reden kann? – Es ist eine riesige Herausforderung für unsere Krankenhäuser, Demenzpatienten zu behandeln. Ich sage Ihnen das voraus. Es ist jetzt schon ein Problem, und es wird ein noch größeres werden.
An diesem Beispiel sehen Sie, dass diese Frage der Menschlichkeit in der Pflege eine große Herausforderung für uns alle bleibt. Ich möchte gerne, dass Deutschland immer ein Land bleibt, in dem uns völ
lig klar ist, dass jeder Mensch eine unverletzliche Würde hat und auch Menschen in diesem Lebensstadium eine unverletzliche Würde haben.
Im Übrigen glaube ich, dass jeder Mensch seine Würde – wir haben bald Weihnachten – deswegen hat, weil jeder Mensch ein Ebenbild Gottes ist und daraus seine Würde verliehen bekommen hat, die ihm niemand nehmen kann und auch niemand nehmen darf.
Ich komme nun zu dem Punkt, dass ich mich – das sage ich schweren Herzens – entschieden habe, eine Aufgabe in diesem Bereich als Bevollmächtigter der Bundesregierung zu übernehmen. Die beiden Koalitionsparteien in Berlin haben eben ausgemacht, dass es eine solche Stelle im Gesundheitsministerium geben soll, die auch mit Mitarbeitern ausgestattet sein wird. Da ist es so – so wird mir jedenfalls gesagt; ich weiß das alles ja auch noch nicht konkret –, dass man mit all diesen Weisungssträngen nichts zu tun hat, dass man sich aber um die Leute kümmern und sagen soll, wie man es vielleicht ein bisschen besser machen kann.
Warten Sie es mal ab! – Ich kann Ihnen nur sagen, dass mir die Entscheidung, nach 23 Jahren ein Mandat aufzugeben und demnächst keines mehr zu haben, nicht leicht gefallen ist. Meine Damen und Herren, das ist die Wahrheit: Abgeordneter in diesem Land zu sein, ist eine tolle Sache. Die Wahrheit ist auch, dass der Parlamentarismus die größte Schutzmacht für bedürftige Leute ist, die es überhaupt gibt. Es geht nämlich den Menschen, die behindert, benachteiligt oder pflegebedürftig sind, nirgendwo so gut wie da, wo Demokratie ist.
Ich kann Ihnen sagen: Ich bin in meiner Bundestagszeit auch manchmal im Ausland gewesen. Manchmal war ich in Ländern, die zwar eine Regierung, aber keine Demokratie haben. Dass Länder eine Regierung haben, ist normal, diese haben alle Länder; aber leider haben nicht alle Länder ein freigewähltes Parlament. Das ist eigentlich das Besondere. Wenn ich in diesen Ländern war, die keine Demokratie haben, und gefragt habe „Wo sind denn Eure behinderten Kinder?“, habe ich manchmal keine Antwort bekommen. Wenn ich da einmal gefragt habe „Wo sind Eure psychisch Erkrankten?“, hat man gar keine Antwort bekommen.
1990 – damals brach die DDR zusammen – habe ich, als ich in einem Altenheim in der Nähe von Schwerin war, erlebt, wie es da aussah: Dort gab es 6-Bett-Zimmer. Die dementen Leute waren teilweise im Bett angeschnallt. Ein Badezimmer gab es nicht. Da hing noch die Zinkbadewanne an der Wand. Meine Damen und Herren, an dem Tag habe ich mir
geschworen: Ich lasse mir von Sozialisten nie wieder etwas über Sozialpolitik sagen.
Ich finde, da könnte auch die SPD ruhig klatschen; denn Sozialdemokratie und Sozialismus der DDR-Prägung, das ist schon noch ein Unterschied.
Das aber macht deutlich, wie wichtig der Parlamentarismus gerade für diese Menschen ist. Deswegen ist es ein Segen, dass wir ihn haben. Auch deswegen ist es ein Bestandteil meines Lebens geworden bzw. gewesen, ein solches Mandat über 23 Jahre zu haben. Jetzt werden Sie sagen: Warum macht der das denn? – Es ist doch vollkommen klar: Wenn man solch eine Funktion wie ich habe, dann steht das eine oder andere in der Zeitung darüber, was die Beweggründe sein können. Aber ich sage Ihnen: Ich bin seit längerer Zeit immer wieder – nicht von irgendjemandem, sondern von der Bundeskanzlerin – angesprochen worden, ob ich mir das denn vorstellen kann. Das war bei mir ein Prozess von fast drei Wochen.
Dabei habe ich gedacht: Warum denn ich? Ich bin doch eigentlich glücklich und zufrieden. Dann sagen die anderen Leute: Denk einmal darüber nach, was für ein Typ du so bist, vielleicht kannst du das doch besser als andere. Und so weiter. Ich sage Ihnen aber mal ganz ehrlich, dass ich gedacht habe: Ich war 25 Jahre in einem Kommunalparlament und 15 Jahre lang Sozialpolitiker im Bundestag. Hier in NRW war ich einmal Gesundheits- und Sozialminister. – Ich bin ein Mensch – so war ich eigentlich immer –, der immer ganz besonders die Leute gemocht hat, die es nicht so einfach haben. Das war schon als Kind so.
Dann habe ich mir gesagt: Mach das! Ich hoffe, dass ich aus dieser Stelle etwas machen kann, dass die Menschen, um die es geht – nicht die Apparate, nicht die Interessenverbände; was die über mich sagen, ist mir, glaube ich, ziemlich egal –, vielleicht denken: Es ist vielleicht ganz gut, dass wir da so einen Typen haben.
Dafür bin ich dann am Ende sogar bereit, das Liebste, was ich neben meiner Familie habe, nämlich mein Mandat, aufzugeben; weil ich mich dieser Verantwortung stellen will. Ich weiß, dass jetzt der eine oder andere denkt: Die CDU hat ein Problem mit der Doppelspitze, das musste jetzt gelöst werden. Ich kann Euch nur eines sagen: Wer mich kennt, der glaubt doch wohl nicht, dass ein KarlJosef Laumann einen Schritt geht, den er nicht freiwillig geht.
In diesem Sinne alles Schöne und Gute, eine gute Zeit in diesem Parlament und Glückauf für Nordrhein-Westfalen!
Herr Kollege Markert, wir sind hier ja in einer Haushaltsdebatte. Die Frage muss doch erlaubt sein: Wie beurteilen wir staatliche Finanzierungen – sicherlich zum Beispiel auch für wünschenswerte Projekte – vor dem Hintergrund, dass wir für diesen Haushalt 2,4 Milliarden € aufnehmen?
Können Sie mir mit Blick auf Generationengerechtigkeit Recht geben, dass man jedes Einzelprojekt auch daran messen muss, ob es für unsere Gesellschaft so wichtig ist, dass wir dafür heute Kredite aufnehmen, die unsere Kinder bezahlen müssen?
Da muss ich Ihnen sagen, dass meine Fraktion zu einer anderen Güterabwägung kommt. Wir sind zum Beispiel nicht der Meinung, dass unsere Kinder Kredite bezahlen sollen, um solche Programme, die bei den Kantinen zum Beispiel zurzeit durchgeführt werden, zu finanzieren. Wir sind auch der Meinung, dass unsere Kinder keine Kredite dafür zahlen müssen, dass staatliche Akademien Sensenkurse anbieten.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Finanzminister, alle Haushaltsreden, die ich von Ihnen bis jetzt gehört habe, hatten immer einen Teil, in dem Sie über den Bund geschimpft haben. Das war auch heute so. Sie müssen einfach mal feststellen, dass die Menschen am Sonntag entschieden haben, dass die Bundesrepublik
Deutschland weiterhin von Angela Merkel in eine gute Zukunft geführt wird.
Die Menschen waren nicht der Meinung, dass in Zeiten von höchsten Steuereinnahmen die Steuersätze weiter erhöht werden müssen.
Die Menschen waren auch nicht der Meinung, dass wir in Deutschland eine Partei brauchen, die den Menschen bis in die kleinsten Lebensbereiche hinein vorschreibt, was ein gutes und was ein nicht so gutes Leben ist.
Aber es geht heute hier im Landtag nicht darum, wie der Bund künftig regiert wird. Das ist im Grundsatz entschieden.
Sie können sich auch nicht jeder Verantwortung entziehen.
Warten wir erst einmal in Ruhe ab.
Heute reden wir über den Landeshaushalt 2014 für Nordrhein-Westfalen. Wir reden hier über den Haushaltsentwurf, den die rot-grüne Landesregierung dem Landtag von Nordrhein-Westfalen vorgelegt hat.
Wenn ich diesen Entwurf lese, dann finde ich nicht die Anfinanzierung von neuen Ideen, nicht die Anfinanzierung von wichtigen Fragen, etwa wie wir in diesem Land Inklusion gestalten. Das wird ein Haushalt ohne neue Ansprüche, ein Haushalt, der verwaltet statt gestaltet, der vorschreibt, der nach meiner Meinung zu wenig in die Zukunft investiert.
Im Wahlkampf hat Rot-Grün mal geschrieben: „Schön, wenn Frauen wieder den Haushalt machen.“ Ich hätte mir gewünscht, dass die Frauen etwas mehr Visionen für das Land Nordrhein
Westfalen haben, als es in diesem Haushalt zum Ausdruck kommt.
Man kann in diesem Haushalt auch nachvollziehen, dass es zwischen Rot und Grün schon ein Jahr nach der Landtagswahl zu wenige Gemeinsamkeiten für neue Projekte gibt. Dabei sind wir in Nordrhein-Westfalen in einer Situation, in der wir uns auch Sorgen machen müssen. Wir sind in Nordrhein-Westfalen in einer Situation, in der wir dringend neue Impulse brauchen.
Ich will aus der „Rheinischen Post“ von heute zitieren: „Für die NRW-Wirtschaft kommt es derzeit knüppeldick. RWE, Bayer, Lanxess und erst vorgestern Evonik – fast täglich kündigt ein Konzern Stellenabbau an.“
Also: Bei uns im Land ist nicht alles rosarot. Deswegen braucht man eine Regierung, die gemeinsame Projekte gerade in der Industrie- und Wirtschaftspolitik aufstellen kann.
Die Medienberichte der letzten Wochen zeigen, dass in Nordrhein-Westfalen keine Auseinandersetzung darüber stattfand, wie wir – auch in Zeiten der Energiewende – ein starkes Industrieland werden können. Vielmehr wurde zwischen Rot und Grün darüber gestritten, ob der Neuwarenverkauf auf Trödelmärkten nun geregelt werden muss oder nicht. Das sind aber nicht die Probleme, die unser Land wirklich bewegen.
Wenn man nachliest, was über die Energiepolitik dieser Landesregierung veröffentlicht wird, dann sieht man zwar, dass die SPD eine Energiepolitik für die Industrie will, dass sie auch für das Kohlekraftwerk in Datteln steht, aber dass das mit den Grünen letzten Endes nicht hinzukriegen ist und es deswegen Stillstand auf der ganzen Linie gibt.
Bei der Lektüre der Kommunalseiten unserer Zeitungen merkt jeder von uns, dass es um die kommunale Selbstverwaltung aufgrund der Kommunalfinanzierung nicht gut bestellt ist. In 60 Kommunen gibt es verzweifelte Reaktionen auf das, was wir Kommunal-Soli nennen.
In den letzten Wochen konnte man in den Zeitungen lesen, wie diese Landesregierung zum Thema „Inklusion“ steht. Da sagt zum Beispiel Frau Löhrmann, sie lehne die Konnexität ab.
Die SPD sagt, es müsse eine Lösung gefunden werden. In diesem Haushaltsentwurf ist aber nichts dazu zu lesen, wie das Ganze letzten Endes finanziert werden soll.
Was die Landesplanung anbelangt, wurde letzten Endes auf Druck der Grünen die Landesbürgschaft für den newPark verhindert.
Da gibt es eine SPD, die sich für die Chemie in der Region Nordrhein-Westfalen einsetzt; und es gibt einen grünen Koalitionspartner, der im Bundestagswahlkampf behauptet, dass Plastiktüten verboten werden müssen. Das ist Ihr Beitrag zur Chemiepolitik!
Meine Damen und Herren, die Wahrheit ist: Sie haben natürlich auf einen Wechsel in Berlin gesetzt, um die Steuern zu erhöhen, um damit Ihre unverantwortlichen Wahlgeschenke aus der Zeit der Minderheitsregierung bezahlen zu können. Aber diese Rechnung ist nicht aufgegangen.
Rot-Grün betreibt mit diesem Haushalt eine Politik des „Weiter so!“. Ich sage noch einmal: Es gibt keine neuen Ideen und erst recht keine Visionen, wohin dieses Land gehen soll.
Aber wenn wir einfach so weitermachen, dann werden wir an unserer Situation eben nichts verändern. Und die Situation ist nicht überall in NordrheinWestfalen rosig. Wir haben hier nach wie vor eine unterdurchschnittliche wirtschaftliche Entwicklung gegenüber der Entwicklung in anderen Teilen der Bundesrepublik Deutschland. Damit kann man nicht zufrieden sein.
Wir haben – und das wissen wir alle, die wir in unseren Reihen Kommunalpolitiker sitzen haben – eine schwierige Situation in den Kommunen. Die kommunale Selbstverwaltung ist, wenn man nichts mehr selber gestalten kann, letztlich ein totgerittenes Pferd. Ich finde, kommunale Selbstverwaltung ist gerade in einem subsidiär aufgestellten Land wie Nordrhein-Westfalen eine ganz wichtige Sache für die Weiterentwicklung unseres Landes.
Ich kann in Ihrer Haushaltspolitik auch nicht die Nachhaltigkeit im Hinblick auf die Schuldenbremse erkennen.
Ihr „Weiter so!“ heißt auch – und das war die Nachricht, die mich in der Sommerpause persönlich am meisten nachdenklich und auch traurig gestimmt hat –, dass Nordrhein-Westfalen das einzige Flächenland in Deutschland ist, in dem die Langzeitarbeitslosigkeit nicht abgenommen hat. Nur so viel zu Ihrem Slogan: „Wir nehmen jeden mit“. Wenn wir die Langzeitarbeitslosigkeit bei uns nicht abgebaut bekommen, haben wir ein großes Problem, was das Mitnehmen von Bürgerinnen und Bürgern angeht.
Ein „Weiter so!“ heißt auch, dass wir nicht die entscheidenden Akzente setzen können, um dem Verfall unserer Infrastruktur zu begegnen.
Ein „Weiter so!“ heißt auch, dass eine Inklusion ohne Qualität durchgesetzt werden soll.
Ich persönlich finde daher, dass ein bloßes „Weiter so!“ in diesem Haushalt keine gute Politik ist.
Trotzdem werden in Nordrhein-Westfalen neue Schulden gemacht. Unser Schuldenberg wird bis Ende 2014 um 2,4 Milliarden € auf fast 140 Milliarden € anwachsen. Dabei steigen die Steuereinnahmen: Wir reden von fast 5 % mehr Steuereinnahmen als im Vorjahr. Trotzdem kommt Rot-Grün mit dem Geld nicht aus.
Ich sehe es ja, und man erkennt es auch in diesem Haushalt: Nordrhein-Westfalen hat keine Handlungsspielräume mehr. Denn wenn es Handlungsspielräume gäbe – da bin ich sicher –, würden Sie das Anliegen der Inklusion mit mehr Geld ausstatten, als Sie es in diesem Haushalt tun.
Wenn es Handlungsspielräume gäbe, dann hätten Sie nicht eine so brutale „Basta!“-Politik bei der Beamtenbesoldung betrieben. Ohne mit den Betroffenen zu sprechen, haben Sie einfach gesagt: Wir entscheiden alleine darüber, wer Einkommenszuwächse bekommt und wer nicht.
Das ist ein Verhalten, das Sie bei jedem Unternehmen geißeln würden; bei der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen ist es jedoch Regierungsstil.
Ich glaube auch, dass wir Handlungsspielräume in unserem Haushalt nur erlangen können, wenn es eine gute wirtschaftliche Entwicklung gibt. Gegen wirtschaftlichen Abschwung kann man nicht ansparen. Ich habe es als Mitglied einer Landesregierung während der Finanzkrise im Jahre 2009 selbst erlebt, dass gegen das Wegbrechen der Steuerkraft in jenem Jahr ein Ansparen, ein Gegensparen vollkommen unmöglich war.
Es ist notwendig, dass man eigene Anstrengungen unternimmt, dass man Strukturen Schritt für Schritt verändert, um neue Gestaltungsspielräume zu gewinnen.
Herr Finanzminister, Sie haben es im Zusammenhang mit den Ausgaben für Personal – etwa 43 % – angesprochen: Wir werden unsere Handlungsspielräume nicht erreichen können, wenn wir nicht in diesen Bereichen Schritt für Schritt zu Strukturveränderungen kommen. Ich sehe jedenfalls keine andere Möglichkeit. Die einzige Möglichkeit besteht darin, Strukturen zu verändern.
Deswegen, finde ich, sollte man nicht jeden Vorschlag – ob Schulverwaltungsassistenten, Polizeiverwaltungsassistenten oder Veränderungen beim
Arbeitsschutz – von vornherein mit den Worten ablehnen: Das geht alles nicht. Vielmehr sollte man sich darüber unterhalten, wie man diese Veränderungen verantwortungsbewusst angehen kann, um auch für neue Aufgaben im eigenen Haushalt zusätzliche Ressourcen zu erarbeiten.
Jeder von uns weiß auch, dass es auf Dauer in Nordrhein-Westfalen nicht möglich sein wird, Lehrerinnen und Lehrer, Polizistinnen und Polizisten, Staatsanwälte und Richter von der wirtschaftlichen Entwicklung abzukoppeln.
Deswegen habe ich schon zu Beginn der Haushaltsberatungen für das Jahr 2014 die Bitte, dass auch Vorschläge der Oppositionsfraktionen, wie man Strukturen verändern kann, zumindest in den Fachausschüssen ernsthaft miteinander beraten werden und man vielleicht auch einmal zu gemeinsamen Überzeugungen kommen kann. Nur weil ein Antrag den Briefkopf meiner Fraktion trägt, ist es nicht von vornherein ein schlechter Vorschlag –
genauso wie auch Ihr Briefkopf nicht darüber entscheidet. Ich finde, wir sind in einer Situation, in der wir, wenn wir uns Handlungsspielräume erarbeiten wollen, aus diesem Mechanismus zwischen Regierung und Opposition ein Stück weit herauskommen müssen.
Die Länder in Deutschland haben im ersten Halbjahr 2013 einen Überschuss von 1,2 Milliarden € erzielt. Unser Land Nordrhein-Westfalen hatte zum 30. Juni 2013 einen negativen Finanzierungssaldo von 1,7 Milliarden €. Auch daran sehen Sie, dass Nordrhein-Westfalen mehr Probleme hat als andere Flächenländer.
Eine aktuelle PwC-Studie zur Entwicklung der Landeshaushalte besagt – ich zitiere –:
„Nordrhein-Westfalen gehört zu jenen westdeutschen Flächenländern, deren relative Finanzposition sich bis zum Jahr 2020 im Vergleich zu den anderen westdeutschen Flächenländern weiter zu verschlechtern droht.“
Und:
„Insgesamt wird es für Nordrhein-Westfalen nicht einfach werden, die Schuldenbremse einzuhalten.“
Auch das wissen wir alle: dass wir wahrscheinlich das Flächenland sind, wo es am schwersten für jeden sein wird, die Schuldenbremse einzuhalten. Trotzdem wird die Frage, ob wir die Schuldenbremse einhalten, damit wir in Deutschland endlich aus der Teufelsspirale herauskommen, ständig mehr auszugeben, als wir einnehmen, vor allem in Nordrhein-Westfalen entschieden. Denn wenn dabei ein
so großes Flächenland wie wir letzten Endes versagt, scheitert die ganze Idee der Schuldenbremse. Diese Idee halte ich aber nach wie vor für eine der wichtigsten politischen Entscheidungen nach der deutschen Wiedervereinigung.
Der Ausgabenanstieg beim Bund – so ist das zumindest dem vorgelegten Bundeshaushalt zu entnehmen – beträgt von 2013 bis 2017 lediglich 1,5 %. In Nordrhein-Westfalen plant die Landesregierung bis 2017 aber mit über 23 %. Bei diesen Steigerungsraten werden wir das Ziel der Einhaltung der Schuldenbremse nie erreichen können. Deswegen macht schon dieser Haushaltsplan deutlich, dass Sie dieses Ziel nicht ernst genug verfolgen.
Ich bin fest davon überzeugt, dass die politische Generation, die jetzt hier im Landtag von NordrheinWestfalen sitzt, ihre wichtigste Aufgabe darin hat, diesen jetzt über 40-jährigen Kreislauf, mehr Geld auszugeben, als man einnimmt, zu durchbrechen.
Ich will Ihnen auch sagen, warum ich glaube, dass das Zeitfenster für diese wichtige politische Frage nicht ewig offen steht. Das hängt auch mit der Demografie unseres Landes zusammen. Das hängt damit zusammen, dass die Babyboomer-Generation, die Menschen, die zwischen 1955 und 1965 geboren sind, noch im Erwerbsleben steht. Ich gehöre selber dieser Generation an. Wir werden in 15 bis 20 Jahren aber die Seniorenboomer sein. Wir werden dann ersetzt von einer Generation, die jetzt zwischen 5 und 15 Jahren alt ist. Die können wir auch zählen. Diese Generation ist halb so groß wie unsere Generation. Deswegen glaube ich, dass es nur noch in dem Zeitfenster, in dem die Babyboomer-Generation zu den Einkommensteuerzahlern gehört, möglich ist, die Haushalte in Deutschland auszugleichen. Danach wird es sagenhaft schwer. Deswegen ist es sehr wichtig, dass man dieses Ziel erreicht.
Ich will für meine Fraktion sagen: Vielleicht muss man, um ein solches Ziel in einem Land wie Nordrhein-Westfalen zu erreichen, auch gemeinsam denken, zwischen Kommunen und Land und über Fraktionsgrenzen hinweg. Wir würden damit das Beste tun, damit die Menschen auch in 20 Jahren in Nordrhein-Westfalen sowohl auf der Kommunalebene wie auf der Landesebene noch Gestaltungsmöglichkeiten haben.
Meine Damen und Herren, die Erreichung dieses Zieles wird uns deswegen schwerfallen – ich habe das eben schon gesagt –, weil sich NordrheinWestfalen im Vergleich zur Wirtschaftskraft der anderen Bundesländer langsamer nach vorne entwickelt. Darin liegt unser Problem.
Das wird auch in diesem Haushaltsentwurf deutlich, wenn man sich die erwarteten Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich anschaut. Auch in der mittelfristigen Finanzplanung geht die rot-grüne Landesregierung davon aus, dass Nordrhein-Westfalen seinen Status als Empfängerland im Finanzausgleichssystem beibehalten wird. Ab 2015 rechnet sie jährlich mit 800 Millionen € Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich und aus den Bundesergänzungszuweisungen.
Aber wenn man eine solche Situation hat, dann muss man doch alles, was man an Stellhebeln hat, bewegen, um die Situation zu verbessern. Deswegen muss die Landesplanung in NordrheinWestfalen von der Stelle kommen, und die Blockade zwischen Umweltschutz auf der einen Seite und Landesplanung auf der anderen Seite muss in der Landesregierung durchbrochen werden und darf nicht einfach vor sich her wabern.
Ich glaube, dass wir einen Konsens zwischen Rot und Grün, aber auch in unserer Gesellschaft über Industrie- und Gewerbegebiete brauchen. Ich bin fest davon überzeugt, dass die kleinkarierte Klimaschutzpolitik der Grünen der wirtschaftlichen Dynamik in Nordrhein-Westfalen nicht guttut, sondern eher ein Hemmschuh ist, den wir besser nie angezogen hätten und den wir schnell wieder ausziehen sollten.
Wir müssen alles tun, um den Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit in Nordrhein-Westfalen zu beschleunigen. Dass wir auf diesem Gebiet hinter dem Bundestrend liegen, ist wahrscheinlich das sozialpolitisch größte Problem, das wir in NordrheinWestfalen haben. Die Wahrheit ist: Inwiefern man Menschen mitnimmt und Teilhabe für Menschen organisiert, entscheidet sich in allererster Linie an ihrer Teilhabe auf dem Arbeitsmarkt.
Da ich weiß, wo wir besonders große Sorgen haben, was die Entwicklung der Langzeitarbeitslosigkeit angeht, habe ich im Sommer die Entscheidung, dass Sie keine Verantwortung für den newPark in der Emscher-Lippe-Region übernehmen wollen, einfach nicht verstanden. Denn da sind die Probleme am größten.
Meine Damen und Herren, ich hatte eben in meiner Rede schon etwas zur kommunalen Selbstverwaltung gesagt. Wir haben nun 60 Gemeinden, die herangezogen werden, um den sogenannten Kommunalsoli zu finanzieren. Sicherlich ist in diesen Gemeinden die Situation nicht überall gleich. Aber ich war jetzt einmal im Kreis Siegen-Wittgenstein, wo insgesamt fast 15 Millionen € bei den Kommunen abgeschöpft werden.
Eine Kommune davon ist die Gemeinde Wilnsdorf. Mit deren Zahlen habe ich mich mal etwas mehr beschäftigt. Diese Gemeinde soll nächstes Jahr 650.000 € zahlen. Dabei ist Wilnsdorf gerade dem
Nothaushalt entronnen durch ein dort im Gemeinderat verabschiedetes hartes Sparprogramm. Wilnsdorf hat 3.400 € Schulden pro Einwohner. Das ist im Übrigen ein Drittel mehr als in Bottrop oder Leverkusen, denen der Kommunalsoli zugutekommt. Das ist doch erst einmal verrückt, oder?
Das Zweite ist: Im Haushaltssicherungskonzept der Gemeinde Wilnsdorf, wie es heute vorliegt, steht, die Anzahl der Ratsmandate soll reduziert werden, ebenso die Anzahl der Ausschüsse, die Anzahl der Ausschussmitglieder und der sachkundigen Bürger. Das macht 30.000 € Einsparung im Jahr aus. Die Reduzierung von Ausgaben bei Jubiläen macht 29.000 € im Jahr aus. Die Reduzierung des Aufwands für Schulen aufgrund von Demografiegewinnen macht insgesamt 200.000 € für die nächsten Jahre aus. Dazu kommen weitere Maßnahmen in dieser kleinen Gemeinde wie die Pflege von Grünflächen durch Ehrenamtler, die Erhöhung der Grundsteuer und der Gewerbesteuer, der Hundesteuer und der Vergnügungssteuer.
Wo sollen weitere Einsparungen für den Kommunalsoli herkommen? Wilnsdorf spart, dass es quietscht, und die rote Landesregierung setzt mit dem Kommunalsoli noch eine Art Strafsteuer obendrauf.
Wenn Sie, wie ich es getan habe, mit Ratsmitgliedern aus dieser Gemeinde reden, dann finden Sie dort die Stimmung vor, dass die erst einmal sagen, sie wollen gar nicht mehr für den nächsten Gemeinderat kandidieren. Sollen die doch von Düsseldorf hier einen Kommissar einsetzen.
Ich hatte nicht den Eindruck, dass das nur die Leute mit meinem Parteibuch so sahen. Die Leute sind wütend, weil sie sich um das, was sie sich erspart haben, was sie sich durch mutige Entscheidungen an Handlungsspielräumen erarbeitet haben, betrogen fühlen. So können wir keine Kommunalsanierung in Nordrhein-Westfalen machen.
Meine Damen und Herren, ich will das hier nur sagen. Die Milliardenschulden, die manche Kommunen in Nordrhein-Westfalen haben, sind ja nicht an einem Tag entstanden. Die sind alle irgendwie von einer Kommunalaufsicht in den Jahren irgendwann einmal genehmigt worden.
Ich kann Ihnen nur sagen: In der Zeit von Innenminister Wolf hatten wir die strengste Kommunalaufsicht in Nordrhein-Westfalen. Darüber haben Sie in ganz Nordrhein-Westfalen damals geschimpft.
Aber sei es, wie es sei. Diese Schulden, Herr Jäger, sind nicht nur in den fünf Jahren entstanden.
Ich sage Ihnen: Die sind nicht nur in den fünf Jahren entstanden.
Bei einer Regelung, bei der man sogenannte Kassenkredite nicht von der Kommunalaufsicht genehmigen lassen muss, muss man sich nicht wundern, dass das dann der Ausweg ist – den NordrheinWestfalen als einziges Land hat – und wir mittlerweile die Kassenkreditführerschaft in ganz Deutschland errungen haben.
Ich glaube nach sieben Jahren Mitgliedschaft in diesem Landtag, dass wir in Nordrhein-Westfalen in Wahrheit dringend das Gemeindefinanzierungsgesetz, das GFG, neu denken müssen. Das GFG wird von niemandem mehr verstanden –
mit seinen fiktiven Hebesätzen, mit seinen komplizierten Analysen, mit seiner Einwohnerveredelung usw.
Lassen Sie uns doch erst einmal darüber reden, was wird jetzt tun, bevor wir solchen Gemeinden wie Wilnsdorf die Pistole auf die Brust setzen.
Denken Sie doch einmal in einer Sache daran, nicht nur weiter so zu machen. Ich bin fest davon überzeugt, dass Sie mit diesem Gemeindefinanzierungsgesetz in Nordrhein-Westfalen die Probleme nicht gelöst bekommen. Meine politische Erfahrung, die ja nun auch ein paar Tage alt ist, sagt mir eines: Ein Solidarsystem, das so kompliziert ist, dass es keiner nachvollziehen kann, ist nie ein Solidarsystem, das Akzeptanz erfährt.
Es ist nun mal so: Transparenz ist die Mutter des Vertrauens und der Akzeptanz.
Deswegen ist das mit diesem GFG nicht zu machen. Wenn die Kommunalaufsicht unter wem auch immer das alles hat laufen lassen, dann muss man zugeben, egal, welche Landesregierung es war, dass Landesregierungen dabei Schmiere gestanden haben. Deswegen hat das Land auch eine Mitverantwortung für das, was über Jahrzehnte in Nordrhein-Westfalen an dieser Stelle passiert ist.
Es sind nicht nur diese 60 Kommunen, die man jetzt teilweise um die Früchte ihrer mutigen politischen Entscheidungen bringt.
Ich will Ihnen einen weiteren Punkt nennen:
Ich bin sehr dafür, dass wir Solidarität haben. Da brauche ich von niemandem hier im Landtag Nachhilfeunterricht. Vollkommen klar ist, dass Gemeinden, die eine gute Entwicklung haben, auch einen Beitrag leisten müssen für Gemeinden, in denen es schwieriger ist.
Aber der Ausgleich heißt „Gemeindefinanzierungsgesetz“. Wenn wir hier eine Regelung haben, dass 23 % der Einkommensteuer erst einmal jeder Gemeinde zur Erledigung ihrer Aufgaben im Grundsatz zustehen, dann kann man da ja umverteilen.
Wenn aber die Regelung so aussieht, dass man von diesen 23 % keinen Euro mehr bekommt und noch zusätzlich Leistungen erbringen muss, dann wird Solidarität zu Sozialismus, und das verstehen die Menschen nicht.
Ich will einen weiteren Punkt ansprechen – den sollte man gar nicht denken müssen –: Wie geht eigentlich die Energiewende in Nordrhein-Westfalen voran?
Darüber, dass wir aufgrund unserer bisherigen Bedeutung bei der Energiegewinnung sehr stark auch die Interessen von großen Energieversorgern, die hier viele Arbeitsplätze organisieren, im Auge haben müssen, gibt es zumindest zwischen der einen oder anderen Fraktion hier im Landtag eine Gemeinsamkeit, und dass bei dieser Energiewende auch der Ausbau der regenerativen Energien notwendig ist, ist auch keine Frage.
Ich sage Ihnen jetzt aber einmal Folgendes: Im Jahre 2012 sind in Nordrhein-Westfalen ganze 59 Windkraftanlagen genehmigt worden. Wenn in diesem Schneckentempo weitergemacht wird, weil man es im Hause des Umweltministers nicht schafft, mit den Umweltverbänden eine Übereinkunft in Bezug auf die Nutzungen zu erzielen, dann bedeutet das, dass Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen die Energiewende verhindert – zumindest im Hinblick auf den Ausbau der Windenergie.
Es gibt kein Bundesland, in dem es so wenige Genehmigungen für Windkraftanlagen gibt und wo es so schwierig ist wie in Nordrhein-Westfalen, und all die Leute, die jetzt in Nordrhein-Westfalen Bürgerwindparks organisieren, können ein Lied davon sin
gen. Wenn Sie zu diesen Leuten Kontakt hätten, dann wüssten Sie das auch.
Zum Schluss will ich einen letzten Punkt ansprechen, den manche möglicherweise als eine Banalität ansehen. Ich sage Ihnen aber: Das wird eine entscheidende Rolle hinsichtlich der Lebensmöglichkeiten der Menschen in Nordrhein-Westfalen spielen.
Wir führen hier im Landtag viele Diskussionen darüber, wie die medizinische Versorgung und die pflegerische Versorgung in einer älterwerdenden Gesellschaft aussehen werden. Dabei werden viele gute Modelle angedacht – auch im Pflegeministerium. Ich nenne die Stichworte „stadtteilorientiert“ usw. Das alles finde ich gut.
Wir werden aber ein Riesenproblem mit der ärztlichen Versorgung in Nordrhein-Westfalen haben, wenn wir so weitermachen wie bisher. Wir bilden in Nordrhein-Westfalen zurzeit nämlich zu wenige Ärzte aus. 1992 gab es in Nordrhein-Westfalen noch 20.900 Medizinstudenten, jetzt sind es noch 16.460. Es gibt in Nordrhein-Westfalen ganze Regionen, in denen die Hausärzte deutlich über 50 Jahre alt sind. Vor allen Dingen in den ländlichen Regionen merkt man das jetzt zuerst. Aufgrund dessen, dass die Anzahl älterer Menschen größer wird, werden wir eher mehr als weniger Hausarztpraxen brauchen.
Ich habe einfach nur die Bitte, dass man auch in den Haushaltsberatungen darüber nachdenkt, mehr Ärzte in Nordrhein-Westfalen auszubilden, und wir sollten uns insbesondere zusammen mit den Universitäten bemühen, diejenigen auszubilden, die später als Mediziner auch bereit sind, eine Hausarztpraxis zu betreiben.
Im Übrigen läuft uns hier deswegen die Zeit weg, weil es rund zehn Jahre dauert, bis jemand eine Hausarztpraxis übernehmen kann, wenn er heute anfängt, Medizin zu studieren. Deswegen muss jetzt gehandelt werden, wenn wir hier nicht sehenden Auges in die Probleme laufen wollen.
Ich wohne in einer Gemeinde, in der jetzt eine große Arztpraxis wegen des Erreichens des Renteneintrittsalters geschlossen hat.
Wenn Sie erleben, dass 70-Jährige zu Ihnen kommen und sagen: „Ich war jetzt schon bei zwei anderen Hausärzten, aber keiner will mich mehr als Patient haben“, dann wissen Sie, was dahintersteht. Das ist nicht nur ein Problem des Münsterlandes oder der Sauerlandgemeinden, sondern das wird auch zunehmend ein Problem der städtischen Regionen.
Für die Hochschulpolitik sind die Länder verantwortlich, und deswegen liegt die Verantwortung hier
auch bei der Landesregierung und nirgendwo anders.
Meine Damen und Herren, bei mir stirbt die Hoffnung immer zuletzt. Deswegen hoffe ich sehr, dass wir bei den Haushaltsberatungen in NordrheinWestfalen in diesem Jahr trotz all der Erfahrungen, die ich in meinem 23-jährigen Abgeordnetenleben gemacht habe, von dem „Einfach-weiter-So“ an dem einen oder anderen Punkt ein bisschen abweichen, dass vielleicht auch die Ideen, die andere haben, nicht von vornherein deswegen abgelehnt werden, weil der Antragsteller einen bestimmten Briefkopf verwendet hat,
und dass wir gemeinsam dafür sorgen, dass Akzente für eine gute Zukunft in Nordrhein-Westfalen gesetzt werden. Dieser Haushalt setzt keine Akzente, und deswegen ist er ein anspruchsloser Haushalt. – Schönen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerpräsidentin, ich habe in meiner Rede natürlich Schwachpunkte in Nordrhein-Westfalen aufgezeigt. Ich habe auch vieles nicht kritisiert.
Nehmen wir doch mal den ersten Punkt, wenn wir über eine Haushaltssanierung in Nordrhein
Westfalen reden. Sie ist bei dem hohen Anteil an Kosten für das Personal ohne Veränderungen im Beschäftigungsbereich unseres Landes nicht möglich. Das wissen Sie genauso gut wie ich.
Sie haben in Ihrer Erwiderung gesagt, Sie hätten mit Ihrer Entscheidung über die Besoldungserhöhung deswegen diesen schmerzlichen Punkt gesetzt. Aber gerade Sie als Vorsitzende der SPD in Nordrhein-Westfalen, also der Partei – darum beneide ich Sie auch ein bisschen –, die ohne Frage mit Sicherheit die meisten Betriebsräte hat, müssten doch wissen, dass man nachhaltige Veränderungen in einem so schwierigen Bereich nur mit den Leuten und nicht ohne die Leute machen kann, und das Klima erst recht durch eine Bastapolitik vergiftet, wie Sie sie gemacht haben.
Diesen Vorwurf machen wir Ihnen: Es gibt eben kein Gesamtkonzept wie in anderen Bundesländern. Sie werden kein Zitat von Karl-Josef Laumann, kein Zitat von Armin Laschet und kein Zitat aus der CDU-Fraktion finden, in dem wir sagen: Wir wollen eins zu eins übertragen.
Wir prangern an, dass es kein Gesamtkonzept gibt, dass Sie dieses Gesamtkonzept verweigert haben.
Sie wissen, dass wir in Nordrhein-Westfalen beim Umbau der öffentlichen Hand in den Jahren der schwarz-gelben Regierung vorangekommen sind. Sie haben damals alles, was wir gemacht haben, auch schlecht gefunden, wenn ich an PEM und vieles andere denke. Aber die Wahrheit ist damals gewesen, dass wir über 7.000 Lehrer mehr eingestellt haben, als in Rente gegangen sind. Am Ende hatten wir aber nicht mehr öffentliches Personal als an dem Tage, als wir die Regierung übernommen hatten. So macht man Verwaltungsumbau und nicht wie bei Ihnen: Einfach Personal für die Umweltverwaltung draufsetzen, weil man es in der normalen Verwaltung nicht organisieren will.
Wenn Sie diesen Landeshaushalt so ausrichten wollen, dass mehr Geld für Investitionen vorhanden ist, führt an einem Konzept für Effizienzsteigerung und Modernisierung der Landesverwaltung kein Weg vorbei. Das weiß doch jeder, der hier sitzt und die Dinge realistisch sieht.
Dann möchte ich gerne einen weiteren Punkt ansprechen,
weil er mir wichtig ist, nämlich den U3-Ausbau. Ich will nur noch einmal daran erinnern, dass Sie im Kabinett von Herrn Steinbrück waren. Das war vor 2005 kein Thema für euch.
Es war überhaupt kein Thema. Wir haben wie viele andere auch in einem riesigen Tempo in den Jahren 2005 bis 2010 mit diesem Thema begonnen.
Ohne Frage ist das fortgesetzt worden. Wir wollen aber doch ehrlich sein:
Es ist eine gemeinsame Leistung von Bund, Land und Kommunen, dass wir das erreicht haben. Denn auch der Bund hat in dieser Frage den Ländern und Kommunen erheblich geholfen, sodass wir diese gesellschaftspolitische Aufgabe in den Griff bekommen haben.
Darüber, dass diese Einrichtungen wichtig für das Land, für die Entwicklung der Kinder und damit für die Zukunft unserer Gesellschaft sind, besteht doch nicht der kleinste Dissens. Man kann sich höchstens die Frage stellen: Warum haben wir so spät mit diesem Ausbau angefangen?
Dass muss sich hier manch einer fragen, der damals schon Politik gemacht hat. Jedenfalls war das zwischen 2000 und 2005 bei der damaligen rotgrünen Landesregierung überhaupt kein politisches Thema. Das sollten Sie auch einmal zugeben.
Jetzt kommen wir zu einem wichtigen Punkt, wie ich finde, bei dem es um eine zentrale Frage der nordrhein-westfälischen Gesellschaft und um eine zentrale Frage der Bürgergesellschaft geht. In den letzten Jahren – das ist keine Entwicklung von fünf Jah
ren gewesen – war die Entwicklung in NordrheinWestfalen sehr stark so, dass die Aufgaben, die die Kommunen übernehmen müssen, proportional viel stärker gestiegen sind als ihre finanziellen Möglichkeiten.
Wir sind jetzt aber an einem Punkt, an dem es um die kommunale Selbstverwaltung geht. Denn wenn die Kommunen nur noch gesetzliche Aufgaben wahrnehmen können, stellt sich die Frage der kommunalen Selbstverwaltung.
Ich glaube immer noch, dass die kommunale Selbstverwaltung ein Ausdruck der Bürgergesellschaft ist.
Deswegen müssen wir gemeinsam die kommunale Selbstverwaltung und die Handlungsspielräume der Kommunen erhöhen.
Es hätte Ihnen überhaupt keinen Zacken aus der Krone gebrochen zuzugeben: Die gewaltigste Leistung, die für die Kommunen in den letzten fünf Jahren erbracht worden ist, war die Übernahme der Grundsicherung durch den Bund, die Rot-Grün vorher den Gemeinden aufgedrückt hatte.
Denn die Wahrheit ist: Bei Einführung der Grundsicherung in diesem Land hat Rot-Grün regiert. RotGrün hat sie zu einer kommunalen Aufgabe gemacht und im Bundestag beschlossen. Erst wir haben sie zu einer Bundesaufgabe gemacht.
Dass das natürlich im Bundesrat verhandelt worden ist, ist wohl das Normalste der Welt.
Jeder weiß: Im Bundesrat, der ist, wie er ist, hat man auch die Dinge zu verhandeln. Dafür gibt es diese Institution.
Wissen Sie, wenn Rot-Grün die Grundsicherung einführt, sie zu einer kommunalen Aufgabe macht und sie unter Schwarz-Gelb zu einer vom Bund finanzierten Bundesaufgabe wird, weiß ich, wer kommunalfreundlich und wer kommunalfeindlich ist.