Protokoll der Sitzung vom 30.11.2016

(Heiterkeit von der FDP und der CDU – Mi- chele Marsching [PIRATEN]: Ich habe nur we- gen des Fußballvergleichs geklatscht!)

Was nehmen denn die Menschen in NordrheinWestfalen nach fast sieben Jahren der Regierung von SPD und Grünen in der Verkehrspolitik wahr? – Rekordstaus, wie es sie in Nordrhein-Westfalen noch nie gab. Es wundert mich schon, dass sich dann der Kollege Becker des besten Antistauprogramms der SPD in Deutschland rühmt.

(Heiterkeit von Karlheinz Busen [FDP] – Jo- chen Ott [SPD]: Ja, selbstverständlich!)

Wir haben jedoch Rekordstaus.

(Jochen Ott [SPD]: Deshalb gibt es doch die Baustellen!)

In Ihrer Regierungszeit von 2012 bis 2015 – ich nehme einmal diese Jahre heraus – haben sich die Staus in Nordrhein-Westfalen auf 320.000 km verdoppelt,

(Jochen Ott [SPD]: Na klar!)

weil Sie nichts getan haben. Täglich haben wir Staus, oft auf einer Länge von 400 km.

(Zuruf von der SPD: Warum?)

WDR 2 meldet immer häufiger Staus erst ab einer Länge von 10 km.

(Jochen Ott [SPD]: Warum denn?)

Schauen wir uns den Gütertransport an. In vielen Bereichen können Güter weder auf der Schiene noch

auf der Straße verlässlich transportiert werden. Das ist schlecht für den Wirtschaftsstandort NordrheinWestfalen und schlecht für die Arbeitsplätze in unserem Land.

Im Schienenpersonennahverkehr herrschen gerade zu Berufsverkehrszeiten in den Zügen unhaltbare Zustände. Dieses Fazit ziehen viele Bürgerinnen und Bürger nach sieben Jahren rot-grüner Verkehrspolitik.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Klocke?

Selbst um diese Uhrzeit, lieber Arndt.

Selbst zu dieser Uhrzeit, Herr Klocke, haben Sie Gelegenheit zu einer Zwischenfrage. Bitte schön.

Herr Präsident, vielen Dank. Lieber Christof Rasche, danke, dass du die Frage zulässt. Sie ist auch wirklich sachlich und ernst gemeint und passt damit auch zur Tonalität in der Debatte.

Zum Thema „Staus“: Ist es nicht Fakt, dass ein großer Teil der derzeit entstehenden Staus auf die zahlreichen Baustellen, insbesondere im Bereich der Sanierung und besonders der Brückensanierung zurückzuführen ist?

Die Leverkusener Brücke hätte man auch schon vor fünf oder zehn Jahren neu bauen oder sanieren können. Da frage ich den Kollegen der FDP, ob er das auch so sieht. Können Sie mir darin zustimmen, dass ein relevanter Teil der Staus im Lande mit der Baustellensituation, mit der Sanierungssituation und der Notwendigkeit zu tun hat, unsere Infrastruktur endlich wieder auf Trab zu bringen, und nicht eine Folge verfehlter Verkehrspolitik ist?

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Klocke, vielen Dank. Das war eine relativ kurze Frage und eine relativ lange Rede. Der Fehler bei der Leverkusener Brücke war, dass man mit den Planungen erst angefangen hat, als die Brücke für Fahrzeuge ab einer gewissen Tonnage gesperrt wurde, obwohl schon Jahre vorher klar war, dass dieser Defekt irgendwann eintreten würde.

In Zukunft müssen wir gemeinsam mit dem Bund so handeln, dass wir schon dann mit der Planung beginnen, wenn sich abzeichnet, dass eine Brücke gesperrt werden muss, und nicht erst dann, wenn das

Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Das wäre ein Riesenfehler.

Zu den Staus. In einem Infrastrukturnetz, also auch bei Straßen, gibt es immer Baustellen. Die gehören zu einem Verkehrsnetz und zum Verkehr dazu. Ein bedarfsgerechtes Verkehrsnetz kann es sich leisten, Baustellen zu haben, ohne dass das zu größeren Staus führt. Wenn aber jede kleine Baustelle oder jede Grünmaßnahme zu langen Staus führt, heißt das, dass das Verkehrsinfrastrukturnetz nicht bedarfsgerecht ist – und genauso ist es in NordrheinWestfalen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Nicht die Baustellen sind also die Ursache für die Staus, sondern das liegt daran, dass das Infrastrukturnetz mangelhaft und nicht bedarfsgerecht ist. Man hätte viel früher und viel mehr ausbauen und natürlich auch sanieren müssen.

Zu den Problemen, die wir im Zusammenhang mit Staus, dem Güterverkehr und dem Schienenpersonennahverkehr schon haben, kommt noch die Tatsache hinzu, dass auf vielen Engpässen die Kapazitätsgrenzen erreicht sind und trotzdem die Verkehre noch zunehmen.

Ihre Lösungsansätze haben in der Vergangenheit nicht getragen. Beim jetzigen Haushalt setzen Sie falsche Prioritäten – zu wenig für den Landesstraßenneubau; auch da gibt es viele Engpässe, sogar ein Rekordniedrigniveau. Nur Holzwickede bekommt eine neue Landesstraße – 2017, 300.000 € –, und das bei einer Maßnahme, die 12,8 Millionen € kostet. Das ist also auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Hunderte von anderen Kommunen in Nordrhein-Westfalen bekommen jedoch nichts, obwohl sie schon seit Jahrzehnten auf ihre Umgehungsstraße oder Landesstraße warten.

Die Erhaltungssubventionen sind ein wichtiges Thema für Bundes- und auch Landesstraßen. Der Kollege Klocke sagte eben, man wäre den Forderungen, die allgemein gestellt worden sind, gefolgt. Sie haben dann zwei Beispiele genannt. Sie haben jedoch überhaupt nicht den Landesrechnungshof erwähnt. Dieser hat gesagt: Pro Jahr müssen 200 Millionen € zur Verfügung gestellt werden, sonst vergammelt die Infrastruktur weiter. Von diesen 200.000 €

(Minister Michael Groschek: 200 Millionen €)

sind Sie noch weit entfernt. Und hätten Sie nicht das viele Geld für Radwege und Sozialticket, sondern für die Sanierung ausgegeben, hätten Sie dieses Defizit zwischen 130 Millionen € und 200 Millionen € decken können, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Kollege Groschek sagte eben: Die Regierung und die Koalition sind für „Erhalt vor Neubau“; das hat er massiv nach vorne getragen. Die Koalition, die das

im Jahre 2008 erfunden hat, war die Koalition von CDU und FDP. Das war nämlich der erste Haushalt seit Jahrzehnten, in dem der Titel für Erhalt höher war als für Neubau. Das haben Sie dann natürlich fortgesetzt, Sie haben es gerade nur wieder ein bisschen einseitig dargestellt.

Nächstes Stichwort: Bundesfernstraßenbau. Einmal haben wir die Planungspriorisierung erlebt, also den Stillstand bei der Planung vieler Baumaßnahmen im vordringlichen Bedarf. Zwischen 2010 und 2012 wurden in Nordrhein-Westfalen weitere Ingenieurstellen unter der Regierung von Rot-Grün abgebaut.

Als der Bund gemeldet hat: „Wir legen ein Sonderprogramm auf, nennt uns bitte alle baureifen Projekte, dann nehmen wir davon welche auf“, konnte Nordrhein-Westfalen nicht ein einziges Projekt anmelden. Das ist fatal, und das hat mit guter Verkehrspolitik nichts zu tun.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich könnte jetzt noch viele Beispiele nennen.

Der Minister sprach von einer neuen Verkehrspolitik. Die brauchen wir ab der nächsten Landtagswahl. Weiterhin sprach der Minister vor einigen Wochen von einer Durchgrünung der Gesellschaft. Im Grunde hat er damit den Lösungsansatz für eine Wende in der Verkehrspolitik genannt. Lieber Herr Minister, Sie wissen, was ich meine. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Rasche. – Nun spricht für die grüne Fraktion Herr Kollege Beu.

Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Herr Rasche hat ja gerade etwas von einer durchgrünten Verkehrspolitik gesagt.

(Christof Rasche [FDP]: Ich habe zitiert!)

Genau, der Minister hat ja im Prinzip auch gesagt: eine geänderte, moderne Verkehrspolitik. – Eine geänderte, moderne Verkehrspolitik bedarf gerade grüner Zielsetzungen – grüner Zielsetzungen, die auch in Richtung Radverkehrsförderung gehen, was ja auch bereits mein Kollege Klocke gesagt hat. Hierzu gehört auch der Grundsatz „Erhalt vor Neubau“.

Wenn Sie das Motto „Erhalt von Landesstraßen“ wirklich ernst meinen, und dann erwähnen, dass dafür eigentlich 200 Millionen € notwendig sind, dann möchte ich in diesem Zusammenhang gerne wissen: Was ist denn in Ihrer Regierungszeit damals investiert worden? – Nach meinem Kenntnisstand waren es 55 Millionen €, also ein Viertel dieses Betrages. Wir haben im laufenden Haushalt den Ansatz gegenüber Ihrer Regierungszeit dementsprechend verdoppelt.

Als Sprecher für ÖPNV und Bahnpolitik der Grünen im Landtag kann ich mich ganz besonders freuen; denn Rot-Grün stärkt mit diesem Haushalt die ökologisch nachhaltigen Verkehre und sorgt gleichzeitig dafür, dass alle Menschen partizipieren können. Das ist kein politisches Gerede, sondern meine Aussagen beruhen auf Tatsachen, und diese Tatsachen möchte ich an drei Beispielen verdeutlichen.

Ich komme zunächst zu Ihrem Lieblingsthema – das habe ich heute auch schon wieder gehört –, dem Sozialticket. Mit einem Ansatz von 40 Millionen € bleiben wir in NRW klar auf einem sozialen Kurs. RotGrün ermöglicht Mobilität und damit Teilhabe für breite Schichten der Bevölkerung unseres Landes. Fast 300.000 Menschen, also die Einwohnerzahl einer mittelgroßen Großstadt, profitieren davon. Rund 85 % aller Berechtigten haben Zugang zum Sozialticket.

Um dem Mythos entgegenzuwirken: Es stehen einer Hartz-IV-Empfängerin, einem Hartz-IV-Empfänger rechtlich rund 23 € für Mobilität im Monat zu. Jeder, der weiß, wie hoch die Ticketpreise hier im Land sind, wird feststellen, dass man damit nicht besonders weit kommen kann. Es wäre natürlich viel schöner und eigentlich auch viel gerechter, wenn die Bundesregierung die Regelsätze im SGB II entsprechend nachhaltig anpassen würde.

Zweites Beispiel, das ÖPNV-Gesetz, auch wenn wir es erst in zwei Wochen hier im Plenum diskutieren werden: Das neue ÖPNV-Gesetz setzt Maßstäbe. Mit Sonderprogrammen macht Rot-Grün den ÖPNV in NRW fit für die Zukunft, auch ein Ergebnis grüner Verkehrspolitik.

Wir werden zukünftig die Anschaffung von Elektrobussen gezielt fördern. Aufgegebene Bahnstrecken werden wir reaktivieren.