Protokoll der Sitzung vom 30.11.2016

Wenn die CDU sich ernsthaft zur JVA Münster äußert, kann ich nur sagen: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. – Es ist unfassbar! Sie und Ihre Parteifreunde tragen die Verantwortung dafür, dass wir in Münster nicht weitergekommen sind, und selbstverständlich wird das Ministerium daraus Konsequenzen ziehen und andere Standorte finden. Das ist peinlich. Nehmen Sie Ihren Oberbürgermeister, Ihr Verteidigungsministerium und Ihre Partei in Münster mal zur Seite, weil das unglaublich ist.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Herr Wedel, wir hatten ja schon eine Auseinandersetzung im Ausschuss darüber, wie die rot-grünen Haushaltsanträge, die wir im Ausschuss eingebracht haben, sich zusammensetzen und zustande gekommen sind. Extra für Sie habe ich es noch mal mitgebracht. Ich habe hier eine rote Mappe, und ich kann Ihnen verraten, dass der Kollege Wolf eine grüne Mappe hat. Darin hat die freie Straffälligenhilfe sehr detailliert für jede einzelne Beratungsstelle, für jede einzelne Maßnahme den Personalbedarf, die Sachmittel und die Ein- und Ausgaben dargestellt.

Genau daraus haben wir den Finanzierungs-Gap berechnet und ihn im letzten Haushalt und in diesem Haushalt mit Haushaltsanträgen der Fraktion hinterlegt, damit die wichtige Aufgabe der freien Straffälligenhilfe ausfinanziert ist.

Es ist ein Armutszeugnis für die FDP, dass Sie mit diesen wichtigen Verbänden keine Gespräche geführt haben. Ich rate Ihnen, das nachzuholen. Ich kopiere Ihnen gerne die Unterlagen und stelle sie Ihnen zur Verfügung.

(Sven Wolf [SPD]: Gibt es dazu eine Drucksa- chennummer?)

Wir haben keine Strichdrucksache dazu. Aber es kommen ja die Controllingberichte. Die Controllingberichte der freien Straffälligenhilfe dürften auch Ihnen nicht entgangen sein. Sie werden Ihnen ja nun wirklich ins Postfach geliefert.

Ich möchte kurz in einer Minute die Förderbereiche der freien Straffälligenhilfe nennen, weil sie uns wirklich ein Herzensanliegen sind. Wir haben nämlich eine Haushaltsstelle noch einmal geteilt. Es gibt die Beratungsstellenarbeit und die Arbeit der Ehrenamtlichen.

Der nächste Bereich ist der Täter-Opfer-Ausgleich. Er führt zu einer hohen Zufriedenheit und bewirkt, dass auch Opfer zu ihren Rechten kommen.

Die gemeinnützige Arbeit ist wichtig, um Haft und Wiederstraffälligkeit zu vermeiden und so auch Geldbußen ableisten zu können.

Die Behandlung von Sexualstraftätern muss uns ein Anliegen sein; denn gerade in diesem Bereich leiden die Opfer darunter, wenn es zu Wiederholungstaten kommt.

Die Täterarbeit ist, anders als die CDU es immer darstellt, die andere Seite derselben Medaille des Opferschutzes.

Die Haftverkürzung hilft uns, Haft dadurch zu vermeiden, dass Haft schneller beendet werden kann. Deswegen ist die Zuwendung in diesem Förderbereich auch wichtig.

Ich möchte noch den letzten Bereich nennen: das Übergangsmanagement im Jugendarrest. Wir wissen, dass wir im Jugendarrest eine sehr hohe Rückfallquote haben. Alles, was wir da freien Trägern zur Verfügung stellen, damit Jugendliche künftig ein Leben ohne Straftaten führen können, hilft uns allen.

Wir unterstützen diesen Einzelplan. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Hanses. – Für die Piratenfraktion spricht nun Herr Kern.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal!

(Britta Altenkamp [SPD]: Nicht die zwei am Stream vergessen!)

Herr Minister, ich glaube – das konnten auch die Redner der Opposition schon darlegen –, dass es nicht Ihr Jahr 2016 war, wenn ich das einmal so salopp formulieren darf. Da beißt die Maus, glaube ich, keinen Faden ab.

Ich will jetzt auch nicht in den parteipolitischen Teil der SPD mit der Personalie Hinz abgleiten. Es macht keinen guten Eindruck, wenn der Leiter des Justizprüfungsamtes in seinem weiteren Kollegenkreis nicht mitbekommt, dass eine angegebene Ausbildung tatsächlich nicht absolviert ist. Wie gesagt, möchte ich das gar nicht weiter ausführen.

(Nadja Lüders [SPD]: Der „Leiter“ ist eine Prä- sidentin!)

Ja. Aber der Justizminister trägt doch dafür auch noch die Verantwortung.

(Minister Thomas Kutschaty: Nein, ich bin ge- genüber der Präsidentin des Justizprüfungs- amtes nicht weisungsbefugt!)

Gut; wenn Sie sich das jetzt ans Revers heften wollen. Ich finde, dass das für einen Justizminister keinen guten Eindruck macht.

(Zurufe von der SPD)

Die anderen Punkte, die im Raume stehen – die geräumte JVA Münster und 1.000 Schuss fehlende Munition in der JVA Ronsdorf –, liefern sich ein hartes Kopf-an-Kopf-Rennen um den Titel des hochnotpeinlichsten Vorfalls. Was wir uns im Rechtsausschuss anhören mussten, zeugt jedenfalls nicht von hoher Regierungskunst.

(Britta Altenkamp [SPD]: Piercen Sie sich demnächst wenigstens! Dann interessiert das wenigstens!)

Wir sind ja hier in diesem kleinen Kreis fast in einer Rechtsausschuss-Atmosphäre. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir bemühen uns im Rechtsausschuss ja um eine vernünftige Diskussionsatmosphäre. Vielleicht kriegen wir das hier auch hin.

(Zuruf von der SPD: Aber nur fast!)

Natürlich sind – darauf wurde schon hingewiesen – die Vorfälle der Selbsttötungen in den Justizvollzugsanstalten besonders bedauerlich. Sie haben mit 18 einen Rekordstand erreicht, und das Jahr ist noch nicht abgeschlossen. Die Zahl liegt damit doppelt so hoch wie in den Vorjahren. Das ist äußerst bedauerlich und wirft tatsächlich kein gutes Licht auf den Strafvollzug.

(Britta Altenkamp [SPD]: Man sieht Ihnen die Trauer nicht an!)

Da müssen wir schauen – vor allem das Ministerium –, wie man dem entgegenwirkt.

(Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

Wir hatten uns gerade darauf verständigt, dass wir auch in der Haushaltsdebatte über Justizpolitik sprechen können. Dann möchte ich das auch gerne tun. Ich bin nicht ganz sicher, ob Videoüberwachung tatsächlich der allein selig machende Schlüssel zum Erfolg ist. Ich habe da meine Zweifel. Ich glaube, dass der letzte Vorfall nicht dazu geeignet ist, dieses Mittel komplett zu rechtfertigen und zu sagen: Damit haben wir eine super Lösung.

Ich möchte den Justizminister an dieser Stelle aber auch ausdrücklich loben. Er hat durchaus gezeigt, dass in der Landesregierung juristischer Sachverstand und Vernunft herrschen bzw. zumindest herrschen können.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass gegen den Vorstoß aus Hessen betreffend die Einführung eines § 112 StGB vernünftig argumentiert wird. Es kann nicht

sein, dass wir mit zweierlei Maß messen und Polizeibeamte ein höheres Rechtsgut darstellen oder eine besonders verteidigungswürdige Position im Vergleich zum Normalbürger haben. Ich glaube, dass diese Argumentation ganz schnell auf eine ganz schiefe Ebene führt. Ich finde es gut, dass Sie dort Widerstand leisten und auch bei der Verschärfung des § 238 StGB Zurückhaltung zeigen, bei der man auch ganz genau gucken muss, ob Handlungsbedarf besteht oder ob die Vorschriften, die wir zum Stalking bereits im Gesetz haben, ausreichen.

Aber natürlich – dabei bleibe ich auch – gibt es eine große rechtspolitische Flanke in der Justizpolitik. Damit verrate ich auch nichts Neues. Sie besteht darin, dass es immer noch keinen Rentenanspruch der Strafgefangenen für die Arbeit, die sie hinter Gittern verrichten, gibt. Wenn man von einem „BER der Justiz“ sprechen wollte, dann wäre es bei diesem Punkt. Denn nächstes Jahr jährt sich zum 40. Mal die Feststellung des Bundesgesetzgebers, dass im Strafvollzug ein Rentenversicherungsanspruch besteht.

Bislang ist dieser jedoch an der Finanzierungsfrage zwischen Bund und Ländern gescheitert. Für NRW geht es dabei um 40 Millionen €. Ich glaube, es stünde uns allen gut an, wenn wir dieses Versprechen an die Strafgefangenen endlich erfüllen würden. Die Umsetzung kostet uns, wie gesagt, umgerechnet 40 Millionen € im Jahr. Angesichts der anderen Summen, die heute in diesem Haus verhandelt wurden, scheint mir das eine machbare Summe zu sein. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kern. – Nun spricht für die Landesregierung Herr Minister Kutschaty.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Klarstellung möchte ich eine kurze Anmerkung zu Ihren Ausführungen machen, lieber Herr Kollege Kern. Der Justizminister von Nordrhein-Westfalen ist gegenüber der Präsidentin des Landesjustizprüfungsamtes nicht weisungsbefugt. Er darf auch nicht in die Prüfungsakten schauen und gucken, wer in NordrheinWestfalen ein Examen gemacht hat. Das müssten Sie als Jurist eigentlich wissen.

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Darum ging es nicht!)

Ich wäre in diesem Zusammenhang schon fast daran interessiert, einmal in Ihre Akten zu gucken.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Nicolaus Kern [PIRATEN]: Das können Sie machen!)

Nachdem ich mir die anderen beiden Oppositionsparteien angehört habe, kann ich feststellen: Es gibt

keine Koalition in der Opposition. Das muss auch nicht sein. Es ist sogar gut, dass Sie unterschiedliche Ansichten haben. Diese Ansichten stehen aber derart entgegengesetzt zueinander, dass ich glaube: So schlecht sind wir in der Landesregierung gar nicht, was die Rechtspolitik anbelangt.

Der eine sagt, wir gäben zu viel aus, während der andere sagt, hier und da fehle etwas. Irgendwie ist das doch schon sehr eigenartig.

(Nadja Lüders [SPD]: Dann machen wir alles richtig!)

Ich nenne Ihnen einen Leitgedanken, der die nordrhein-westfälische Justizpolitik dieser Landesregierung und auch der Koalitionsfraktionen bestimmt. Die Justiz in unserem Lande muss für jeden erreichbar sein; sie muss aber auch jeden erreichen. Was den zweiten Teil anbelangt, dass die Justiz jeden in diesem Lande erreichen muss, brauchen wir uns für die Arbeit der letzten sechs Jahre nicht zu verstecken, glaube ich.