Protokoll der Sitzung vom 01.12.2016

Fangen wir zunächst einmal mit Ihrer Aussage an, Herr Kollege, dass Sie den Antrag heute stellen würden, damit in den Schubladen etwas liege und man im neuen Schuljahr zügig mit der Umsetzung eines neuen Modells beginnen könne. Ich setze einmal voraus, dass das stimmt, was Sie gesagt haben, weil ich zu der Zeit noch nicht im Landtag war. Selbst wenn die Schubladen mit Umsetzungsvorschlägen voll gewesen wären, hätten Sie, liebe CDU- und FDP-Fraktion, diese doch nicht umgesetzt, weil Sie ein völlig anderes Modell haben wollten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Insofern ist das doch „Hinters-Licht-Führen“. Darin lag doch gerade das Problem, dass die regierende Koalition ein anderes Modell hatte und dass Sie dann in aller Überstürzung den Schulen ein neues Modell übergestülpt haben, ohne Plan, ohne Sinn und ohne Funktion.

Ich will ein Zweites sagen: Wären Sie, lieber Herr Kaiser, beim runden Tisch gewesen,

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Ja!)

dann hätten Sie gehört, dass das genau der große Wunsch der meisten Beteiligten war, denn die haben gesagt: Wenn wir eins nicht wollen, dann ein ähnliches Vorgehen, wie es 2005/2006 gewesen ist.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir wollen, wenn es Änderungen gibt, dass sich die Schülerinnen, die Schüler, die Eltern, die Schulen, die Lehrer in aller Ruhe darauf vorbereiten können, dass vor allen Dingen ein pädagogisches Konzept vorliegt, damit eine neue Umstrukturierung wirklich einen Plan hat.

(Klaus Kaiser [CDU]: Mit Vorbereitung, darum geht es ja!)

Genau um die Vorbereitung geht es. Lieber Herr Kaiser, weil wir nicht wollen, was 2005/2006 passiert ist, haben wir gesagt: Es ist ein völlig legitimes, gutes und richtiges Verfahren, dass die Parteien ihre Modelle entwickeln und sich im Wahlkampf damit den Bürgerinnen und Bürgern stellen; dazu gehören auch die Schülerinnen und Eltern. Wer dann die Mehrheit hat, kann sein Modell umsetzen.

Herr Kaiser, das ist Demokratie. Ich weiß auch nicht, warum das Chaos sein sollte.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Bei jeder inhaltlichen Entscheidung hat der Bürger zwischen mehreren Positionen zu entscheiden, und das ist gut so.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Klaus Kaiser [CDU])

Herr Kaiser, da können Sie so viel dazwischenrufen, wie Sie wollen. Ich will Ihnen eins sagen: Dieser Antrag, den Sie hier heute vorlegen, ist inhaltslos und er ist das Kratzen an den Türen der Bürgerinitiativen und der Landeselternschaft der Gymnasien.

Ich will auch begründen, warum das so ist. Die CDU hat 2005/2006 in aller Eile das Modell eingeführt und hat über Jahre erklärt, alles sei wunderbar. Auf einmal ist die CDU abgesunken und hat dann erklärt, dass das FDP-Modell der Wahlen in der einzelnen Schule Unsinn ist. Dann ist Herr Laschet auf seine Herbstreise gegangen und hat Schulen in den Herbstferien besucht. Im Anschluss daran haben Sie erklärt, dass Sie doch den Schulen die Wahl zwischen G8 und G9 im jetzt neuen, echten G9 ermöglichen wollen.

Herr Kaiser, Sie selbst haben gesagt, die Wahlen seien nicht gut bei einzelnen Schulen. Ich frage hier noch einmal: Wie wollen Sie das lenken? Sie schreiben auf Ihrer Internetseite, wo ich übrigens habe nachsehen müssen, um zu erfahren, was das „echte G9“ denn ist

(Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU])

in der Tat, ich schaue auch nach, was Sie sagen –, dass die Schulen das in den Schulkonferenzen entscheiden sollen und der Träger das bestimmen soll. Sie sagen aber nicht, für welchen Zeitraum, für welche Gültigkeitsdauer. Was machen Sie in strukturschwachen ländlichen Bereichen, in denen es nicht die Möglichkeit gibt, verschiedene Gymnasien verschiedener Art einzuführen? All die Antworten auf diese Fragen bleiben Sie uns ebenso schuldig wie die FDP.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Jetzt zum Abschluss noch einmal zu Ihrem echten G9: Echtes G9 scheint das zu sein, was als weiteres Merkmal die 180 Jahreswochenstunden hat. 180 Jahreswochenstunden – das kann selbst ich ausrechnen – sind 30 Wochenstunden. Ich rede jetzt nicht über die Gesamtschulen, sondern nur über das, was an den Gymnasien stattfinden soll. Das bedeutet für Sie offensichtlich den echten Halbtag. Hierzu muss ich ehrlicherweise sagen, dass ich darüber noch überraschter bin als über die sofortige oder schnelle Einführung.

Die Redezeit.

Herr Laschet war neben dem Integrationsminister auch einmal Frauenminister und hat sich für die Gleichstellung starkgemacht, was ich sehr begrüßt habe.

Die Redezeit.

Jetzt muss ich aber fragen: Was hat der echte Halbtag noch mit unterschiedlichen Familienmodellen zu tun, wo die Eltern froh und glücklich sind, wenn wir den Ganztag anbieten? Was hat das mit Chancengleichheit, mit individueller Förderung zu tun?

(Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: Gar nichts!)

Frau Kollegin, die Redezeit.

Herr Kaiser, kurz und knapp: Ihr Antrag geht am Thema vorbei. Wir werden ihn ablehnen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. Glück auf.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Voigt-Küppers. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Beer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Kaiser, das war putzig – der Vortrag wie auch der Antrag. Das muss ich wirklich einmal so sagen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Also, ich habe mir das Schmunzeln nicht verkneifen können. Natürlich ist es richtig, auf das Jahr 2004 zu verweisen und auf die allgemeine Entscheidung, die getroffen worden ist. Aber 2006 haben Sie die Sekundarstufe I verkürzt. Diesen Schaden haben Sie im Land angerichtet, indem Sie es den Schulen und den Kommunen vor die Tür geworfen haben,

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

und das innerhalb von nicht einmal drei Monaten.

Jetzt machen Sie den gleichen Fehler wieder. Sie wollen die Schule in Umbrüche stürzen, die Gymnasien in Umbrüche stürzen und sie gleichzeitig auch noch in eine Konkurrenzsituation gegeneinander bringen.

Wären Sie mal, wie Frau Kollegin Voigt-Küppers gesagt hat, zum runden Tisch gekommen und hätten sich den Medienklamauk im Vorfeld erspart, dann hätten Sie nämlich hören können, dass es unisono der Wunsch der Schulen war: Stürzt uns nicht in diesen vermeintlichen Wettbewerb eines ominösen Marktes nach dem FDP-Modell! – Das wollte niemand.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Selbst wenn die Kollegin sagt, da könne man nicht auf Befindlichkeiten von unterschiedlichen Akteuren

Rücksicht nehmen: Nein, das wollen die Schulen nicht. Das wollen die Schulen nicht!

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Yvonne Gebauer [FDP]: Das habe ich nicht gesagt!)

Das war schon genau die Aussage, die dazu getroffen worden ist.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Exakt!)

Die differenzierten Haltungen haben wir da ja auch gehört.

Also: Eine Regelung, die die Schulen gegeneinander ausspielt, wollte wirklich niemand. Deswegen machen wir Grüne das auch anders. Wir sagen sehr deutlich: Es wird ein Schulgesetz, eine landesgesetzliche Regelung geben, die sicherstellt, dass es das Angebot von G8 und G9 an jeder Schule gibt. Da wird es keine unguten Auseinandersetzungen der Schulen untereinander geben. Die Schulen werden gut darauf vorbereitet – und die schulgesetzliche Grundlage auch.

Die Teilnehmerinnen am runden Tisch haben auch deutlich gemacht, dass sie dann wieder einbezogen werden müssen. Auch das blendet Ihr Vorschlag aus. Aber Sie waren ja nicht dabei – schade –, sonst hätten Sie festgestellt, dass Sie sich diesen Antrag wirklich hätten sparen können.

Lieber Kollege Kaiser, wenn Sie hier den Schulen, die jetzt schon individuelle Lernzeiten praktizieren, unterstellen, das sei Chaos, verstehe ich das nun gar nicht.

(Klaus Kaiser [CDU]: Nein, nein!)

Ja, natürlich! Wenn Sie es für unmöglich halten und der Ministerin hier sagen, das sei ein Chaoskonzept, dann sage ich Ihnen: Nein, die Schulen machen die individuellen Lernzeiten, und sie gelingen. Gehen Sie doch einmal vor Ort und schauen Sie sich die Schulen an, die das genauso umsetzen! Ich habe Sie bisher für einen Schulexperten gehalten; so haben wir miteinander diskutiert. Das ist doch wirklich nicht der Sache angemessen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Aber eines will ich noch sagen, weil es mich wirklich berührt hat: Geradezu merkwürdig sind die Einlassungen, die Sie in diesem Antrag zum Ganztag machen. Das ist ein gesellschaftspolitischer Rollback, den Sie da vorzunehmen versuchen,